Wir dürfen Bildung nicht als Ware dem Handel überlassen

Die Welthandelsorganisation berät über den Import und Export von Hochschul-Dienstleistungen

Relativ unbemerkt entwickelt sich ein internationaler Bildungsmarkt, der große Profite verspricht und die traditionellen staatlichen Einrichtungen wie etwa Hochschulen massiv unter Druck setzt. ...

Edelgard Bulmahn ist Bundesbildungsministerin und Mitherausgeberin der spw, der Artikel erschien am 08.07. in der Frankfurter Rundschau 2002, wir danken dem Verlag für die Überlassung.

... Die Welthandelsorganisation WTO verhandelt derzeit darüber, ob und in welchem Maße Bildung zu den Dienstleistungen zählt, für die der Marktzugang gelockert werden sollte. Dazu erwartet die Europäische Kommission auch eine deutsche Position. Wir dokumentieren einen Beitrag der Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), die Liberalisierung an strikte Bedingungen knüpft. Eine davon: Hinsichtlich Finanzierung und Qualitäts- sicherung der Hochschulen hat der jeweilige Staat das letzte Wort und muss "Herr im eigenen Haus" bleiben.
Wenn ein Wort des Jahres für 2002 gesucht wird, könnten "Globalisierung" oder eher noch "Globalisierungsgegner" gute Kandidaten sein. Globalisierung eröffnet Chancen, und nichts erscheint mehr erstrebenswert als globaler Friede und globaler Wohlstand. Globalisierung bringt aber auch Bedrohungen mit sich. Der Nobelpreisträger für Wirtschaft des Jahres 2001, Joseph Stiglitz, hat sie in seinem Bestseller "Die Schatten der Globalisierung" kenntnisreich analysiert. Eine Reform von Weltbank, internationalem Währungsfonds und Welthandelsorganisation (WTO) ist für ihn der Schlüssel für mehr Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd und für mehr Wohlstand für alle. Bemerkenswert ist seine Offenheit für die Bedeutung der Kräfte jenseits der Finanz- und Wirtschaftspolitik, konsequent daher die Forderung, dass in der WTO nicht allein die Wirtschaftsminister Gehör finden sollten.
Es ist in der Tat sehr wesentlich, dass in der im November 2001 mit der WTO-Ministerkonferenz von Doha eingeleiteten neuen umfassenden Verhandlungsrunde, die sich insbesondere auf die von der WTO verwalteten Abkommen GATT (Warenhandel), GATS (Dienstleistungen) und TRIPS (geistige Eigentumsrechte) bezieht, die Fachpolitiken mit ihren globalen Verflechtungen wie Umweltpolitik, Gesundheitspolitik, Entwicklungspolitik und zunehmend auch die Bildungs- und Forschungspolitik Gehör finden müssen. Auf deutsches Drängen haben sich die EU-Bildungsminister Ende Mai mit dieser Problematik befasst. Ein Viereck aus Bildungsministerium und Generaldirektion Bildung auf der einen und dem die Verhandlung führenden Wirtschaftsministerium und der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission auf der anderen gewinnt Gestalt.
Die zum GATS-Übereinkommen aufgenommenen Verhandlungen, in denen es um mehr Liberalisierung im Welthandel mit Dienstleistungen geht, haben in der internationalen Bildungswelt erhebliche Besorgnis über das Vordringen kommerzieller Interessen in diesem Bereich ausgelöst: Die Bildungsinternationale der Gewerkschaften hat sich im Juli 2001 in Jomtien, Thailand, und im März 2002 in Montreal kritisch zu Wort gemeldet. Rektorenverbände und andere Hochschulvertreter aus den USA, aus Kanada und aus der EU haben im September 2001 gemeinsam vor einer Aushöhlung des öffentlichen Hochschulwesens gewarnt. Von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz werden Stellungnahmen vorbereitet.
Wie stark werden Private?
Neu ins Blickfeld getretene Organisationen wie attac melden sich zu Wort. Die OECD hat gemeinsam mit der amerikanischen Regierung am 23./24. Mai 2002 in Washington ein erstes weltweites Forum über den Handel mit Bildungsdienstleistungen durchgeführt. Weitere Veranstaltungen dieser Art sollen folgen. Die Besorgnisse sind verständlich, der Dialog in der OECD wertvoll, wichtig und weitreichend. Es geht sehr elementar um die Verfasstheit des Bildungswesens: Welche Rolle spielen private Bildungseinrichtungen? Welcher Druck kann von finanzstarken ausländischen Anbietern auf das Bildungswesen eines Landes ausgeübt werden? In welchem Umfang sollen und können internationale Handelsabkommen auch auf das Bildungswesen Einfluss nehmen?
Diese Fragen sind nicht neu. Schon die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes sahen es als nötig an, das Recht zur Errichtung privater Schulen zu garantieren. Zugleich stellten sie jedoch das Bildungswesen unter die Aufsicht des Staates. Das Hochschulrahmengesetz (HRG) erlaubt die Errichtung privater Hochschulen. Das berufliche Bildungswesen wird sehr weitgehend vom nicht staatlichen privaten Sektor bestimmt. Im Bereich der Weiterbildung haben neben meist kommunalen öffentlichen Trägern in großem Umfang private kommerzielle Anbieter einen florie-renden Markt entwickelt.
Neu ist allerdings, dass auch in Bereichen jenseits der Weiterbildung das Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Bildungsträgern einerseits zum Teil bereits als ein Verdrängungswettbewerb wahrgenommen wird und dass andererseits dieses Verhältnis immer deutlicher durch fließende Grenzen gekennzeichnet ist. PPP, public private partnership, ist ein Schlagwort in der Debatte um die Zivilgesellschaft und um das lebenslange Lernen, das in allen politischen Lagern akzeptiert ist. Neu ist schließlich auch, dass diese Problematik auf der Ebene eines Welthandelsabkommens in Erscheinung tritt und diskutiert wird.
Neue GATS-Verhandlungsrunde
Das GATS-Übereinkommen trat zum 1. Januar 1995 in Kraft. Bildungsdienstleistungen sind als einer von 12 großen Dienstleistungssektoren einbezogen. Dieses Abkommen stellt einen weiteren Schritt in dem seit 1947 eingeleiteten Prozess zur Liberalisierung des Welthandels dar und schafft erstmals ein Regelwerk für den zunehmend bedeutsamen internationalen Handel mit Dienstleistungen. Spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des GATS-Abkommens soll, so wurde 1994 festgelegt, eine neue Verhandlungsrunde beginnen mit dem Ziel, höhere und ausgewogenere Liberalisierungsverpflichtungen aller WTO-Mitglieder (derzeit 144 Länder) zu erreichen. Nach den seit Anfang 2000 hierzu aufgenommenen Vorverhandlungen hat die WTO-Ministerkonferenz in Doha im November 2001 für die Dienstleistungsverhandlungen einen konkreten Verhandlungsfahrplan vereinbart: Vorlage länderbezogener sektorspezifischer Liberalisierungsforderungen (Requests) bis Ende Juni 2002, Vorlage eigener zusätzlicher Liberalisierungsangebote (Offers) bis Ende März 2003. Ziel ist es, diese Handelsverhandlungen zum 1. Januar 2005 abzuschließen.
Die Rolle der Mitgliedstaaten ist bei den Verhandlungen über das GATS vergleichsweise stark. Jeder Mitgliedstaat hat eine Stimme, die allerdings für die EU und ihre Mitgliedstaaten nur einheitlich abgegeben werden können. Es wird im Konsens entschieden. Verpflichtungen zur Liberalisierung gelten nur insoweit, wie sie ausdrücklich in den jeweiligen länderspezifischen Verpflichtungslisten (schedules of commitments) ausgewiesen werden. Dabei gibt es so genannte horizontale Verpflichtungen für alle Dienstleistungsbereiche und spezielle Verpflichtungen für einzelne Sektoren und deren Untergruppen. Liberalisierungsverpflichtungen können also sehr zielgenau und differenziert ausgehandelt werden, auch im Bezug auf Marktzugang, Inländerbehandlung und die einzelnen Dienstleistungserbringungsarten. Innerhalb der Bildungsdienstleistungen ist es beispielsweise möglich, keine Liberalisierungsverpflichtungen für den Bereich der Primar- und Sekundarschule zu übernehmen, aber im Bereich der Weiterbildung gezielt alle Beschränkungen für den Marktzugang ausländischer Anbieter aufzuheben.
Macht über Subventionen
Die länderspezifischen Forderungen werden zunächst in bilateralen Verhandlungen zwischen den jeweiligen Partnerländern weiter abgeklärt. Diese Verhandlungen werden aus verhandlungstaktischen Gründen in aller Regel vertraulich geführt. Nach Abschluss dieser zahlrei-chen, sehr zeitraubenden bilateralen Einzelverhandlungen kristallisiert sich dann das für alle WTO-Mitglieder verbindliche Gesamtverhandlungsergebnis heraus, auf das das wichtigste Grundprinzip der WTO-Regelungen, die Meistbegünstigungsverpflichtung, Anwendung findet: Vorteile, die ein WTO-Mitglied einem anderen einräumt, gelten auch für alle anderen übrigen WTO-Mitglieder.
Wir dürfen Bildung nicht dem Handel überlassen. Die Internationalisierung der Bildungsangebote und -teilnahme gehorcht anderen Antrieben als denen des Handels. Regulierungen und Streitschlichtungen im Rahmen des GATS können und sollen nur ein kleines Fenster der internationalen Beziehungen im Bildungsbereich erreichen. Die aus der Kultur und Geschichte der jeweiligen Mitgliedstaaten entspringende eigene Gestaltung des Bildungswesens muss weiterhin frei weiterentwickelt werden können. Staatliche Subventionen für Bildungseinrichtungen müssen auf nationale oder - im Falle der EU - auf Einrichtungen besonderer Rechtsgemeinschaften beschränkt werden können, was nach der GATS-Struktur auch grundsätzlich möglich ist. Das muss auch für Stipendien für die Ausbildung gelten.
Und schließlich müssen die Bildungsinstanzen der Mitgliedstaaten in allen Fragen der Qualitätssicherung das letzte Wort behalten. Dies ist auch die Forderung der Hochschulrektoren wie der Bildungsgewerkschaften, denen man darin nur zustimmen kann.
Die Ausgangslage für die EU in diesen Verhandlungen ist einigermaßen komfortabel. In der so genannten Uruguay-Runde, die 1995 ihren Abschluss gefunden hat, wurden seitens der EU und der EU-Mitgliedstaaten einerseits spezielle, auf bestimmte privat finanzierte Bildungsdienstleistungen beschränkte Verpflichtungen im Bildungsbereich übernommen, die weiter gehen als beispielsweise die der USA, Australiens und Japans. Andererseits hat die Gemeinschaft bei den horizontalen Verpflichtungen Vorbehalte eingebracht, die sowohl das staatliche Monopol im Bildungswesen als auch die nationale Entscheidung über Subventionen an einzelne Einrichtungen oder Personen unberührt lassen. Zudem gibt es im Abkommen selbst mehrere Kautelen, die sicherlich dazu beigetragen haben, dass es seit 1994 keinen Streitfall im Bereich des Bildungsexports mit Berufung auf das GATS gegeben hat. Besonders wichtig ist die Aussage in der Präambel zum GATS-Übereinkommen: (. . .) "(in) Anerkennung des Rechts der Mitglieder, die Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet zu regeln und neue Vorschriften hierfür einzuführen, um ihre nationalen politischen Ziele zu erreichen, sowie - angesichts der in einzelnen Ländern bestehenden Unausgewogenheit des Entwicklungsstands ihrer Vorschriften im Dienstleistungsbereich - des besonderen Bedürfnisses der Entwicklungsländer, dieses Recht auszuüben".
Mit diesem Hinweis auf die nationale Regelungskompetenz für die Dienstleistungen ist die wichtige Klarstellung verbunden, dass die WTO sich nicht als standard-setting-Organisation versteht. Bildungsstandards und Qualitätssicherung sind, das wurde auch in der Konferenz von Washington vielfach betont, Angelegenheit des Bildungswesens selbst. Der Bologna-Prozess in Europa und die bisher ebenfalls auf den größeren europäischen Raum beschränkte Konvention der UNESCO und des Europarats über die Anerkennung von Hochschulabschlüssen sind dafür Beispiele.
Die EU hält sich mit Liberalisierungsforderungen für den Bildungsbereich gegen andere Staaten zurück. Umfragen in Deutschland und in den meisten Mitgliedstaaten der EU haben nicht zu Erkenntnissen über spezielle Importbeschränkungen auf diesem Gebiet geführt, die man im Rahmen des GATS beheben sollte. Für Deutschland gilt ohnehin, dass wir beim "Export" von Bildungsdienstleistungen an ausländische Studierende und andere Bildungsteilnehmer durch das neue Zuwanderungsgesetz noch mehr Liberalität wirksam machen möchten und dass wir letztlich nur im Einvernehmen mit Partnern in anderen Ländern dort mit Bildungsangeboten auftreten wollen.
Dies gilt auf jeden Fall für öffentlich getragene Bildungsangebote wie insbesondere die off-shore-Angebote deutscher Hochschulen im Ausland, die das Bundesbildungsministerium anstoßen konnte. Im Bereich der Weiterbildung, wo ein echter Markt herrscht, und beim Fernunterricht, der in höherem Maße unabhängig durchgeführt werden kann, besteht diese Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Partnern oder des "Twinning" weniger.
Drängen der USA
Im Verhandlungsprozess selbst werden jedoch Bildungsfragen durchaus eine Rolle spielen. In einer Pressemitteilung des Weißen Hauses vom 1. Juli 2002, in der die USA ihre Erwartungen an die neue Verhandlungsrunde darstellen, sind auch Forderungen zur weiteren Liberalisierung im Bildungsbereich enthalten. Entsprechend wurde in der Konferenz in Washington von amerikanischen Regierungsvertretern mehrfach die Erwartung ausgesprochen, dass andere Staaten bei ihrer Liberalisierung im Bereich der Bildungsdienstleistungen weiter gehen sollten als bisher. Vor diesem Hintergrund haben die USA, aber auch Australien, Japan und Neuseeland im Vorfeld der GATS Verhandlungen allgemeine Vorschläge und Überlegungen zum Sektor Bildung eingebracht, die bei weiteren Einzelverhandlungen zu berücksichtigen sein werden. Die USA listen Hürden für den Marktzugang privater Bildungsanbieter auf, die vom generellen Verbot ausländischer Angebote bis zur mangelnden Freiheit für Franchising reichen, betonen aber auch zugleich, dass der Vorschlag sich ausdrücklich nicht auf die Primar- und Sekundarschulen richtet und dass er die hoheitliche Aufgabe der Bereitstellung von Bildungsangeboten nicht in Frage stellt. Konkret vorgeschlagen wird, dass berufliche Bildung und Testing als besondere Gebiete für Bildungsdienstleistungen eingeführt werden.
Die australischen Vorschläge gehen in die gleiche Richtung. Neuseeland will die Klassifizierung noch weiter verfeinert wissen, indem es vorschlägt, die Bildungsangebote außerhalb des staatlich geordneten Bildungswesens wie Sprachkurse oder besondere Ergänzungs- und Weiterbildungsangebote in einer illustrativen Liste zu er-fassen und auch das Marketing von Bildungsdienstleistungen ausdrücklich einzubeziehen. Alles dies dient dazu, den Bereich der vermarktbaren Angebote im Bildungsbereich präziser zu beschreiben. Der japanische Vorschlag legt demgegenüber den größten Wert darauf, bei allen Verhandlungen im GATS-Rahmen die Qualitätserfordernisse des Bildungswesens zu beachten, was den Japanern in der OECD-Konferenz in Washington vielfache Anerkennung von den Bildungsvertretern einbrachte.
Was anzustreben ist
Der Verhandlungsprozess ist eröffnet. Die EU ist Verhandlungsführer für ihre Mitgliedstaaten, die ihre Sachpositionen in den regelmäßig tagenden gemeinschaftsinternen Koordinierungstreffen des "Ausschusses Art. 133" einbringen. Bildungsdienstleistungen sind Bestandteil des GATS-Übereinkommens und von den eingeleiteten Liberalisierungsverhandlungen mit umfasst. Es kann nicht darum gehen, diese Dienstleistungen aus den Verhandlungen auszuschließen, sondern nur darum, die marktfähigen und die nicht marktfähigen Teilbereiche schärfer zu unterscheiden. Hieran muss gearbeitet werden mit dem Ziel, im Rahmen der Ver-handlungen sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen des GATS-Übereinkommens für die Gestaltung des Bildungsbereichs klarer zu bestimmen.
Dazu muss der Begriff der "hoheitlich erbrachten Dienstleistungen", die nicht dem Anwendungsbereich des GATS unterliegen, weiter geklärt werden. Er wird im vorliegenden Text des Abkommens definiert als "jede Art von Dienstleistung, die weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht wird". Diese allgemeine Definition, die auch für alle anderen Dienstleistungen gilt, ist für den Bildungsbereich zu unpräzise.
Wie sind private non-profit-Einrichtungen einzuordnen? Ist das Nebeneinander von öffentlichen und privaten Schulen und Hochschulen als ein "Wettbewerb" zu sehen, der auch das öffentliche Bildungswesen in den Anwendungsbereich des GATS einschließt? Wir wissen, dass der Begriff Wettbewerb in der bildungspolitischen Debatte oft metaphorisch gebraucht wird. Dieser Sprachgebrauch sollte nicht dazu verleiten, die gestellte Frage ohne weiteres zu bejahen. Das öffentliche Bildungswesen steht nicht in einem direkten ökonomischen, sondern vor allem in einem Qualitätswettbewerb mit den privaten Bildungsangeboten. Es kommt nicht in Betracht, dass, wie man sagt, der Schwanz mit dem Hund wedelt.
Ein Milliardengeschäft
Vor dem Hintergrund verschiedener Erörterungen mit den beteiligten Verantwortungsträgern in Deutschland wie den Ländern, den Hochschulen und den Sozialpartnern hat sich das BMBF daher mit dem für die GATS-Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung federführenden Bundeswirtschaftsministerium verständigt, dass die Forderung verfolgt werden soll, in diesem Sinne in den anstehenden Verhandlungen eine Klärung des Begriffs der "in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachten Dienstleistungen" speziell mit Blick auf die Bildungsdienstleistungen herbeizuführen.
Ebenso gehört zur deutschen Verhandlungsposition, dass die staatliche Finanzierung von Bildungseinrichtungen nicht Subventionsansprüche ausländischer privater Bildungsanbieter auslösen können darf. Auch wenn eine Privathochschule in ausländischer Trägerschaft akkreditiert ist und ihre Abschlüsse anerkannt werden, muss es dem einzelnen Staat freigestellt bleiben, diese Einrichtungen mit Zuschüssen zu unterstützen oder nicht. Zugleich verlangen wir, dass die Qualitätssicherung der Hochschulen und die Anerkennung ihrer Abschlüsse weiterhin in der Regelungsbefugnis der Staaten bleiben.
Die Bildungswelt kann und sollte dazu eigene möglichst umfassende Abkommen schließen. Im GATS kann das nicht geregelt werden. "Degree mills" haben bei uns keinen Platz. Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft müssen sich auf den Wert der Zeugnisse verlassen können. Es geht jetzt darum, diese Forderungen umzusetzen. Man darf nicht übersehen, dass mit der Internationalisierung des Bildungswesens erhebliche Wirtschaftsinteressen verbunden sind. Die USA sehen in den Einnahmen aus dem Studium von Ausländern in ihrem Land, die sich auf jährlich rund 10 Mrd. US-$ belaufen, den fünftgrößten Exporteinnahmeposten ihres Landes. Der amerikanische Educational Testing Service ist bereits in nahezu 200 Ländern aktiv und führt jährlich über 12 Millionen Tests durch. Die Monash University in Australien agiert außerhalb der Landesgrenzen als kommerzielle Einrichtung und verfolgt den Plan, weltweit mit ihren Angeboten präsent zu sein.
Ein Gleiches gilt für zahlreiche Fernuniversitäten und sonstige Fernunterrichtsanbieter. Die Phoenix University vertreibt über das Internet auch Kurse in Deutschland. Microsoft, Cisco und andere bieten ihrerseits Weiterbildung und den Erwerb von Zertifikaten auf kommerzieller Basis an. Hier entwickelt sich ein internationaler Bildungsmarkt, von dem natürlich auch Druck auf die öffentlichen Angebote ausgeht. Wir tun gut daran, ihn sich unter bestimmten Vorkehrungen entwickeln zu lassen. Maß zu nehmen an ausländischen und einzelnen privaten Angeboten, um hohe Qualität und Innovation zu gewährleisten, gehört zu solchen Vorkehrungen. Auch die Stiftung Bildungstest ist hierzu zu rechnen. Das System der Akkreditierung und andere Maßnahmen der Qualitätskontrolle wie das seit 1976 geltende Fernunterrichtsschutzgesetz sind andere Möglichkeiten, den Verbraucher und Bürger vor unseriösen Bildungsangeboten und die Arbeitgeber und die Öffentlichkeit vor in "degree mills" erworbenen Graden zu schützen.
Die Bildungspolitik, um den Titel des Stiglitz-Buches abzuwandeln, kann und muss Licht in die Globalisierung bringen. Die Verständigung zwischen den Kulturen, die Nutzung des menschlichen Wissens zur Überwindung von Hunger und Unterentwicklung, die Freiheit, Bildung in der Welt zu verbreiten und in allen Teilen der Welt zu erwerben, dies alles sind hohe Ziele, die in den Blick kommen, wenn über globale Ordnungen verhandelt wird. Sie dürfen, wenn diese Ordnungen sich auf den internationalen Handel mit Waren oder mit Dienstleistungen richten, nicht über Bord geworfen werden.
So schlicht ist die Welt nicht mehr, dass man, wie in biblischen Zeiten, die Händler einfach zum Tempel hinausjagen könnte. Aber die Bildung muss Herr im eigenen Haus bleiben. Der Menschheitstraum eines globalen friedlichen Miteinanders durch Begegnung und Aufklärung ist zu kostbar. Einzelne Angebote können gehandelt werden. Die Bildung selbst ist keine Handelsware.