Handlungs- und Bildungsoptionen
Handlungsstrategien und Erfahrungen im Umgang mit Rechts gibt es viele. Im Alltag, im Verein oder bei der Kampagnenarbeit können sie helfen sich selbstbewusst gegen rechte Argumente und Hass zu positionieren.
https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/agrarpolitik/249/was-tun-gegen-rechts
Diesen Januar haben sich wieder über zehntausend Menschen in Berlin zusammengefunden. Unter dem Motto „Wir haben es satt!“ protestierten sie gegen eine industrielle Landwirtschaft und für mehr Vielfalt auf und um die Äcker. „Wir sagen nein zu Rassismus und rechter Hetze!“ schallte auch aus den Lautsprechern der Demonstration. Die Veranstalter*innen positionierten sich damit nicht nur zu Fragen der Landwirtschaft, sondern setzten auch ein Zeichen gegen Diskriminierung. Nicht nur in Deutschland tritt rechtes Gedankengut offen zutage. Kontinuierlich werden die Grenzen des Sagbaren nach rechts außen verschoben. Umso wichtiger ist es sich gegen rechte Stimmungsmache zu stellen und diese Positionierung entschlossen zu vertreten. Denn politische Stimmung wird nicht nur in den Parlamenten gemacht, sondern in allen Bereichen des Lebens.
Völkische, nationalistische und andere menschenverachtende Positionen werden oftmals hinter anschlussfähigeren Themen versteckt. Ökolandbau, regionale Vermarktungsketten und Protest gegen Freihandelsabkommen bekommen erfreulicherweise viel Zuspruch aus breiten Teilen der Gesellschaft. Häufig werden diese Themen als eher links-alternativ wahrgenommen. Aber so eindeutig ist es nicht immer: Zum Beispiel propagiert die Anastasia-Bewegung Brandenburg eine rassistische und antisemitische Ideologie und setzt sich gleichzeitig für Ökolandbau und Autarkie ein. Andere Rechte interessieren sich für die Gründung veganer solidarischer Landwirtschaften und freier Schulen. Es ist nicht immer gleich ersichtlich, wer sich da engagiert und mit welcher Motivation. Umso wichtiger ist es, sich derartiger Überschneidungen bewusst zu werden und diese nicht kleinzureden.
Handreichungen, Erfahrungsberichte und Veranstaltungen zu dem Thema existieren und sie helfen zu sensibilisieren. Am Fachbereich „Ökologische Agrarwissenschaften“ der Universität Kassel in Witzenhausen gab es im vergangenen Winter eine umfassende Veranstaltungsreihe zu rechten Ideologien in ländlichen Räumen.(1) Die Fachstelle für Radikalisierung im Natur- und Umweltschutz (FARN) bietet Materialien und Seminare an. Sie bieten die Möglichkeit Kenntnisse über historische Kontinuitäten, Vorgehensweisen und Strategien von rechten Gruppierungen oder Personen zu erhalten und zu erkennen. Dasselbe gilt für Personennamen, Codes und Zeichen der rechten Szene wie zum Beispiel Runen.
Frau Denk vom Hardthof macht es vor
Doch was passiert nach dem Erkennen von rechtem Gedankengut? Es muss eine Positionierung her! Hierzu bedarf es einer Auseinandersetzung mit der eigenen Position, um selbstbewusst und überzeugend auftreten zu können. Zum Glück haben sich bereits Viele Gedanken gemacht, wie eine Positionierung aussehen und wie man eigene Unsicherheiten abbauen kann.
Ein mutiges Beispiel ist Frau Denk, Bäuerin vom Hardthof im Odenwald mit Direktvermarktung vom Hof.(2) Sie schmückte zum Anlass einer AfD-Kundgebung ihren Trecker mit einem Laken und dem Spruch: „Nein zur AfD #Wirsindmehr!“ Ein Foto von dem Banner lud sie auf Facebook hoch. Es folgte ein Shitstorm im Internet und ein Teil ihrer Kundschaft blieb aus. Unterstützung bekam der Hof vom Landrat, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Polizei. Trotz wenig positiver Reaktion aus der direkten Umgebung sagt Frau Denke „…und ich würde es wieder machen!“ Sie wünscht sich allerdings, dass zur nächsten Demo mehr Leute an ihrer Seite stehen und Stellung beziehen.
„Aufstehen gegen Rassismus“ bietet bundesweit die sogenannten „Stammtischkämpfer*innen“-Seminare an. Hier wird in der Gruppe praktisch geübt, wie man gegen rechte Standpunkte argumentiert und wie man sich verhalten kann. Verschiedene Strategien sind möglich: Will ich mich auf eine Diskussion einlassen, mit Umstehenden verbünden oder eine knackige Gegenposition verlauten lassen? Es gibt viele Möglichkeiten um im direkten Umgang nicht zu verstummen.
Auch in der Gremienarbeit, bei öffentlichen Veranstaltungen und in der Befassung mit Anträgen bleibt ein direkter Kontakt zu rechten Positionen nicht aus. Vor allem seitdem die rechte AfD in den Regierungen vertreten ist und verstärkt in der kommunalen Politik auftritt. Anregen und helfen kann auch die neue Broschüre der Rosa-Luxemburg-
Stiftung: Rät*innen gegen Rechts – Umgang mit Rechten in kommunalen Gremien.(3) Neben Strategien und Information sind vor allem kurze Erfahrungsbericht im Umgang mit extrem rechten Parteien, wie der NPD, in der Broschüre inspirierend.
Inspiration und Unterstützung
Von Verbindungsversuchen von Personen oder Gruppen mit rechtem Hintergrund sollte sich distanziert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Reaktion des GeN auf den positiven Bezug der AfD zu dem Argumentationspapier zum Bluttest.(4) Präventiv bieten sich für Bündnisse, Lokale und Geschäfte weitere Möglichkeiten an. Die Bewegung „Wir haben es satt!“ zeigt wie Positionierung und Distanzierung auf der großen Bühne geht (s.o.). Neben Statements auf der Demo, ist auch auf dem Flyer sowie auf der Webseite der Spruch „Nein zu Rassismus und rechter Hetze!“ zu lesen. Das geht auch im kleineren Maßstab durch das Aufhängen von Plakaten im Fenster, eine öffentliche Unterstützung von antirassistischen Gruppen durch Auslegen von Material und Artikel auf der eigenen Webseite. Bei der Vermietung von Räumen sollte drauf geachtet werden an wen vermietet wird. Anregungen, Aufkleber und Unterstützung bietet der Verein Keine Bedienung für Nazis e.V. an.(5)
Als Verband oder Verein hat man ein weiteres Werkzeug: Die Satzung. Schon 2012 änderte Bioland, ein Verband für ökologischen Landbau seine Vereinssatzung und fügte ein, dass „rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen“ getreten wird.(6) Mitglieder können demnach ausgeschlossen werden, wenn sie gegen diesen Paragrafen verstoßen. Wie und ob erkannt wird, dass ein Mitglied rassistische oder verfassungsfeindliche Bestrebungen hat und wie dies bewiesen werden müsste bleibt allerdings offen.
Dieser kleine Einblick in Aktionsformen und Handlungsspielräume soll ermutigen die eigene Stimme zu nutzen. Jedes Schweigen, weggucken und hoffen, dass es von selbst vorbei geht bestärkt die, die rechte Hetze und Ausgrenzung betreiben und schadet denen, die direkt von rassistischer, sexistischer oder anderer menschenfeindlicher Gewalt betroffen sind. Für eine Distanzierung benötigt es wenig: „Dem stimme ich nicht zu“ oder „gegen Menschenfeindlichkeit“ reicht oft als Ausdruck – gesprochen oder geschrieben. Dies ist auch essenziell um sich zu solidarisieren. Denn um sich solidarisch verhalten zu können muss man die erkennen, mit denen man solidarisch sein will. Zusammenhalt und Unterstützung ermöglichen es widerständig und mutig zu sein. Und so ist Frau Denk vom Hardthof und uns allen zu wünschen, dass bei der nächsten Demo viele an Frau Denks Seite stehen werden um laut zu sein gegen rechte Ideologien.
Fußnoten:
(1) www.kurzlink.de/gid249_zv oder www.gegen-rechtsdruck-veranstaltungsreihe.de [letzter Zugriff: 18.04.2019].
(2) SG (26.11.2018): Rechts (D)Ruck im ländlichen Raum? In: Unabhängige Bauernstimme, 2018, Dezember. Online unter: www.kurzlink.de/gid249_zu oder www.bauernstimme.de [letzter Zugriff: 18.04.2019].
(3) Taschke, Anika und Giesbers, Tilo (2019): Rät*innen gegen Rechts – Umgang mit Rechten in kommunalen Gremien. Rosa-Luxemburg-Stiftung. Online unter: www.kurzlink.de/gid249_zs oder www.Rosalux.de.
(4) Das Argumentationspapier vom Bündnis: www.gen-ethisches-netzwerk.de/node/3910 und Distanzierung auf Twitter: www.kurzlink.de/gid249_zp.
(5) www.keine-bedienung-fuer-nazis.de.
(6) Satzung Bioland §2.3 unter www.bioland.de und Jost Maurin berichtet in der taz (29.11.2012). Online unter: www.kurzlink.de/gid249_zt oder www.taz.de [letzter Zugriff: 18.04.2019].