Von der Ungleichheit des globalen Naturverbrauchs

Die Rolle des internationalen Finanzsystems bei der Inwertsetzung, Zerstörung und Umverteilung der natürlichen Ressourcen des Südens1

in (18.07.2005)

Wohin man auch schaut, Ungleichheit prägt das Bild. Ungleichheit im Sinne von Diversität kann man im Zusammenhang mit Natur und Ökologie etwas Positives abgewinnen, ist es doch gerade die scheinbar unermessliche Vielfalt von Arten, Formen, Farben, Gerüchen etc., welche unser Bild von der natürlichen Idylle prägt. Ungleichheit findet sich heute aber vor allem beim "Verbrauch" unserer natürlichen Umwelt, denn die Nutznießer des Verbrauchs unsere globalen Biosphäre sind keineswegs gleich auf dem Globus verteilt. Die im industrialisierten "Norden" lebenden 20% der Weltbevölkerung sind für ca. 80% des derzeitigen weltweiten Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Dieser Zustand ist nicht zufälliger, sondern systemischer Natur.

Die Lagerstätten und Vorkommen natürlicher Ressourcen sind sehr ungleich auf der Welt verteilt. Offensichtlich sind aber nicht 80% der natürlichen Ressourcen im Norden beheimatet, sodass sich die Ungleichverteilung des Ressourcenverbrauchs nicht vornehmlich an der Konzentration von Lagerstätten festmacht. Vielmehr nimmt die Ungleichheit des Ressourcenverbrauchs erst durch die Bewegung der Ressourcen im Raum ihre heutige Dramatik an. Ressourcenbewegungen im Raum sind schon seit der Antike gang und gäbe (z.B. mit Blick auf Edelmetalle, seltene Gewürze, Salz, Felle, Farbstoffe und Gewebe), jedoch erst in der Neuzeit wurden Technologien entwickelt, die die Verwertung vieler Rohstoffe im heutigen Maßstab überhaupt erst ermöglichten (z.B. fossiler Energieträger durch die Dampfmaschine bzw. -turbine, und den Verbrennungsmotor). Korrekterweise müsste man sogar sagen, dass viele Naturstoffe dadurch erst zu "Rohstoffen" im Sinne der Weiterverarbeitbarkeit wurden.

Bewegung und (Um-)Verteilung natürlicher Rohstoffe im Raum kann auf vielerlei Weise stattfinden. Die gleichermaßen profanste wie zeitloseste Form ist die des Raubs. Viele Kriege wurden und werden geführt, um sich den Zugriff auf Rohstoffe und natürliche Reichtümer zu sichern. Dies reicht von den Rivalitäten um Jagdgründe über den Kolonialismus bis hin zu den heutigen Kriegen um Rohstoffe wie im Irak (Geopolitik der Ölsicherung) oder in der Demokratischen Republik Kongo (kein Mobiltelefon ohne das dort gewonnene Coltan).

Neben der offensichtlich gewaltsamen Aneignung oder Kontrolle natürlicher Ressourcen hat sich, ebenfalls schon seit langer Zeit, ein reger Handel mit Rohstoffen entwickelt, der im Laufe der Geschichte in quantitativ immer größerem Maße den Transport von Rohstoffen im Raum zur Folge hatte. Da sich parallel zum internationalen Handel ein internationales Geldsystems herausbildete, findet grenzüberschreitender Handel natürlicher Ressourcen heute immer im Rahmen eines internationalen Systems von Geld und Kredit, und von privaten und öffentlichen Finanzinstitutionen statt. Um diese Vermittlung grenzüberschreitender Ressourcenbewegungen durch ein weltweites Finanzsystem soll es hier gehen. Welche Rolle spielen das internationale Finanzsystem und die internationalen Finanzmärkte für die (Ungleich-)Verteilung des Zugangs und Verbrauchs an natürlichen Rohstoffen? Wie wirken sich z.B. Wechselkurse, internationale Schuldner-Gläubiger-Beziehungen und internationale Finanzflüsse auf die Verteilung der Zugriffs- und Verbrauchsmöglichkeiten natürlicher Rohstoffe aus?

Untersucht man die Nutzung und Verwertung natürlicher Ressourcen, so stößt man regelmäßig auf starke Wechselwirkungen von Ressourcennutzung und Entwaldung. Jenseits von Wasserflächen sind Wälder in den meisten Teilen der Erde die im "Naturzustand" vorherrschende Form der Vegetation. Um überhaupt Zugang zu natürlichen Ressourcen zu erhalten, ist daher fast immre die Rodung großer Waldflächen erforderlich. Zwar wurden und werden Bäume selbst auch als natürlicher Rohstoff zu Brenn-, Bau-, und Möbelholz, zu Zellstoff und Verpackungsmaterial verarbeitet. Doch geht es häufig nur darum, den unter dem Wald liegenden Boden zugänglich zu machen, entweder, um sich seiner "Bodenschätze" zu bemächtigen oder aber um ihn landwirtschaftlich zu nutzen, was den häufigen Einsatz der Brandrodung erklärt. Minen, Tagebaue, Verkehrswege für den Transport natürlicher Rohstoffe und die Schaffung (oft prekärer und kurzfristiger) landwirtschaftlicher Nutzflächen sind daher für die weltweite Vernichtung von Wäldern von sehr viel größerer Bedeutung als der kommerzielle Holzeinschlag. Vor diesem Hintergrund kommt der Entwaldung, vor allem in den Ländern des Südens, eine traurige Indikatorfunktion für die rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Rohstoffe zu. Im vorliegenden Papier nimmt daher die Wechselwirkung von Ressourcenausbeutung und Waldvernichtung einen sehr hohen Stellenwert ein.

1. Was bedeutet Ressourcentransfer?

Die Definition von Ressourcentransfer im Sinne eines Werttransfers fällt je nach Betrachtungsweise sehr unterschiedlich aus. Aus globaler Sicht sind die tropischen Regenwälder von zentraler Bedeutung für die Erhaltung von Biodiversität und spielen eine wichtige Rolle beim Abbau des Klimagases Kohlendioxid. Aus Sicht eines einzelnen bewaldeten Landes liegt der Wert der Regenwälder hingegen eher in ihrer Eigenschaft als Rohstoffquelle von Holz und Forstprodukten. Ferner sind Urwälder aus Sicht einer nationalen Regierung in erster Line unerschlossene Flächen, die Platz für eine zukünftige Expansion bieten. Fragt man danach, ob und wie Regenwälder sinnvoll und effizient verwertet und genutzt werden sollen, so fällt daher die Antwort aus einer globalen Perspektive meist anders aus als aus einer nationalen (vgl. z.B. Kahn/McDonald, 1994: 57f.).

Was den Zugriff auf natürliche Ressourcen und die Verteilung ihres Konsums bzw. ihrer Nutzung im globalen Maßstab angeht, so muss man noch eine weitere Unterscheidung treffen. Denn nicht alle natürlichen Ressourcen werden als Ressourcen tatsächlich von einem Land in ein anderes bewegt. Vielmehr werden sie oft im Herkunftsland selbst "in Wert gesetzt" und durch Nutzung zerstört, dabei entstehen aber ökonomische Werte und Produkte, die dann in andere Länder transportiert und verkauft werden. Oftmals steht der Ressourceneinsatz, der in einem Entwicklungsland für die Erzeugung bestimmter Produkte aufgewandt wird, in einem ökonomisch wie ökologisch sehr ungünstigem Verhältnis zu dem Preis, der sich für das Produkt auf dem Weltmarkt erlösen lässt. Wird z.B. von einem Industrieland Eisenerz aus Brasilien oder Palmöl aus Indonesien importiert, so drückt der dafür bezahlte Preis keineswegs die Kosten aus, die zur Herstellung bzw. Gewinnung dieser Produkte tatsächlich nötig waren. Das rührt zumeist daher, dass die ökologischen Kosten der Produktion (z.B. der Verlust von ca. 150.000 qkm tropischen Urwalds zur Erschließung und Gewinnung des amazonischen Eisenerzes) weder auf Seiten des Erzeuger- noch auf Seiten des Importlandes tatsächlich in die Kalkulation eingehen. Auf diesem Wege werden laufend natürliche Reichtümer im Süden zerstört, ohne dass für diesen Verlust eine "angemessene" Kompensation geleistet wird. Diese Betrachtungsweise ist ihrerseits ebenfalls sehr problematisch, weil es keine "angemessene" Kompensation oder einen "richtigen" Preis für die irreversible Zerstörung natürlicher Ressourcen geben kann. Denn Ökosysteme und Biodiversität sind keine Güter, die man sich im Falle von Verlust und Zerstörung an anderer Stelle mit Geld wiederbeschaffen kann. Insofern krankt die gesamte Betrachtung der gerechten oder ungerechten Verteilung des Zugangs und Konsums natürlicher Ressourcen ohnehin schon an der unzutreffenden Prämisse, diese seien wie normale, menschlich herstellbare Güter zu behandeln.

Eingedenk dieser eingeschränkten Reichweite des Ressourcenbegriffs lässt sich der Transfer natürlicher Ressourcen auf dreierlei Weise begreifen:

(1) Als Inwertsetzung2 inländischer natürlicher Ressourcen durch ihren Abbau und Transfer in ein anderes Land zu einem bestimmten Preis (z.B. Bodenschätze, Holz etc.).
(2) Als Inwertsetzung inländischer natürlicher Ressourcen durch ihren Verbrauch bei der Produktion anderer Güter (z.B. Verbrennung von Holz bzw. Holzkohle zur Erzverhüttung, Rodung von Wald zur Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzfläche für Kaffeeplantagen) und Transfers dieser Güter (z.B. Roheisen, Kaffee) in ein anderes Land zu einem bestimmten Preis.
(3) Als Inwertsetzung inländischer natürlicher Ressourcen durch die Erhaltung dieser Ressourcen (z.B. Erhaltung von Regenwäldern als Reservat der Biodiversität und als Kohlenstoffsenke) und eines für die Erhaltung erhaltenen Zahlungsstroms durch das Ausland (z.B. im Rahmen von Emissionsrechtehandel, Debt-for-Nature Swaps3 etc.).

Während in den Fällen 1 und 2 die Ressourcen aus wirtschaftlichen Motiven verbraucht werden, besteht die wirtschaftliche Nutzung in Fall 3 gerade in ihrer ökonomisch motivierten Erhaltung: die Erhaltung und Bereithaltung einer Ressource wird quasi als Dienstleistung an das Ausland exportiert, was ebenfalls mit einer Einnahme verbunden ist. Der dritte Wirkungskanal ist eher theoretischer Natur, denn er existiert heute praktisch nicht. In allen drei Fällen gibt es offensichtlich verschiedene Möglichkeiten, wie die Preisentwicklung des jeweiligen Exportprodukts dazu führt, dass der Zugang und Verbrauch der Ressourcen jeweils mehr oder weniger vorteilhaft für das Inland ist.

Da wir uns hier auf die Auswirkungen des internationalen Finanzsystems für Zugang, Inwertsetzung und Verbrauch natürlicher Ressourcen konzentrieren, ist eine Betrachtung auf zwei Ebenen erforderlich. Auf der einen Seite ermöglicht das internationales Finanzsystem einem Land, sich finanzielle Mittel aus dem Ausland (z.B. in Form von Krediten) zu beschaffen bzw. ausländisches Kapital (z.B. Direktinvestitionen) ins Land zu lassen. Die Verwendung dieser ausländischen Finanzmittel kann direkten Einfluss auf die Nutzung und Zerstörung natürlicher Ressourcen haben (z.B. Staudämme, Industrieabfälle etc.). Andererseits haben ausländische Geldgeber, sofern es sich nicht um Schenkungen handelt, das Ziel, ihr eingesetztes Kapital sowie Zinsen oder Profite in der kurzen, mittleren oder langen Frist zurückzuerhalten. Die Verpflichtung zum Schuldendienst bzw. die Befriedigung der Ansprüche ausländischer Investoren kann ebenfalls dramatische Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen haben. Diese sind umso dramatischer, je mehr die ausländischen Gläubiger und Investoren ihr Geld kurzfristig und alle auf einmal zurückhaben wollen. Es wird nun im einzelnen zu untersuchen sein, wie Kreditfinanzierungen, Direktinvestitionen, Schuldendienst und die jüngeren Finanzkrisen die Zerstörung und den Transfer von natürlichen Ressourcen beeinflussen.

2. Auswirkungen ausländischer Kreditfinanzierungen auf die natürlichen Ressourcen

Eine wichtige Rolle des internationalen Finanzsystems bei der Inwertsetzung natürlicher Ressourcen kann darin bestehen, dass technische Kapazitäten, die zur Ausbeutung und Inwertsetzung notwendig sind, erst durch ausländisches Kapital finanziert werden. Das Beispiel Amazoniens macht besonders anschaulich, dass dabei vor allem die Kredite multilateraler Entwicklungsbanken, allen voran der Weltbank, eine zentrale Rolle spielen (für eine detaillierte Darstellung zu Amazonien vgl. Altvater, 1987; Hersel, 2005). Beseelt von der Idee, dass wirtschaftliche Entwicklung vor allem durch Großtechnologie und Industrialisierung zu erfolgen habe, haben die Weltbank, regionale Entwicklungsbanken (wie die Interamerikanische, die afrikanische und die asiatische Entwicklungsbank), aber auch private Geschäftsbanken Projekte finanziert, die von den Regierungen der "Entwicklungsländer" zwar gewollt waren, die aber ohne die ausländischen Kredite nie hätten finanziert werden können. Klassische Beispiele solcher Großprojekte sind Großstaudämme, Straßenbauprojekte, Flughäfen, Minen, Pipelines und sonstige Industrieanlagen. Bruce Rich (1998) hat die Rolle der Weltbank in diesem Entwicklungsmodell sehr anschaulich und detailliert als "Die Verpfändung der Erde" dokumentiert. Spätestens seit den 1980er Jahren sind die entwicklungspolitischen Leitbilder und Ziele der Weltbank noch mit zwei weiteren Motiven verknüpft. Zum einen ist die Weltbank ein großer Gläubiger, der sich um die Erwirtschaftung und Eintreibung seiner Forderungen in den Schuldnerländern bemüht. Zum anderen ist die Bank, zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), eine zentrale Institution des internationalen Finanzsystems, und beide Institutionen werden von den Interessen der Industrieländer beherrscht. An mehr als einer Stelle fanden diese drei Motive zusammen. So war die (Um-)Orientierung der Schuldnerländer auf die Steigerung ihrer Primärgüterexporte gleichermaßen von Vorteil für die Gläubiger wie es zugleich dem bankeigenen Leitbild von Entwicklung als Weltmarktintegration entsprach. Dass diese Strategie die ohnehin schon stark unter Druck stehenden natürlichen Reichtümer noch stärker in inwertsetzbare Ressourcen verwandelte und ihre Ausbeutung und Zerstörung beschleunigte, wurde billigend in Kauf genommen.

Kritik und Proteste gegen Weltbank-finanzierte Projekte gibt es nicht erst seit den 1980er Jahren. Schon zwischen 1973 und 1977 führte der Widerstand indigener Gruppen auf den Philippinen gegen ein Projekt mit vier Staudämmen dazu, dass sich die Weltbank aus dem Projekt zurückzog (WCD 2000: 19). Aber erst seit den verheerenden ökologischen Folgen der Strukturanpassungsprogramme (SAP) in den 1980er Jahren hat die Kritik an der Finanzierung von Umweltzerstörung und Inwertsetzung natürlicher Ressourcen durch die Weltbank die Ebene der direkt lokal betroffenen Bevölkerungsgruppe überschritten und hat internationale Netzwerke von Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen hervorgebracht.

Diese Kritik ist weder an der Diskussion um Leitbilder der Entwicklung im Allgemeinen noch an der Weltbank im Besonderen vorbeigegangen. Schon 1982 verabschiedete die Weltbank ein interne Direktive zum Umgang mit den Rechten indigener Bevölkerungen. 1993 wurde ein Inspection-Panel ins Leben gerufen, das von jeder Person angerufen werden kann, um zu überprüfen, ob bei einem konkreten Projekt alle eigenen Richtlinien, Verfahrensvorschriften und Vertragsbestimmungen seitens der Bank eingehalten wurden. Ebenso wurde es für bestimmte Projekte Vorschrift, Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen und die Bank schuf eine eigene Evaluierungsabteilung, die Operations Evaluation Division, die die Arbeit der Bank kontinuierlich auswerten und verbessern helfen soll.

All diese Maßnahmen haben, gepaart mit konkreten Protesten gegen einzelne Projekte, bei vielen jüngeren Großprojekten (wie z.B. den Staudämmen Sardar Sarovar/Narmada in Indien, Ilisu in der Türkei und dem Drei-Schluchten-Damm in China) dazu geführt, dass sich die Weltbank aus der Finanzierung zurückgezogen hat. Leider sind aber nicht alle internationalen Geldgeber aus diesen Projekten ausgestiegen, so dass z.B. der Drei-Schluchten-Staudamm dennoch gebaut wird. So hat z.B. die deutsche Bundesregierung den Bau mit Bundesbürgschaften für die Lieferung von Siemens-Turbinen unterstützt. Derzeit macht die Projektpolitik der Weltbank, insbesondere die Unterstützung für den Nam Theun 2-Staudamm in Laos, den Eindruck, dass die Zurückhaltung bei Staudammprojekten schon wieder passé ist (vgl. Offener Brief 2005).

Jenseits von Staudämmen ist die Weltbank derzeit sehr stark in die Finanzierung von Pipeline-Projekten involviert. So finanziert die Weltbank-Tochter International Financial Corporation (IFC) den Bau einer Ölpipeline von Baku in Aserbaidschan nach Ceyhan in der Türkei. Ebenso ist sie an der Finanzierung der Tschad/Kamerun Pipeline beteiligt. Hier zeigt sich eine konkrete Folge der Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Denn beide Pipelines sind Konsortialprojekte unter der Führung privater transnationaler Ölkonzerne (BP im Fall Baku-Ceyhan und ExxonMobil bei der Tschad/Kamerun Pipeline), denen derartige Direktinvestitionen zu früheren Zeiten gar nicht möglich gewesen wären. Anders als Staudammprojekte, die in der Regel von staatlichen Unternehmen durchgeführt wurden, um für das Inland Strom zu erzeugen, sind die Pipeline-Projekte klassische Inwertsetzung für den Weltmarkt. Das Öl wird ans Meer gepumpt und von dort verschifft. So können die Investoren sicher sein, dass sie tatsächlich in den Genuss von Deviseneinnahmen aus ihren Investitionen kommen.

Das Beispiel der OCP-Pipeline in Ecuador wiederum belegt, dass sich Pipelines heute auch ohne Weltbank-Finanzierungen realisieren lassen. Eine Weltbank-Finanzierung kam unter anderem deshalb nicht in Frage, weil die OCP-Pipeline mehrere der zentralen Weltbankstandards verletzt. Ein Konsortium mehrerer mittelgroßer Ölfirmen u.a. aus Spanien, Kanada, den USA, Italien, Brasilien und Argentinien baut zur Zeit mit Hilfe einer Gruppe von Banken eine Ölpipeline von Lago Agrio auf der amazonischen Seite der Anden hinüber nach Esmeraldas am Pazifik. Dem Projekt werden ökologisch verheerende Folgen vorausgesagt. So besteht ein enormes Risiko Unfällen, weil die Route über 94 seismische Bruchlinien an 6 aktiven Vulkanen und nur 50 Meter an Trinkwasserreservoirs vorbei führt (vgl. Greenpeace o.J.) Obwohl grundlegende Umweltstandards verletzt werden, beteiligt sich die Westdeutsche Landesbank (WestLB) mit 1,1 Mrd. Euro an der Finanzierung der OCP-Pipeline. Die WestLB argumentiert, das Projekt bringe Ecuador jährliche Mehreinnahmen von 2 Mrd. US$. Davon gehen allerdings 70% in den Schuldendienst und weitere 20% in einen "Notfonds" zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit, wenn der Ölpreis fallen sollte, dem ecuadorianischen Staat bleiben gerade zehn Prozent der Einnahmen (Ruby 2004).

Auch bei derartigen Pipeline-Projekten sind geschützte Wälder ein Hauptopfer der Inwertsetzung. Aus der Erfahrung anderer Pipelines im Amazonasbecken lässt sich prognostizieren, dass für jeden Kilometer Pipeline durch den damit einhergehenden Straßenbau und die nachfolgende Besiedlung und Waldabholzug 400 bis 2.400 Hektar Wald verloren gehen. Diese Fläche entspricht einer Schneise mit einer Breite zwischen 4 und 24 km Breite entlang der Pipeline (vgl. Miranda et al. 2003: 6).

In jüngerer Zeit gab es mehrere groß angelegte Auswertungsprozesse der Projektpolitik der Weltbank, an denen neben der Bank und Regierungsvertretern auch Kritiker aus Wissenschaft, NGOs und sozialen Bewegungen beteiligt waren. Neben der Structural Adjustment Participatory Initiative (SAPRI), die auch Großprojekte im Zusammenhang mit Strukturanpassung betrachtete, hat die World Commission on Dams im Jahr 2000 einen umfangreichen Bericht über die Rolle von Staudämmen in Entwicklungsprozessen v.a. im Süden verfasst (WCD, 2000). Ein weiterer Auswertungsprozess beschäftigte sich mit der Förderung extraktiver Industrien durch die Weltbank, d.h. aller Formen der Ausbeutung von Bodenschätzen und anderen natürlichen Ressourcen (Extractive Industries Reveiw, EIR, 2004). Letzterer fordert, dass Extraktionsprojekte grundsätzlich in die Umweltgefährdungskategorie A einstuft werden, solange nichts anderes bewiesen ist. Die Kategorie A bedeutet, dass das Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Umweltfolgen hat und daher unbedingt eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden muss. Die "No-Option", d.h. die Suspendierung des Projekts, müsse immer ernsthaft erwogen werden.

Staudämme üben über die direkt betroffenen Flächen noch einen zusätzlichen Druck zur Inwertsetzung aus. Denn obschon mit ausländischem Kapital finanziert, erwirtschaften sie in der Regel keine Einnahmen in fremder Währung4. Um die Kredite zurückzuzahlen, müssen also an anderer Stelle über Exporte zusätzliche Devisen erwirtschaftet werden. Wie hinlänglich ausgeführt, geht davon meist ein Druck zur Steigerung von Primärgüterexporten mit den üblichen Folgen für natürliche Ressourcen aus. Die World Commission on Dams macht daher neben vielen anderen Vorschlägen auch eine Empfehlung zur Behandlung staudammbedingter Schulden. Die bisher unterstützten Staudammprojekte sollten im Detail geprüft werden und je nach wirtschaftlichem Erfolg und ökologischen Schäden die damit verbundenen Schulden gestrichen werde (WCD 2000: 315).

3. Auswirkungen der ausländischen Direktinvestitionen

Während der Zustrom ausländischen Kapitals bis in die 1980er Jahre primär in Form von öffentlichen und privaten Krediten erfolgte, haben sich infolge der Liberalisierung der Finanzmärkte die Größenordnungen und die Akteure erheblich verändert. Nachdem sich private Geldgeber nach der Schuldenkrise von 1982 zunächst sehr zurück gehalten hatten, kam es zu einer Renaissance privater Kapitalflüsse in Entwicklungsländer, wobei sich die Zusammensetzung der privaten Kapitalzuflüsse qualitativ erheblich verschoben.

Am deutlichsten fällt die Zunahme von ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment - FDI) aus. Entsprechend dem neoliberalen Leitbild, dass sich der Staat so weit wie möglich aus der Regulierung von Märkten zurückziehen und nicht weiter selbst als Unternehmer (in Form von Staatsunternehmen) betätigen sollte, fand in den Entwicklungsländern eine dramatische Welle von Privatisierungen und Liberalisierungen statt. Da die einheimischen Kapitalbesitzer oft nicht in der Lange waren, die nötigen Mittel zur Übernahme aufzubringen, fand vielfach ein Ausverkauf der vormals öffentlichen Unternehmen an ausländische Investoren statt. Die Regierungen des Südens verbanden damit auch die Hoffnung, dass ausländische Direktinvestitionen den Technologietransfer beschleunigen könnten. Letztere Hoffnung hat sich in einigen Fällen als durchaus berechtigt erwiesen. Der Nachteil dieser Orientierung auf ausländische Investoren liegt darin, dass die Investoren und Konzerne langfristig die erwirtschafteten Profite in die Länger ihres Hauptsitzes transferieren. In der Summe entsteht daher langfristig, ebenso wie im Fall von Krediten, ein Nettoabfluss an finanziellen Ressourcen aus den Entwicklungsländern in den Norden.

IWF und Weltbank rieten den Entwicklungsländern schon seit den 1980er Jahren dazu, ihren Kapitalverkehr zu öffnen und Direktinvestitionen zu begünstigen. Anfang der 1990er Jahre setzte dann ein wahrer Boom an FDIs in Entwicklungsländer ein, allerdings konzentrierten sich die privaten Kapitalflüsse (sowohl FDIs, als auch Portfolio-Investitionen und kurzfristige Kredite) vornehmlich auf eine handvoll Schwellenländer in Südostasien und Lateinamerika. Es entstand ein heftiger Wettbewerb zwischen diesen Ländern um Direktinvestoren, bei dem sich die Länder häufig in der Aussetzung oder Aufweichung sozialer Regeln und ökologischer Auflagen überboten. Aber nicht nur der Wettbewerb zwischen Staaten als "Standorten" hat zugenommen, auch zwischen den Unternehmen hat sich der Konkurrenzdruck erheblich verschärft. Wenn irgendwo (und nicht nur in Entwicklungsländern) auf Kosten der Umwelt Profit zu machen ist, so zwingt eine unregulierte Marktwirtschaft die Unternehmen dazu, diese Möglichkeit zu nutzen. Unternehmen, die sich systematisch diesem Konkurrenzkampf verweigern, werden auf Aktienmärkten durch fallende Kurse abgestraft. Im Shareholder-Value Kapitalismus werden sie damit automatisch zu Übernahme- oder Insolvenzkandidaten. Mit der Öffnung der Aktienmärkte der Entwicklungsländer (ebenfalls ein Teil der Liberalisierung des Kapitalverkehrs) gilt dieselbe Logik inzwischen für alle Unternehmen, ausländische wie inländische gleichermaßen. Diese Dynamik führt nicht nur zu einem globalen Druck zur Senkung von sozialen und ökologischen Standards, sondern natürliche Ressourcen selbst werden einmal mehr zum Gegenstand verschärfter Profitlogik (vgl. Menotti, 1998).

Besonders verheerend können sich Direktinvestitionen auswirken, wenn die ausländischen Investoren, z.B. unter dem Druck einer akuten Finanzkrise eines Entwicklungslandes, besonders gute Chancen haben, ihre eigenen Interessen zur Aufweichung von Umweltschutzbestimmungen durchsetzen. Eines von vielen Beispielen dieser Art ereignete sich 1994, als die International Paper Corporation, unter dem Druck der mexikanischen Finanzkrise die dortige Regierung dazu brachte, die Waldschutzgesetzgebung aufzuweichen, großzügige Subventionen durchzusetzen und den Durchgriff der Umweltschutzbehörden erheblich zurückzudrängen (Menotti, 1998: 359). Die entwicklungspolitischen und ökologischen Auswirkungen von Direktinvestitionen müssen sicherlich im Einzelfall beurteilt werden. In vielen Fällen haben sie aber nachweislich zu zusätzlicher Naturzerstörung und Unterentwicklung beigetragen (vgl. dazu auch Tisdell 1994).

4. Verschärft Verschuldung die Zerstörung bzw. den Transfer natürlicher Ressourcen?

4.1 Verschuldung, asymmetrische Märkte und "falsche Preise"

Im Ausland verschuldete Ökonomien müssen, um den Schuldendienst leisten zu können, Güter und Dienstleistungen exportieren. Dies kann z.B. dadurch erfolgen, dass sie natürliche Ressourcen exportieren oder diese Ressourcen im Inland zur Produktion von Gütern für den Export einzusetzen. Wenn Schuldnerländer in großem Stile Regenwald roden, um Holz zu exportieren oder Flächen für Kaffeeplantagen zu schaffen, damit dieser ebenso exportiert werden kann, so bedeutet dies automatisch ein steigendes Angebot von Holz und Kaffee auf dem Weltmarkt und damit niedrigere Preise. Da die Schuldnerländer zur Bedienung der Schulden verpflichtet sind, können sie ihre Produktionsmenge an Holz und Kaffee nicht beliebig an die Marktpreisentwicklung anpassen (im Sinne der ökonomischen Theorie vom "Preisnehmer und Mengenanpasser"). Hier gibt es also eine empfindliche Störung des in der Theorie postulierten Gleichgewichts auf dem Holz- und Kaffeemarkt. Diese Störung ist um so gravierender, je stärker der Schuldendruck zur Steigerung der Exporterlöse nicht nur ein einzelnes Land, sondern eine Gruppe von Ländern trifft, die ähnliche Exportprodukte anbieten. Seit Beginn der Schuldenkrise haben die Industrieländer ihre Übermacht im IWF5 dazu genutzt, die Schuldner über die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank dazu zu bewegen, ihre Volkswirtschaften auf die Einnahmen von Devisen für den Schuldendienst auszurichten. Da der IWF aber allen Schuldnern gleichzeitig die Ausweitung ihrer Rohstoffexporte verordnete, führte dies angesichts der begrenzten Zahl an land- und forstwirtschaftlichen Produkten und metallischen und mineralischen Rohstoffen (zusammenfassend als "Primärgüter" bezeichnet) unausweichlich zu einem ruinösen Konkurrenzkampf zwischen den Schuldnerländern. Die Schuldner weiteten zwar den Umfang ihrer Rohstoffexporte ernorm aus, aber dieser Effekt wurde durch den Preisverfall wieder aufgezehrt. Durch seine Auflagenpolitik gegenüber den Schuldnerländern hat der IWF wesentlich dazu beigetragen, dass Produkte wie z.B. Kaffee, Kakao, Baumwolle oder Kupfer von einem erheblichen Preisverfall betroffen waren.

Auch wenn die These vom stetigen Verfall der Rohstoffpreise der Entwicklungsländer (Prebisch-Singer These) regelmäßig angezweifelt wurde und wird, so kann doch zumindest für den Zeitraum seit den 1980er Jahren eine Verschlechterung der Preise klassischer Rohstoffe festgestellt werden. Bei agrarischen Rohstoffen sind die Preise zwischen 1980 und 2000 um 55%, bei metallischen und mineralischen Rohstoffen um 37% gefallen (World Bank, 2001: 330). Bei den metallischen und mineralischen Rohstoffen wurde diese Entwicklung zwar in jüngerer Zeit durch den enormen Rohstoffbedarf Chinas etwas gemildert, von einer Trendwende kann aber immer noch keine Rede sein.

Da die Gläubigerländer zugleich auch die Hauptabnehmerländer der Exporte der Schuldnerländer sind, haben sie von dieser Politik des IWF stark profitiert: die Schulden wurden weiter bedient, ein Teil der Rückzahlungen in die Zukunft verschoben, und gleichzeitig konnten die Industrieländer billig Rohstoffe einkaufen. In diesem Sinne haben die Industrieländer ihre Markt- und Marktordnungsmacht dazu benutzt, um in ihrem Sinne Einfluss auf die Weltmarktbedingungen für natürliche Rohstoffe zu nehmen. Daneben haben die Industrieländer weitere Instrumente, wie z.B. die an Auflagen geknüpfte Entwicklungshilfe, Militärhilfe und andere Formen genutzt, um die Politik der Entwicklungsländer in ihrem Sinne zu beeinflussen. Im Ergebnis bildeten sich durch politische Intervention der Industrieländer Preise heraus, die sich unter den theoretischen Bedingungen eines idealen Marktes nicht ergeben hätten: die Schuldnerländer waren gezwungen, ihre Produkte "unter Preis" zu verkaufen, und damit einen zwar nicht nominalen, aber realen Ressourcentransfer in den Norden zu leisten.

Dieser Effekt hatte und hat erhebliche Auswirkungen darauf, wer zu welchem Preis in den Genuss des Verbrauchs natürlicher Ressourcen kommt. Die KonsumentInnen in den Industrieländern profitieren natürlich direkt von billigeren Fenstern, Türen und Möbeln aus Tropenhölzern. Auch billigeres Eisenerz kann sich preissenkend für Eisen- und Stahlprodukte im Massenkonsum auswirken. Es geht aber nicht nur um diese direkten Exportprodukte. Von der "Inwertsetzung" natürlicher Ressourcen profitieren die Verbraucher in den Industrieländern auch indirekt, wenn z.B. Wälder zur Ausweitung von landwirtschaftlichen Anbauflächen gerodet wurden und Kaffee, Tee, Südfrüchte oder Baumwolle in der Folge billiger werden.

4.2 Verschuldungskrise und Entwaldung: Widersprüchliche empirische Untersuchungen

Schon seit Beginn der Schuldenkrise in den 1980er Jahren wurde vielfach die Vermutung geäußert, die Verschuldungskrise führe zu verstärkter Entwaldung. Empirische Untersuchungen kommen indes zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. "Many hypotheses have been proposed that draw a causal link between debt and deforestation. We have found these hypotheses incomplete and confusing, and usually presented with little evidence." (Gullison/Losos, 1993: 141). Gullison und Losos bringen gegen mehrere empirische Untersuchungen aus den 1980er Jahren eine ganze Reihe von Argumenten vor. So sei unter anderem die Größe der Schuldnerländer ökonometrisch nicht berücksichtigt worden. Große Länder hätten logischerweise absolut höhere Schulden und in ebenfalls absoluten Zahlen eine größere Waldzerstörung zu verzeichnen. Damit sei aber noch kein statistischer Zusammenhang erbracht, dass eine relativ höhere Verschuldung mit einer relativ höheren Entwaldung einhergehe. Würde dieser Fehler korrigiert, so konstatierten sie für die neun von ihnen untersuchten lateinamerikanischen Länder, dann sei keine schuldenbedingt verstärkte Entwaldung für Holz- und Rindfleisch-Exporte festzustellen. Insbesondere der Export von Forstprodukten für den Schuldendienst sei quantitativ irrrelevant. Gullison und Losos räumen aber ein, dass die mit der Schuldenkrise einhergehenden Wirtschaftskrisen in den Schuldnerländern viele Menschen tiefer in die Armut getrieben hätten. Dies hätte tatsächlich zu einer stärkeren Nutzung von Grenzflächen geführt (d.h. Anbauflächen am Rande von Wäldern, die sich allmählich immer stärker in die Wälder "hineinfressen" und so zu einer stärkeren Entwaldung in Folge der Wirtschaftskrise beigetragen. Eine Isolierung des Faktors Verschuldung beim Zustandekommen der Wirtschaftskrisen, und in der Folge von Waldzerstörung, sei aber nicht möglich.

Katherine Inman (1993) kommt in einer Untersuchung von 102 Entwicklungsländern zu einer grundlegend anderen Einschätzung. So fand sie einen signifikanten statistischen Zusammenhang zwischen steigendem Schuldendienst und erhöhter Waldzerstörung. Dieser Zusammenhang deute tatsächlich darauf hin, dass die Schuldnerländer ihre Wälder "zu Geld machen", um den Schuldendienst zu zahlen (Inman 1993: 27). Allerdings verweist auch sie auf widersprüchliche Ergebnisse globaler Studien, z.B. von Susan George (1993) und Stein Hansen (1989). Während George einen klaren Zusammenhang von steigender Verschuldung und Regenwaldabholzung konstatiert, kommt Hansen zu dem Ergebnis, dass gerade die Verschuldung waldschädliche Infrastrukturprojekte verhindert oder verzögert habe.

Auf die konkreten Entscheidungsrationalitäten im Falle einer Schuldenkrise gehen James Kahn und Judith McDonald (1995) ein. Eigentlich hätten die Schuldner angesichts verfallender Rohstoffpreise die Ausbeutung und Zerstörung ihrer natürlichen Ressourcen zurückstellen müssen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu höheren Preisen in Wert zu setzen. Der Druck der Schuldenlast ließ ihnen aber genau diese Wahl nicht. Die Verschuldung sei der Grund einer kurzsichtigen, für die Schuldner unvorteilhaften Politik ("myopic behaviour", Kahn/McDonald 1995: 122). Detailliert arbeiten sie sich an den methodischen Einwänden von Gullison/Losos (1993) ab und nehmen entsprechende Korrekturen in den Berechnungsmodellen vor. Auf Grundlage derselben Datenquellen (FAO und Weltbank) für denselben Zeitraum (fast alle Daten deckten nur den Zeitraum 1975 bis 1985 ab), allerdings für eine größere Zahl von Ländern (68 Länder) nicht nur aus Lateinamerika, kommen sie zu völlig anderen Ergebnissen als Gullison und Losos. "Our empirical results suggest that [...] a strong positive statistical relationship exists between deforestation and debt, which is robust" (Kahn/McDonald 1995: 122). Sie räumen allerdings ein, dass diese Korrelation nicht für Lateinamerika zutrifft. Offensichtlich hat die Auswahl der untersuchten Ländergruppe eine große Bedeutung. Ebenfalls von Bedeutung ist die Auswahl des Untersuchungszeitraumes. Während sich die bisher vorgestellten empirischen Untersuchungen auf den Zeitraum 1975 bis 1985 bezogen (also nur drei Jahre der akuten Schuldenkrise berücksichtigen), hat Tole (1998) 90 Länder im Zeitraum 1981 bis 1990 untersucht. Seiner Studie zufolge haben viele Schuldnerländer zur Lösung ihrer Zahlungsbilanzprobleme die exportorientierte Agrarproduktion deutlich gesteigert und/oder den Export von Holz, mineralischen und anderen Rohstoffen beschleunigt (Tole 1998: 24). Die Korrelation von Verschuldung und Entwaldung "is both positive and significant in all regressions, indicating that countries with higher debt-service were likely to deforest faster" (Tole 1998: 28). Länderstudien wie z.B. die von Owusu (1998) zu Ghana bestätigen diese Erkenntnisse. Toles Analyse ist eingebettet in eine Untersuchung des ökologischen Dilemmas im Entwicklungsprozess. Denn sowohl Armut, Krise und Stagnation (von ihm verstanden als Nicht-Entwicklung) als auch zunehmender Reichtum, Wachstum und Akkumulation (identifiziert mit Entwicklung) gehen zu Lasten der natürlichen Ressourcen und insbesondere der Wälder.

Dieser wenig ermutigende Zusammenhang ist hinlänglich bekannt und hat auch die wirtschaftliche Entwicklung der heutigen Industrieländer begleitet. Ehrhardt-Martinez et al. (2002) halten ihn aber für keineswegs zwangsläufig. Sie bieten einen interessanten Einblick in die Widersprüchlichkeit bestehender Erklärungsansätze von Entwicklung und Naturverbrauch. Entgegen dem zuvor vorgetragenen Argumentationsmuster von Tole gehen sie davon aus, dass wirtschaftliche Entwicklung eine notwendige Vorraussetzung zur Überwindung von Waldzerstörung sei. Sie berufen sich dazu auf die ökologische Modernisierungstheorie, der zufolge Länder aus Umweltzerstörung und nicht nachhaltigem Naturverbrauch auf dem Wege industrieller kapitalistischer Entwicklung mittels technologischem Fortschritt, durch steigende Kapazitäten staatlicher Intervention und auf Grund sozialpsychologisch bedingten Verhaltensänderungen herauswachsen (ebd.: 228). Demnach existiert eine ökologische sog. Kuznets-Kurve, bei der der Naturverbrauch mit den ersten Erfolgen wirtschaftlicher Entwicklung zwar zunächst erheblich zunimmt, aber im weiteren Fortschreiten technologischer Entwicklung wieder abklingt.

Angesichts des Ausmaßes tagtäglicher Naturzerstörung mutet solcher Fortschrittsoptimismus allerdings recht fragwürdig an. Zwar erwähnen Ehrhardt-Martinez et al. durchaus auch das Gegenargument, dass ein großes Maß der Naturverwertung und -zerstörung, die für die Funktionsfähigkeit des Entwicklungsmodells der Industrieländer notwendig ist, durch den Welthandel faktisch in den Entwicklungsländern anfalle. Dieses Argument weisen sie aber kurzerhand zurück. Der erhöhte Naturverbrauch in Entwicklungsländern drücke nur ihre transitorische Situation auf dem Weg zur Industrialisierung aus. Wenn dazu die Inwertsetzung natürlicher Ressourcen und ihr Export gehören, so sei dies eben auch Ausdruck nachholender Entwicklung. Darüber hinaus gebe es keinen vom Norden in den Süden verlagerten Naturverbrauch. Dies gelte auch für den Einfluss der Verschuldung, die für das Ausmaß an Waldzerstörung keine Rolle spiele (vgl. Ehrhardt-Martinez et al. 2002: 240).

Die ökologische Modernisierungstheorie erscheint aus mehreren Gründen als höchst fragwürdig. Natürlich ließe sich argumentieren, dass der Export von Primärgütern an Industrieländer ein gewollter Schritt zur Mobilisierung von (finanziellen) Ressourcen für die inländische Entwicklung ist. Wieweit das aber für die Gesamtheit der Exporte zutrifft und ob die Entwicklungsländer dabei eine ihrem Exportvolumen (d.h. Naturverbrauch) entsprechende Kompensation in Form von Devisen erhalten, kann man nur anhand der Marktkonstellation beurteilen. Wenn es beim marktvermittelten Transfer natürlicher Ressourcen unter Bedingungen von Verschuldung und Strukturanpassung zur Herausbildung "falscher", d.h. zu niedriger Preise für diese Ressourcen kommt, so fließen dem Norden Güter zu, die eigentlich höher hätten entlohnt werden müssen. Der damit einhergehende Verlust (bzw. der Zwang zur Produktionsausweitung zur Kompensation dieses Verlustes) kann keineswegs als entwicklungsnotwendiger Naturverbrauch angesehen werden. Denn "falsche" Preise sind nicht Ausdruck nachholender Entwicklung oder mangelnder Technologie, sondern Indikator von "Marktversagen" bzw. der Vermachtung der Weltwirtschaft. Diese Vermachtung ist aber keine ökologische Notwendigkeit und gehört daher auch nicht in einen quasi "natürlichen" Transformationsprozess, wie ihn die Kuznets-Kurve glauben machen will. Die ökologische Modernisierungstheorie ignoriert darüber hinaus völlig die Nicht-Erneuerbarkeit vieler natürlicher Ressourcen. Im Laufe ihrer wirtschaftlichen Entwicklung haben die Industrieländer nicht nur die natürlichen Ressourcen des Nordens weitgehend zerstört, sondern sind darüber hinaus auch für die Beinahe-Erschöpfung globaler Quellen (z.B. fossiler Energieträger) und die Überausbeutung globaler Senken (z.B. bei der Emission von Treibhausgasen und FCKW) verantwortlich. Viele Wissenschaftler und Vertreter sozialer Bewegungen aus Süd und Nord sprechen daher zurecht von den historischen "ökologischen Schulden" des Nordens, die die gegenwärtigen finanziellen Schulden des Südens um ein Vielfaches übersteigen (siehe dazu z.B. Alier 1998 und Simms 1999).

4.3 Verschuldung als Hebel zur Durchsetzung von Strukturanpassungen

Die von IWF und Weltbank auferlegten Strukturanpassungsprogramme (SAP) haben noch auf andere Weisen erhebliche Folgen für die Nutzung und Zerstörung natürlicher Ressourcen gehabt. Beide Institutionen betonen, dass SAP keineswegs ein Grund für Umweltzerstörung seien, sondern sich im Gegenteil positiv auf die Umwelt auswirkten (vgl. z.B. Sebastian/Alicbusan 1989). Die Kritiker von Fonds und Bank sehen das grundlegend anders. Unter Bezugnahme auf viele Stimmen aus NGOs und sozialen Bewegungen kommt Victor Menotti zu der Einschätzung, dass "Environmental damage, and particularly deforestation, was often a direct consequence of the export-oriented policies imposed by the Bank and the Fund" (Menotti 1998: 355).

Ein von der Weltbank angeregter und von einer Vielzahl von NGOs getragener Auswertungsprozess hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen der Strukturanpassungsprogramme (Structural Adjustment Participatory Review Initiative - SAPRI) im Zeitraum 1998 bis 2002 förderte eine Vielzahl von konkreten Umweltproblemen in Folge der Programme u.a. in den Philippinen, Uganda, Ghana, Mexiko und Bangladesh zu Tage (SAPRIN, 2002). Die SAP haben durch ihren kurzfristigen Zwang zur Haushaltskonsolidierung in den Schuldnerländern den dortigen Strukturwandel zu Gunsten von Weltmarktintegration und Exportwirtschaft mit einer Geschwindigkeit forciert, die aus ökologischer Perspektive selbst für die Gläubiger zum Teil kontraproduktive Folgen hatten.
Die SAP gingen und gehen regelmäßig mit Kürzungen der Sozialausgaben einher. Das bedeutet unter anderem die Streichung von Subventionen für Grundnahrungsmittel und den Verlust von Arbeitsplätzen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst v.a. in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Die durch die Wirtschaftskrise in Folge der Schuldenkrise schon ohnehin stark gebeutelten unteren Einkommensgruppen werden auf diese Weise zusätzlich verarmt, so dass sich verarmte Familien zur Sicherung des Überlebens in die Subsistenzlandwirtschaft flüchten. Da zumeist landlos, siedeln sie sich häufig an Waldrändern an und betreiben Brandrodung (Tole 1998; Gullison/Losos 1993). In Tansania konnten sich viele Kleinbauern zwischenzeitlich keine Düngemittel mehr leisten, weil die Dünger-Subventionen gestrichen worden waren. Als Reaktion weiteten sie die Anbauflächen auf Kosten von Wäldern aus (Hammond 1999). Große Teile der brandgerodeten Flächen gehen schon nach kurzer Zeit (2-3 Ernten) durch Erosion und Auslaugung als Nutzfläche verloren. Eine Wiederaufforstung findet in der Regel nicht statt und die Armen brandroden neue anliegende Waldgebiete. Dies hat auch für die Gläubiger negative Folgen, denn die Brandrodungen sind weltweit "für mindestens ein Sechstel der Treibhausgasemissionen verantwortlich" (George, 1993: 26).

IWF und Weltbank haben stets betont, dass private Eigentumstitel an Grund und Boden (inkl. Wäldern) hilfreich dafür seien, dass diese Flächen nachhaltig genutzt würden. Die Eigentümer würden sich zur Erhaltung ihres Vermögens um eine ökologisch angemessene Bewirtschaftung bemühen, Flächen nicht übernutzen und vor Erosion und Verschmutzung schützen. In der Praxis finden sich aber mehrere Beispiele, die das genaue Gegenteil nahe legen. Susanna Hecht beschreibt z.B., wie die Waldzerstörung mit der Privatisierung von Land in Amazonien sprunghaft anstieg (Inman 1993: 30). Solange die Wälder in öffentlichem oder kommunalem Besitz waren, sei deutlich weniger gerodet worden. Auch andere Argumente von IWF und Weltbank laufen oft ins Leere, weil sie immer nur die positiven Folgen betonen, die negativen aber vernachlässigen. So kommt immer noch das Argument, dass die Freigabe der Preise von Agrarprodukten (die früher in vielen Schuldnerländern zur Reduzierung der Lebenshaltungskosten staatlich auf einem niedrigen Niveau festgelegt wurden) die Wertschätzung für Böden erhöhen und deswegen Bodenübernutzung wirksam bekämpfen. Ausgeblendet wird dabei, dass dasselbe Preissignal zugleich einen erheblichen Anreiz zur Ausweitung der genutzten Bodenflächen darstellt, was wiederum häufig Waldzerstörung bedeutet.
Neben Sozialkürzungen und Privatisierungen haben SAP auch zur Kürzung der ohnehin schon niedrigen Umweltschutzausgaben der Schuldnerländer beigetragen (vgl. dazu Tockman 2001) In der Folge konnten viele Umweltschutzbestimmungen nicht mehr wirkungsvoll kontrolliert und durchgesetzt werden, was z.B. den illegalen Holzeinschlag als auch den Schmuggel mit geschützten Tierarten verstärkte (siehe auch George 1993; Friends of the Earth o.J.; Fall 1999; Lóránt 1999). Besonders perfide mutet es an, wenn darauf aus Gläubigerkreisen geantwortet wird, die Schuldenkrise (und in der Folge die Haushaltskonsolidierung) hätte schon allein deswegen ökologische Vorteile, weil dann für umweltschädliche Projekte wie z.B. Infrastrukturprojekte zur Erschließung von Waldgebieten kein Geld mehr da sein.

5. Auswirkungen der jüngeren Finanzkrisen

Während die 1980er Jahre durch die internationale Schuldenkrise geprägt waren, standen die 1990er Jahre im Zeichen von Finanzkrisen. Anders als in der Schuldenkrise seit 1982 traten die Krisen der 1990er Jahre nicht auf Grund konkreter Zahlungsschwierigkeiten der Schuldnerländer auf, sondern es reichte schon völlig, dass die privaten Akteure auf den internationalen Finanzmärkten (Banken, Devisenhändler, Investment- und Pensionsfonds, Rating-Agenturen etc.) ihre Erwartungen über die zukünftige Zahlungsfähigkeit der Schuldnerländer revidierten. Derartige Erwartungsänderungen setzen in liberalisierten Finanzmärkten dann einen herdenartigen Exodus ausländischen Kapitals aus einem Land in Gang, und aus den für die fernere Zukunft erwarteten Zahlungsschwierigkeiten wird binnen kürzester Zeit die Zahlungsunfähigkeit.

Schon die erste große Finanzkrise der 90er Jahre in Mexiko 1994 zeigte, dass die natürlichen Ressourcen wesentlich für die Überwindung der Krise herangezogen wurden. Damals hatten die USA und der IWF darauf gedrängt, dass als Sicherheit für das finanzielle Rettungspaket aus Washington die mexikanischen Ölexporteinnahmen verpfändet wurden.

Wenn Währungen massiv abwerten, so hat dies zweierlei Konsequenzen. Erstens steigen (in inländischer Währung gemessen) die Schulden in ausländischer Währung entsprechend an, zweitens bedeutet ein niedrigerer Wechselkurs einen Wettbewerbsvorteil im Export. Importe aus dem Ausland werden teurer, und inländische Produkte, deren Inputs nicht hauptsächlich aus Importen bestehen, können billiger auf dem Weltmarkt angeboten werden. Am Fall Indonesien lässt sich anschaulich darstellen, wie dieser Wirkungsmechanismus zu einer erheblichen Ausweitung der Exportlandwirtschaft, insbesondere des Palmöl-Anbaus, auf Kosten von Waldflächen geführt hat. Zwar hat die Asienkrise zunächst einmal die Nachfrage von Südkorea und Japan nach Holz und Holzprodukten in der Region gesenkt. Dadurch fiel z.B. der Export von Baumstämmen aus Papua Neuguinea. Dies führt aber nicht nur im Fall Indonesiens dazu, dass trotzdem unvermindert Holz eingeschlagen wurde, es blieb dann vorübergehend einfach im Wald liegen (Dauvergne 1999: 36).

Finanzkrisen als Währungskrisen gehen grundsätzlich mit einer Neubewertung inländischer Vermögen und Ressourcen einher. Für international gehandelte Güter wie z.B. Holz oder Bodenschätze bedeutet dies immer, dass ihr Wert in inländischer Währung steigt und Inwertsetzung profitabler wird. Zwar hat es auch in den 1980er Jahren durch die Schuldenkrise und im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen immer wieder Abwertungen gegeben, diese gingen aber sehr viel geordneter vor sich. Durch die massive Liberalisierung des Kapitalverkehrs, die in den 1990er Jahren in den Entwicklungsländern stattgefunden hat, und den hohen Anteil kurzfristiger Kapitalzuflüsse kann Kapital heute in sehr viel kürzerer Zeit von einem Land ins andere verschoben werden. Wenn dies in einem herdenartigen Verhalten viele Investoren gleichzeitig tun, dann gehen der nationalen Zentralbank die Devisenreserven aus und sie kann den Wechselkurs der eigenen Währung nicht länger stabilisieren. Im Fall solcher Währungskrisen fallen die Abwertungen astronomisch aus. So verlor die indonesische Rupie ca. 80% und der philippinische Peso und der thailändische Bath 40% ihres Wertes während der Asienkrise. Der brasilianische Real verlor im Jahr 1999 ebenfalls 40%. Ohne auch nur einen Euro oder US-Dollar zusätzlichen Kredit aufzunehmen, hatten sich dadurch die Auslandschulden Indonesiens (gemessen in inländischer Währung) innerhalb weniger Tage verfünffacht. Es kam aber noch schlimmer, denn durch das "Rettungspaket" unter Führung des IWF haben sich die Schulden in den Krisenjahren 1997/98 noch mal netto um 15% auf über 150 Mrd. US$ erhöht. Nach allem, was über die Auswirkungen des Drucks zur Schuldenbedienung gesagt wurde, sind das sicherlich keine Zahlen, die Hoffnung auf einen Rückgang von Zerstörung und Inwertsetzung natürlicher Ressourcen in Indonesien und den anderen Krisenländern machen.

6. Resümee und Ausblick

In der vorangegangenen Untersuchung wurde deutlich, dass sich das internationale Finanzsystems auf zwei Ebenen auf die (Ungleich-)Verteilung des Zugangs und Verbrauchs an natürlichen Rohstoffen auswirkt.

Zum einen ermöglicht erst das internationale Finanzsystem, dass Entwicklungs- und Schwellenländern diejenigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt wurden und werden, ohne die das heutige Ausmaß an Inwertsetzung und Zerstörung natürlicher Ressourcen schlicht undenkbar wäre. Ohne die Kredite und das Kapital internationaler öffentlicher und privater Finanzinstitutionen wären im Süden sehr viele Projekte und Unternehmungen, die für einen großen Teil der Naturverwertung und -zerstörung verantwortlich sind, nicht finanzierbar gewesen. Die Zerstörung von Wäldern geht dabei nur teilweise von den Projekten selber aus. Ihre zerstörerische Wirkung entfalten sie auch dadurch, dass sie bislang unzugängliche Regionen für eine große Anzahl an verarmten Menschen zur Besiedelung und Ausbeutung freigegeben haben. Ohne die finanzielle Unterstützung von großen Erschließungs- und Infrastrukturprojekten durch Institutionen wie die Weltbank läge die globale Entwaldung heute auf einem deutlich niedrigeren Niveau.

Die zweite Wirkungsebene besteht darin, dass das Finanzsystem aufgrund seiner Machtasymmetrie und durch seine machtvollen Institutionen wie den IWF einen enormen Druck auf die Entwicklungsländer ausübt, die Interessen der ausländischen Gläubiger und Investoren zu bedienen, und dazu natürliche Ressourcen im Süden der Inwertsetzung im globalen Maßstab zuzuführen. Mit ihrem Krisenmanagement und ihren Strukturanpassungsprogrammen haben IWF, Weltbank und die nördlichen Gläubiger wesentlich dazu beigetragen, dass natürliche Ressourcen zur Bedienung von Auslandsschulden in Wert gesetzt und dabei zerstört werden. Dabei hat der Norden entscheidend Einfluss auf die Preisbildung für diese Ressourcen genommen. In der Folge waren die Entwicklungsländer gezwungen, ihre Produkte zu "falschen" bzw. zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Spätestens hier wird augenfällig, wie durch die Sanktionsinstrumente und Akteure des internationalen Finanzsystems eine kompensationslose Umverteilung des Zugriffs und Verbrauchs natürlicher Ressourcen vom Süden in den Norden ermöglicht wird.
Zwar weist schon die erste Ebene dem internationalen Finanzsystem eine tragende Rolle bei der Finanzierung der Inwertsetzung natürlicher Ressourcen im Süden zu. Sie begründet aber noch keine wertmäßige Umverteilung der Nutzung und des Verbrauchs dieser Ressourcen zu Gunsten von Akteuren im Norden. Erst auf der zweite Ebene wird die (um-)verteilungspolitische Funktion des internationalen Finanzsystems deutlich.

Dennoch muss man sich an dieser Stelle vor Vereinfachungen hüten. Zum einen kann das internationale Finanzsystem nicht als einzige Grundlage einer wertmäßigen Umverteilung zwischen Nord- und Süd herhalten. Die internationalen Handelsbeziehungen sind auch unabhängig von einer Einflussnahme seitens IWF, Weltbank und privater Finanzinstitutionen weit davon entfernt, den Rahmen für einen verteilungsneutralen Austauschprozess anzubieten. Eine zweite Einschränkung betrifft das Maß z.B. an Waldzerstörung, welches durch armutsbedingte Brandrodungen verursacht werden. Auch wenn das internationale Finanzsystem den Zugang zu Wäldern oft erst finanziert hat, so bleibt eine zentrale Triebfeder der Entwaldung der nackte Überlebenskampf vieler verarmter Menschen und nicht nur die kalkulierte Inwertsetzung von Waldflächen. Es ist daher ein schwieriges Unterfangen, die Bedeutung des internationalen Finanzsystems und der Verschuldung für die Ungleichverteilung zwischen Nord und Süd und für die Armut bzw. Verarmung im Süden zu quantifizieren. Drittens ist anzumerken, dass das internationale Finanzsystem sicherlich nicht als Urheber einer Strategie der Inwertsetzung natürlicher Ressourcen herhalten kann. Seit Menschengedenken nutzen wir die Angebote unserer natürlichen Umwelt, um sie uns dienlich zu machen. Im Zuge der "internationalen Arbeitsteilung", der Kolonisation und später der "Vermarktlichung" des Güteraustauschs ist daraus ein globales Regime der Naturverwertung entstanden. Seitdem haben wir es auch im Süden mit einem Entwicklungsmodell zu tun, welches die Reichtümer der Natur als natürliche Ressourcen und somit als verwertbare Rohstoffe und "Bodenschätze" begreift. Ist erst mal ausländisches Kapital ins Land geflossen, so will sich dieses rentieren, erwartet Zins und Profit. Da dieser Zins und Profit in ausländischer Währung zu erwirtschaften ist, geht von ausländischem Kapital tendenziell eine kumulative Dynamik in Richtung noch stärkerer Weltmarktintegration aus. Folglich ist die Nutzung des internationalen Finanzsystems zur Initiierung eines inländischen Entwicklungsprozesses immer zugleich eine recht langfristige Weichenstellung. Die hohe Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer ist ein wichtiger Grund dafür, warum sie keine kurzfristige Ausstiegsoption aus der Vermarktung ihrer natürlichen Ressourcen auf dem Weltmarkt haben, selbst wenn der politische Wille dazu vorhanden wäre.

Abschließend soll noch ein ganz kurzer Blick auf die Vorschläge zur Minderung oder gar Überwindung der ressourcenschädigenden Wirkung des internationalen Finanzsystems gerichtet werden. Die wohl fundamentalste Herangehensweise betrifft das zugrunde liegende Entwicklungsmodell und den Begriff der "natürlichen Ressource" selbst. Nur durch die Anerkennung der Nicht-Universalisierbarkeit des Entwicklungsmodells des industrialisierten Nordens und die Orientierung auf alternative Entwicklungsleitbilder wird es möglich, die Natur und ihre Reichtümer in einer nachhaltigen Weise zu nutzen. Dieses Anerkennen und Umdenken muss notwendigerweise dort stattfinden, wo das "alte" Denken seinen Sitz hat: im industrialisierten Norden.

Die weniger grundsätzlichen Ansatzpunkte betreffen die konkrete Ausgestaltung des internationalen Finanzsystems. Wenn ausländisches Kapital häufig zur zerstörerischen Inwertsetzung natürlicher Ressourcen eingesetzt wird, so muss es darum gehen, solche Kapitalzuflüsse einzudämmen bzw. auszutrocknen. Lange Zeit war es üblich, dass Länder nur sehr eingeschränkt und nach einer intensiven Prüfung ausländisches Kapital ins Land gelassen haben. An einem grundlegenden Wandel des inzwischen eingeführten internationalen Systems der Kapitalverkehrsliberalisierung führt sicherlich kein Weg vorbei. Ähnlich sieht es im Bereich der Wechselkurse aus. Die schockartigen Umbewertungen von Auslandsschulden und inländischen Naturressourcen in der Folge von Währungskrisen können in Zukunft nur durch ein multilaterales Zusammenspiel von Kapitalverkehrsregulierung und Wechselkurskooperation vermieden werden. Auch mit Blick auf die Verschuldungsproblematik liegen konkrete Ideen auf dem Tisch. Neben einem Schuldenerlass muss die preisverzerrende und ressourcenzerstörende Wirkung der Auslandsverbindlichkeiten durch eine Neuordnung der Gläubiger-Schuldner-Beziehungen überwunden werden. Nur wenn die Gläubiger und Schuldner gleichberechtigt über die Notwendigkeit von Schuldenerlassen und den Zuschnitt von wirtschaftlichen Reformen entscheiden und dabei die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerungen und der Umweltschutz im Zentrum stehen, kann hier Abhilfe geschaffen werden. Dazu bieten z.B. faire und transparente Schiedsverfahren im Sinne einer Staateninsolvenzregelung einen gangbaren Weg an. Es steht also eine ganz neue "Strukturanpassung" an: nicht der Schuldner an den Weltmarkt, sondern des Weltwirtschaftssystems an die Erfordernisse einer globalen ökologisch und sozial nachhaltigen Entwicklung.

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Endnoten:

1 Dieser Aufsatz stützt sich auf ein Hintergrundpapier, das der Autor kürzlich für das Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie verfasst hat (Hersel, 2005). Dort sind viele der hier dargelegten Zusammenhänge anhand zweier Länderfälle Brasilien und Indonesien detailliert untersucht worden.

2 häufig staatlich geförderte Nutzbarmachung und anschließend vollzogene Ausbeutung natürlicher Ressourcen zum Zweck der Verwertung.

3 Debt-for-Nature Swaps sind Tauschgeschäfte, bei denen Gläubiger ihren Schuldnern bestimmte Schulden erlassen, wenn die Schuldner im Gegenzug bestimmte Umweltschutzprogramme umsetzen. Diese bestanden in den wenigen Fällen solcher Swaps in der Regel in der Einrichtung von Tropenwaldreservaten und Naturschutzgebieten. Die ökologischen Auswirkungen von Debt-for-Nature Swaps sind jedoch sehr gering (vgl. Tisdell, 1994: 431).

4 Gegenüber diesem Regelfall gibt es zwei Abweichungen. Erstens wird der aus Wasserkraftwerken produzierte Strom in einigen Fällen exportiert. Zweitens kann der produzierte Strom die Stromerzeugung mittels importierter fossiler Energieträger ersetzen. Auch dann werden zwar keine Deviseneinnahmen erzielt, aber es fallen Ausgaben in Fremdwährung weg.

5 Im IWF verteilen sich die Stimmrechte der Mitgliedsländer nach ihrer wirtschaftlichen Stärke. Aus diesem Grunde besitzen die Industrieländer die Mehrheit der Stimmrechte in den Gremien des IWF. So haben z.B. die G10 Länder (G7 plus BeNeLux) allein über 50% der Stimmen. Die 51 afrikanischen Länder kommen auf ca. 6,5% der Stimmen. Die Machtverteilung in der Weltbank ist ebenso geregelt.

Dieser Aufsatz erschien in: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 139, 35. Jahrgang, S. 203-223