Dass Bundessozialgericht entscheidet zum Regelsatz beim Arbeitslosengeld II und zu der 58iger Regelung
Das Bundessozialgericht hat ganz im Sinne der staatlichen Sparpolitik aber gegen die normalen Bedürfnisse der Betroffenen entschieden.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwei bedeutsame Entscheidungen getroffen. Erstens: Der Regelsatz von 345 Euro ist verfassungsgemäß und damit auch ausreichend für Arbeitslosengeld II (Alg II) Bezieher. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine staatstragende Gesinnungsjustiz vollzogen wurde. Damit wurde Erwerbslosen nur zu deutlich gezeigt, dass sie zum unteren Teil dieser Gesellschaft zu gehören haben und ihnen keine kulturelle Teilhabe zusteht. Denn was ihnen damit verwehrt wurde ist nicht der Anspruch sich ernähren zu dürfen, sondern die Teilnahme am soziokulturellen Leben. Im Regelsatz ist nicht vorgesehen ein Kinobesuch oder ein Konzertbesuch, ein Theaterbesuch und auch nicht der Besuch der Oper oder Museumsbesuche. Die Richter des Bundessozialgerichts scheinen sich der ministeriell geltenden Auffassung anzuschließen, Erwerbslose sollten froh sein, dass sie noch vom Staat ernährt werden und ihnen das Wohnen ermöglicht wird. Aber Schmarotzer (wie es der ehemalige Arbeitsminister Clement sah) und Säufer (so der nordrheinwestfälische Arbeitsminister) sollten nicht noch erwarten, auch noch Geld für einen Kinobesuch zu erhalten. Auch das bürgerliche Feiern von Weihnachten hat nicht stattzufinden. Wie die Umfrage des Erwerbslosenrat Deutschland zeigt, hat hierfür der aller größte Teil der Alg II Bezieher kein Geld zur Verfügung. Die Hartz - Reform sei "gescheitert", sagt der Präsident der Arbeitnehmerkammer Bremen, Hans Endl knapp, 345 Euro Regelsatz seien natürlich nicht ausreichend, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. "Unerträglich" sei dieses Urteil, sagt Endl und fragt: "Was reitet jemanden, der so gut bezahlt ist wie die Richter, zu sagen: 345 Euro sind ausreichend?". Recht hat er!
Es ist nicht nur Höchstrichterliche Rechtsprechung, die die Notwendigkeiten der Betroffenen ignorieren. So gibt es ein Urteil eines norddeutschen Sozialgerichts, dass in der Frage der Erstattung von Warmwasssergeld dem Kläger ins Stammbuch schrieb, er brauche ja nicht zu Hause zu duschen. Dies zu kommentieren erübrigt sich.
Zum zweiten hat das BSG entschieden, dass es keinen Vertrauensschutz gibt im Hinblick auf die Vereinbarung nach § 428, Sozialgesetzbuch III (die so genannte 58iger Regelung), die tausende von Arbeitslosen mit der Bundesagentur für Arbeit geschlossen hatten. Heißt es doch in der Vereinbarung wörtlich: "Wer 58 Jahre und älter ist, kann Arbeitslosengeld oder Arbeitslosehilfe unter den erleichterten Voraussetzungen beziehen. Die Regelung ist für Arbeitnehmer gedacht, die im fortgeschrittenen Alter ihren Arbeitsplatz verloren haben, zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollen und deshalb nicht mehr an der Aufnahme einer neuen Beschäftigung interessiert sind." Da für viele Arbeitslosengeldbezieher die Umstellung auf Alg II hohe finanzielle Verluste nach sich zog, klagte ein Betroffener hiergegen. Das BSG allerdings entschied, dass trotz dieser Vereinbarung der Kläger sich nicht darauf beziehen könne, er die finanziellen Verluste hinnehmen müsse. Man kann sich getrost die Frage stellen, warum Vereinbarungen mit staatlichen Institutionen getroffen werden, wenn diese sie dann folgenlos brechen können. Damit ist staatlicher Willkür Tor und Tür geöffnet worden.
Beide Urteile deuten unmissverständlich darauf hin, dass sich diese Rechtsprechnung des BSG nicht ausrichtet an den betroffenen Menschen, sondern an der Finanzlage. Staatlichverordneter Sparzwang also auch als Rechtsprechungsmaxime. An dieser Art der Justiz kann man mit Fug und Recht zweifeln und der Verdacht der Klassenjustiz und Gesinnungsjustiz drängt sich geradezu auf. Sicher kein guter Weg für einem Rechtsstaat.
Man muss sich die Frage stellen, in welcher Welt die Richter des Bundessozialgerichts leben. Glauben die Damen und Herren in rot wirklich, eine lebenswerte Existenz mit 345 Euro führen zu können. Es ist zu wünschen, dass alle ein halbes Jahr unter diesen Bedingungen zu leben, die das glauben.
Das alles scheint eine weitere konzertierte Aktion zur Diskreditierung von Erwerbslosen zu sein. Und hierbei stellen nicht nur die Politik und die Gerichte die Weichen, sondern auch die Medien. Talkshows mit ausgesuchten Erwerbslosen, die öffentlich Arbeit jeder Art ablehnen, Features in denen die Arbeitsunlust dokumentiert wird. Keine Frage, es gibt sie, die sich an jeglicher Beschäftigung vorbeidrücken. Diese Menschen sind aber in der Minderheit. Und in jeder Demokratie gibt es jene, die die Rechte missbrauchen. Hier aber alle Erwerbslosen derart zu diskreditieren ist schamlos.
Man kann nur hoffen, dass die Kläger nun den Weg zum Bundesverfassungsgericht finden mit der Hoffnung einer Rechtsprechung, die am Menschen ausgerichtet wird und nicht an den menschenverachtenden Politikbedürfnissen. Der DGB hat dies ja schon angedeutet.
Wünschen kann man aber auch, dass die Betroffenen ihre Wut endlich wieder auf die Strasse tragen und gegen die Menschenverachtung protestieren.
Hier sein noch einmal die Arbeitnehmerkammer Bremen zitiert: "Der Begriff "Arbeitslosengeld II" trügt: Es handelt sich nicht um eine Leistung, die exklusiv auf die Absicherung Arbeitsloser abzielt - im Gegenteil: Durch das Alg II wird ein monatlicher Bedarf festgelegt, der die Grenze zur Armut absteckt. Wer unter diese untere Einkommensschwelle absinkt, der hat Anspruch auf Hilfe - gleichgültig ob arbeitslos, im Mini-Job, in Teilzeit, oder vollzeitbeschäftigt".
Bei dieser Stück für Stück Zerschlagung des Sozialstaates (Entrechtung der Bürger durch Abschaffung der Kostenfreiheit bei den Sozialgerichten, Lohndumping durch Hartz IV und vieles andere mehr) sollte sich erstmals in der Bundesrepublik die Frage eines Generalstreiks stellen. Denn mit der Zerschlagung des Sozialstaats korrodiert auch die Demokratie.