Wenn Pflanzen zu Treibstoff für Autos verarbeitet werden, bleiben viele Menschen ohne Essen. Das Auto ist der Deutschen bester Freund. Und es wird auch ausgiebig genutzt - selbst wenn die Strecke gut mit Bahn, Bus oder Rad zurückgelegt werden könnte. Die Hälfte aller Wege, die in Deutschland zurückgelegt werden, ist kürzer als fünf Kilometer. Das Auto ist bei
vielen längst von einem Hilfsgerät zu einem Statussymbol geworden.
So verwundert es nicht, dass alle Warnungen vor endlichen Ölreserven
und der Klimakatastrophe bestmöglich ignoriert wurden. Nun aber wird
seit einiger Zeit eine Lösung für diese Probleme angepriesen:
Bio-Treibstoffe!
Damit sind Kraftstoffe gemeint, die aus Pflanzen wie Raps, Soja oder
Mais hergestellt werden können. Verbunden sind damit viele Hoffnungen:
Die Abhängigkeit von Erdöl gehe zurück, der CO2-Ausstoß sinke, für die
Länder des globalen Südens gebe es Möglichkeiten, Geld zu machen.
Fraglicher Umweltnutzen
Tatsächlich aber sind diese erhofften Vorteile umstritten: Auch beim
Anbau der Pflanzen fallen Kohlendioxid-Emissionen an. Schätzungen der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
gehen davon aus, dass - abgesehen von wenigen Ausnahmen - maximal 40
Prozent eingespart werden können, andere Prognosen sagen sogar, dass so
genannte „Bio"-Treibstoffe gar keinen Klima-Vorteil gegenüber fossilen
Energieträgern wie Öl haben. Die genauen Zahlen sind schwer zu
ermitteln: Eigentlich müsste nämlich auch eingerechnet werden, wenn zum
Beispiel an anderer Stelle Regenwald abgeholzt wird, um dort neue
Ackerflächen zu schaffen, die verloren gegangen sind, weil nun für die
Autotanks produziert wird.
Zudem werden die Treibstoffe oft auf Großplantagen angebaut. Das heißt:
Monokulturen, viele Pestizide, großer Wasserverbrauch. Ob unter solchen
Bedingungen noch von „Bio" gesprochen werden kann, ist umstritten.
Kritikerinnen und Kritiker reden daher lieber von Agro-Treibstoffen.
Preistreiber für Nahrungsmittel
Problematisch an diesen Tank-Füllungen ist vor allem, dass sie die
Preise für Nahrungsmittel in die Höhe treiben. Land, Wasser und andere
Ressourcen werden nun für die Kraftstoffe benötigt, durch die höhere
Nachfrage steigen die Preise. Das wiederum führt dazu, dass sich einige
Menschen ihr Essen nicht mehr leisten können. Stattdessen werden die
Autotanks in Europa gefüllt.
In Europa wird nämlich der Agrosprit-Vormarsch von der Politik kräftig
unterstützt. Auf EU-Ebene werden Beimischungsquoten festgeschrieben -
bis 2020 soll mindestens zehn Prozent des Gesamt-Treibstoffs nicht
fossil sein. Doch inzwischen mehrt sich die Kritik: In Deutschland rät
der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen (WBGU) dem Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), von
seinen Biosprit-Zielen Abstand zu nehmen. Zudem sollen
Nachhaltigkeit-Standards eingeführt werden, die garantieren sollen,
dass negative Effekte wie die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
vermieden werden. Ob das aber gelingt, ist fraglich.
Im Prinzip ist an der Produktion von Treibstoffen aus Pflanzen nichts
auszusetzen, wenn dadurch das Klima nicht geschädigt wird und die
Ernährungssicherheit nicht gefährdet ist. Solange allerdings viele
Menschen wenig Geld haben und Preissteigerung bei Lebensmitteln dazu
führen, dass diese Menschen hungern müssen, muss diese Konkurrenz in
jedem Fall unterbunden werden. Viele Organisationen fordern daher einen
generellen Verzicht auf Agro-Treibstoffe.
Dass einfach mal weniger Auto gefahren werden könnte, darauf kommen bei
der Debatte um Agro-Sprit nur ganz wenige. Wenn die öffentlichen
Verkehrsmittel ausgebaut würden und die Leute auch genug Geld hätten,
sich mit Bus und Bahn fortzubewegen, dann wären Pseudo-Lösungen wie
Agrosprit überflüssig. Doch wenn im Süden die Leute verhungern, schert
das hierzulande kaum jemanden. Hauptsache, wir können weiter Auto
fahren.
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