antirassismus konkret

Vorschläge für Uni, öffentlichen Dienst und Stadtpolitik

vom winde verweht: antirassistische Stadtplanung

Katalin Gennburg

Die Stadt ist der Funktionsraum einer rassistischen Gesellschaft. Schon die Stadtsoziologen der Chicago School of Sociology befanden, dass die Stadt sich in soziale und funktionale Räume aufteilen lässt. Durch Segregationsprozesse, also Verdrängungsprozesse, entstehen städtische Räume jeder Preisklasse. Von der Brücke bis zum Penthouse. Seit den 90ern wird der Städtediskurs durch den von Ruth Glass geprägten Begriff „Gentrification“ wiederbelebt. Man meint fast, dies sei der Inbegriff städtischen Rassismus. Zwar spiegeln sich in dem Begriff Gentrification gesellschaftliche Prozesse wieder, die rassistisch sind, allerdings ist Gentrification nur insofern gleich Rassismus, wie es rassistisch ist, dass der Wind auch über Fabriken gen Osten weht und Armenviertel deshalb fast immer östlich der Industrieflächen existierten. Spannender wird es aber, wenn eine Stadt von Katastrophen betroffen ist. Der Hurrikan Katrina 2005 machte New Orleans zu einer „City of Whites and Riches“. Obwohl einem Hurrikan keine rassistischen Motive unterstellt werden können, wurden vor allem Arme und Nicht-Weiße Opfer des Sturmes. Der Begriff „Vulnerabilität“ beschreibt in der Stadtforschung die „Verwundbarkeit“ Armer in Katastrophenszenarien. Zu New Orleans weiß man heute, dass einkommensstarke EinwohnerInnen nicht am Meer wohnen, weil sie von der ständigen Katastrophengefahr wussten, während die Flächen in Küstennähe zeitgleich billig genug für die Armen waren. So sind es östlich von Industrieanlagen gelegene Wohnquartiere, Siedlungen in Küstennähe oder auch das Leben auf der Erdspalte. Deshalb geht es neben Gentrification um die Flächenverteilung und Ökonomisierung öffentlichen Eigentums. Ein gutes Leben für alle fängt bei Flächennutzungsplänen an.

Katalin Gennburg studiert Historische Urbanistik am Center for Metropolitan Studies der TU Berlin und arbeitet als Tutorin im Bereich Stadt- und Regionalsoziologie.

quo vadis, quote? für zielquoten im öffentlichen dienst

Alexander Haas

Menschen mit Migrationshintergrund sind im öffentlichen Dienst unterrepräsentiert. Einzelne Kampagnen zur Erhöhung des Migrant_innenanteils bei Nachwuchskräften reichen nicht. Es bedarf effektiver Instrumente, damit ein Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zum Beruf durchsetzbar wird. Kann die Frauenquote ein Vorbild sein? Eine zweite bloß einzelfallbezogene Quote einzuführen ginge schief: Wer würde befördert, die Frau ohne oder der Mann mit Migrationshintergrund? Stattdessen sollten die verschiedenen Diskriminierungsmerkmale nicht weiter isoliert betrachtet werden. Die Diskriminierung muslimischer Frauen mit Migrationshintergrund ist eben etwas anderes als eine bloße Addition von rassistischer, sexistischer und glaubensbezogener Diskriminierung. Zweitens brauchen wir durchsetzungsstarke Instrumente nicht nur für die Besetzung einzelner Stellen, sondern für die Personalpolitik einer Behörde insgesamt. Mit merkmalsübergreifenden Antidiskriminierungsplänen könnten der Verwaltung u.a. verschiedene verbindliche Zielquoten vorgegeben werden. Sie zu verfehlen zöge Sanktionen nach sich. Vorteil dieser Regelung: Bei der bestehenden Frauenquote konzentrieren sich unwillige Vorgesetzte darauf zu begründen, warum eine Bewerberin nicht „gleichwertig“ qualifiziert ist. Bei der Zielquote ist es Aufgabe der Personalverantwortlichen, dann eben eine der zweifellos vorhandenen mindestens gleichwertig qualifizierten Frauen bzw. Personen mit Migrationshintergrund anzusprechen und für eine Bewerbung zu gewinnen.

Alexander Haas ist Jurist und setzt sich als Gewerkschaftssekretär des DGB Berlin-Brandenburg für einen diskriminierungsfreien öffentlichen Dienst ein.

institutionalisierter rassismus und die universität

Grada Kilomba

Der Begriff des institutionalisierten Rassismus‘ verweist darauf, dass es sich nicht um ein ausschließlich ideologisches, sondern um ein institutionelles Phänomen handelt. Institutionen, wie Bildungseinrichtungen, haben Muster der Ungleichbehandlung in Alltagsroutinen, die Interessen, Bedürfnisse, Ansprüche, Anliegen und Perspektiven von Weißen privilegieren und Schwarze Menschen und People of Color erkennbar benachteiligen. Realität an deutschen Universitäten ist, dass akademische Fragestellungen, Paradigmen, Methoden, Ziele und Programme die politischen Interessen der weißen Mehrheit repräsentieren. Die Arbeiten von Schwarzen Forscher_innen bleiben daher oft außerhalb des universitären Kontextes. Die herrschenden Strukturen definieren nicht nur, was als Wissenschaft anerkannt wird, sondern auch wem Glauben zu schenken ist und wem vertraut werden kann. Das bezieht sich sowohl auf Arbeiten als auch auf Individuen im akademischen Kontext. So lange Schwarzen Menschen und People of Color Führungspositionen in den Universitäten verweigert werden, verbleiben Vorstellung darüber, was Wissen, Wissenschaft und Lehre sind, exklusives weißes „Eigentum“. Nur indem wir neue Räume für alternative Wissenskulturen und Wissenspolitiken öffnen, können wir die Universität dekolonisieren. Das wäre ein wundervolles Ereignis, schließlich leben wir im 21. Jahrhundert und müssen uns dringend über die kolonialen Strukturen hinaus bewegen.

Grada Kilomba ist Schriftstellerin, Autorin des Buches „Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism“ und als Dozentin mit dem Schwerpunkt postkoloniale Theorie tätig.