Privatautonomie statt Konten für alle

in (08.12.2013)

Mitte Januar entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass private Banken Kund*innen wegen ihrer weltanschaulichen Ansichten das Konto kündigen können, ohne dabei das Interesse am Fortbestand des Vertragsverhältnisses berücksichtigen zu müssen.
In der Sache ging es um die rechte Verlagsgruppe „Lesen und Schenken“, die seit 2006 ein Konto bei der Commerzbank führte. Dieses wurde 2009 „aus grundsätzlichen Erwägungen“ gekündigt. Dagegen hatte der Verlag geklagt. Nachdem er die Klage sowohl vor dem Land- als auch dem Oberlandesgericht Bremen verloren hatte, bestätigte nun auch der BGH die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Die mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Grundgesetz (GG) begründet keine Pflicht zu einer gleichmäßigen Behandlung aller Kund*innen, so der BGH. Deshalb musste die Bank die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber den übrigen Kund*innen nicht rechtfertigen. Entscheidend sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken, in denen es unter Nr. 19 Abs. 1 heißt, dass Banken „jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen“ können. Sechs Wochen, wie im Fall „Lesen und Schenken“, reichten dabei aus.
Dass jedes Unternehmen – wie auch die meisten Privatpersonen – auf eine Bankverbindung angewiesen ist und daher darauf vertrauen dürfe, dass diese fortbestehe, ließen die Richter*innen als Argument des Anwalts von „Lesen und Schenken“ nicht gelten.
Im Jahr 2003 beschäftigte sich der BGH schon einmal mit der Frage, ob eine Sparkasse ein Konto eines NPD Landesverbands rechtswirksam gekündigt hatte. Jedoch sind Sparkassen als Anstalten öffentlichen Rechts unmittelbar an die Grundrechte gebunden, weshalb die Kündigung damals wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG nichtig war. Zudem genießt die NPD als Partei den besonderen Schutz des Grundgesetzes. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass die Commerzbank einem rechten Verlag kein Konto zur Verfügung stellt. Jedoch bleibt zu bedenken, dass der BGH mit dem Urteil die Privatautonomie der privaten Banken gestärkt hat: Ohne Angaben von Gründen können Privatbanken nun Girokonten-Verträge ihrer Kund*innen kündigen.
Aus welchen Gründen auch immer, unliebsamen Gruppen oder Einzelpersonen kann dies passieren – auch linken Gruppen oder wirtschaftlich schwachen Menschen. Der Privatautonomie gegenüber steht aber die große Bedeutung von Konten – die meisten Menschen sind schon für ihre Alltagsgeschäfte auf eines angewiesen. Daher sollte allen Menschen die Möglichkeit gegeben sein, ein Konto zu führen.

Lena Herbers, Freiburg