Und jährlich grüßt das Murmeltier
Für diesen Artikel haben wir verschiedene Frauen im Umfeld der LINKEn nach ihren Erlebnissen mit dem internationalen Frauentag befragt. Viele wussten Abenteuerliches zu berichten: Besonders schaurig war die Geschichte über die „Harz-Reise“, welche nicht – wie anfänglich für selbstverständlich gehalten – eine inhaltliche Veranstaltung zu den Auswirkungen der Hartz-IV-Gesetzgebung auf Frauen darstellte. Vielmehr präsentierte ein Genosse seinen Genossinnen einen Diavortrag seines letzten Urlaubes. Standard zu sein scheint, dass zur Feier des Tages die Genossen das Ausschenken des Kaffees und die Verwaltung des Kaufhaus-Kuchens übernehmen. Bei uns lösen diese Berichte miese Gefühle aus.
Das hält uns dennoch nicht davon ab, diesen Tag feiern zu wollen. Wenn das nicht nur Kaffeekränzchen bedeutet, sind wir auch sehr dafür, dass er zum gesetzlichen Feiertag erklärt wird. Gar wären wir bereit, den sächsischen Buß- und Bettag dafür zu opfern. Immerhin bietet der Frauentag Raum, auch wenn wir uns seines heteronormativen Charakters durchaus bewusst sind, Verhältnisse zu kritisieren und Ansprüche zu formulieren. Denn das gesamte Jahr über, aber besonders am 8. März heißt es für uns: nicht haltmachen bei Fragen der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen, sondern ein Augenmerk auf die strukturelle Ungleichverteilung von Ressourcen und Macht zwischen den Geschlechtern legen. Nicht verharren bei einem „Ihr-Wir-Denken“, sondern eine Verständigung darüber, dass gesellschaftliche Verhältnisse auf der konstruierten Zweigeschlechtlichkeit fußen. Nicht zuletzt stehen wir auf Feiertage, die keine nationale Perspektive einnehmen.
Doch was heißt das eigentlich? Wir müssen uns fragen, wie und mit wem man den internationalen Frauentag feiern kann, ohne die Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern nicht nur nicht zu hinterfragen, sondern gar zu verfestigen („Heute schenke ich den Kaffee aus, Mädels!“), noch das als befriedigendes Programm zu sehen, was „Frauen Freude macht“ (Singen und Tanzen). Daran knüpft die Frage an, wie man Feiern und politischen Anspruch in Einklang bringen kann. Das gern zu diesen Anlässen vorgetragene politische Theaterstück verbunden mit der Sammeldose als „Akt der Solidarität für unsere geknechteten Genossinnen in aller Welt“ ist zwar von der Idee her gut, doch reißt es niemanden mehr vom Hocker – vor allem in den miefigen Räumen so mancher Geschäftsstellen. Außerdem sollten wir uns Gedanken machen, wie jenseits des Nelkenverteilens (auch wenn wir Blumen sonst für eine dufte Sache halten) eine Öffentlichkeit erlangt werden kann. Als Vorbild können hier die Mayday-Paraden angeführt werden, die den „Kampftag der Arbeit“ mit gewerkschaftlichen Trauerzügen samt Bier und Bratwurst um eine lustbezogene, doch nicht weniger politische Aktionsform ergänzen. Wer den internationalen Frauentag als wirkliches politisches Ereignis sehen will, sollte sich im Klaren darüber sein, dass es zwingend notwenig ist, Ausrichtung und Ausgestaltung grundsätzlich anzutasten. Ohne diese Veränderung wird Jahr für Jahr das vermeintlich Angegriffene reproduziert und zementiert. Aber auch hier gilt: Wir wollen nicht den Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei!