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Editorial zur Jubiläumsausgabe (#364): 50 Jahre iz3w

50 Jahre, 500 Aktive, 5.000 AutorInnen
1968 war ein besonderes Jahr. Mit den damaligen weltweiten Aufbrüchen und Revolten lassen sich nicht nur Themenschwerpunkte füllen (ab Seite 14). Für das informationszentrum 3. welt und seinen Trägerverein Aktion Dritte Welt ist jenes Jahr noch aus einem weiteren Grund kein gewöhnliches: Im Frühjahr 1968 versammelten sich erstmals junge Studierende in Freiburg, um fortan die Ausbeutung der Dritten Welt zu beenden. Drunter wollten sie es – ganz im Geiste der Zeit – nicht machen. Die Anfänge der von ihnen ins Leben gerufenen Aktion Dritte Welt waren zwar eher sozialdemokratisch-reformorientiert denn revolutionär-antikapitalistisch geprägt. Aber auch sie waren beseelt von der 68er-Idee, die Welt umzuwälzen – und vor allem: das auch tatsächlich zu können!
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Revanche der kriminalisierten Körper

Argentiniens Trans*Community wehrt sich gegen sexualisierte Gewalt
Argentinien nimmt hinsichtlich der Gesetzgebung zu LGBTIQ*-Rechten weltweit eine Vorreiterrolle ein. Dennoch sind Menschen mit Trans*Identitäten extremer sexualisierter Gewalt ausgesetzt und von sozialer Teilhabe ausgeschlossen. Die Trans*Community kämpft lautstark dafür, diesen Widerspruch aufzuheben.
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Geiselnahme und andere Geschäfte

Hefteditorial iz3w 363 (Nov./Dez. 2017)
250 Tage sitzt der Journalist Deniz Yücel nun im türkischen Gefängnis Silivri ein, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben wäre. Er wird unter Isolationsbedingungen festgehalten, die als »weiße Folter« bezeichnet werden. Seine Inhaftierung durch das Erdogan-Regime als »Geiselnahme« zu bezeichnen, ist keine polemische Überspitzung, sondern die präzise Bezeichnung für das, was in der Türkei hundertfach vor sich geht. Ende August verabschiedete Präsident Erdogan ein Notstandsdekret, mit dem er einen Gefangenenaustausch mit anderen Staaten anordnen kann. Denn er möchte nicht nur aller (vermeintlichen) Gülen-AnhängerInnen in der Disapora habhaft werden, sondern aller, die je ein kritisches Wort über ihn und die Zustände in der Türkei gesagt haben.
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Kleine Homestory

Hefteditorial iz3w 362 (Sept./Okt. 2017)
Jüngst, auf einer Lesung unter Sternen in einem Freiburger Szeneort, benutzte der Moderator bei der biografischen Kurzvorstellung des Buchautors Jörg Später einen Begriff aus der Biologie: Der vorgestellte Autor einer Biografie über Siegfried Kracauer sei in vergangenen Jahren als kritischer Geist in einem Freiburger Biotop aktiv gewesen. Genauso der Moderator, und so haben sie sich kennengelernt. Dieses Hinterhofbiotop habe einen recht kryptischen Namen, iz3w.
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"Let us die fighting"

Namibische Herero und Nama verklagen die Bundesrepublik
Eher im Kampfe sterben als weiterhin von den Kolonialherren unterjocht zu werden, wollte Kaptein der Herero Samuel Maharero. Dies schrieb er in einem Brief vom Januar 1904, in dem er zur Allianz gegen die Deutschen aufrief. Heute verklagen namibische Herero und Nama die Bundesrepublik. Hier steht die Langfassung des Artikels mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis.
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Schädliche Polarisierung

Hefteditorial iz3w 361 (Juli/August 2017): Tourismus & Migration
Kaum eine Zeitungsmeldung über Venezuela kommt derzeit ohne Schlagworte wie »Gewalt«, »Repression« oder »Diktatur« aus. Die meisten Berichte schwanken zwischen Grauen und Boulevard. Selbst als seriös geltende Medien küren eine Steine schmeißende Fitnesstrainerin zu »Wonder Woman« oder heroisieren Jugendliche, die den Tränengasgranaten der Sicherheitskräfte trotzen, indem sie diesen so genannte »Cocktails Puputov« entgegenschleudern – mit Exkrementen gefüllte Glasflaschen.
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In Bewegung

Reiseräume in Zeiten von Flucht und Freizeit
Selten werden die Phänomene Tourismus, Flucht und Migration in einem Satz genannt. Dabei haben sie durchaus Berührungspunkte: Ihre Wege kreuzen sich an Grenzposten und auf Passagen. Diese Kontaktzonen sind prädestiniert für Konflikte. Doch ebenso können sich aus dem Aufeinandertreffen solidarische Perspektiven für das Recht auf Freizügigkeit ergeben.
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"Mühsam und großartig zugleich"

Interview mit fünf Aktiven von Radio Dreyeckland aus Freiburg über den Alltag des Radiomachens in vier Jahrzehnten
Radio Dreyeckland feiert dieses Jahr 40-jähriges Jubliäum. iz3w sprach mit fünf Aktiven über ihre Erfahrungen mit solidarischem Radiomachen und die Frage, wie die internationalistische Bewegung Radio Dreyeckland über vier Jahrzehnte mitgeprägt hat - im praktischen Alltag des Radiomachens und in der Themensetzung.
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„Nichts als die Wirklichkeit“

Interview mit Jean-Marie Etter über Radios in Konfliktregionen
In Zeiten kriegerischer Konflikte spielt das Radio insbesondere in abgelegenen Regionen eine oft wichtige Rolle - sowohl bei gewaltsamen Auseinandersetzungen als auch angesichts autoritärer Herrschaft. Aber auch die Arbeit mit dem Medium Radio in friedensfördernder Absicht hat ihre Fallstricke. Die Fondation Hirondelle unterstützt seit 1995 in dieser Absicht zahlreiche Radioprogramme sowie Sender in 15 Ländern. Sie beruft sich auf Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Informationsrecht. Wir sprachen mit Jean-Marie Etter, dem Gründer, über die Aufgaben und Risiken eines Radiosenders inmitten kriegerischer Atmosphäre.
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Dazwischenfunken

Themenschwerpunkteditorial iz3w 360 (Mai/Juni 2017)
Als dem wissenschaftlich interessierten Priester Landell de Moura 1894 in Sao Paulo erstmals die Übertragung menschlicher Sprache per Radiowellen gelang, blieb diese Erfahrung für die avisierten HörerInnen zunächst folgenlos. Die Kirche vernichtete die »Höllenmaschine« und verbannte de Moura. Seit Beginn seiner Geschichte war der Hörfunk also umkämpft.
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Hunger ist keine Naturkatastrophe

Hefteditorial iz3w 361 (Mai/Juni 2017)
»Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.« Mit diesem drastischen Zitat des bekannten Genfer Soziologen Jean Ziegler ruft derzeit die linke Hilfsorganisation medico international zu Spenden für Ostafrika auf. Laut Angaben der UN sind dort 20 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht. Insbesondere im Nordosten Nigerias, im Südsudan, in Somalia und im nahe gelegenen Jemen ist die Ernährungslage so verheerend, dass sie über Mangel- und Unterernährung weit hinausgeht und vielen Menschen der Tod droht. Die UN sprechen von der »größten Hungerkatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg«.
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Wir fordern das Wort "Apartheid" zurück

Warum die Gleichsetzung von Israel mit dem rassisischten Südafrika falsch ist

Im August 2001 kam es im südafrikanischen Durban bei der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus zu hässlichen Szenen: Israelische und jüdische Delegierte waren heftigen Beschimpfungen durch andere KonferenzteilnehmerInnen ausgesetzt. Deren Begründung lautete, Israel sei ein rassistischer Apartheidstaat, dessen Angehörige nichts auf einer antirassistischen Konferenz verloren hätten. Die Gleichsetzung von Israel mit dem Apartheidstaat Südafrika findet bis heute weltweit große Resonanz, sie ist eine der zentralen Argumentationsfiguren des globalen BDS-Bündnisses (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen). Im Neuen Südafrika ist die radikale Ablehnung Israels sogar eine Mehrheitsposition, insbesondere im Umfeld des ANC.

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F**k You, Human Rights!

Der philippinische Präsident Duterte vollstreckt den Populismus
Der philippinische Präsident Duterte führt einen martialischen Krieg gegen alle, die mit Drogen in Verbindung gebracht werden. Er pöbelt gegen Rechtstaatlichkeit und demokratische Institutio-nen, denn er gibt vor, den Willen des Volkes unmittelbar zu verwirklichen. Die Herrschaft von Rodrigo Duterte dürfte dem Idealbild westlicher RechtspopulistInnen ziemlich nahe kommen. Doch es gibt einige philippinische Spezifika.
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Der globale Rechtspopulismus

Themenschwerpunkteditorial iz3w 359 (März/April 2017)

»Gibt es etwas in der seelischen Verfassung des heutigen Menschen, das ihn auf die Demagogie skrupelloser Agitatoren positiv reagieren läßt, und was ist die Technik dieser Demagogie?« Diese Frage klingt, als sei sie auf Donald Trump, Marine Le Pen oder Rodrigo Duterte bezogen. Doch sie ist schon älter. Formuliert wurde sie 1950 in der bahnbrechenden Studie von Theodor W. Adorno und anderen über »The Authoritarian Personality«. Die Kritischen Theoretiker hatten sich vor allem angesichts des Nationalsozialismus gefragt, wie es dazu kommt, dass Menschen sich freiwillig dem Autoritarismus unterwerfen, ja ihn sogar fordern.

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Politisches Totalversagen

Hefteditorial iz3w 359 (März/April 2017)

»Bitte! Tut etwas! Wir haben kein Brot mehr und kein Wasser. Wir sind krank. Es gibt keine Ärzte. Die Menschen sterben.« Mit diesen verzweifelten Worten wandten sich Ende Januar die InsassInnen eines Flüchtlingslagers an die Öffentlichkeit. Interniert waren sie nicht in Libyen, im Tschad oder im Irak, sondern in einem griechischen Camp, genauer gesagt in einem so genannten EU-Hotspot auf der Insel Samos. Der Hilferuf blieb unbeachtet. In den Tagen danach starben allein in Griechenland fünf Menschen in Flüchtlingslagern.

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Die Hagiographie zweier Revolutionäre

In seinem illustrierten Band Chesucristo wirft der marxistisch-sozialgeschichtlich orientierte Kunsthistoriker David Kunzle einen ausführlichen Blick auf die erinnerungspolitische und popkulturelle Hagiographie zweier Männer, die weitaus mehr verbindet als zunächst gedacht. Kunzle stellt sowohl im künstlerischen als auch im literarischen Feld eine Verchristlichung Che Guevaras fest, bei der das Heilige zunehmend mit dem Profanen verschmelze. Er führt an, dass Che in zahlreichen Kunstwerken als Christus porträtiert wird – und umgekehrt. So ziert Ches Konterfei oft eine Dornenkrone oder ein Heiligenschein, während von Christus Abbildungen mit Maschinengewehr in den Händen und Barett auf dem Haupt existieren.

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Kultur und Kritik

Als Ingo Schneiders und Martin Sexls Sammelband Das Unbehagen an der Kultur erschien, ließen sich die Ausmaße deutscher Willkommenskultur allenfalls erahnen. Zu ihr zählt entgegen offiziöser Behauptungen nicht nur die müde Empfangsdame an Bahnhöfen, sondern auch der verbissen besorgte Bürger. Jener Menschenschlag also, der die Fliehenden lieber mit Pöbeleien und Brandsätzen statt mit Wasser und Winterjacken willkommen heißt. In der Mär von der deutschen Willkommenskultur schießt zusammen, was thesenhaft in dem Buch bereits umrissen ist: Kultur, verstanden als moralische Absolution, verhilft jedem noch so niederen Verbrechen zu höheren Weihen – und verstetigt hiernach die ihm innewohnende Gewalt. Der dialektische Doppelcharakter von Kultur, so die Herausgeber Schneider und Sexl, begünstige sowohl die Minderung als auch die Mehrung von Leid.

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Wer zieht die Notbremse?

Manche Bücher sollte lieber nicht in der Winterzeit lesen, wer zur jahreszeitlich bedingten Depression neigt. In seinem Buch Kapitalkollaps zeichnet der linke Journalist Tomasz Konicz ein düsteres Bild von der existenziellen Krise, die im globalen Kapitalismus inhärent angelegt ist. Sie zeigt sich in Finanzkrisen, Klimakollaps, Ressourcenerschöpfung, Kriegen, Fluchtbewegungen und vielem mehr. »Es scheint, als säße die Menschheit in einem sich stetig beschleunigenden Zug, der auf einen Abgrund zurast und in dem niemand in der Lage ist, die berühmte Notbremse zu ziehen«, fasst Konicz die Entwicklung zusammen. Gemeint ist jene Notbremse, die Walter Benjamin als Mittel des »eigentlichen revolutionären Akts« identifiziert hat, mit dem der Amoklauf der globalen Kapitalverwertung noch gestoppt werden kann.

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One Love, One Hate

Die in Jamaika überaus populären Dancehalls lassen sich als relativ autonomes, gut abgrenzbares kulturelles Feld fassen. Es steht mit den eigentlichen Machtfeldern der Politik und Wirtschaft im intensiven Austausch – sowohl in ihren formellen als auch informellen Erscheinungsformen. An diesem symbolischen Ort werden die Identitätskonstruktionen der weltlichen und geistlichen Eliten neu verhandelt und in vielerlei Hinsicht verändert und konterkariert. Im Dancehall Reggae geht es somit kontinuierlich um Fragen der Respektabilität von Weltbildern, ethischen Gesinnungen und akzeptablen Verhaltensformen, gerade was die Geschlechternormen und damit verbundene sexuelle Einstellungen und Praktiken betrifft. Aus diesem empirischen Befund entwickelt Patrick Helber seine zentrale theoretische Fragestellung: Welche Bedeutung nehmen Populärkultur und Diskurse über Populärkultur bei der Aushandlung von Respektabilität bezüglich geschlechtlicher Identitäten im postkolonialen Jamaika ein?

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Indigene Kämpfe ums Land

»Ein Griqua ohne Land ist ein nackter Griqua« – dieses Zitat von Kaptein Johannes Kraalshoek, Repräsentant des Free State Griqua Concils, bringt die politisch brisanten Landrechtsforderungen der Griqua auf den Punkt. Wer sind nun die Griqua? Das Wort bedeutet »Menschen«, und zwar im Xiri, einer Khoekhoe-Sprache. Schätzungen gehen davon aus, dass heute etwa 300.000 Griqua über mehrere Provinzen verteilt in Südafrika leben. Historisch sind sie Nachfahren verschiedener Gruppen der vorkolonialen Gesellschaft: Khoekhoe-Pastoralisten, San-Jäger und Sammlerinnen, bantu-sprachige Menschen, importierte SklavInnen der Kapkolonie sowie einige weiße Soldaten und SiedlerInnen.

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