Rezension zu:
Findus, Michael Schulze von Glaßer: Kleine Geschichte der Kriegsgegnerschaft. Friedensbewegung und Antimilitarismus in Deutschland von 1800 bis heute, Unrast Verlag, Münster 2016, 80 Seiten, 9,80 Euro, ISBN 978-3-89771-215-7
Den Leserinnen und Lesern der Monatszeitschrift „Graswurzelrevolution“ (GWR) sind Findus und Michael Schulze von Glaßer bekannt. Findus zeichnet seit vielen Jahren für fast jede Ausgabe der GWR und hat mit seinen Illustrationen dazu beigetragen, dass die Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft ihr altes Image als „Bleiwüstenrevolution“ heute weitgehend verloren hat.
Der im Verlag Graswurzelrevolution erschienene schwarz-rote Leitfaden „Kleine Geschichte des Anarchismus“ von Findus ist ein mittlerweile in überarbeiteter Neuauflage erhältlicher Renner. Und auch die meist zusammen mit AutorInnen aus der anarchistischen Szene entstandenen und im Unrast Verlag publizierten Sachcomics „Kleine Geschichte des Zapatismus“, „Kleine Geschichte der Krisenrevolten“ und „Kleine Geschichte der Genossenschaften“ sind allesamt dazu geeignet, politische Themen leicht verständlich und aus emanzipatorischer Perspektive zu vermitteln. Dabei sind diese Bücher nicht nur für „Szenefrischlinge“ und Comicfans eine Bereicherung.
Michael Schulze von Glaßer schreibt seit vielen Jahren Artikel für die GWR und war einst Redakteur der graswurzelrevolutionären Jugendzeitung „utopia“. Heute ist er stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und aktives Mitglied der Informationsstelle Militarisierung Tübingen (IMI). Seine antimilitaristische Sachkompetenz, die er sich als Aktivist und Autor angeeignet hat, kommt dem jetzt im Unrast Verlag publizierten Sachcomic „Kleine Geschichte der Kriegsgegnerschaft“ zu Gute.
Zum Inhalt
Von den Weltkriegen über die Remilitarisierung Deutschlands bis zu heutigen Kriegen behandeln Findus und Michael Schulze von Glaßer sozusagen im Schweinsgalopp wichtige historische Ereignisse. Auch Kontroversen und unterschiedliche Standpunkte innerhalb der Friedensbewegung werden angerissen. Der schwarz-rote Faden der Geschichte wird mit Hilfe der JungaktivistInnen Lilly und Felix gesponnen, die am Anfang des Comics auf dem Weg zu einer Aktion gegen einen Bundeswehrpropagandastand auf eine Demo der Friedensbewegung stoßen. Hier kommt es zu einer Diskussion mit älteren FriedensaktivistInnen, in deren Verlauf die Geschichte der Kriegsgegnerschaft gezeichnet wird. Dabei geht es um die Gründung der ersten Friedensgesellschaften 1815, die Geschichte der DFG-VK und den Kampf von AnarchistInnen und MarxistInnen gegen Krieg und Waffenexporte. Thematisiert werden unter anderem auch: Drohnenkriege, Antikolonialismus, NATO und Völkerrecht, die Anti-Atomtod- und Ostermarsch-Bewegung, die 68-er, die Graswurzelrevolution und die Proteste gegen Vietnamkrieg und NATO-Doppelbeschluss.
Kritik
Einiges, wie die Darstellung der Gewaltdiskussionen anlässlich der Aktionen der marxistisch-leninistischen RAF, wirkt arg verkürzt, ein bisschen platt und oberflächlich. Die Proteste gegen den Angriffskrieg der NATO auf die damalige Bundesrepublik Jugoslawien verlegen Findus und von Glaßer kurzerhand ins Jahr 1998. Tatsächlich wurde zwar der Bundestagsbeschluss für den dritten Bombereinsatz deutscher Kriegsflugzeuge gegen Jugoslawien (im 20. Jahrhundert) bereits Ende Oktober 1998 getroffen. Der NATO-Angriffskrieg und die meisten, leider sehr bescheidenen Proteste dagegen erfolgten aber erst 1999.
Fazit
Die Kürze der Texte, mit denen hier versucht wird, mehr als 200 Jahre antimilitaristische Bewegungsgeschichte zu skizzieren, ist nicht geeignet, wichtige Themen zu vertiefen.
Sie kann aber sehr wohl dazu dienen, vor allem junge Menschen auf eine bewegungsnahe Geschichtsschreibung von unten und auf antimilitaristische Positionen neugierig zu machen. Und letzteres ist heute notwendiger denn je. Noch nie seit 1945 gab es so viele minderjährige Soldaten in Deutschland. Die Rekrutierung von Jugendlichen für das Mordhandwerk ist skrupellos. Sie beginnt in den Schulen, läuft über youtube, über Werbung auf Litfasssäulen und in den Medien von taz bis BILD (vgl. GWR 416). Dabei wird das Mordhandwerk, das Soldatinnen und Soldaten erlernen, von den Bundeswehrwerbestrategen als Abenteuer verklärt.
Dieses Comic-Sachbuch zeigt dagegen, dass Krieg immer noch der Mord auf Kommando und ein Verbrechen an der Menschheit ist. Es hat gute Chancen, über die momentan recht kleine antimilitaristische Szene hinaus Menschen ein Stück Geschichte von unten zu vermitteln. Zudem kann es als Anregung dienen, sich mit weitergehender Literatur zu beschäftigen.
Zu hoffen ist, dass die „Kleine Geschichte der Kriegsgegnerschaft“ in den Schulen Verbreitung findet, um somit dem massiven Werbefeldzug der Bundeswehr entgegenzuwirken.
Bernd Drücke
Rezension aus: Graswurzelrevolution Nr. 417 (Libertäre Buchseiten), 46. Jahrgang, März 2017, www.graswurzel.net