Bestärkend und demokratiefördernd

Erfahrungen mit Argumentationstrainings gegen rechts

Unter dem Begriff "Stammtischkämpfer*innenausbildung" organisiert das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus (AgR) antirassistische und antifaschistische Argumentationstrainings. Diese Trainings sind ein Kernbestandteil des Kampfes gegen rechts. Doch wie erfolgreich sind solche Aktivitäten? Caroline Bohn fasst die Erkenntnisse ihrer Masterarbeit zu dieser Frage zusammen.1

2017 zog die AfD mit 12,6 Prozent der Stimmen in den Bundestag ein. 2019 konnte sie beachtliche Stimmerfolge in einigen Landtagen erzielen: 23,4 Prozent in Thüringen, 23,5 Prozent in Brandenburg und 27,5 Prozent in Sachsen. Die AfD arbeitet mit anderen extrem rechten Organisationen zusammen und verankert entsprechende Programme in der Mitte der Gesellschaft. Sie kann damit als "Türöffnerin nach Rechts"2 gesehen werden. In ihr finden auch Anhänger*innen der einwanderungsfeindlichen Bewegung (wie PEGIDA) eine parteipolitische Stimme.3

Das Auftreten der AfD ist seit ihrer internen Spaltung im Jahr 2015 von Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus, Antifeminismus und Klassismus4 geprägt. Die faschistische Strömung in der Partei wird mindestens aus machtstrategischen Gründen von der Parteispitze toleriert und die AfD ist in der Lage, "letztlich auch einer faschistischen Gesellschaft den Weg [zu; CB] bahn[en]"[5.

Doch auch bereits vor der Gründung der AfD im Frühjahr 2013 existierte eine ausdifferenzierte rechte Szene in der BRD, deren fester Bestandteil Terror und Morde an Menschen sind. Die AfD baut ihre Politik auf das in der Gesellschaft vorhandene rechte Potenzial.6 Die Wahlerfolge der AfD erfolgten in "einem allgemeinen Klima einer extrem gespaltenen Gesellschaft - einem weltoffenen Teil, der die Flüchtlinge unterstützt und sich gegen Rassismus engagiert, und einem zunehmend lautstarker werdenden Teil, der sich selbst rassistisch positioniert und Zuwanderung ablehnt […]"[7. Die sog. Mitte-Studie von Zick, Küpper und Berghan (2019) und die Leipziger Autoritarismus-Studie8 belegen zudem seit den 2000er Jahren, dass extrem rechte und rassistische Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft weit verbreitet sind. Die Studien beleuchten unterschiedliche Merkmalskategorien, anhand derer Menschen diskriminiert werden.9 Neben Rassismus werden beispielsweise auch die Abwertung langzeitarbeitsloser Menschen, die Abwertung wohnungsloser Menschen, die Abwertung von Trans*Menschen und die Abwertung von Sinti und Roma berücksichtigt.10. Die Studien widerlegten empirisch die Theorie, dass lediglich "Rechtsextremisten" solche Einstellungen hätten.

Die durch PEGIDA und die AfD entfesselten Vorurteile sind gekoppelt mit einer gestiegenen Gewalt gegen die Personen, die als ungleichwertig betrachtet werden.11

Das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus

Angesichts dieses Klimas und vor allem angesichts des Aufstiegs der AfD gründete sich 2016 das bundesweite Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" (AgR). Das antifaschistische Bündnis vereint eine große Bandbreite an politisch aktiven Menschen und Organisationen von Parteien über Religionsgemeinschaften, Stiftungen bis hin zu antifaschistischen und sozialen Initiativen. Der Fokus von AgR liegt auf der Bekämpfung der AfD als Plattform für extrem rechte und rassistische Weltanschauungen. Das Bündnis hat das Ziel, rechte Positionen zu ächten und zu isolieren und zieht in diesem Sinne eine "rote Linie". Zu diesem Zweck arbeitet es mit drei Kampagnenbausteinen. Die Stammtischkämpfer*innenausbildung ist der erste. Diese ist ein Argumentationstraining gegen rechts in Form eines meist 6-stündigen Seminars, in dem Menschen ermutigt werden sollen, ihre Stimme zu erheben und in Aktion zu treten gegen menschenfeindliche und ausgrenzende Äußerungen und Handlungen, unabhängig davon, ob diese in der Bahn, am Arbeitsplatz oder bei der Familienfeier vorkommen. Die Teilnehmer*innen sollen weiter motiviert werden, sich zu vernetzen und lokal aktiv zu werden. Neben den Seminaren verbreitet AgR als zweiten Kampagnenbaustein Informationsmaterialien zur AfD, zu Gegenstrategien und zum Gegenargumentieren. Das Bündnis versendet Printmaterialien in großer Anzahl und ist auf Demonstrationen gegen rechte Aufmärsche und Kundgebungen mit Stickern, Flyern und weiterem Material vertreten. Der dritte Kampagnenbaustein sind die bundesweit rund 70 Kiez- und Regionalgruppen, die die Aktivitäten der AfD kritisch beobachten und Aktionen gegen sie organisieren. Schätzungsweise waren etwa die Hälfte der Aktiven zuvor nicht gesellschaftspolitisch engagiert und haben folglich mit AgR einen Einstieg in ihr Engagement gefunden.

Argumentieren gegen Stammtischparolen

Stammtischparolen sind "in Worte gefasste Vorurteile"13. Die ursprüngliche Bedeutung von Vorurteil ist nicht negativ konnotiert. Ein Vorurteil wurde als Urteil verstanden, das aufgrund gemachter Erfahrungen gebildet wird.14 Dann änderte sich die Bedeutung des Vorurteils: Es wurde als von der Erfahrung unabhängig und ihr vorausgehend verstanden, was schließlich auch zu seiner negativen Bewertung führte.15 Vorurteile reduzieren Komplexität in der vielschichtigen und differenzierten Welt, geben uns Menschen Orientierung und Sicherheit, wie wir uns im Alltag verhalten und was wir erwarten können und stellen so unsere Handlungsfähigkeit her.16

Das Vorurteil und damit die Stammtischparole polarisiert in "wir" (die Guten) und "die anderen" (die Schlechten), gegen die aufgewiegelt wird.17 Diejenigen, die "Stammtischparolen äußern, werten sich dadurch selbst auf, fühlen sich moralisch überlegen und gut und geben vor, für die breite Mehrheit zu sprechen.18 Stammtischparolen wirken hierdurch stabilisierend auf Gruppen und ihre Zugehörigkeitskriterien.19 Vorurteile stabilisieren nicht nur Macht und Herrschaft, sondern führen zu Diskriminierung bis hin zu Verfolgungen der als anders Gelabelten.20 Vorurteile stehen häufig einer schweigenden Mehrheit gegenüber, welche durch ihr Schweigen die Gewalt aufrecht erhält.

Der kritische Punkt ist der fanatische Charakter der Stammtischparolen, denn sie sind nicht oder nur schwer durch neues Wissen und plausible Argumente erschütterbar.22. Dies weist auf die Grenzen von Argumenten gegen Stammtischparolen hin. Die Stammtischkämpfer*innenausbildung hält am Argumentieren gegen rechts fest, weil dadurch die Verbreitung von Stammtischparolen eingedämmt und demokratische Werte gestärkt werden.23 Auch wenn die Meinung des*r Verkünder*in sich nicht ändern mag, so erreicht die Gegenposition möglicherweise Umstehende, die unentschlossen sind oder mit den rechten Positionen zwar sympathisieren, aber noch offen sind für einen Austausch und für demokratische Werte. Die Gegenposition zeigt auch auf, dass die rechte Aussage nicht gesellschaftlicher Konsens ist und überlässt den rechten Positionen weder den öffentlichen noch den privaten Raum. Wichtig ist, dass das Widersprechen nicht dazu führen darf, den rechten Positionen ein Podium zu bieten und im Zuge dessen zu ihrer Normalisierung beizutragen.24 Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion mit einem*r Funktionär*in einer rechten Partei oder Gruppe im öffentlichen Raum, wobei es ihm*ihr darauf ankommt, ein Podium für die rechten Überzeugungen zu erschaffen. Wird dies ersichtlich, kann eine Gegenposition zum einen die rechte Aussage erwidern und zum anderen weitere Ausführungen und damit die angesprochene Normalisierung rechter Positionen unterbinden. Das Erheben der Stimme gegen rechts kann Umstehende ermutigen, ebenso aus dem Schweigen auszubrechen und für demokratische Werte einzutreten.

Die Stammtischkämpfer*innenausbildung

Die meist 6-stündigen Seminare wollen Menschen genau dazu ermutigen. Das Seminarkonzept ist sehr praktisch ausgerichtet. Es enthält Methoden, mit denen das Gegenargumentieren ausprobiert und geübt wird. Die Teilnehmer*innen tauschen sich über Hindernisse und Handlungsstrategien aus. Auch klassische rechte Argumentationsstränge werden betrachtet und entgegnet. Die Teilnehmer*innen können in den Seminaren eigene Situationen einbringen und besprechen und in der szenischen Übung sogar realitätsgetreu nachspielen. Im Seminar wird reflektiert, dass es verschiedene Handlungsoptionen gibt: diskutieren, die Diskussion beenden, sich positionieren oder andere Optionen (wie etwa Dritte hinzuziehen). Die eigene Handlung ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie beispielsweise von der Gesprächsbereitschaft des Gegenübers, Maßnahmen zum Selbstschutz und zum Schutz anderer Menschen.

Die Forschungsfrage und die Interviewpartner*innen

Ziel des Bündnisses mit der Stammtischkämpfer*innenausbildung ist es, dass die Teilnehmer*innen zum einen Zivilcourage zeigen und zum anderen sich politisieren in dem Sinne, dass sie sich gesellschaftspolitisch engagieren. Das Erkenntnisinteresse der Forschung, die diesem Artikel zugrundeliegt, lag darin, die Faktoren zu ergründen, die dazu führen, dass die Teilnehmer*innen häufiger gegen rechts argumentieren und / oder sich gesellschaftspolitisch engagieren. Hierfür wurden Expert*inneninterviews geführt mit ehemaligen Teilnehmer*innen, auf die nach ihrer Selbsteinschätzung diese Kriterien zutreffen. Die exemplarische Studie arbeitete mit aufschlussreichen Einzelbeispielen. Die Interviews wurden nach Meuser und Nagel25 ausgewertet.

Die Interviewpartner*innen meldeten sich zum einen auf einen Aufruf des Bündnisses AgR hin per E-Mail und wurden anschließend persönlich (mit einer telefonischen Ausnahme) interviewt. Zum anderen gewann ich ehemalige Teilnehmer*innen meiner Seminare für die Forschung. Die Interviewpartner*innen waren sehr unterschiedlichen Alters. Zwei Interviewte waren männlich und fünf weiblich sozialisiert. Alle Interviewpartner*innen studierten zum Zeitpunkt der Befragung oder hatten zuvor studiert.

Zentrale Ergebnisse

  • Niedrigschwelligkeit und Alltagsbezogenheit Die Stammtischkämpfer*innenausbildung wurde von den Interviewten für ihre Niedrigschwelligkeit und die Lebensweltorientierung geschätzt. Die Übungen bewerteten sie als alltagsnah und hilfreich für das Entwickeln neuer Lösungen für die eigenen Probleme und Anliegen. Auch wurde von positiven Erfahrungen im Seminar beispielsweise aufgrund einer offenen Lernatmosphäre berichtet.
  • Diskriminierende Erfahrungen Diskriminierung war keine Fragebogenkategorie. Dennoch gaben die Interviews Aufschluss darüber, dass einzelne Interviewte im Seminar Diskriminierung erlebten. An dieser Stelle werden zwei aufschlussreiche Erlebnisse kurz erläutert. Ein Interviewter muslimischen Glaubens erlebte antimuslimischen Rassismus in Form einer abwertenden Äußerung durch einen anderen Teilnehmer bezogen auf eine muslimische Glaubensformel. Eine andere Interviewte erlebte eine verletzende Aussage durch einen weiteren Teilnehmer in einer Pause, nachdem sie sich geöffnet und von ihrer Erfahrung erzählt hatte. Sie erzählte, dass ihr Mann im Wohnhaus durch Nachbar*innen rassistisch diskriminiert wird. Die Erfahrung der interviewten Person lässt auf ihre Zeuginnenschaft von Rassismus schließen. Koné beschreibt, dass weiße Partner*innen von Schwarzen Menschen einen ganz spezifischen Zugang zu Rassismus haben, dadurch dass ihre Schwarzen Partner*innen in Deutschland tagtäglich Rassismus erleben, und auch durch eigene Stigmatisierung als proletarisch und unmoralisch.26 Die berichteten Erfahrungen der Interviewten sind nicht unerwartet, da der Begriff Rassismus immer noch Abwehr auslöst, denn in der BRD herrscht das enge Verständnis vor, dass es ihn nur am rechten Rand gäbe.27
  • Zivilcouragiertes Handeln In Bezug auf zivilcouragiertes Handeln zeigte sich eine klare Tendenz: Die Interviewten argumentierten zumeist schon vor der Teilnahme an der Stammtischkämpfer*innenausbildung gegen rechte Parolen. Die Stammtischkämpfer*innenausbildung bestärkte sie darin, auch weiter oder sogar vermehrt gegen rechts aufzustehen. Bei einigen Interviewten veränderte sich die Qualität des Gegenargumentierens. Sie beschrieben dadurch eine größere Handlungsfähigkeit. Auch konnte die Stammtischkämpfer*innenausbildung sowohl für eigene rassistische Annahmen als auch für Rassismus im öffentlichen Raum sensibilisieren. Die szenische Übung regte zum Reflektieren des eigenen Handelns an, beispielswiese hinsichtlich der Wirkung auf die von Rassismus betroffene Person. Auch nahmen einige Interviewte wahr, dass sie zufriedener mit sich selbst waren seit diesen Veränderungen.

Darüber hinaus wurde deutlich, dass eigene Diskriminierungserfahrungen Auswirkungen auf das Argumentationsverhalten haben können. So wurde beispielsweise beschrieben, dass rechte Parolen aufgrund von eigener Betroffenheit sprachlos machen können.

Motiviert wurden die Interviewten durch verinnerlichte demokratische Werte und ein Gerechtigkeitsempfinden. Auch ein Verantwortungsgefühl wurde beschrieben. Weiter führten die persönliche Integrität, das Selbstwirksamkeitserleben und biographische Erfahrungen dazu, dass die Interviewten gegenargumentieren. Die Interviewten wollten durch zivilcouragiertes Handeln ihre Einflusschancen auf den weiteren Verlauf einer Situation oder auf andere Menschen wahrnehmen.

  • Gesellschaftspolitisches Engagement Der zweite Fokus der Forschung lag auf gesellschaftspolitischem Engagement. Dieses bedeutet das Einsetzen für demokratische Werte, wozu staatliche, wirtschaftliche und private Bereiche der Gesellschaft beeinflusst werden.28 Die Interviewten zeichneten sich dadurch aus, dass sie zumeist bereits vor der Teilnahme gesellschaftspolitisch engagiert waren. Die Teilnahme bestärkte sie, sich weiter oder vermehrt zu engagieren. Sie waren beispielsweise aktiv in der Unterstützung Geflüchteter, der Bildungsarbeit, der Organisation von und Teilnahme an Demonstrationen und dem Entfernen rechter Aufkleber. Eine Interviewte fand gar durch die Teilnahme zu ihrem Engagement in einer AgR-Kiezgruppe.

Die Gründe und Motivation für das Engagement der Interviewten sind vielfältig. Sie reichten von der aktiven Mitgestaltung von gesellschaftlicher Entwicklung über das Zusammenkommen mit anderen Menschen, das Kennenlernen neuer Themenbereiche bis zum Streben nach Anerkennung. Auch demokratische Werte und Überzeugungen wie beispielsweise Solidarität, die Bewahrung erstrittener Freiheiten, Macht- und Diskriminierungskritik waren zentral für die Interviewten.

Bedeutung für die Praxis

So kann festgehalten werden, dass die Stammtischkämpfer*innenausbildung die interviewten Teilnehmer*innen ermutigt hat, im Alltag weiterhin oder öfter gegen Stammtischparolen zu argumentieren, also Zivilcourage zu zeigen und sich gesellschaftspolitisch zu engagieren. Sie hatte demzufolge sowohl eine aktivierende als auch politisierende Wirkung auf die Interviewten. Die praktischen, alltagsbezogenen Übungen ermöglichten den Interviewten sowohl eine persönliche Stärkung als auch neue Handlungs- und Argumentationsstrategien.

Die eigene Positionierung entlang ausgrenzender Kriterien wie gender und race beeinflusste im Seminar das Erleben der interviewten Teilnehmer*innen. Die Interviews zeigten, dass der Raum des Seminars sowohl empowernd sein kann als auch, dass in ihm erneute Diskriminierungserfahrungen gemacht werden. Auch beides zusammen ist möglich. In den Seminaren treffen Menschen unterschiedlichster Erfahrung aufeinander. Kechaja weist darauf hin, dass Räume des Empowerments von Menschen mit eigenen Diskriminierungserfahrungen geschaffen und begleitet werden sollten. Geschützt sind Räume dann ("safe space"), wenn sich in ihnen ausschließlich Menschen mit ähnlichen Diskriminierungserfahrungen begegnen.29 Dies ermöglicht einen Prozess, in dem sich Menschen selbst ermächtigen, schmerzvolle Erfahrungen transformieren, wachsen und gesellschaftliche Verhältnisse verändern hin zu mehr Gerechtigkeit. Durch die Haltung und Arbeitsweise der Teamer*innen kann ein Raum empowermentorientiert sein, auch wenn sie nicht ähnliche Diskriminierungserfahrungen machen.30 Angesichts der berichteten Erfahrungen in den Interviews ist es notwendig, eine Auseinandersetzung mit Diskriminierung und insbesondere Rassismus und in diesem Zuge mit Critical Whiteness im mehrheitlich weiß positionierten Bündnis AgR und der Teamer*innenschaft voranzutreiben. Erfreulich ist, dass sich eine Arbeitsgruppe dieser Thematik angenommen hat. Denn durch eine höhere Sensibilisierung und Empowermentorientierung auf Seiten der Teamer*innen kann ein diskriminierungsärmerer Raum in den Seminaren geschaffen werden.

Weil alle Interviewpartner*innen studier(t)en, stellt sich die Frage nach der Zugangsgerechtigkeit zur Stammtischkämpfer*innenausbildung. Auch engagierten sie sich mehrheitlich gesellschaftspolitisch. Der Zugang zu freiwilligem Engagement insgesamt ist in der Gesellschaft erwiesenermaßen nicht gerecht verteilt; so erlauben bestimmte Ressourcen Menschen eher, sich zu engagieren.31 Beispielsweise Menschen mit starker gesundheitlicher Einschränkung, mit geringer formaler Bildung oder ab einem Lebensalter von 70 Jahren engagieren sich unterdurchschnittlich.32 Das Ziel des Bündnisses AgR ist es, möglichst viele Menschen zu erreichen und möglichst viele Menschen als Stammtischkämpfer*innen auszubilden. So stellt sich die Frage, wer wie erreicht wird und wer Ausschluss beispielsweise aufgrund der Klassenherkunft oder -position erfährt. Mit dem Ziel der Barrierearmut könnten etwa Seminare in einfacher Sprache entwickelt werden.

Anmerkungen

1) Caroline Bohn 2019: Mit Argumentationstrainings gegen Rechtspopulismus und extreme Rechte? Aktivierende und politisierende Faktoren der Stammtischkämpfer*innenausbildung des Bündnisses Aufstehen gegen Rassismus, Masterarbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin.

2) Alexandra Kurth / Samuel Salzborn 2014: "Türöffnerin nach Rechts: Die ›Alternative für Deutschland‹", in: Gegenblende, Das gewerkschaftliche Debattenmagazin, Juli/ August 2014.

3) Vgl. Alexander Häusler 2016: "Die AfD - eine rechtspopulistische ›Bewegungspartei‹?", in: Ders. / Fabian Virchow (Hg.): Neue soziale Bewegung von rechts? Zukunftsängste, Abstieg der Mitte, Ressentiments. Eine Flugschrift, Hamburg: 42-51; hier: 42.

4) Vgl. Stefan Dietl 2017: Die AfD und die soziale Frage. Zwischen Marktradikalismus und ›völkischem Antikapitalismus‹, Münster: 24; Sebastian Friedrich 2017: Die AfD. Analysen - Hintergründe - Kontroversen, Berlin: 59-65; Samuel Salzborn 2018: Rechtsextremismus: Erscheinungsformen und Erklärungsansätze, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Baden-Baden: 55 sowie Andreas Kemper 2017: "Wie faschistisch ist die AfD? Eine Partei auf dem Weg von einer populistischen Wirtschaftspartei zu einer völkisch-nationalistischen Bewegung", in: Friedrich Burschel (Hg.): Durchmarsch von rechts. Völkischer Aufbruch: Rassismus, Rechtspopulismus, rechter Terror, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin: 18-32; hier: 18f.

5) Andreas Kemper 2017: 32 (siehe Anm. 4).

6) Vgl. Floris Biskamp / Lukas Kiepe / Björn Milbradt 2017: "Politik im ›Angst-Raum‹. Über den Erfolg der AfD, ›die Ängste der Menschen‹ und die Versuche, sie ›ernst zu nehmen‹", in: Björn Milbradt / Floris Biskamp / Yvonne Albrecht / Lukas Kiepe (Hg.): Ruck nach rechts? Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und die Frage nach Gegenstrategien, Opladen, Berlin & Toronto: 205-217; hier: 206 f.; Sebastian Friedrich 2017: 9 (siehe Anm. 4).

7) Samuel Salzborn 2018: 45 (siehe Anm. 4).

8) Vgl. Oliver Decker 2018: "Flucht ins Autoritäre", in: Ders. / Elmar Brähler (Hg.): Flucht ins Autoritäre. Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft, Gießen: 15-63.

9) Vgl. Andreas Zick / Wilhelm Berghan / Nico Mokros 2019: "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland 2002- 2018/19", in: Andreas Zick / Beate Küpper / Wilhelm Berghan: Verlorene Mitte - Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19, hg. von Franziska Schröter, Bonn: 53-116; hier: 53 ff.

10) Vgl. ebd.

11) Vgl. Hajo Funke 2017: "Paranoia und Politik", in: Kurt Grünberg / Wolfgang Leuschner / Initiative 9. November (Hg.): Populismus. Paranoia. Pogrom. Affekterbschaften des Nationalsozialismus, Frankfurt a.M.: 23-44; hier: 29.

12) Vgl. Thomas Willms 2019. Dieser Literaturhinweis bezieht sich auf ein Gespräch der Autorin mit Thomas Willms, dem Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA und Gründungsmitglied des Bündnisses AgR. Das Gespräch wurde am 12.02.2019 geführt, anschließend wurde ein Gedächtnisprotokoll angefertigt, welches am 24.05.2019 von Thomas Willms justifiziert wurde. Das vollständige Gedächtnisprotokoll kann auf Nachfrage bei der Autorin eingesehen werden.

13) Klaus-Peter Hufer 2006: Argumente am Stammtisch: erfolgreich gegen Parolen, Palaver, Populismus, Bundeszentrale für politische Bildung, Schwalbach/Ts.: 72.

14) Vgl. Max Horkheimer 1963: Über das Vorurteil, Köln und Opladen: 5.

15) Vgl. ebd.

16) Vgl. Gordon W. Allport 1971: Die Natur des Vorurteils, hg. und kommentiert von Carl Friedrich Graumann, Köln: 23; Klaus-Peter Hufer 2000: Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen, Schwalbach/Ts.: 59.

17) Vgl. Max Horkheimer 1963: 6 f. (siehe Anm. 14); Klaus-Peter Hufer 2006: 13 (siehe Anm. 13).

18) Vgl. Wolfgang Benz 1996: Feindbild und Vorurteil. Beiträge über Ausgrenzung und Verfolgung, München: 13; Max Horkheimer 1963: 8 (siehe Anm. 14); Klaus-Peter Hufer 2006: 13 f (siehe Anm. 13).

19) Vgl. Klaus-Peter Hufer 2000: 59 (siehe Anm. 16).

20) Vgl. ebd.

21) Vgl. Veronika Brandstätter-Morawietz 2016: "Was fördert oder verhindert Zivilcourage? Erkenntnisse der Motivationsforschung", in: evangelische aspekte, 4/2016, online verfügbar unter: https://www.evangelische-aspekte.de/was-foerdert-oder-verhindert-zivilcourage/ (zuletzt geprüft am 28.07.2019).

22) Vgl. Gordon W. Allport 1971: 23 (siehe Anm. 16); Max Horkheimer 1963: 6 (siehe Anm. 14).

23) Vgl. Wolfgang Benz / Peter Widmann 2007: "Langlebige Feindschaften - Vom Nutzen der Vorurteilsforschung für den Umgang mit sozialer Vielfalt", in: Gertraude Krell / Barbara Riedmüller / Barbara Sieben / Dagmar Vinz (Hg.): Diversity Studies, Grundlagen und disziplinäre Ansätze, Frankfurt am Main: 35-48; hier: 47.

24) Vgl. Esther Lehnert 2018: "Mit Rechten reden - fachliche Überlegungen zum Thema Umgang mit Rechtspopulismus (an der ASH)", in: ASH Berlin, AStA ASH, Polis* der bezirklichen Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung, Antirassistische Registerstelle, AK rechte Gewalt (Hg.): Organize! Extreme Rechte und Rechtspopulismus im Rahmen Sozialer Arbeit: 28-31; hier: 29.

25) Michael Meuser/ Ulrike Nagel 1991: "ExpertInneninterviews - vielfach erprobt, wenig bedacht: ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion", in: Detlef Garz / Klaus Kraimer (Hg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analysen, Opladen: 441-471; Michael Meuser / Ulrike Nagel 2009: "Experteninterviews und der Wandel der Wissensproduktion", in: Alexander Bogner / Beate Littig / Wolfgang Menz (Hg.): Experteninterviews: Theorien, Methoden, Anwendungsfelder, 3., grundlegend überarbeitete Auflage, Wiesbaden: 35-60.

26) Gabriele Koné 2006: Zum Umgang mit Rassismus in interkulturellen Beziehungen, Diplomarbeit an der ASH Berlin, online verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/attach/78.pdf (Zuletzt geprüft am 27.08.2019): 10f., 26.

27) Vgl. Wiebke Scharathow 2019: Ein Gespräch mit Monika Gessat, Saraya Gomis, Maria Kechaja, Wiebke Scharathow und Andreas Foitzik. "›Es wird wahnsinnig viel ausgehalten‹, Diskriminierungserfahrungen an Schulen", in: Andreas Foitzik / Lukas Hezel (Hg.): Diskriminierungskritische Schule. Einführung in theoretische Grundlagen, Weinheim, Basel: 84-95; hier: 85.

28) Vgl. Respekt.net - Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz, Offenheit und solidarischem Fortschritt in der Gesellschaft 2009: Gründungserklärung, Wien, online verfügbar unter: https://verein.respekt.net /fileadmin/user_upload/downloads/Respekt.net-Gruendungserklaerung.pdf (Zuletzt geprüft am 29.07.2019): 1.

29) Maria Kechaja 2019: "Was ist Empowerment?", in: Foitzik, Andreas/ Hezel, Lukas (Hg.): Diskriminierungskritische Schule. Einführung in theoretische Grundlagen, Weinheim, Basel: 77-83; hier: 81.

30) Vgl. ebd.: 77-82.

31) Vgl. Clemens Tesch-Römer / Julia Simonson/ Claudia Vogel / Jochen P. Ziegelmann 2017: "Ergebnisse des Deutschen Freiwilligensurveys 2014: Implikationen für die Engagementpolitik", in: Julia Simonson / Claudia Vogel / Clemens Tesch-Römer (Hg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Der Deutsche Freiwilligensurvey 2014, Wiesbaden: 647-662; hier: 648 f.

32) Vgl. ebd.: 649, 652.

Caro Bohn ist Sozialarbeiterin und lebt in Berlin. Kontakt: cabo@systemli.org.