Buchrezension
...wer dir naht mit platten Füßen, mit Nasen krumm und Haaren kraus, der soll nicht deinen Strand genießen, der muss hinaus! Der muss hinaus!
So lauten Zeilen der letzten Strophe des ‚Borkum-LiedesÂ’, der antisemitischen ‚NationalhymneÂ’ der Insel ab den 1890er Jahren. Frank Bajohrs Buch zum Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert macht die Ausgrenzung von JüdInnen erfahrbar.
Borkum ist eine der Nordseeinseln, die sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu einer der Hochburgen antisemitischer Badeorte entwickelt hatten. Denn trotz ihrer rechtlichen Gleichstellung waren JüdInnen zum Beispiel in ihrer Urlaubszeit zunehmend massiven Repressionen ausgesetzt. Türschilder mit Aufschriften wie ‚Juden und Hunde dürfen hier nicht reinÂ’ waren beispielsweise in vielen deutschen Bade- und Erholungsorten nichts Außergewöhnliches. Auch rühmten sich Urlaubseinrichtungen und Badeorte in Werbeprospekten damit, ein judenfreiesÂ’ Hotel oder gar Bad bieten zu können. Eine Trennung von jüdischen und antisemitischen Bade- und Erholungsorten etablierte sich deshalb unweigerlich.
Frank Bajohr stellt in seinem Buch ‚Unser Hotel ist judenfreiÂ’ (Fischer Taschenbuch Verlag, 2003) die Entwicklung des Bäderantisemitismus vom Kaiserreich bis zum ‚Dritten ReichÂ’ dar. Dabei gelingt es ihm, einen Eindruck von den unerträglichen Demütigungen zu vermitteln, denen JüdInnen in ihrer Urlaubszeit ausgesetzt waren, reisten sie nicht in jüdische Badeorte. Er beschreibt, wie sich diese Demütigungen zu realen Gefahren für das Leben der jüdischen Badegäste verschärften - wie zum Beispiel Umzüge, auf denen uniformierte Nationalsozialisten, ‚Juda verrecke!Â’ grölten.
Darüber hinaus ordnet Bajohr das Phänomen des Bäder-Antisemitismus gesamtgesellschaftlich ein: Welche Dimension hatte während des Kaiserreiches der Antisemitismus im alltäglichen Leben deutscher JüdInnen - in Freizeit, Urlaub, Beruf und Geschäftsleben? Warum waren JüdInnen vor allem in ihrer Urlaubszeit von einer solchen antisemitischen Hetze betroffen? Und welche Reaktionen und Verhaltensstrategien von JüdInnen und jüdischen Interessensverbänden folgten?
Mit vielen Quellen, Erfahrungsberichten und Abbildungen (eine antisemitische Ansichtskarte zu versenden, war ein Muss für die deutsch-nationalen UrlauberInnen), bemüht sich der Autor auch Nicht- HistorikerInnen eine Auseinandersetzung mit diesem Thema zu ermöglichen. Damit ist dieses Buch nicht nur für erfahrene Antifas, sondern auch für EinsteigerInnen eine empfehlenswerte Lektüre.