Begründung und Konsequenz: Was heißt Singularität der Shoah?

Für Hinweise und Anregungen zu diesem Text danke ich Floris Biskamp, Claudia Bruns, Lutz Fiedler, Kolja Lindner, Dirk Moses, Hartwig Schuck, Friedhelm Schütte und Charlotte Wiedemann. 

Seit dem Frühjahr 2020, als die Einladung des Kamerunischen Philosophen und Historikers Achille Mbembe zur Ruhrtriennale für einen Skandal sorgte, wird innerhalb der deutschen Öffentlichkeit intensiv um das Verhältnis von Nationalsozialismus und Kolonialismus gerungen. In dieser als „Historikerstreit 2.0“ bekannt gewordenen Auseinandersetzung geht es um die Ausrichtung der hiesigen Erinnerungskultur. Wie schon in der Kontroverse des Jahres 1986 ist die Frage der Singularität der Shoah zentral, diesmal allerdings unter den Vorzeichen der Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen: Impliziert die Kontextualisierung der Shoah in der Geschichte der europäischen Imperienbildung, wie sie postkolonial inspirierte Autor:innen vornehmen, einen Angriff auf die UrEinzigartigkeit, Präzedenzlosigkeit, Beispiellosigkeit etc. der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, läuft sie gar auf deren „Relativierung“, „Banalisierung“ oder „Verharmlosung“ hinaus? Oder ist das Insistieren auf Singularität, das für das „offizielle“ Deutschland wichtig geworden ist, umgekehrt ein Hindernis auf dem Weg zu einer inklusiven Erinnerungskultur, die sich an den Herausforderungen einer postmigrantischen Gesellschaft orientiert? 

Zu den Symptomen dieser Debatte gehört eine Order des Auswärtigen Amtes an seine Kulturinstitutionen, die Singularität der Shoah dürfe „zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt werden“ (Monath 2022). Diese Anweisung ignoriert, dass die Singularitätsthese in der Wissenschaft seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert wird. Darüber hinaus ist die Direktive problematisch, weil auch nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung ausgesprochen unklar ist, was „Singularität der Shoah“ überhaupt bedeutet bzw. sinnvollerweise bedeuten kann. Dekretiert wurde also etwas, von dem auch die anordnende Instanz allenfalls eine vage Vorstellung gehabt haben dürfte. Diese notorische Unklarheit versucht der vorliegende Text zu beseitigen.[1] Indem verschiedene Bedeutungsschichten der Singularitätsdebatte analysiert werden, macht er zum einen vergangene und gegenwärtige Kontroversen besser verständlich. Zum anderen wird diskutiert, was „Singularität der Shoah“ sinnvollerweise bedeuten kann, bzw. wie eine Singularitätsthese aussieht, die sich im Einklang mit dem heutigen Stand der Holocaust- und Genozidforschung befindet. 

Im Folgenden gehe ich in vier Schritten vor. Zunächst wende ich mich der Urteilsstruktur der Singularitätsthese zu: Entscheidend für ein Verständnis der Debatte wie auch für eine sinnvolle Rede ist es, zwischen der Singularitätsthese als Tatsachenbehauptung und als Werturteil zu unterscheiden. In einem zweiten Schritt plädiere ich dafür, drei Typen von Singularität zu differenzieren: Unvergleichbarkeit, Individualkategorie und Extremfall. Die Kontroversen, die in den letzten 50 Jahren zur Singularität der Shoah geführt wurden, zeichnen sich dadurch aus, dass die Konzeptionen der Unvergleichbarkeit und der Individualkategorie zunehmend zugunsten des Extremfalls verabschiedet wurden. Drittens gehe ich der Frage nach, was es überhaupt heißt, die Shoah als Extremfall zu begreifen. In einem vierten Schritt werden schließlich die normativen Konsequenzen der Singularitätsthese diskutiert, die seit dem Massaker des 7. Oktobers in aller Munde sind: Ist das aus ihr folgende „Nie Wieder!“ ein partikularistischer Imperativ, dem zufolge Gewalt gegen Jüdinnen:Juden verhindert werden muss (ohne Schutz für andere Minderheiten zu implizieren), oder hat es einen weitergehenden universalistischen Sinn, nach dem die Gleichwertigkeit aller Menschen zu verteidigen ist? 

 

1. Die Urteilsstruktur der Singularitätsthese

Die Singularitätsthese ist so alt wie die Shoah selbst. Bereits als die Vernichtung der europäischen Jüdinnen:Juden noch im Gang war, wurde sie von ihren Opfern sowie von Außenstehenden als nie dagewesenes Verbrechen beschrieben (vgl. Löw 2012). Auch in den Nachkriegsjahren war die Singularitätsthese keineswegs verschwunden, wie das Werk von Hannah Arendt, insbesondere ein Aufsatz von 1950, eindrucksvoll bezeugt (vgl. Arendt 1950). Eine wirkliche Debatte setzte jedoch erst Mitte der 1970er Jahre ein, als die Shoah allmählich ins Zentrum der Erinnerung an den Nationalsozialismus rückte; seitdem wurde sie maßgeblich in Israel, den USA und Deutschland geführt. Diese Diskussion, an der vor allem Historiker:innen, Philosoph:innen und Theolog:innen beteiligt waren, hat viele wichtige Einsichten hervorgebracht, u.a. eine Differenzierung verschiedener Typen von Singularität, auf die ich im nächsten Abschnitt eingehe. Was jedoch nicht hinreichend betrachtet wurde, ist die Urteilsstruktur der Singularitätsthese, d.h. in welchen Modi der Shoah bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. 

Mein Vorschlag lautet, drei Singularitätsurteile zu unterscheiden, die ich als Singularität (i), (ii) und (iii) bezeichne. Singularität (i) ist eine geschichtstheoretische Aussage.

S (i) = Jedes Massenverbrechen ist singulär in dem Sinn, dass es qualitative Besonderheiten aufweist, die es von anderen Verbrechen unterscheiden.

Qualitative Besonderheiten werden durch den historischen Vergleich etabliert. Wenn wir Massenverbrechen miteinander vergleichen, stellen wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen fest, wobei es sich bei Letzteren sowohl um Alleinstellungsmerkmale handeln kann als auch um eine spezifische Kombination von Merkmalen, die mit anderen Massenverbrechen geteilt werden. Gegner:innen der Singularitätsthese verwenden den Verweis auf Singularität (i) gerne als reductio ad absurdum: Wenn jedes Massenverbrechen singulär ist, ergibt es keinen Sinn von einer spezifischen Singularität der Shoah auszugehen. Befürworter:innen der Singularitätsthese antworten darauf, dass Singularität (i) eine „triviale“ Form von Singularität ist, weil sie auf jedes Ereignis zutrifft, und dass es bei der Frage nach der Singularität der Shoah um mehr bzw. etwas anderes geht (vgl. Rosenberg 1984).

Vertreten wird stattdessen häufig Singularität (ii): ein Urteil, das eine differenzialistische Tatsachenbehauptung enthält.

S (ii) = Die Shoah war grundlegend anders als alle anderen Massenverbrechen der Menschheitsgeschichte.

Hier geht es nicht mehr nur um qualitative Besonderheiten der Shoah, sondern darum, dass diese eine grundlegende Andersheit konstituieren.[2] In der Singularitätsdebatte finden sich zwei Varianten, in denen Singularität (ii) vorgetragen wurde, wobei „v“ und „s“ für Attribute stehen, mit denen „grundlegende Andersheit“ erläutert werden kann.

S (ii v) = Die Shoah war völlig anders als alle anderen Massenverbrechen der Menschheitsgeschichte.

Die Annahme von Singularität (ii v) lautet, dass die qualitativen Besonderheiten der Shoah derart durchschlagend sind, dass so gut wie keine Gemeinsamkeiten mit anderen Massenverbrechen bestehen. Allerdings ist völlige Andersheit ein Grenzbegriff und führt in diverse Paradoxien, da für die Bestimmung von Andersheit immer etwas Gemeinsames nötig ist. Alternativ dazu gibt es Singularität (ii) noch in einer „schwächeren“ Variante.

S (ii s) = Die Shoah war substanziell anders als alle anderen Massenverbrechen der Menschheitsgeschichte.

Singularität (ii s) lässt zu, dass erhebliche Gemeinsamkeiten mit anderen Massenverbrechen existieren, wobei jedoch davon ausgegangen wird, dass diese Gemeinsamkeiten nicht die Substanz der Shoah bestreffen. Ebenso ist es möglich, dass andere Massenverbrechen qualitative Besonderheiten besitzen, diese sind jedoch gegenüber den Besonderheiten der Shoah zu vernachlässigen.[3]

Mit den beiden Modi der geschichtstheoretischen Aussage und der differenzialistischen Tatsachenbehauptung ist die Urteilsstruktur der Singularitätsthese jedoch noch keineswegs erschöpft. In der Singularitätsdebatte findet sich ein weiterer Modus der Prädikation: Singularität (iii) als Werturteil.

S (iii) = Die Shoah hat gegenüber allen anderen Massenverbrechen eine besondere Bedeutung.

Hier geht es nicht mehr primär um das, was die Shoah war, sondern um ihre sinnstiftende Funktion. Auch Singularität (iii) kennt zwei Varianten, nämlich eine partikulare (p) und eine universelle (u).

S (iii p) = Die Shoah hat gegenüber allen anderen Massenverbrechen eine besondere Bedeutung, weil sie grundlegend anders war.

In diesem Fall ist Singularität (iii) die wertende Konsequenz von Singularität (ii) bzw. der Horizont, in dem diese bestimmt wird. Singularität (iii), und das ist der entscheidende Punkt, kann jedoch auch ohne Singularität (ii) auskommen.

S (iii u) = Die Shoah hat gegenüber allen anderen Massenverbrechen eine besondere Bedeutung, weil sie diesen ihrer Substanz nach gleicht.

Hier konstituierten die qualitativen Besonderheiten der Shoah gerade nicht ihre Substanz, sondern bringen eine geteilte Substanz auf besondere Weise zum Ausdruck. 

 

2. Drei Typen von Singularität

In einem instruktiven Überblick über die philosophischen Beiträge zur Singularitätsdiskussion hat Nigel Pleasants vorgeschlagen, drei Typen von Singularität zu unterscheiden, die er als „incomparability“, „kindlessness“ und „unprecedentedness“ bezeichnet (Pleasants 2016). „Incomparatibility“ meint, dass die Shoah derart anders war, dass sie sich den herkömmlichen Erklärungsinstrumenten, zu denen der Vergleich gehört, entzieht. Diese Sichtweise ist auch in der deutschen Debatte als Unvergleichbarkeit bekannt. „Kindlessness“ bedeutet, dass die Shoah in keine der herkömmlichen Verbrechenskategorien hineinpasst, dass sie eine „class of its own“ (Geras 2003) darstellt. Semantisch besteht hier die größte Nähe zum deutschen Wort „Einzigartigkeit“: die Shoah war das einzige Exemplar ihrer Art und bildet daher eine Individualkategorie. Unter „unprecedentedness“ schließlich versteht Pleasants, dass die Shoah der „most extreme or pure instance“ (Pleasants 2016: 299) einer übergeordneten Kategorie war. Da „Präzedenzlosigkeit“, angefangen bei Hannah Arendt, auch für den Typus der Individualkategorie verwendet wurde, halte ich es für angemessener, von Extremfall zu sprechen.

Die drei Singularitätstypen der Unvergleichbarkeit, der Individualkategorie und des Extremfalls entsprechen den Singularitätsurteilen der völligen Andersheit (S ii v), der substanziellen Andersheit (S ii s) und der bedeutsamen Verkörperung eines Universellen (S iii u). Am deutlichsten tritt der Unterschied zwischen den drei Singularitätstypen anhand der Grenzziehungen hervor, die Yehuda Bauer Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre vorgenommen hat, um die Shoah als Individualkategorie zu profilieren. Einerseits weist Bauer die Vorstellung der Unvergleichbarkeit als Mystizismus zurück: Um die Besonderheiten der Shoah zu erfassen, brauche es den historischen Vergleich. Andererseits insistiert er darauf, dass die Shoah kein Genozid und daher substanziell anders als alle anderen Massenverbrechen gewesen sei: „Holocaust was the policy of the total, sacral Nazi act of mass murder of all Jews they could lay hands on. Genocide was horrible enough, but it did not entail total murder if only because the subject peoples were needed as slaves.“ (Bauer 1978: 36). Das neben der Totalvernichtungsintention zweite substanzielle Merkmal der Shoah besteht für Bauer in der „quasi-religious, apocalyptic ideology that motivated the murder.“ (Bauer 1980: 45). Mit diesen Grenzziehungen macht Bauer Folgendes deutlich: Wenn die Shoah als Individualkategorie verstanden wird, als einziges Exemplar ihrer Art, kann sie kein Genozid gewesen sein, sonst wäre sie nur eines von mehreren Exemplaren einer anderen Art. Das heißt umgekehrt auch: Sobald die Shoah als Genozid anerkannt wird, bricht die Individualkategorie zusammen und es bleibt für die Singularitätsthese nur noch die Extremfallkonzeption.

Eine etwas anders akzentuierte Auffassung der Shoah als Individualkategorie findet sich bei Hannah Arendt und Dan Diner. In dem bereits erwähnten Aufsatz von 1950 schreibt Arendt den Nazi-Vernichtungslagern eine „anti-utilitarian function“ zu. „It was as though the Nazis were convinced that it was of greater im­portance to run extermination factories than to win the war.“ (Arendt 1950: 233). Die Todesfabriken zeichneten sich dadurch aus, dass sie niemandem genutzt haben; in dieser „complete senselessness“ (ebd.: 241) liege ihr „unprecedented“ (ebd.: 243) Charakter. An diese Überlegungen hat Dan Diner im Jahr 1987 angeknüpft. Für ihn besteht das Singuläre der Shoah „in praktischer Widerlegung der Prinzipien von Zweckrationalität und Selbsterhaltung“ (Diner 1987a: 72). Sie habe einen „gegenrationalen Kern“, nämlich „Vernichtung der Vernichtung wegen. [...] Die Sinn- und Zwecklosigkeit, die sich an Auschwitz als Metapher und Realität bindet und einen absoluten Zivilisationsbruch markiert, wird zum eigentlichen Ausgangspunkt perspektivischen Ermessens des Nationalsozialismus.“ (ebd. 1987b: 158). In diesem Verständnis der Shoah werden die Singularitätsurteile S (ii s) und S (iii p) verknüpft: Der gegenrationale Kern konstituiert eine substanzielle Andersheit der Shoah, nämlich die Negation zivilisatorischer Gewissheiten, aus der ihre besondere Bedeutung als Zivilisationsbruch folgt. 

Die Extremfallkonzeption als Alternative zur Individualkategorie stammt ebenfalls aus den 1980er Jahren. Am deutlichsten tritt sie bei Alan Rosenberg hervor, der die Shoah zu einem präzedenzlosen Genozid erklärt hat: „The Holocaust should be understood as a unique genocidal event, genuinely unprecedented in the annals of our world and its history.“ (Rosenberg 1980: 156). Weil sie das Genozid-Sein als substanzielles Merkmal mit anderen Massenverbrechen teilt, kann die Shoah nicht substanziell anders als alle anderen Massenverbrechen gewesen sein, d.h. Singularität (ii) als differenzialistische Tatsachenbehauptung wird unhaltbar. Gleichzeitig kommt der Shoah aufgrund ihrer Besonderheiten jedoch die Bedeutung eines – wie Rosenberg in Anschluss an Emil Fackenheim sagt – „epoch making event“ (ebd.: 149) zu. Mit Bezug auf den Porajmos, den Genozid an den Sinti:zze und Rom:nja, bestreitet Rosenberg gegenüber Bauer, dass die Totalvernichtungsintention ein Alleinstellungsmerkmal der Shoah war. Die heutige Forschung hat ihm dahingehend Recht gegeben, dass auch beim Völkermord an den Armenier:innen und den Tutsi in Ruanda ein „annihilationist intent“ (Stone 2010: 219) anzutreffen war. Als Besonderheiten der Shoah hält Rosenberg folgende Merkmale fest: die Anzahl der Opfer und die Reichweite des Mordens, den Einsatz eines hochentwickelten bürokratischen Apparates sowie die totale Objektivierung und Entmenschlichung der Opfer in den Vernichtungslagern (vgl. Rosenberg 1980: 156). Rosenbergs Kritik an Bauer fällt hier allerdings auf ihn selbst zurück: Bis auf die Anzahl der Opfer (6 Million vs. 200.000) treffen die aufgelisteten Eigenschaften allesamt auch auf den Porajmos zu.

Unter dem Eindruck des Genozids an den Tutsi 1994 und der expandierenden vergleichenden Genozidforschung haben Bauer und Diner anerkannt, dass die Shoah ihrer Substanz nach ein Genozid war. Bauer spricht nun von einem „präzedenzlosem Genozid“ (Bauer 2001), für Diner war sie ein „ultimativer Genozid“ (Diner 2007: 37) bzw. ein „als absolut zu qualifizierender Genozid“ (ebd. 2022: 74). Dabei unternehmen weder Bauer noch Diner eine inhaltliche Revision ihrer früheren Sichtweise der Shoah als Individualkategorie, sondern verlegen diese einfach in die Extremfallkonzeption hinein. Das logische Problem dabei ist folgendes: Die Extremfallkonzeption setzt voraus, dass sich die Fälle auf einem Kontinuum befinden, wobei der Extremfall etwas in Reinform ausdrückt, was er mit allen anderen Fällen teilt. Die Auffassungen von Bauer und Diner beruht dagegen auf einer Dichotomie, der Gegenüberstellung von „Totalvernichtung“ und „Partialvernichtung“ bzw. von „Gegenrationalität“ und „Zweckrationalität“ und widerspricht damit der Extremfallkonzeption.[4] Eine weitere Schwierigkeit für diese Auffassung ergibt sich, sobald der Porajmos einbezogen wird, den Diner – anders als Bauer – weitgehend ignoriert. Wenn das Kriterium wirklich Gegenrationalität und Sinnlosigkeit sein soll, würde einiges dafürsprechen, den Porajmos und nicht die Shoah als das singuläre Verbrechen zu betrachten. Der Hauptunterschied zwischen beiden bestand ja darin, dass Jüdinnen:Juden als absolute Bedrohung für die Nazis eine überragende Wichtigkeit hatten, während sie Sinti:zze und Rom:nja als deutlich geringere Gefahr ansahen, die trotzdem der Totalvernichtung unterlagen.[5]

 

3. Was heißt Extremfall?

Das einzige tatsächliche Alleinstellungsmerkmal der Shoah, über das in der heutigen Holocaust- und Genozidforschung weitgehende Einigkeit besteht, ist die Besonderheit des „Erlösungsantisemitismus“ als motivierende Ideologie: Die Nazis haben Jüdinnen:Juden als „Weltfeind“ konstruiert, auf dessen Verschwörung die Krisentendenzen der Moderne und die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg zurückgehen und der vernichtet werden muss, um Deutschland und die Menschheit zu retten (vgl. Friedländer 1997). Angesichts dieses Forschungsstandes gibt es für die Extremfallkonzeption der Singularitätsthese zwei Optionen: Entweder der Erlösungsantisemitismus wird als Steigerung eines allgemeinen Sachverhaltes verstanden – was ich als Steigerungsmodell bezeichne; oder der Erlösungsantisemitismus wird beiseitegelassen und es wird auf eine spezifische Kombination von Merkmalen verwiesen, die die Shoah mit anderen Massenverbrechen teilt – das kombinatorische Modell. Für beide Modelle lassen sich in den Singularitätsdebatten der letzten 30 Jahre jeweils zwei Beispiele finden. 

Bereits Mitte der 1990er Jahre haben Avishai Margalit und Gabriel Motzkin eine Version des kombinatorischen Modells vorgeschlagen, der zufolge die Singularität der Shoah in der Verbindung von zwei allgemeinen Merkmalen liegt: Vernichtung und Erniedrigung. Normalerweise schließen sich beide Merkmale aus, in der Shoah kommen sie jedoch zusammen und genau das macht dieses Massenverbrechen singulär (vgl. Margalit/Motzkin 1996). In einem 2012 auf Hebräisch verfassten Text hat Yehuda Bauer seine Sichtweise auf Singularität ein weiteres Mal revidiert. Dina Porat zufolge ist die Shoah für Bauer nun deshalb ein präzedenzloser Genozid, weil sie fünf Eigenschaften kombiniert, von denen keine ein Alleinstellungsmerkmal ist: Totalität und Globalität der Vernichtung, ihr industrieller Charakter, Irrationalität sowie Rassetheorie (vgl. Porat 2021). In Porats Referat wird allerdings nicht deutlich, worin sich die Merkmalskombination, die für die Shoah spezifisch sein soll, vom Porajmos unterscheidet, der dieselben Merkmale ebenfalls miteinander verbindet.

Das Steigerungsmodell der Extremfallkonzeption findet sich in einer spektakulären politischen Intervention, in der der damalige israelische Außenminister Yair Lapid 2021 dafür plädiert hat, Antisemitismus als Rassismus zu begreifen: „We must change our approach and make the Holocaust a global lesson regarding all manifestations of racism. […] Instead of taking refuge in our historical uniqueness, we must utilize that uniqueness to enlist anyone who opposes the culture of blood and death promoted by the world’s racists.“ (Lapid 2021). Die Shoah wird dabei zu einer extremen Manifestation von Rassismus, wobei Lapid nicht diskutiert, welche Merkmale von Rassismus es sind, die der Erlösungsantisemitismus steigert. 

Ganz im Sinn des Steigerungsmodells argumentiert auch einer der schärfsten Kritiker der hegemonialen deutschen Erinnerungskultur, nämlich Dirk Moses. Zwar hat der australische Historiker und Genozidforscher die Singularitätsthese in der Variante von S (ii), d.h. als differenzialistische Tatsachenbehauptung, mitunter sehr polemisch kritisiert.[6] Dennoch schreibt auch er der Shoah eine besondere Bedeutung zu und vertritt dabei eine Extremfallkonzeption, die nichts anderes als eine (Krypto-)Version von Singularität (iii u) ist. Für Moses bildet „das utopische Streben nach absoluter Sicherheit den Kern der Shoah und anderer NS-Genozide“ (Moses 2023: 101), wobei die Shoah zum „radikalsten Fall“ (ebd.: 108) dieses Strebens erklärt wird. Unter „absoluter“ bzw. „dauernder Sicherung“ versteht Moses „eine Praxis, in der eine Gruppe von Menschen – Zivilist*innen – kollektiv und präventiv als Sicherheitsbedrohung ins Visier genommen wird.“ (ebd.: 94/95). Zugrunde liegt dieser Praxis nicht in erster Linie Hass, sondern Angst und Paranoia, auch wenn die Opfer die Verfolgung vor allem als hassgeleitet erleben.[7]

Moses Konzeption der dauernden Sicherung fasst den Erlösungsantisemitismus als Steigerung eines allgemeinen Phänomens, nämlich von Sicherheitsparanoia. Niemals zuvor und auch nicht danach gab es ein Massenverbrechen, bei dem eine Gruppe (das „Weltjudentum“ gemäß der Nazi-Terminologie) derart wahnhaft als existenzielle Gefahr sowohl für die Eigengruppe (die Deutschen) als auch für die Ordnung der Welt imaginiert wurde wie im Fall der Shoah. Im Rahmen dieser Sicherheitsparanoia war es durchaus rational, dass die Nazis die Shoah gegenüber der Kriegsführung (tendenziell) priorisierten: Wenn schon der tatsächliche Krieg verloren war, musste wenigstens der eingebildete Präventivkrieg gegen den „Weltfeind“ gewonnen werden. Moses plädiert dafür, die Konzeption des Erlösungsantisemitismus um etwas zu erweitern, das er als „Erlösungsimperialismus“ (ebd.: 104) bezeichnet. Damit soll der Bogen zur kolonialen Ostexpansion der Nazis gespannt werden. Die Shoah, so lassen sich Moses‘ jüngste Arbeiten verstehen, war kein kolonialer, sondern ein „imperialer Genozid“ (Pergher/Roseman 2013: 42). Nicht nur wurde eine Gruppe im ganzen Imperium unter Aufbietung von dessen Ressourcen verfolgt (das trifft auch auf den Porajmos zu), sondern Jüdinnen:Juden wurden in klassischer Täter-Opfer-Umkehrung als Hauptgefahr für die eigene Imperienbildung imaginiert und damit auch für die unter deutscher Vorherrschaft zu bewahrende rassisch-hierarchische Ordnung der Welt. 

 

4. Welches „Nie Wieder!“?

Nach dem antisemitischen Massaker, das die Hamas am 7. Oktober 2023 begangen hat, und Israels Reaktion darauf, ist die Frage der normativen Konsequenzen der Shoah ins Zentrum der politischen Debatte in Deutschland gerückt. Dabei stehen sich zwei verschiedene Interpretationen des „Nie Wieder!“ gegenüber. Zum einen der partikularistische Imperativ, dass Jüdinnen:Juden nie wieder schutzlos antisemitischer Gewalt ausgesetzt sein dürfen. „Nie wieder ist jetzt!“ bedeutet dann, dass dieser Fall mit dem Hamas-Massaker eingetreten ist. Zum anderen die universalistische Deutung, der zufolge die Lehre aus der Shoah nur sein kann, dass jedes Menschenleben gleich viel wert ist und daher gleichermaßen Schutz vor Entmenschlichung und Tötung verdient. Daraus folgt in der Regel, dass sowohl das Hamas-Massaker als auch Israels Zerstörung des Gazastreifens abgelehnt werden. 

Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen Singularitätsthese und diesen beiden Interpretationen des „Nie Wieder!“? Nach der Standardlesart sowohl ihrer Befürworter:innen als auch Gegner:innen führt die Singularitätsthese schnurstracks zum partikularistischen Imperativ. Dem ist jedoch keineswegs so. Sobald ihre verschiedenen Typen auseinandergehalten werden, ergibt sich ein komplizierteres Bild: Singularität (ii) als Unvergleichbarkeit und Individualkategorie hat partikularistische Implikationen, während die Extremfallkonzeption, gerade weil sie der Shoah keine grundlegende Andersheit zuschreibt, universalistisch ausgerichtet ist. 

Dabei ist keineswegs offenkundig, wie mit Singularität (ii) das partikularistische „Nie Wieder!“ begründet werden kann. Wenn die Shoah grundlegend anders war als alle anderen Massenverbrechen, bleiben ihre normativen Konsequenzen darauf beschränkt, dass sie sich als Ereignis nicht wiederholen darf. Wer aus Singularität (ii) eine besondere Schutznotwendigkeit jüdischen Lebens gewinnen will, wird auf eine spezifische jüdische Opferschaft rekurrieren müssen. Diese kann entweder eine Leidenshierarchie beinhalten oder eine „Reinheit“ der Opferrolle, der zufolge nur Jüdinnen:Juden Opfer eines sinn- und zwecklosen Massenverbrechens wurden. Beides ist jedoch ziemlich unplausibel. Letztlich ist diese Diskussion auch gegenstandslos, da heute kaum mehr jemand Singularität (ii) als Unvergleichbarkeit und Individualkategorie vertritt, auch wenn es diverse Rückzugsgefechte gibt. Und dennoch ist der Befund relevant. Er lautet nämlich, dass die Singularitätsthese in ihrer gegenwärtigen Gestalt gerade nicht zum normativen Partikularismus tendiert.[8]

Dagegen ist die Extremfallkonzeption, indem sie die Shoah als Verkörperung von allgemeinen Eigenschaften von Massenverbrechen versteht, von vornherein universalistisch ausgerichtet. Je nachdem, wie diese „Verkörperung“ genau gefasst wird, bekommt auch das „Nie Wieder!“ einen unterschiedlichen Akzent. In der Version von Margalit und Motzkin bedeutet es „Nie wieder Menschenrechtsverletzung!“, da Vernichtung und Erniedrigung als Verletzung des basalen Rechts auf Leben und gleicher Würde verstanden werden können. In Bauers jüngster Wendung läuft es auf „Nie wieder Genozid!“ hinaus und bleibt damit auf das „Verbrechen aller Verbrechen“ beschränkt. Bei Lapid liegt der Akzent auf „Nie Wieder Rassismus!“, wobei der antirassistische Imperativ auch auf Israel bezogen wird: „The fight against racism needs to be part of our set of considerations in choosing our friends in the world, in the way in which we deal with the Israeli-Palestinian conflict, in how we relate to the minorities living among us.” (Lapid 2021).

Im Anschluss an Moses schließlich lautet der universalistische Imperativ: „Nie wieder Sicherheitsverbrechen! Zivilist:innen sind gegen (para-)staatliche Übergriffe zu schützen, die sie kollektiv und präventiv als Bedrohungen konstruieren!“. Dieser Imperativ ist vor allem für Deutschland eine Herausforderung, das die Sicherheit Israels als Teil seiner Staatsräson definiert hat. Die Bundesregierung wird sich irgendwann entscheiden müssen, ob sie darunter menschenrechtsbasierte Sicherheit versteht, bei der es um einen gerechten Frieden zwischen Israel, den Palästinenser:innen und den arabischen Nachbarstaaten geht, oder dauernde Sicherung, in der die Palästinenser:innen als antisemitisches Gefahrenkollektiv konstruiert werden, das militärisch in Schach zu halten ist (vgl. Moses 2023b). Moses hat die Shoah-Erinnerung mit einer Fundamentalkritik politischer Gewalt verbunden: Die dauernde Sicherung gehört von Anfang an zur westlichen Moderne und ist gerade in kolonialen Kontexten vielfach zur Anwendung gebracht worden. Ihre extremste Manifestation in der Shoah ist somit nichts, das von außen kommend die Gewissheiten dieser Moderne erschüttern würde. Anstelle eines Zivilisationsbruch wurde die Gebrochenheit der westlichen Zivilisation in der Shoah vielmehr auf die Spitze getrieben.

 

Schluss

Ich habe in diesem Text zunächst die Urteilsstruktur der Singularitätsthese analysiert und auf dieser Grundlage drei Typen von Singularität unterschieden: Unvergleichbarkeit, Individualkategorie und Extremfall. Die erinnerungspolitischen Debatten in Israel, den USA und Deutschland weisen eindeutig in Richtung Extremfallkonzeption, auch wenn einige Akteur:innen des Historiker:innenstreits 2.0 das (noch) nicht wahrhaben wollen. Innerhalb der Extremfallkonzeption habe ich zwischen einem kombinatorischen und einem Steigerungsmodell unterschieden und diese an jeweils zwei Beispielen konkretisiert. Normativ scheint es ausgesprochen schwierig, wenn nicht gänzlich unmöglich, mit der Singularitätsthese ein partikularistisches „Nie Wieder!“ zu begründen, während die Extremfallkonzeption die Shoa zum Bezugspunkt einer universalistischen Ethik macht. Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die Vorwürfe, postkoloniale Ansätze würden die Shoah „relativieren“ und ihre Singularität „angreifen“, als wenig überzeugend. Im Gegenteil, postkoloniale Ansätze leisten einen wichtigen Beitrag zur Extremfallkonzeption und ihr methodischer Punkt, Dichotomien durch ein Denken in Kontinua und Spektren zu ersetzen, ist durch die historische Forschung bestens gedeckt. Es bleibt die Hoffnung, dass irgendwann eine konstruktive Diskussion über die Singularitätsthese in Gang kommt. Der Sache, d.h. der Stärkung des Gedenkens an die Shoa und alle anderen deutschen Verbrechen, wäre damit gedient.

 

Literatur

Arendt, Hannah 1954: Social Science Techniques and the Study of Concentration Camps (1950). In: ebd.: Essays in Understanding 1930-1954. New York: 232-247

Bauer, Yehuda 1978: The Holocaust in Historical Perspective. Canberra

- 1980: Whose Holocaust? In: Midstream. A Monthly Jewish Review: 42-46

- 2001: Die dunkle Seite der Geschichte. Die Shoah in historischer Sicht. Interpretationen und Re-Interpretationen. Frankfurt

Diner, Dan 1987a: Zwischen Aporie und Apologie. Über Grenzen der Historisierbarkeit des Nationalsozialismus. In: ebd. (Hg.): Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit. Frankfurt: 62-73

- 1987b, Zwischen Aporie und Apologie. Über die Grenzen der Historisierung des Nationalsozialismus, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Heft 3: 153-159

- 2007: Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust. Göttingen

- 2022: Über kognitives Entsetzen, in: Friedländer, Saul u.a.: Ein Verbrechen ohne Namen. Anmerkungen zum neuen Streit über den Holocaust. München: 69-86

Friedländer, Saul (1997): Nazi Germany and the Jews. Vol. 1: The Years of Persecution, 1933-1939. New York: Kapitel 3

Geras, Norman 2003: In a Class of Its Own? In: Eve Garrard u. Geoffrey Scarre (Hg.): Moral Philosophy and the Holocaust. Aldershot: 25-56

Klävers, Steffen 2019: Decolonizing Auschwitz? Komparativ-postkoloniale Ansätze in der Holocaustforschung. Berlin

Lapid, Yair 2021: Is Antisemitism Racism? In: Haaretz

Löw, Andrea 2012: ‘Ein Verbrechen, dessen Grauen mit nichts zu vergleichen ist‘. Die Ursprünge der Debatte über die Singularität des Holocaust. In: Sybille Steinbacher (Hg.): Holocaust und Völkermorde. Die Reichweite des Vergleichs. Frankfurt: 125-143

Margalit, Avishai/Motzkin, Gabriel 1996: The Uniqueness of the Holocaust. In: Philosophy and Public Affairs, 25. Jg., Heft 1: 65-83

Monath, Hans 2022: Gedenken an den Holocaust: Der nächste erbitterte Historikerstreit steht an. In: Tagesspiegel

Moses, A. Dirk 2023a: Nach dem Genozid. Grundlage für eine neue Erinnerungskultur. Berlin

-2023b: More than Genocide. In: Boston Review. Online verfügbar unter: https://www.bostonreview.net/articles/more-than-genocide/

Pergher, Roberta/ Roseman, Marc 2013: The Holocaust – an imperial genocide? In: The Holocaust: a colonial genocide? A scholars’ forum, Dapim: Studies on the Holocaust, 27. Jg., Heft 1: 40-73

Pleasants, Nigel 2016: The Question of the Holocaust’s Uniqueness. Was it Something More Than or Different From Genocide? In: Journal of Applied Philosophy 33: 297-310

Porat, Dina 2021: Is the Holocaust a Unique Historical Event? A Debate between Two Pillars of Holocaust Research and its Impact on the Study of Antisemitism. In: Lange, Armin u.a. (Hg.): Comprehending Antisemitism through the Ages: A Historical Perspective, Berlin: 275-294

Rosenberg, Alan 1987: Was the Holocaust Unique? A Peculiar Question? In: Isidor Walliman u. Michael N. Dobkowski (Hg.): Genocide and the Modern Age. Etiology and Case Studies of Mass Death. New York: 45-161

Sone, Dan 2010: Histories of the Holocaust, Oxford

Sznaider, Natan 2023: Nur die Verzweiflung kann uns retten. In: Spiegel Online


 

[1] Ich entwickele hier Überlegungen weiter aus: Urs Lindner 2022: Die Singularität der Shoah und die postkoloniale Herausforderung der deutschen Erinnerungskultur. Eine Bestandsaufnahme des ‚Historikerstreits 2.0‘. In: Geschichte und Gesellschaft, 48. Jg., Heft 2: 272-300.

[2] „Differenzialistisch“ meint genau das: dass aus relevanten Differenzen eine grundlegende Andersheit gemacht wird.

[3] Steffen Klävers spricht von einer „substanziellen Andersartigkeit“ der Shoah (Klävers 2019: 16). 

[4] In den 1990er Jahren hat Bauer die Rationalitätsdichotomie von Arendt und Diner übernommen.

[5] Zu den Details siehe: Fings, Karola 2015: Opferkonkurrenzen. Debatten um den Völkermord an den Sinti und Roma und neue Forschungsperspektiven. iI: S:I.M.O.N. – Shoah: Intervention. Methods. Documentation, 2. Jg., Heft 1: 79-101

[6] Insbesondere in: Moses, A. Dirk 2021: Der Katechismus der Deutschen. In: Geschichte der Gegenwart. Online: https://geschichtedergegenwart.ch/der-katechismus-der-deutschen/

[7] Moses unterscheidet dabei zwischen liberaler und antiliberaler dauernder Sicherung. Letzterer geht es darum, vorbeugend Gefahren von einer Ethnie, Nation oder Religion abzuwenden, indem ganze Gruppen zielgerichtet vernichtet werden, gerade auch Kinder als zukünftige Bedrohungen. Erstere bekämpft dagegen „Feinde der Menschheit“ und normalisiert die massenweise Tötung von Zivilist:innen bzw. deren Inkaufnahme zu „Kollateralschäden“ (vgl. ebd. 2012).

[8] Das ist kein Verdikt über das partikularistische „Nie Wieder!“. Für dieses gibt es auch jenseits der Singularitätsthese Gründe, z.B. die Erfahrung, dass sich Jüdinnen:Juden, wenn es hart auf hart kommt, nicht auf universalistische Moral verlassen können, und dass der Universalismus oftmals kein wirklicher Universalismus ist, sondern christlich bleibt. Das scheint die Position zu sein, die z.B. Natan Sznaider vertritt (vgl. ebd. 2023: Nur die Verzweiflung kann uns retten, in: Spiegel Online).