Spezialeinsätze im Jemen

in (02.08.2010)

Jemeniten und US-Amerikaner, die geglaubt hatten, die Obama-Administration würde Jemens Langzeitpräsidenten Ali Abdallah Salih drängen, Pressefreiheit, regelmäßige Wahlen, Menschenrechte und Kriegregeln zu akzeptieren, sind enttäuscht worden. Washington honoriert offenbar willkürliche Verhaftungen von Reportern, die aus zwei Kriegsgebieten im Inland berichten, auf unbestimmte Zeit verschobene Wahlen, brutales Vorgehen gegen Demonstranten und bewaffnete Rebellen und eine Welle verstärkter Repressionen in den letzten zwölf Monaten im Namen der Terrorismusbekämpfung. Die USA scheinen die Regierung von Salih mit Militärhilfe nicht nur in ihrem Krieg gegen wenige hundert al-Qaida-Kämpfer zu unterstützen, sondern auch bei der Niederschlagung des Volksaufstandes im ehemaligen Südjemen und der al-Huthi-Rebellion im Norden. Diese kurzsichtige Politik wird auf lange Sicht US-Interessen und Werten nur schaden.

Bis zum Dezember 2009, als der Jemen als neuer sicherer Hafen für al-Qaida-Terroristen ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt wurde, zeigten die USA dem Jemen gegenüber freundliche Vernachlässigung, nur gelegentlich Verachtung. Der Unabhängigkeitskampf des Südjemen gegen Großbritannien und der Bürgerkrieg im Nordjemen zwischen von Saudi Arabien unterstützten Royalisten und von Ägypten unterstützten Republikanern wurden in den USA kaum wahrgenommen. In den folgenden zwei Jahrzehnten, als die im unabhängigen Südjemen regierende Sozialistische Partei sich der Sowjetunion annäherte, wurde der antikommunistische Nordjemen (Standort einer kleinen USAID-Mission) als saudische Einflusssphäre angesehen. Die Wiedervereinigung von 1990 und das damit entstandene Mehrparteiensystem stießen weder in der US-Presse noch im State Department auf großes Interesse.

Es wurde jedoch in Washington zur Kenntnis genommen, dass Jemens UN-Botschafter, der 1990 zufällig den rotierenden Vorsitz des Sicherheitsrates innehatte, nicht für den US-geführten Militäreinsatz zur Zurückdrängung der irakischen Invasoren aus Kuwait stimmte, und man strich die kärglichen 30 bis 35 Mio. US-Dollar, die bis dahin durch USAID-Projekte verteilt worden waren. In den letzten 20 Jahren stieg die Militär- und Entwicklungshilfe zusammen wieder bis auf etwa diese Höhe. Von jemenitischem Boden ausgehender Terrorismus ist offenbar der einzige Grund, der die Aufmerksamkeit der USA erregen kann. Als Washingtons Besorgnis über al-Qaida auf der arabischen Halbinsel zunahm, verdoppelten sich die Hilfsleistungen auf über 60 Mio. US-Dollar. Aber selbst als die Unterstützung der USA für die jemenitische Regierung zunahm, setzte diese einen seit 1990 bestehenden Plan zur Durchführung von Wahlen aus, führte einen rücksichtslosen Krieg gegen zwei Aufstände im eigenen Land und ging gegen die Presse vor. In diesem Jahr werden die sicherheitsrelevanten Hilfsleistungen auf über 150 Mio. US-Dollar steigen.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Terrorismus die US-Politik gegenüber dem Jemen bestimmt. Selbst bevor ein amateurhafter Unterwäsche-Bomber im letzten Jahr in Detroit versuchte, Weihnachten zu ruinieren, hatten die USA den Krieg gegen den Terror in den Jemen getragen. Ermittler und FBI-Agenten strömten im Jahr 2000 nach dem Anschlag auf die USS Cole im dortigen Hafen nach Aden auf der Suche nach Hinweisen und Verdächtigen. Im November 2002 schoss eine ferngesteuerte Predator-Drohne auf ein Fahrzeug in der östlichen Provinz Marib und tötete den vermeintlichen Drahtzieher des Angriffes auf die USS Cole sowie einen US-Bürger und weitere Mitreisende - einer der ersten Vorfälle von dem, was zu einem Markenzeichen des weltweiten Krieges gegen Terror der Bush wie auch der Obama-Administration werden sollte. In einer weiteren ferngesteuerten Operation in der Woche vor Weihnachten 2009 autorisierte Präsident Obama den Einsatz amerikanischer Waffen in einem - wie es heißen sollte - jemenitischen Angriff auf ein al-Qaida-Lager in Abyan. Diese Operation, während der nach Berichten 34 Verdächtige getötet wurden, sendete eine doppelte Botschaft: einerseits wurde al-Qaida gewarnt, dass die USA ihre Verstecke ausfindig machen und angreifen wird und anderseits wurde den regierungskritischen Demonstranten in Abyan und dem übrigen Südjemen signalisiert, dass die USA das Militär in Sanaa unterstützt. Während sich der Schlag aus der Sicht Washingtons daher als Erfolg darstellte, erschien er innerhalb des Jemen als Teil des unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt und extralegaler Maßnahmen gegen Aufständische, Demonstranten, politische Gegner und sogar Journalisten, die über Missstände wie extreme Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption und Vernachlässigung berichten.

Der Nigerianer, der am 25. Dezember [2009] an Board eines Flugzeuges eine Bombe zünden wollte, hatte nicht nur im Jemen ein al-Qaida-Training durchlaufen, sondern hatte auch Verbindungen zu Anwar Nasir al-Awlaqi, demselben radikalen jemenitisch-amerikanischen Geistlichen, mit dem der Fort-Hood-Attentäter, Major Nidal Hassan, korrespondiert hatte. Am Tag vor Weihnachten hatte die jemenitische Luftwaffe Berichten zufolge einen Ort in der Provinz Shabwa, ebenfalls im Südjemen, bombardiert, wo al-Awlaqi vermutet wurde; er war nicht unter den Toten. Seitdem, zuletzt am 13. April, hat die USA klar gemacht, dass man ihn im Visier hat, während selbst die jemenitische Regierung darauf besteht, dass sie einen Haftbefehl gegen ihn, aber kein Gerichtsurteil zu seiner Hinrichtung hat. Die Reaktion konzentrierte sich eher auf Unterstützung für Antiterrormaßnahmen und Sicherheitskräfte als Menschenrechte, Demokratie und die Mängel in der Regierungsführung des Jemen.

Eine Politik, die durch den unberechenbaren Rhythmus des Terrorismus bestimmt wird, wird kaum in der Lage sein, einen langfristig stabilen Jemen zu schaffen, der sich nach amerikanischen Interessen oder Werten ausrichtet. Die USA hat sich nicht als Förderer der Demokratie im Jemen erwiesen, noch als ein wichtiges Geberland von sozioökonomischer und humanitärer Hilfe zur Bekämpfung bitterer Armut oder katastrophaler Umweltzerstörung. Im Gegenteil, die USA zeigte sich blind gegenüber Menschenrechten und menschlichen Bedürfnissen. Die derzeitige Politik der Ausblendung akuter sozialer, wirtschaftlicher und politischer Probleme bei gleichzeitiger Unstützung für Spezialeinheiten, Sattelitenüberwachung und das Schönreden außergesetzlicher Tötungen mag möglicherweise zur Festsetzung einiger Terrorverdächtiger führen, wird aber das Land nicht stabilisieren, noch die demokratische Opposition stärken oder die Rechtsstaatlichkeit fördern.

Sheila Carapico ist Politikwissenschaftlerin an der University Richmond und an der American University in Kairo (AUB).

Ihr Artikel in Englisch steht auf der website: http://mideast.foreignpolicy.com/posts/2010/05/13/special_operations_in_yemen.

Aus dem Englischen von Anja Zückmantel.