Die vernetzte Lobbyarbeit der Evangelikalen
Peter Hahne, Leiter des ZDF-Hauptstadtbüros, ist sicher der prominenteste Medienmann aus dem Kreis der evangelikalen Sammlung in Deutschland, der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA). Die Evangelikalen insgesamt werden seit einiger Zeit von der Öffentlichkeit stärker beachtet, was nicht zuletzt an ihrer medialen Präsenz liegt. So ist der Einfluss der evangelikalen Kreise innerhalb der evangelischen Kirche nach Meinung vieler BeobachterInnen gewachsen, nicht zuletzt durch die freundliche Haltung des bisherigen EKD-Vorsitzenden, Wolfgang Huber. Die bibeltreuen Kreise versprechen mehr Missionsarbeit und eine »Neuevangelisierung« Deutschlands, die wohl die gesamte EKD gerne sehen würde. Aber es ist gerade die aggressive Missionierung Andersgläubiger und Andersdenkender in Deutschland und im Ausland, die auch deutliche Kritik und Widerstände hervorruft.
Evangelikale Kreise beteiligen sich an den
anti-feministischen Kampagnen gegen das Recht auf Abtreibung, wie die
sogenannten »Märsche für das Leben«, die in
mehreren Städten durchgeführt werden. Diese waren nach
langen Jahren erstmals mit kräftigem Widerspruch konfrontiert
und forderten die »Krisen-PR« der ultrarechten
ChristInnen heraus. Die Arbeitsweise des evangelikalen Netzwerkes
wird auch an der jüngsten medialen Auseinandersetzung deutlich.
Sie entbrannte an der Zulässigkeit christlicher Missionsarbeit
in Krisenregionen. Im Juni 2009 waren zwei deutsche
»Bibelschülerinnen« im Jemen ermordet worden, die
wohl neben ihrer karitativen Arbeit auch missioniert hatten. Das
Nachrichtenmagazin »Frontal 21« (ZDF) kritisierte in
einem Beitrag die aggressive Propaganda der Entsendeorganisation und
verglich die Bereitschaft, für einen Gott zu sterben, mit
islamischem Fundamentalismus. Dies sorgte für evangelische
Proteste bis hinein in die EKD. Dabei reagieren die Evangelikalen vor
allem auf den Vorwurf des Fundamentalismus reflexartig empört.
»Gezielte Rufmordkampagne«, »böswillige
Unterstellung« und »wie einst in der DDR«, so die
Kommentare in ideaSpektrum.
Erste Adresse der Empörung
sind die Medienanstalten selbst, aber vor allem die EKD. Deren
Reaktion kann die Kritik multiplizieren oder – wie hier geschehen –
ihr die Spitze nehmen. Die evangelikalen Kreise setzen auf die
Wirkung ihrer Netzwerke. Zu den Aktivitäten der DEA gehört
seit gut dreißig Jahren auch die Bündelung ihrer
Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu wurde 1980 die "Konferenz
Evangelikaler Publizisten (KEP) e.V." gegründet, die sich
1999 den geschmeidigeren Namen »Christlicher Medienverbund KEP
e.V.« gab. Das Ziel der Gründung war es, durch die
»Koordination der bisherigen evangelikalen
Öffentlichkeitsarbeit (...) eine wirkungsvolle und
sachkompetente Vertretung der evangelikalen Bewegung in den
Massenmedien« zu erreichen. Schon Anfang der 1980er Jahre stieß
der junge Peter Hahne dazu und verließ den Verband erst 2008;
ein Umstand, der seltsamerweise weder von Hahne noch von der KEP
jemals erwähnt wird.
Es fällt bisweilen
schwer, Medien und Macht voneinander zu unterscheiden, wenn man sich
den »Christlichen Medienverbund« betrachtet. Ein
ZDF-Chefredakteur gehört bisher nicht dazu, die Reihe der
einflussreichen Mitglieder – laut KEP »Journalisten,
Publizisten, Verleger und Vertreter von Medienorganisationen« –
ist dennoch beachtlich. Fangen wir bei der Politik an. Neben der
Abgeordneten des sächsischen Landtages Uta Windisch sind einige
andere CDU-Mitglieder dabei: Christoph A. Zörb aus Ehringshausen
(Hessen), seit Februar 2009 Sprecher der hessischen Umweltministerin,
oder Christoph Weirich, seit Juli 2009 Pressesprecher der hessischen
CDU-Fraktion. Das Unternehmen Deichmann Schuhe ist vertreten, die
Stiftung Christlicher Medien (SCM), die Verlage Hänssler,
Brunnen und Johannis. Hinzu kommen diverse Pastoren und
Professionelle der evangelikalen Strömungen in Deutschland wie
der Generalsekretär der DEA, Hartmut Steeb, oder der Direktor
des Evangelium-Rundfunks ERF, Jürgen Werth. Bleiben die
JournalistInnen. Vertreten sind die Westdeutsche Zeitung (Cornelia
Breuer-Iff), die Hamburger Morgenpost, die Welt (Edgar S. Hasse), das
ARD-Hauptstadtstudio (Markus Spieker), der Mitteldeutsche Rundfunk.
Ein echtes Schwergewicht im Vorstand der KEP ist der
einflussreiche Prof. Dr. Wolfgang Stock (Woltersdorf bei Berlin), der
als aktuelle Funktion »geschäftsführender Vorstand
der Convincet GmbH« angibt. Stock verkörpert geradezu die
Verquickung von Medien, Marketing und politischer Meinung: »Als
Universitätsprofessor für Journalistik beherrscht er (...)
die Meta-Ebene der politischen Kommunikation und des Agenda Setting«,
so der Klappentext zu einem seiner Bücher. Zu seinen Tätigkeiten
gehörten oder gehören Lehraufträge an verschiedenen
Universitäten, »PR-Berater«, »Merkel-Biograf«,
»Macher des Merkel Podcasts« und einiges mehr. Stock war
Journalist bei FAZ, Welt, Focus und Berliner Zeitung. Er berichtete
für »Die Welt« aus Polen und war gleichzeitig »stark
in der Paneuropa-Bewegung Otto von Habsburgs engagiert«. Nach
zwanzig Jahren hat er seine Erfahrungen aus dem Business zum
Grundstock seiner Beratungstätigkeit für Wissenschaft,
Unternehmen und Politik gemacht. Christlicher Politik selbstredend,
Stock ist Mitglied der CDU.
Weltfremde Spinner also
sind diese Kreise ganz und gar nicht, ein Eindruck, der bei manchen
Medienberichten, vor allem z.T auch in linken Publikationen, durchaus
entstehen kann. Deutlich ist das Gespür dafür, wo Meinung
gemacht werden kann und politische Positionen entschieden werden: in
den Zentren der Macht. Dafür wirkt unter anderem die KEP mit
ihrer journalistischen Tagesarbeit. Mit den Worten der Vorsitzenden:
»(...) Netzwerke verdichten, Gebetskreise unterstützen,
Nachwuchsjournalisten fördern (...), die Seminararbeit
unterstützen: »Gottes Fußvolk« muss
professionalisiert werden.« Wer zu Gottes journalistischer
Seilschaft gehört, sollte aufmerksam beobachtet werden.
Aus: Antifaschistisches Info Blatt, Nr. 85, Winter 2009/2010