Tödlicher Profit

Am 1. August 2010 trat das internationale Abkommen zur Ächtung von Streumunition in Kraft. Streubomben und Streumunition gehören ähnlich wie Antipersonenminen zu den perversesten Waffen aus den Arsenalen der Militärs dieser Welt. Sie sind besonders heimtückisch, da ein hoher Anteil dieser Sprengsätze beim Aufprall nicht sofort explodiert. Noch Jahre nach Ende eines militärischen Konflikts können diese Waffen Menschen verstümmeln und töten. Weltweit wird die Zahl der Opfer von Streumunitionsblindgängern auf fast 100.000 Menschen geschätzt. 98 Prozent der Opfer sind Zivilisten.

Bislang unterzeichneten 108 Staaten, darunter auch Deutschland, die Internationale Konvention zur Ächtung von Streumunition (CCM). Antipersonenminen sind seit dem 1.3.1999 völkerrechtlich verboten. Mit Artikel 1c der Konvention zu Streumunition verpflichtet sich jeder Vertragsstaat: „...unter keinen Umständen jemals irgendjemanden zu unterstützen, zu ermutigen oder zu veranlassen, Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund dieses Übereinkommens verboten sind. ..." Dies schließt nach Auffassung einer Reihe von Vertragsstaaten (wie Belgien, Irland, Luxemburg oder Neuseeland) die Investition in die Produktion von Streumunition ein. Deshalb haben sie diese mittlerweile per Gesetz verboten. Auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz der Konvention in Laos im November 2010 rief Luxemburg alle Staaten dazu auf, dem eigenen Beispiel zu folgen. Länder wie Holland, Norwegen und die Schweiz bereiten derzeit ein Investitionsverbot vor. Und Deutschland?
Unbeeindruckt von diesem Verbotsvertrag investieren viele deutsche Banken und Versicherer noch immer in die Hersteller von Streumunition. Nach Recherchen des NRO-Bündnisses Facing Finance und urgewald e.V. belief sich das Volumen der Investitionen, Kredite und Anleihen deutscher Banken in diesem Sektor in den vergangenen zwei Jahren auf weit über 1,2 Milliarden Euro (Stand Dezember 2010).
Unangefochtener Spitzenreiter unter den deutschen Banken im Geschäft mit Streumunitionsherstellern ist die Deutsche Bank Group. Endes des Jahres 2010 hielt der Bankenprimus Aktien an fast allen führenden Streumunitionsherstellern (z.B. Textron, Hanwah, Lockheed Martin und STE) und unterstützte sie auch durch Kreditvergaben sowie die Ausgabe von Anleihen in einer Größenordnung von mindestens 1,3 Mrd. US-Dollar. Und das, obwohl sie ihren Kunden und der Öffentlichkeit gegenüber immer wieder behauptet, „in keinerlei Transaktionen im Zusammenhang mit völkerrechtswidrigen Waffen verstrickt sein zu wollen". Mittlerweile hat die Deutsche Bank-Tochter DWS erklärt, nicht mehr in Streumunition zu investieren und auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai 2011 kündigte Bankchef Ackermann an, „ernsthaft prüfen zu wollen, aus der Finanzierung von Mischkonzernen, die Streumunition herstellen, auszusteigen." Im Vorfeld der Hauptversammlung wurde bekannt, dass die Deutsche Bank auch der spanischen Rüstungsfirma Instalaza S.A. Kredite gewährt hatte, die diese nutzte, um Streumunition an das Gaddafi-Regime zu liefern. Munition, die vor wenigen Wochen bei den blutigen Kämpfen um die libysche Stadt Misrata eingesetzt wurde und zahlreiche zivile Opfer forderte.
Den zweiten Platz nimmt die UniCreditGroup ein, die im Fondsbereich auch auf Streumunitionshersteller setzt. Obwohl die UniCreditGroup/HypoVereinsbank es offiziell ablehnt, konkrete „Transaktionen (von Unternehmen) zu finanzieren, die die Herstellung, den Besitz oder den Handel kontroverser Waffen bezwecken" hatte sie Ende 2010 nahezu 300 Millionen Dollar in mindestens sieben Hersteller von Streumunition und Antipersonenminen investiert. Finanzdienstleister wie  Cosmos Direkt, AXA und Hansa Invest nutzten für ihre Produkte belastete Pioneer Investments Fonds, die seit dem Jahr 2000 zur UniCreditGroup gehören.
Auch zahlreiche öffentliche Banken wie die DekaBank, oder Landesbanken wie die BayernLB hatten Ende 2010 noch Gelder in Streumunitionshersteller investiert.
Besonders makaber am Investitionsgeschäft mit Streubomben: Auch Gelder aus staatlich geförderten privaten Riester-Fonds fließen an Firmen, die Streumunition herstellen. Knapp 20 Prozent der rund 14 Millionen abgeschlossenen Riester-Verträge entfallen auf Fondssparpläne und fondsgebundene Versicherungen. Diese sind in unterschiedlichem Umfang in Aktien, Fonds und Unternehmensanleihen investiert. Die staatlichen Förderungen für dieses Investment liegen abhängig von der Höhe des Einkommens und dem Familienstand zwischen 26 und 92 Prozent. Die Bundesregierung gibt offen zu, die Verwendung staatlicher Fördergelder bei der Riester-Rente nicht zu kontrollieren. Sie setzt „auf den mündigen Anleger und auf die Selbstverpflichtung der Branche". Mit der Folge, dass derzeit nur ein Prozent der Riester-Produkte, so schätzen Experten, an ethischen und nachhaltigen Normen und Standards orientiert sind. Und mit der Folge, dass Riester-Produkte von mindestens 21 Finanzdienstleistern immer noch Anteile von Streumunitionsherstellern beinhalten (Stand Dezember 2010). Ganz so einfach macht man es sich in Norwegen beispielsweise nicht, wo regelmäßig die mehr als 8.000 Unternehmen des staatlichen Pensionsfonds in Bezug auf die Herstellung völkerrechtswidriger Waffen, Menschenrechtsverletzungen und Korruption überprüft werden. Die Bundesregierung hingegen plant nichts dergleichen.
Angesichts des steigenden Reputationsrisikos beginnen hierzulande Banken und Finanzdienstleister, sich intensiver mit dem Thema „kontroverse Waffengeschäfte" auseinanderzusetzen und Standards zu verabschieden, um sich wirksamer vor Fehlinvestitionen und Imageverlusten zu schützen. Der Boom nachhaltiger Finanzprodukte zeigt zudem, dass private Anleger und Aktiensparer in Deutschland zunehmend Wert darauf legen, dass ihr Geld „sauber" angelegt wird. Dies ist eine erste positive Entwicklung. Einige Finanzdienstleister, wie die Commerzbank, DWS, die DEKA oder Allianz Global Investors, haben mittlerweile den Rückzug aus diesem Geschäft erklärt. Die Recherche von Facing Finance zeigt aber auch, dass reine Selbstverpflichtungen von Banken und Versicherern allein nicht ausreichen, um Investitionen in völkerrechtswidrige Waffensysteme zu verhindern. Deshalb sind alle privaten und öffentlichen Banken sowie Finanzdienstleister aufgefordert, schnellstmöglich sämtliche Geschäftsbeziehungen (Beteiligungen, Anleihen, Vermögensmanagement, Kredite) mit Herstellern völkerrechtswidriger Waffen zu beenden.
Um ein klares Verbot zu erhalten, ist der Deutsche Bundestag aufgefordert dem Beispiel anderer Nato- und EU-Länder (Belgien, Luxemburg) zu folgen und umgehend ein Gesetz zu verabschieden, das jegliche direkte und indirekte Finanzierung völkerrechtswidriger Waffen verbietet. Die Grünen haben hierzu im Februar bereits einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht (Drucksache 17/4697).
Die Bundesregierung schließlich muss umgehend die steuerliche Subventionierung von Investitionen in völkerrechtswidrige Waffen stoppen und öffentliche Vermögen auf mögliche Anlagen in völkerrechtswidrige Waffen hin überprüfen und diese gegebenenfalls veräußern. Es wäre zudem begrüßenswert, Hersteller von völkerrechtswidrigen Waffen von der öffentlichen Auftragsvergabe auszuschließen und die Zertifizierung von Riester-Produkten an ethische und ökologisch nachhaltige Kriterien zu koppeln.

Der vollständige Facing-Finance-Bericht ist im Internet unter www.facing-finance.orgabrufbar.