Flexible Innovationsfähigkeit

Qualifikationspolitik und die Veränderung von Staatlichkeit - Momente postfordistischer Hegemonie.

"Jedes Verhältnis von ‚HegemonieÂ’ ist notwendigerweise ein pädagogisches Verhältnis und ergibt sich nicht nur im Innern einer Nation, zwischen den verschiedenen Kräften, aus denen sie ...

... sich zusammensetzt, sondern auf der gesamten internationalen und globalen Ebene, zwischen nationalen und kontinentalen Zivilisationskomplexen." (Gramsci 1991ff: 1335) In den letzten Jahren hat die Frage nach den Qualifikationen und Kompetenzen der Arbeitskräfte und ihre Veränderung in den wissenschaftlichen wie politischen Auseinandersetzungen um unterschiedliche Entwicklungsdynamiken kapitalistisch verfasster Gesellschaften an Bedeutung gewonnen (Coates 2000). Wir wollen in diesem Beitrag der Frage nachgehen, wie Veränderungen der Arbeit und der damit verbundenen Qualifikationen der Lohnabhängigen, mit der Entwicklung eines flexiblen, permanente Innovationsfähigkeit beanspruchenden, wissensbasierten Kapitalismus zusammenhängen. Veränderungen der Arbeitsverhältnisse und der gesellschaftlich dominanten Qualifikationsbegriffe verweisen auf Veränderungen des Staates und umgekehrt. Daher ist die Reproduktion der Arbeitskräfte nicht von der Dynamik der Staatlichkeit zu trennen (Jessop 2002), wobei schulische und berufliche Ausbildungsprozesse ein wesentliches Aufgabenfeld staatlicher Institutionen darstellen. Politische Strategien, die etwa auf einem umfassenden und veränderten Begriff der Qualifizierung beruhen - wie etwa das Konzept des lebenslangen Lernens -, verlangen von den Subjekten Fähigkeiten zur permanenten Veränderung und Anpassung und verknüpfen dies mit der Herausbildung neuer staatlicher Kapazitäten. In diesem Kontext erscheint uns der Rückgriff auf das Hegemoniekonzept Antonio Gramscis (Gramsci 1991ff) als sinnvoll, weil damit die Sicherung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse jenseits repressiver Praktiken analysierbar gemacht werden kann. Hegemonie kann als moralische, politische und intellektuelle Führung verstanden werden (Jessop 2002), die auf der Erzeugung einer "gemeinsamen Weltanschauung" (Gramsci 1991ff) beruht, die durchaus im praktischen Sinne verschiedene gesellschaftliche Handlungsformen erst ermöglicht. In den hegemonialen Auseinandersetzungen soll der aktive Konsens und die selbsttätige Unterordnung der Individuen unter die herrschenden Verhältnisse durch partielle Befriedigung ihrer Bedürfnisse in hegemonialen Kompromissen sichergestellt werden. Auseinandersetzungen um die Fähigkeiten und Qualifikationen der Lohnabhängigen und ihre selbständige Anpassung in vielfältigen Lernprozessen wollen wir daher als wesentliches, strategisches Moment postfordistischer Hegemonie sichtbar machen, das quasi auf eine neue "allgemeine Auffassung vom Leben" (Gramsci 1991ff,117) verweist. Im ersten Abschnitt werden wir Veränderungen der Arbeits- und Produktionsverhältnisse als Feld sozialer Auseinandersetzungen um die Fähigkeiten der Beschäftigten diskutieren, in denen die Fähigkeit eine zentrale Rolle zukommt (1.). Dies hängt mit der Durchsetzung eines flexiblen, auf permanente Innovationsfähigkeit ausgerichteten Akkumulationsregime zusammen, durch das Veränderung zum zentralen Element der Reproduktion der kapitalistischen Produktionsverhältnisse wird (2.). In diesem Kontext spielen unterschiedliche Strategien, den Arbeitskräfteeinsatz durch Formen numerischer oder funktionaler Flexibilität sicherzustellen, eine wichtige Rolle (3.). Insbesondere Strategien zur Verbesserung der funktionalen Einsatzmöglichkeiten durch Höherqualifikation der Beschäftigten, führen untern den Bedingungen der Innovationsfähigkeit zu grundlegenden Veränderungen des gesellschaftlich dominanten Qualifikationsbegriffs (4.). Diese Veränderungen ziehen in weitere Folge einen weitreichenden Umbau staatlicher Institutionen und hegemonialer Verhältnisse nach sich, wie wir im letzten Abschnitt andeuten wollen (5.).

1. Soziale Kämpfe um Qualifikationen und Wissen der Arbeitskräfte

Mit dem Konzept der immateriellen Arbeit haben Michael Hardt und Antonio Negri (2000, siehe auch Negri et al. 1998, Negri/Hardt 1998) die zentrale Bedeutung der qualitativen Veränderungen der Arbeit, die von den sozialen Kämpfen und Bewegungen seit den 1960er Jahren und ihrer Niederlage bewirkt wurden, wieder ins Zentrum einer kritischen Analyse des globalisierten Kapitalismus gerückt. Die "immateriellen" Fähigkeiten der Lohnabhängigen, die spätestens seit den 1980er Jahren Prozessen der Kodifizierung und Einhegung unterworfen werden (Lazzarato 1998), haben demgemäss grundlegend zur Durchsetzung des postfordistischen Kapitalismus beigetragen. Die kommunikativen, kooperativen, selbsttätigen und affektiven Fähigkeiten der Beschäftigten sind daher auf der Basis einer umfassenden Informatisierung der Produktion von Gütern und Dienstleistungen und der wachsenden Bedeutung sogenannter Wissensarbeit - also der Analyse und Bearbeitung von Symbolen - zu den "dominanten" Bestimmungsmerkmalen der Arbeit und der damit verbundenen Subjektformen geworden. Werden Konstitution und Veränderungen der gesellschaftlichen Arbeitsprozesse, Arbeitsteilungen und Arbeitsverhältnisse (Poulantzas 2002, Demirovic 1987) relational aufgefasst, müssen sie im Verhältnis zu den Strukturen und Organisationsformen des Kapitals sowie der politischen Ebene - also der Dynamik moderner Staatlichkeit - analysiert werden. Veränderungen der Arbeits- und Produktionsverhältnisse verweisen auf Veränderungen der Staatlichkeit und ihr Verhältnis zur kapitalistischen Ökonomie und umgekehrt. So versucht der Staat über das Schul- und Berufsbildungssystem, wie auch die Universität, auf die gesellschaftlichen Arbeitsteilungen Einfluss zu nehmen und die Produktionsverhältnisse zu verändern. Solche Maßnahmen "sind eine notwendige Bedingung zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität sowie zur Beschleunigung technologischer Innovationen und ihrer Anwendung im Arbeitsprozess (die verschiedenen ‚technologischen Revolutionen‘ setzen immer Veränderungen der Produktionsverhältnisse voraus). Kurz sie sind notwendig zur Erhöhung der Ausbeutung der Arbeit." (Poulantzas 2002: 207f) Angesichts fortgesetzter ökonomischer Probleme in den entwickelten kapitalistischen Staaten rückte spätestens seit den 1990er Jahren die Frage der qualitativen Verfasstheit der Arbeitskräfte und damit der Ausbildungs- und Qualifikationsniveaus (wieder) in den Mittelpunkt gesellschaftlicher wie theoretischer Auseinandersetzungen (Coates 2000) um unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungsdynamiken und Krisenbewältigungsstrategien. Die dynamische Anpassungs- und nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitskräfte rückte ins Zentrum der Konflikte zwischen Lohnarbeit und Kapital um die Durchsetzung eines strukturell flexiblen, auf permanente Innovationsfähigkeit ausgelegten sogenannten wissensbasierten Kapitalismus (Jessop 2002). Dies manifestierte sich etwa in Versuchen der Erneuerung sozialdemokratischer Programmatiken (Lassnigg 2002) - etwa im sogenannten Third Way - sowie im Umbau staatlicher Institutionen und der wachsenden Bedeutung regionaler und supranationaler Institutionen. In diesen Auseinandersetzungen wird aber auch der überkommene Qualifikationsbegriff der tayloristisch-fordistischen Phase unzureichend. Dieser wurde v. a. als Fähigkeit der Arbeitskräfte, mit den technisch-organisatorischen Determinanten der Arbeitsanforderungen im hochgradig arbeitsteiligen, rational-bürokratisch organisierten, hierarchischen Unternehmen umzugehen, gefasst. Die Auseinandersetzungen um ein postfordistisches Qualifikationskonzept zielen jedoch nicht einfach auf die Rekonfiguration eines mehr oder weniger linear-strukturierten, ansonsten aber neutralen Modells der Kodifikation der Fähigkeiten der Beschäftigten, das im Sinne erneuerten sozialdemokratischer Konzeptionen zur Rekonstitution der Bedeutung öffentlicher Politik gegen den Marktradikalismus der Neoliberalen beitragen könnte. Dies würde den politischen Charakter der "neoliberalen Schreckensvision" und seine Umsetzung in staatlichen Politiken übersehen, die das Bildungswesen in Europa enger an ökonomische Notwendigkeiten und Abläufe binden, individualisieren und kommerzialisieren will. Vielmehr verknüpfen sich die Auseinandersetzungen um die Veränderungen des Qualifikationsbegriffs mit der Durchsetzung eines auf permanente Innovation abzielenden flexiblen Akkumulationsregimes (Jessop 2002). Dieses zieht eine umfassende Reorganisation der gesellschaftlichen Arbeitsteilungen, der Regulation der Arbeitsverhältnisse, der Reproduktion der Individuen (etwa im Bildungssystem) sowie des Staates nach sich. In aktuellen Debatten über Qualifikationen und Kompetenzen der Lohnabhängigen scheint die tayloristisch-fordistische Engführung überwunden und eine Dynamisierung des Qualifikationsbegriffs stattzufinden. Diese beruht auf der Betonung kommunikativer, kooperativer bzw. sozialer Kompetenzen sowie auf dem sicheren Umgang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Außerdem werden zu diesen Schlüsselqualifikationen (siehe unten, Papouschek et al. 1998, Gaubitsch/Pauli 1995) auch die Fähigkeit gezählt, eigenständig Probleme zu lösen und die eigene Tätigkeit in den Arbeitsprozessen und damit die eigenen Qualifikationen und Kompetenzen permanent zu reflektieren und in vielfältigen Lernprozessen zu erneuern. Dies erscheint notwendig, um mit den sich permanent verändernden Wettbewerbsbedingungen und Arbeitsanforderungen umgehen zu können "Ein kollektiver Lernprozess rückt ins Herz der Produktivität, da es nicht länger darum geht, bereits kodifizierte professionelle Kompetenzen in unterschiedliche Weise zusammenzusetzen oder zu organisieren, sondern es nach neuen zu suchen gilt." (Lazzarato 1998: 42)

2. Innovation: Reproduktion des Kapitalismus durch Veränderung

In der Frage der Lernfähigkeit der Beschäftigten verknüpft sich die Herausbildung eines flexiblen, permanent innovationsfähigen Akkumulationsregimes mit Veränderungen der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und der Hegemonie im Postfordismus. Die besondere Bedeutung des Innovationsbegriffs für den Postfordismus ergibt sich aus einer Interpretation der Krise des fordistischen Kapitalismus seit den 1970er Jahren, die diese als Ablösung einer langen Welle des Aufschwungs und Produktivitätswachstums sieht, die auf einer Reihe von Schlüsseltechnologien und -produkte (Fließfertigung, Auto-, Petro- und chemische Industrie etc.) beruhten. Nach umfassenden Veränderungen der sozialen, wirtschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, der Arbeits- und Produktionsprozesse sowie der Produkte und Dienstleistungen, soll eine neue lange Welle der Akkumulation (exemplarisch Lundvall/Borras 1997, Dosi et al. 1988) auf Basis einer Reihe neuer Technologien, wie etwa Mikroelektronik, Informations- und Kommunikationstechnologien, und damit verbundener Produkte und Dienstleistungen, die Dynamik und Produktivität des Kapitalismus wiederherstellen. Dies soll v.a. durch die Fähigkeit von Unternehmern, ihre Rolle als innovatorische "Entrepreneure" wahrzunehmen, durchgesetzt werden. In der zentralen Bedeutung der Innovationsfähigkeit wird Veränderung zum zentralen Element der Reproduktion des wissensbasierten Kapitalismus erklärt, aus der auch eine neue Fundierung der Rolle des Staates, der die dafür notwendigen Bedingungen schaffen soll, versucht wird. Die Fähigkeit und Bereitschaft zu Innovationen erscheint als Element der hegemonialen Sicherung kapitalistischer Herrschaft im Postfordismus. Im Kontext veränderter Arbeits- und Produktionsverhältnisse sowie der Restrukturierung von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik reicht es nicht, Innovationen als Reaktion des Kapitals auf eine versuchte aber gescheiterte Revolution, also auf den Antagonismus der Lohnabhängigen zurückzuführen (Negri 1992: 80). Vor dem Hintergrund des Problems der Innovationsfähigkeit des postfordistischen Kapitalismus, ist daher auch folgende Einschätzung unzureichend. "Die Legitimation des (Schumpeterschen) Unternehmers, die sich aus seiner Fähigkeit zur Innovation ableitete, hat seine Grundlage verloren. Der kapitalistische Unternehmer produziert weder die Formen oder Inhalte der immateriellen Arbeit, noch ist er innovativ." (Lazzarato 1997: 63) Die Bedeutung des Schumpeterschen Unternehmers war natürlich stets ideologisch begründet. Innovation und Innovationsfähigkeit sind als soziales Verhältnis oder besser als widersprüchliche Form der Reproduktion der Produktions- und Arbeitsverhältnisse aufzufassen. Sie sind nicht einfach Ergebnis besonderer Fähigkeiten und Qualitäten schöpferischer, unternehmungsfreudiger, entscheidungsfähiger und tatkräftiger Einzelpersonen, wie das im Konzept des Unternehmers angelegt ist, sondern werden erst durch die besondere Verfasstheit der Arbeits- und Produktionsverhältnisse ermöglicht. Grundsätzlich wird Innovation als die Fähigkeit gesehen, etwas Neues zu tun, also eine noch nicht bekannte Kombination der Produktionsmittel durchzusetzen. Diese hängt aber, wie schon Schumpeter feststellte, wesentlich von den in der Ökonomie vorfindbaren Qualitäten der Menschen ab. "(...) schöpferisches Reagieren (hat) (...) etwas zu tun (a) mit den Qualitäten der in einer Gesellschaft lebenden Menschen, (b) mit den relativen Qualitäten der Menschen, d.h. mit den für einen bestimmten Tätigkeitsbereich verfügbaren Qualitäten relativ zu gleichzeitig für andere Bereiche verfügbaren Qualitäten, und (c) mit individuellen Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensmustern." (Schumpeter, 1987: 184) Schumpeter sah in den 1920er Jahren die wesentliche Fähigkeit des Entrepreneurs - ganz im Gegensatz zur rational-bürokratischen Hierarchie der fordistischen Unternehmen - in der Entscheidung (Dezision) und damit in der Autorität der unternehmerischen Führung (Schumpeter, 1929). Diese Konzeption von Unternehmertum und Innovation erinnerte nicht zufällig an das Konzept des Politischen bei Carl Schmitt. Innovation ist im Schumpeterschen Verständnis nicht eine Leistung des Verstandes, sondern des Willens. Formen rationaler Planung, wie sie in den bürokratisch organisierten Unternehmen des Fordismus institutionalisiert wurden, würden demgegenüber die Innovationsfunktion der Unternehmer beeinträchtigen und schließlich zur Quelle von wirtschaftlichen Problemen werden. Die Funktion der unternehmerischen Führungsfähigkeit, die darin besteht, Neukombinationen der Produktionsfaktoren durchzusetzen, besteht in der Revolutionierung der Ökonomie (Schumpeter 1952, 1987), also in der Erhaltung der kapitalistischen Ordnung durch Veränderung. Veränderungsfähigkeit wird zum zentralen Moment der hegemonialen Verhältnisse. Während in der präfordistischen Phase Schumpeter den Entrepreneur und die Entscheidung über Innovationen von ihrer Umsetzung trennen und daher von einer vertieften Analyse der Arbeitsverhältnisse absehen konnte (Kocyba 2000), scheint dies unter den Bedingungen immateriellen Arbeit und den Veränderungen der Produkte und Dienstleistungen im Postfordismus nicht mehr möglich. Ja mehr noch, da Innovationen qua definitione darauf beruhen, dass Neues getan und durchgesetzt wird, beruhen sie auf Bedingungen, die vorab nicht vollständig bekannt sein können bzw. Konsequenzen nach sich ziehen, deren Reichweite die gesellschaftliche Reproduktion gefährden können und die sich rationaler Planung entziehen (Sauer/Lang 1999, Lundvall/Borras 1997). Eine Kritik des widersprüchlichen Charakters der postfordistischen Arbeits- und Produktionsverhältnisse muß daher die notwendige Politisierung und Demokratisierung der Frage, welche Veränderungen und Innovationen umgesetzt und wer darüber überhaupt entscheiden soll, thematisieren(Sauer/Lang 1999) und als Feld der Auseinandersetzungen um Hegemonie erkennen. Wenn, wie oben angedeutet Innovationen als soziales Verhältnis gesehen, ergäbe sich daraus die Begründung einer Repolitisierung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und der Demokratisierung der Wirtschaft.

3. Flexibilität und Innovationsfähigkeit

Die staatlich vermittelte Rekonfiguration der Arbeits- und Produktionsverhältnisse zur Sicherung von Innovationsfähigkeit kann grob entlang zweier Dimensionen diskutiert werden. a. Die Erhöhung der Kombinationsmöglichkeiten des Faktors Arbeitskraft soll zum einen durch die Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitsmärkte erreicht werden. Dies ermöglicht den Unternehmen den numerisch flexiblen, den Erfordernissen des Wettbewerbs angepassten Einsatz von Arbeitskräften. Der erneuerte Autoritarismus in den Arbeits- und Produktionsverhältnissen und in den postfordistischen Formen von Staatlichkeit ist hier offensichtlich (Hirsch 2002). Die wesentlichen Elemente dieser arbeitspolitischen Versuche, die Krisenerscheinungen des Fordismus seit den 1970er Jahren zu überwinden, fasst Bernd Röttger folgendermaßen zusammen: "Im Zentrum der neoliberalen Arbeitspolitik (...) steht die Transformation jener sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Mechanismen, die eine regulative Einhegung des kapitalistischen Arbeitsmarktes bewirkten. Die mittels der Durchsetzung sozialer Bürgerrechte im Betrieb und institutionalisierter Systeme für Lohnersatzleistungen in den nationalen sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Regimen Westeuropas ausgebildeten Elemente der Dekommodifizierung in der Vergesellschaftung der Arbeitskraft werden zurückgedrängt. Der in der neoliberalen Reform bewirkte Abbau makroökonomischer Regulierungen zielt auf die Durchsetzung von Formen kapitalistischer Regulation und ‚Verbetriebswirtschaftlichung‘ der sozialen Beziehungen (...)." (Röttger 1997: 182) b. Zum anderen wird Flexibilität durch eine Verbesserung des funktionalen Einsatzes der Beschäftigten angestrebt, was etwa durch Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung erreicht werden soll. Durch den umfassenden Einsatz der Kompetenzen und Fähigkeiten der Beschäftigten und in weiterer Folge durch die Mobilisierung ihrer Subjektivitäten wird eine Re-Regulation der Widersprüche zwischen Lohnarbeit und Kapital im Postfordismus, angestrebt. In den Auseinandersetzungen um Qualifizierungs- und Weiterbildungsstrategien wird daher um den aktiven Konsens und die Kooperation bzw. Einbindung (von Teilen) der Beschäftigten gerungen, was durch einen auf technische Fertigkeiten verengten Qualifikationsbegriff nicht erfasst werden kann. Insbesondere die Fähigkeiten zu Lernen und die eigenen Qualifikationen reflexiv zu hinterfragen und zu adaptieren, gewinnen in den hegemonialen Diskursen über die wissensbasierte Ökonomie (Jessop 2002) eine Schlüsselfunktion. "On this argument, the successful firm is the flexible firm, and flexibility and learning are inextricably linked. The firms that reward flexibility prosper; and their organizational flexibility requires (...) a labour force sufficiently educated to be able to move smoothly and rapidly form job to job and task to task." (Coates 2000: 110) Die den Individuen abverlangte, staatlich induzierte Fähigkeit, die eigenen Kompetenzen in vielfältigen Lernprozessen zu adaptieren, wird als Voraussetzung gesehen mit permanenten Veränderungsprozessen umzugehen. Damit wird eine neue "Subjektivierungstechnologie" konstituiert, "die die Identität des einzelnen Subjekts mit dem Wissen um Ungewissheit und Indeterminiertheit konstituiert" (Demirovic 2001: 223).

4. Rekonfigurationen des Qualifikationsbegriffs

Postfordistische arbeitsmarkt-, sozial- und qualifikationspolitische Programme zielen auf die Aktivierung der Individuen zur eigenständigen, freiwilligen und beständig veränderungswilligen Teilnahme am gesellschaftlichen Produktionsprozess. Die Eingliederung der Beschäftigten in die post-fordistischen Arbeits- und Produktionsverhältnisse geschieht daher nicht allein über die weitgehende Rekommodifizierung der Arbeit und der Systeme sozialer Sicherheit. Zunehmend flexible und innovationsbereite Individuen sollen durch die produktive Mobilisierung ihrer formellen wie informellen, kodifizierten wie "verschwiegenen" bzw. impliziten Fähigkeiten und Kompetenzen dazu beitragen, den Kapitalismus trotz oder wegen seiner Widersprüchlichkeit zu reproduzieren. Die Auseinandersetzungen um die Schaffung flexibler Innovationsfähigkeit und die dafür notwendige Anpassungs- und Lernfähigkeit der Beschäftigten verweisen auf die Ablösung des krisenhaften Paradigmas der tayloristisch-fordistischen Arbeit und der damit verbunden Formen seiner Reproduktion in den staatlichen Schul- und Qualifizierungsinstitutionen, wie auch betrieblichen Aus- und Weiterbildungssystemen. Diese Veränderungen werden diskursiv oft als Durchsetzung des wissensbasierten Kapitalismus (Jessop 2002) oder der Informationsgesellschaft (Lundvall/Borras 1997, Papouschek et al. 1998, Schmiede 1996) zu fassen versucht. Die in diesen Begriffen angesprochenen Veränderungen beziehen sich auf "die Durchdringung aller Sektoren und Branchen mit informationsbezogenen Aktivitäten sowie Informations- und Kommunikationstechnologien (...). Damit entstehen nicht nur neue Aufgaben und Berufe in neuen Wirtschaftsbereichen, sondern auch der Anteil der ‚InformationsarbeitÂ’ steigt auf Kosten manueller Tätigkeiten in einer großen Zahl von Aufgabenfeldern und Berufen." (Papouschek et al. 1998: 30f) Hardt/Negri (2000: 364) verweisen in diesem Kontext auf das marxsche Konzept des General Intellect, das eine Verschmelzung der Fähigkeiten der lebendigen Arbeit mit Wissenschaft, Kommunikation und Sprache prognostiziert, und verdeutlichen damit, dass der Komplex Arbeit und Wissen nicht getrennt zu betrachten ist, wie das in vielen Debatten zur Schaffung und Reproduktion gesellschaftlicher Wissensbestände in vielfältigen Innovations- und Lernprozessen der Fall ist . Dadurch wird der soziale Charakter des Wissens im Kapitalismus verschleiert und seine Zugänglichkeit oder Kommodifizierung auf eine Auseinandersetzung zwischen Markt und Staat reduziert, anstatt als Feld sozialer Kämpfe sichtbar gemacht zu werden. Der behauptete Übergang zur Informations- und Wissensgesellschaft wird oft mit Hoffnungen bezüglich der Veränderung der Arbeitsverhältnisse verknüpft. Informationsarbeit soll demgemäß "zum Vorbildtypus der Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeit (werden), denn diese Arbeit wird weniger in Befehlshierarchien eingebunden, also autonomer, zudem weniger belastend, statt dessen kreativer, insgesamt humaner sein." (Schmiede 1996: 111) Diesen Hoffnungen liegt die krisenhafte Ablösung des tayloristisch-fordistischen Paradigmas der Produktion zugrunde. Dieses beruhte auf einer immer umfassenderen Zerstückelung der Arbeitsprozesse, weitreichenden Dequalifikationsprozessen, der versuchten Ausschaltung/Einhegung der Subjektivität der Beschäftigten und der Kontrolle der Produktionsprozesse und Arbeitsanforderungen durch das Management bzw. durch das in den rational-bürokratischen Hierarchien der fordistischen Unternehmen kodifizierte Wissen. Prozesse der Anreicherung von Arbeitsaufgaben (Job Enrichement, Empowerment), der Schaffung eigenständiger Entscheidungsprozesse, die Gewährung von Autonomie und die Verlagerung von Verantwortung nach unten sowie die Einführung von Gruppenarbeit (exemplarisch Aichholzer u.a. 1991, Brandt 1990, Papouschek et al. 1998) scheinen demgegenüber auf ein ‚Ende der ArbeitsteilungÂ’ innerhalb der Firmen hinauszulaufen. Diese Annahmen beruhen jedoch auf einer Verdinglichung der tayloristischen-fordistischen Managementstrategien, die diese mit der widersprüchlichen Realität der Produktionsprozesse verwechselt. Veränderungen der überkommenen Formen der Arbeitsteilung erscheinen dann als ihr Ende. Zweifelsohne stellten die umfassende Kontrolle und Kodifikation des Wissens der Beschäftigten durch das wissenschaftliche Management wesentliche politisch-ideologische Elemente der fordistischen Hegemonie in den Fabriken dar (Burawoy 1985). Dieses Modell war jedoch extrem widersprüchlich, wie sich in dysfunktionalen Effekte der extrem entfremdenden tayloristischen Formen der Arbeit (etwa an den Fließbändern) und in der zentralen Bedeutung sogenannter "tacit skills" (Marchington 1992) und anderer Formen des informellen bzw. impliziten Wissens für den fordistischen Produktionsprozess (Burawoy 1985) zeigte. Diese Widersprüchlichkeit stellte auch die Machtbasis der Beschäftigten im Fordismus dar. Die gesellschaftliche Bedürfnisse nach Selbstbestimmung, nach nicht-entfremdender Arbeit, Bildung und Emanzipation, die nicht zuletzt in den neuen sozialen Bewegungen und vielfältigen Prozessen der Verweigerung sowie der Militanz der Lohnabhängigen in den 1970er Jahren manifest wurden, trugen daher zu den Krisenerscheinungen des tayloristisch-fordistischen Arbeitsparadigmas bei, die nicht mehr in den Rahmbedingungen des wohlfahrtsstaatlichen Kompromisses zwischen Lohnarbeit und Kapital reguliert werden konnten. In diesem Sinne waren es tatsächlich die kommunikativen, kooperativen, affektiven und selbständig-kreativen Fähigkeiten und Subjektansprüche der Beschäftigten - die immaterielle Arbeit -, welche einen weitreichenden Umbau der Arbeits- und Produktionsverhältnisse erforderlich machten und ermöglichten. KritikerInnen haben gegen die These vom Ende der Arbeitsteilung zu recht darauf verwiesen, dass zentrale Entscheidungsfunktionen weiterhin beim Management verbleiben, bzw. die Kontrollpotenziale der neuen Technologien sehr wohl genutzt werden (exemplarisch Elam, 1994). Außerdem gebe es keinen Grund anzunehmen, dass die skizzierten Prozesse alle Beschäftigten erfassen, da Polarisierungen der Arbeitskräfte, wie sie in der Diskussion um numerische Flexibilisierung bereits angedeutet wurden, weiterhin stattfinden. Außerdem ist anzumerken, dass diese Veränderungen v.a. für hochtechnologische Bereiche zukunftsträchtiger Industrie- und Dienstleistungsbranchen diagnostiziert wurden und damit eher auf Kernschichten der Lohnabhängigen fokussiert sind . Darüber hinaus werden auch Tendenzen der Re-Taylorisierung der Produktionsarbeit (Dörre 2001) konstatiert, die sich nunmehr auf der Basis bestimmter auf Partizipation und Selbstorganisation angelegter Restrukturierungen innerbetrieblicher Hierarchien und Entscheidungsabläufe entfalten. Hier wird die "aktive Beteiligung von Beschäftigten an betrieblichen Optimierungen mit einer marktgetriebenen Dezentralisierung der Unternehmens- und Betriebsorganisationen kombiniert." (Dörre 2001: 87) Was in postfordistischen Managementkonzepten als Gewährung von Autonomie und Verantwortung erscheint, zielt auf die Einbindung und Mobilisierung der nicht-kodifizierbaren, "verschwiegenen" Fähigkeiten und Wissensformen der Individuen - ihr unmittelbares ProduzentInnenwissen - aber auch ihrer Subjektivitätsansprüche in einem neuen hegemonialen Kompromiss auf der Ebene der Produktion. Standen diese Fähigkeiten der Beschäftigten früher in beständigem Kampf mit rational-bürokratischen Strategien des fordistischen Managements um die Kontrolle über die Produktionsprozesse, wird nun versucht, (zumindest) Teile der Belegschaften über die Förderung und direkte Anrufung dieser Fähigkeiten in den Produktionsprozess einzubinden, um "Unternehmungsgeist, Innovation und letztlich die Produktivität des post-tayloristischen Systems" (Lazzarato 1998: 52) zu sichern. Qualifikationselemente, die über die fachliche Befähigung zum Umgang mit den technisch-organisatorisch Determinanten des Produktionsprozesses hinausgehen und keinen "unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten, disparaten praktischen Tätigkeiten aufweisen" (Papouschek et al. 1998), sondern immaterielle Kompetenzen erfassen, werden in einem neuen Qualifikationsbegriff als Schlüsselqualifikationen zusammengefasst. Diese zielen auf die Polyvalenz der Qualifikationen der Beschäftigten und ihre Fähigkeit, diese in Lernprozessen zu hinterfragen und zu adaptieren. Schlüsselqualifikation umfassen nach Papouschek et al. (ähnlich Gaubitsch/Pauli 1995, Lundvall/Borras 1997) folgende Dimensionen. "1 Befähigung zur Selbständigkeit und zu autonomer Aufgabenerfüllung 2 arbeitsbezogene, habituelle Sekundärtugenden (einschließlich intrinsischer Arbeitsmotivation und Identifikation mit der Aufgabe) 3 sozial und kommunikative Qualifikationen (Team- und Kooperationsfähigkeit, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Perspektivenwechsel, Fähigkeit zur Rollendistanz, Konfliktfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit) 4 Reflexive Fähigkeiten (Fähigkeit, das Arbeitsgebiet, die Aufgabe, die Bedingungen der Aufgabenerfüllung zum Thema zu machen, Zusammenhänge zu berücksichtigen, zu vergleichen, in Frage zu stellen, zu bewerten, zu verändern, zu planen) 5 Meta-Qualifikationen (Fähigkeiten zum Erwerb und zur Erweiterung von Qualifikationen, Fähigkeit zur Beschaffung, Selektion und Kombination von Information)." (Papouschek et al. 1998 : 24) Im flexiblen, auf Innovationsfähigkeit ausgerichteten Kapitalismus weisen die veränderten, gewissermaßen immateriellen Anforderungen an die Beschäftigten über kodifizierbare (computable) Qualifikationen und Kompetenzen hinaus, da die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, sowie diese selbst, permanenten Veränderungen ausgesetzt werden müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die neuen Qualifikationsanforderungen werden daher nicht mehr als relativ statisches Set von Fähigkeiten aufgefaßt, welche dem Beschäftigten die Realisierung lebendiger Arbeit im Produktionsprozess ermöglicht. Vielmehr gilt, "(Â…) that employees have the background necessary to absorb new knowledge and to be creative in combining old pieces of knowledge in new ways. This puts new demands on education and training institutions." (Lundvall, 1997, 60) Gerade im permanenten Wandel der ökonomischen Prozesse wird eine immanente Kodifizierungsschranke von Wissen und Qualifikationen erkannt. Durch die Mobilisierung, der "verschwiegenen" oder informellen Qualifikationen sollen Innovationen realisiert werden, durch die kapitalistische Herrschaft reproduziert werden kann.

5. Ausblick: Veränderungen postfordistischer Staatlichkeit

Durch die Schaffung flexibler, qualifizierter und innovationsbereiter Subjektformen soll die Re-Regulation der Widersprüche der postfordistischen Arbeits- und Produktionsverhältnisse erreicht werden. Die angedeuteten Veränderungen des Qualifikationsbegriffs sind wesentliche Bedingungen der Formulierung eines hegemonialen Projektes im Postfordismus, das sich über den permanenten Zugriff auf die Arbeitskräfte zu konstituieren versucht. Sie lenken daher die Frage auf die Veränderungen der "wesentlichen Aktivitäten" des Staates (Poulantzas 2002) in der Reproduktion der Arbeitskräfte, wie sie z.B. in Programmen des lebenslangen Lernens und der europäischen Beschäftigungspolitik formuliert werden. Lebenslanges Lernen umfasst etwa für die EU "das gesamte Spektrum formalen, nicht-formalen und informellen Lernens (...). Zudem ist unter lebenslangem Lernen alles Lernen während des gesamten Lebens zu verstehen, das der Verbesserung, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, staatsbürgerlichen, sozialen und/oder beschäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt." (Europäischer Rat 2002) Auf dem Gipfel in Lissabon verkündete die EU, dass sie bis 2010 der wettbewerbsfähigste und dynamischste Wirtschaftsraum der Welt im wissensbasierten Kapitalismus werden will. Neben den dafür notwendigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und Sozialsysteme will sie dies durch den umfassenden Zugriff auf die Qualität der Arbeitskräfte, also auf der Basis einer umfassenden Mobilisierung von (Aus-)Bildung, Qualifizierung und Lernen erreichen. Die marktkonforme Qualifizierung der Arbeitskräfte soll durch lebenslanges Lernen, das im Vorschulalter beginne und bis ins Rentenalter reichen müsse, die Beschäftigungsfähigkeit (Employability) und Anpassungsfähigkeit (Adaptability) der Lohnabhängigen an die Erfordernisse des Wettbewerbs im globalisierten Kapitalismus, aber auch ihre Bereitschaft selbst unternehmerisch tätig zu werden, sichern. Im Konzept des lebenslangen Lernens wird ein weiter Begriff des Lernens mit der Qualifikationsproblematik und der Wettbewerbsfähigkeit des (europäischen) Kapitalismus mit dem Umbau wesentlicher staatlicher Institutionen der Reproduktion der Arbeitskräfte im Bildungssystem verknüpft. Lebenslanges Lernen ist seit 1997 Querschnittsziel und seit 1998 auch Leitlinie der europäischen Beschäftigungsstrategie, die in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwickelt wurde. Ja mehr noch, die Frage des lebenslangen Lernens stand von Anfang an im Kontext der Formulierung der europäischen Beschäftigungspolitik und nicht der Bildungspolitik auf EU-Ebene im engeren Sinne. Die (qualifikationspolitischen) Ziele der Beschäftigungsstrategie sollen auf nationaler Ebene in den NAPs (Nationale Aktionspläne), für die in Formen offener Koordination Regierungen, Sozialpartner und andere (zivilgesellschaftliche) Interessensgruppen (Stakeholders) mobilisiert werden sollen, gemeinsam ausgehandelt und implementiert werden. Nach Bob Jessop können diese Veränderungen der Staatlichkeit entlang einer doppelten Bewegung charakterisiert werden. "On the one hand the state is reasserting the importance of education in the realization of nation econom interests; an on the other hand, it is conceding greater autonomy to education institutions in how they serve this interests (...). But this autonomy is being exercised in the context of the hegemony of the knowledge-based accumulation strategy, the increasing participation of the bearers of this strategy in the shaping of education mission statements and the increasing financial dependence of further and higher education on third-party revenues deriving neither from the state nor from students." (Jessop 2002: 167) Die schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildungsinstitutionen sowie die Qualifizierungsprozesse und Lernbedürfnisse der Individuen werden an die Erfordernisse des Marktes gebunden bzw. diesen untergeordnet, was daher als grundlegendes strategisches Element der Rekonfiguration von Staatlichkeit im Postfordismus gesehen werden kann. "Education has become integrated into the workfarist project that downgrades the Keynesian stateÂ’s commitment to full employment and now emphasizes its contribution to creation conditions for full employability. Thus responsibility for becoming employable is devolved to individual members of the labour force (Â…) They may be largely responsible for this as enterprising individuals investing in their own human capital (Â…). " (Jessop 2002: 165) Zusammenfassend ist festzustellen, dass auf der einen Seite also jene arbeitsmarktpolitischen Programme und Maßnahmen stehen, welche Polarisierungstendenzen der (immateriellen) Arbeit verstärken und die Einsetzbarkeit niedrig qualifizierter Arbeitskräfte in prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnissen sicherstellen sollen, wodurch die flexible Verknüpfung der Produktionsfaktoren zur Unterstützung des innovativen Kapitals verbessert werden soll (siehe den Artikel von Jamie Peck in diesem Heft). Diese Maßnahmen können jedoch nicht auf die Erhöhung des Zwangs Arbeit anzunehmen, der durch die Reduktion von Transferleistungen erreicht werden soll, reduziert werden. Vielmehr geht es in der postfordistischen Arbeitsmarktpolitik um die Herstellung und Sicherung des Arbeitsethos, also um die biopolitische Erzeugung jener individuellen Dispositive, die Menschen erst die mentale wie körperliche Befähigung zur Lohnarbeit geben (Hardt/Negri 2000). Auf der anderen Seite werden weiters jene institutionellen Kapazitäten geschaffen, durch die hochqualifizierte Wissensarbeiter und Symbolanalytiker, Ich-AGs oder bis vor kurzem neue Selbständige der New Economy an den sich herausbildenden hegemonialen Block gebunden und für den permanent innovationsfähigen Kapitalismus und das "imperiale Regieren" (Hardt/Negri 2000) aktiviert werden. Dies erklärt die zentrale Rolle qualifikations- und ausbildungspolitischer Diskurse und Programme in den postfordistischen Ökonomien und die Forderung nach permanenter Lern- und Veränderungsbereitschaft der Individuen. Die neoliberale Kommodifizierung der Ausbildungs- und Schulsysteme zielt daher weniger auf einen Abbau derselben als vielmehr darauf, die in den Bedürfnissen nach höherer Bildung zum Ausdruck kommenden Ansprüche auf Selbstbestimmung und Subjektivität zu entpolitisieren und zu individualisieren, um sie auf neuer Basis mit den kapitalistischen Produktionsverhältnissen zu artikulieren. Der Versuch, die Fähigkeit zu Lernen und die eigenen Fähigkeiten kritisch zu reflektieren und den sich ändernden Bedingungen anzupassen, zu fördern, ist daher zentral für den "pädagogischen" Charakter postfordistischer Hegemonie in der die Reproduktion des Kapitalismus durch Veränderung gesichert werden soll. Die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft der Subjekte wird zur Bedingung der produktiven Veränderung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Denn nur wer sich ändert, bleibt sich gleich.

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