Krieg ist ein Geschäft. Er muß seinen Betreibern, wie jedes Geschäft, Profit einbringen. Fällt seine Bilanz negativ aus, wird der Krieg beendet.
Ein Jahr vor der nächsten US-Präsidentschaftswahl machen Bush-Kritiker in den Vereinigten Staaten die Bilanz des Irakkrieges auf, den ihr Präsident und seine neokonservativen Einflüsterer vor fast einem halben Jahrzehnt begonnen haben. Die Zahlen sind ernüchternd: Der Preis fürs Rohöl ist in den letzten zwei Jahren um 74 Prozent gestiegen, der US-Benzinpreis hat im gleichen Zeitraum 41 Prozent zugelegt, die Verschuldung der USA ist um 14 Prozent gewachsen. Das ist fraglos schlecht für die allgemeine Bevölkerung der Vereinigten Staaten, aber sehr gut für die Ölindustrie und die Kreditgeber der USA. Weil dem Präsidenten die Profitinteressen der großen Wirtschaft wichtiger sind als die Wünsche seiner WählerInnen, setzt er den Krieg im Irak frohen Mutes fort.
Erfreulich ist der Irakkrieg vor allem für Rüstungsunternehmen. Gegenwärtig befindet sich rund die Hälfte der US-Armeeausrüstung im Irak, wo sie wegen klimatischer und anderer Faktoren bis zu neunmal schneller verschleißt als in Friedenszeiten. Um diese Schäden auszugleichen, muß das US-Militär - und letztlich der Steuerzahler - jährlich zwölf Milliarden Dollar zusätzlich an die Rüstungsindustrie zahlen, und das auch noch mindestens zwei Jahre über das - wenn es denn kommt! - Kriegsende hinaus. Ein wenig lukrativ wird der Krieg aber auch für die Frau und den Mann auf der Straße, wenn sie sich im Rekrutierungsbüro der amerikanischen Armee anwerben lassen. Weil es immer weniger Freiwillige gibt, die sich im Irak erschießen oder in die Luft sprengen lassen wollen, lockt die US-Regierung neue Rekruten mit zweijährigen Kurzzeit-Anstellungen und einem Geldbonus von 5000 Dollar pro Kopf.
Doch das sind nur, was deutsche Wirtschaftsführer "Peanuts" nennen. Herzstück der US-Ausplünderungsstrategie für den Irak bleibt der Entwurf des "Hydrokarbon-Gesetzes", wobei Hydrokarbon eine verschleiernde Fachvokabel für Öl ist. Dieser Entwurf stammt aus der Feder der amerikanischen Beraterfirma BearingPoint, die im Jahr 2003 einen US-Regierungsvertrag über 240 Millionen Dollar für die Konzeption eines privatwirtschaftlichen Sektors im Irak erhielt. Anfang 2006 wurde er dem irakischen Ölminister Hussein Al-Shahristani überreicht, der sich daraufhin in Washington von Vertretern der großen Ölunternehmen ExxonMobil, BP, Shell, ChevronTexaco und ConocoPhillips erklären ließ, was sie sich von dem Gesetz versprechen. Der Ölminister gelobte hierauf dem Internationalen Währungsfond, sein Parlament werde das von den USA erwünschte Ölgesetz bis Ende 2006 beschließen.
Doch bislang haben sich die irakischen Parlamentarier geweigert, dem Entwurf zuzustimmen. Das liegt wahrscheinlich am bislang unveröffentlichten Gesetzesanhang, der genau festlegt, wie viele der irakischen Ölquellen - immerhin ein Drittel der weltweiten Ölvorräte - im Besitz des irakischen Staates verbleiben dürfen und wie viele er an ExxonMobil, BP, Shell, ChevronTexaco und ConocoPhillips abtreten muß. Wie lange die Parlamentarier, deren tägliches Überleben vom Schutz der US-Truppen in der Grünen Zone Bagdads abhängt, sich dem Profitstreben ihrer neuen Geschäftsfreunde noch widersetzen können, bleibt abzuwarten.
Auch ohne das Ölgesetz befindet sich die irakische Ölwirtschaft längst in den Händen amerikanischer Spezialisten. Das Wall Street Journal sprach schon im vergangenen Jahr von einem "Öl-Exodus": Seit dem Kriegsausbruch im Jahr 2003 sind hundert irakische Ölarbeiter ermordet worden; von den hundert wichtigsten Ölmanagern des irakischen Ölministeriums haben zwei Drittel ihren Arbeitsplatz verloren. Die meisten Ölingenieure im Irak kommen heute aus Texas und Oklahoma.
Über den Irakkrieg und seine Folgen dürfen sich auch die Bauunternehmen freuen, die mitten in Bagdad für fast 600 Millionen Dollar die größte US-Botschaft aller Zeiten erbauen. Die dort tätigen eintausend Botschaftsangehörigen werden von mehreren tausend Zivilisten beschützt und bedient werden, was weitere Ausgaben von 1,2 Milliarden Dollar pro Jahr nach sich zieht. Sämtliche dort konsumierten Nahrungsmittel werden auf Kosten der US-Regierung direkt aus den Vereinigten Staaten in den Irak eingeflogen - sogar das komplette, 51 Geschmackssorten umfassende Eiskrem-Sortiment der Firma Baskin-Robbins wird den von Wüstenwinden und eigenwilligen irakischen Politikern erhitzten Diplomaten Abkühlung verschaffen.
Hinzu kommen hundert kleine und vier gigantische US-Militärbasen außerhalb der irakischen Großstädte, von denen einige bis zu 50 Quadratkilometer groß sind und über eigene Buslinien, Einkaufszentren und Restaurants verfügen. Gerade erst haben die amerikanische und die irakische Regierung eine "Erklärung von Prinzipien für eine langfristige kooperative und freundschaftliche Beziehung" unterzeichnet, der zufolge 50.000 US-Soldaten dauerhaft im Irak verbleiben werden - wohl für fünfzig oder mehr Jahre. Hinzu kommen weitere 50.000 bis 75.000 Angestellte, die den Militärs und ihren Angehörigen das Leben erleichtern sollen. Multi-Milliardenverträge für Unternehmen wie Halliburton, Blackwater, Burger King oder Taco Bell sind die Folge. Überdies hat sich die irakische Regierung - freiwillig? - dazu verpflichtet, Verträge für den weiteren Aufbau des Irak bevorzugt an US-amerikanische Unternehmen zu vergeben.
Ende November fragte die New York Times ihre amerikanischen LeserInnen: "Verpflichtet sich dieses Land, den Frieden im Irak auf unbeschränkte Zeit zu sichern? Wenn ja, wie viele amerikanische und irakische Tote pro Monat sind dafür ein angemessener Preis?" Die Frage ist falsch gestellt. Tote zählen nicht. Das einzige, was zählt, sind die Dollar, Euro, Yen oder Rubel, die auf die Konten der Konzerne fließen.