Globalisierung und Krieg

Thesen zur politischen Ökonomie des >>Kriegs gegen den Terror

1. Die erfolgreiche Aggression der USA und ihrer Alliierten gegen den Irak hat die US-Regierung in ihrer Überzeugung bestärkt, mit Kriegen, Protektoraten und Militärdiktaturen ihre globale ...

... Hegemonie zu sichern. Alle westlichen Regierungen und tonangebenden politischen Kräfte haben sich im ideologischen Kern an die Seite der USA gestellt: dass der Westen im Namen seiner zivilisatorischen Überlegenheit berechtigt sei, über Disziplinierung und gegebenenfalls Zerstörung anderer Kulturen und Staaten zu entscheiden. Der Irak-Krieg hat ein neues Herrenmenschentum ausgerufen, mit dem Völkerrecht und bestehende internationale Ordnung liquidiert werden. Die neoliberale Globalisierung hat sich als blanke Kolonialisierung zu erkennen gegeben. Die militärische Variante der neoliberalen Globalisierung hat sich im Irak durchgesetzt. Sie wird weiter angedroht und praktiziert werden. Dass das globale Kapital auf diese Variante setzt, ist indes kein Zeichen von Stärke, sondern offenbart seine grundlegende Schwäche: ökonomisch steckt der Imperialismus in einer anhaltenden Krise, seine zivilisatorische Kraft ist aufgebraucht. In der armen Welt schafft er täglich mehr Armut, Elend, Unterdrückung und Tote. In den Metropolen selbst nehmen die Opfer zu - als für die "Modernisierung untauglich" sollen sie entsorgt werden, mit "Antiterrorgesetzen" soll politischem Widerstand vorgebeugt werden. In den Metropolen wie an der "Peripherie" erweist sich der globale Kapitalismus als unfähig, die versprochene "Zivilgesellschaft" einzulösen. Eine gerechte und friedfertige Welt verlangt die Überwindung des Imperialismus.

2.

In den letzten beiden Jahrzehnten, besonders schnell nach dem Verschwinden des "sozia¬listischen Weltsystems", ist die kapitalistische Globalisierung rasch vorangeschritten. Der Welthandel expandierte weit über das Wachstum der Welt-Produktion hinaus. Die liberalisierten Finanzmärkte vernetzten sich zu einem Welt-Finanzmarkt, auf dem internationale Finanztransaktionen und Spekulationen in Sekundenschnelle durchgeführt werden können. Getrieben von technischem Fortschritt und kapitalistischer Konkurrenz hat sich ein transnationales Produktiv- und Dienstleistungskapital als strukturbestimmende Größe der Weltwirtschaft entwickelt. Dieses transnationale Kapital hat solche Dimensionen erreicht, dass es sich nur noch global verwerten kann. Es macht die ganze Welt zu seinem möglichst unbeschränkten Handels-, Investitions- und Produktionsraum. Dominierend sind dabei die großen transnationalen Konzerne, die den Weltmarkt beherrschen. Sie sind die treibenden Kräfte bei der weiteren kapitalmäßigen Durchdringung und Verflechtung von Ländern und Regionen. Sie gehen zunehmend dazu über, den gesamten Prozess der Wertschöpfung zu internationalisieren und in einem globalen Entwicklungs- und Produktionsnetz zu integrieren. Diese globalen Produktionsnetze sind Ausdruck der internationalen Vergesellschaftung der Produktion und des Dranges der Produktivkräfte, sich auf Weltebene zu organisieren. Das Gesellschaftsmodell dieses globalen Kapitalismus ist der Neoliberalismus, in dem alle gesellschaftlichen Abläufe und Werte dem Primat der kapitalistischen Verwertbarkeit und der "globalen Wettbewerbsfähigkeit" unterliegen. Menschen, die in diesem Sinne nicht zu gebrauchen sind, gelten als nicht leistungs- bzw. modernisierungsfähig und werden "exkludiert" oder marginalisiert. Soziale Polarisierung sowie Abbau von Demokratie im Innern und Einsatz militärischer Mittel nach außen sind integrale Bestandteile des neoliberalen Konzepts. Die weltweite Hegemonie des Neoliberalismus basiert darauf, dass er den Bedürfnissen des transnationalen Kapitals beim Übergang zur hochtechnologischen Produktionsweise und zu transnationalen Produktionsverhältnissen entspricht. Selbst Finanz- und Wirtschaftskrisen sind im neoliberalen Sinne funktional, wenn sie, wie z.B. in Südostasien, dazu beitragen geschlossene Wirtschaftsräume aufzusprengen und offene Märkte im Interesse des transnationalen Kapitals herzustellen. Ist auf der einen Seite in den politischen und militärischen Institutionen die Hegemonie des Neoliberalismus festzustellen, so ist er andererseits in eine Akzeptanz- und Funktionskrise geraten. Die neoliberal organisierten Metropolen stecken seit Jahren in der Wirtschaftskrise, und seine offenkundig verheerenden Wirkungen auf große Teile der Menschheit und der Natur haben zu globalem Protest geführt.

3.

Der Globalisierungsprozess verläuft in Form einer ungleichmäßigen und "ausschließenden Integration". Weitgehend einbezogen in diesen Prozess sind die kapitalistischen Metropolen und Industrieländer. Der Löwenanteil der Direktinvestitionen entfällt auf die Weltmarkt-Triade USA, EU und Japan. Besonders eng ist die gegenseitige Kapital-Durchdringung zwischen USA/Kanada und EU, wie sich das vor allem im Fluss der Direktinvestitionen und dem daraus resultierenden Geflecht an Konzern-, an Mutter- und Tochterbeziehungen (wechselseitige Kapitalstöcke durch entsprechende Direktinvestitionen), aber auch in der engen Vernetzung der Finanzmärkte manifestiert. Diese Verflechtung nimmt zunehmend die Gestalt eines transatlantischen Wirtschaftsraumes an. Ein gegenseitiges Abkoppeln, die Rückkehr zu Protektionismus erscheint unter diesen Bedingungen unwahrscheinlich. Es würde zu einer Amputation der jeweils dominierenden transnationalen Konzerne führen. Deren Tochterfirmen in den USA bzw. der EU setzen jeweils ein Mehrfaches des gesamten Exports in die jeweilige Region um. Sowohl US-Markt wie umgekehrt EU-Wirtschaftsraum sind für die Multis von zentraler Bedeutung. In die Peripherie mit über drei Viertel der Weltbevölkerung fließen etwa ein Viertel der globalen Direktinvestitionen. Dieser Anteil reicht aus, um die Länder der Dritten Welt in das Verwertungsgeflecht der transnationalen Konzerne einzubinden. Sie beuten dort nicht nur Roh- und Energiestoffe aus, sondern errichten Stätten der Billigproduktion, verlängerte Werkbänke und organisieren Zulieferbereiche sowie Forschungs- und Entwicklungszentren. Insgesamt entstehen so Produktions- und Ressourcen-Oasen - zu Bedingungen, die das transnationale Kapital diktiert -, die umgeben sind von ökonomischem Brachland und Wüste. Dieses umgebende Territorium einschließlich der dort lebenden Menschen ist für die Verwertungsinteressen der TNK weitgehend unbrauchbar. Durch die Einbindung dieser Staaten und Regionen in das Produktions- und Austauschsystem der Multis ist eine eigenständige, politisch kontrollierte Entwicklung dieser nationalen Ökonomien nicht möglich. In der Regel werden die Länder gezwungen, ihre Wirtschaften auf die Erzielung von Devisenüberschüssen zur Bedienung von Auslandsschulden auszurichten. So führt der neoliberale Zugriff zum Zusammenbruch aller eigenständigen Produktionsweisen, selbst der Sub¬sistenzproduktionen. Die Oasen der Produktivität und Rentabilität in den Peripherie-Ländern sind umgeben von weiten Wüsten menschlichen Elends. Aber selbst in der "Oase" genießt nur ein geringer Anteil privilegierter Beschäftigter einen vergleichsweise hohen Lebensstandard. Die Mehrzahl der Menschen vegetiert auch hier in den Slums, muss um das tägliche Überleben kämpfen.

4.

Das transnationale Kapital betreibt Kostendumping in globalem Maßstab. Durch die Strategie des "Global Sourcing" kann es weltweit Kostenvorteile ausnutzen. Durch ihre Investitions- und Produktionsmacht ist es den transnationalen Konzernen zudem möglich, Standorte bis hin zu Staaten gegeneinander auszuspielen. Mit einer Politik der Verbesserung der nationalen Standortbedingungen tritt der "nationale Wettbewerbsstaat" (Hirsch) in Wettlauf zu anderen um die Ansiedlung von Multis bzw. ihrer Filialen. Für die Multis ergeben sich daraus Kosten- und Produktivitätsgewinne auf breiter Front. Diese werden von ihnen bzw. ihren Eigentümern - vorwiegend Institutionelle Anleger - alleine vereinnahmt. Anders als in Zeiten "sozialpartnerschaftlicher" Produktionsweise werden die Belegschaften von der ökonomischen Produktivitäts- und Prosperitätsentwicklung abgekoppelt. Ausdruck dafür sind die seit zwei Jahrzehnten stagnierenden Realeinkommen der abhängig Beschäftigten in allen Industrieländern. Die Schere zwischen Produktionsmöglichkeit und kaufkräftiger Nachfrage tut sich dadurch weiter auf, wie sich in der gegenwärtigen globalen ökonomischen Stagnation und Krise offenbart. Durch den Einsatz von HighTech-Investitionen wird dieser Widerspruch auf die Spitze getrieben. In den 90er Jahren wurde diese Diskrepanz zwischen Produktion und Markt durch eine Reihe von Faktoren kompensiert: Mit der Implosion des osteuropäischen und sowjetischen Realsozialismus sowie des Zusammenbruchs nicht-kapitalistischer Produktionsweisen ergaben sich neue Möglichkeiten der territorialen Markt-Expansion. Ergänzend zur "äußeren Landnahme" kamen zusätzliche Verwertungsmöglichkeiten des Kapitals durch "innere Landnahme", wie Privatisierung von staatlichen Wirtschaftsbetrieben und teilweiser Privatisierung der persönlichen Risikovorsorge für Alter und Krankheit. HighTech-Einsatz auf breiter Front und New-Economy-Euphorie lösten einen zusätzlichen Investitions- und Konsum-Boom aus. Eine beispiellose Konsum- und Verschuldungsbereitschaft der US-Privathaushalte heizte den Boom vor allem in den USA zusätzlich an. Dieser "Boom auf Pump" wurde weitgehend finanziert vom Rest der Welt, wie gigantische Leistungsbilanzdefizite offenbaren, bewirkte jedoch, dass die US-Konjunkturlokomotive die gesamte Weltwirtschaft mitzog. De facto wurde die globale Nachfrage mit keynesianischen Mitteln des "deficit spending" gefördert. Zur Jahrhundertwende erschöpften sich die genannten Faktoren zum Teil: Die neuen Territorien wurden im Maße ihrer Nachfragemöglichkeiten durchkapitalisiert, der High-Tech-Boom mündete in einer Überproduktionskrise, und - nicht zuletzt in Wechselwirkung mit dem Börsencrash - ist die Verschuldungsmöglichkeit der Privathaushalte weitgehend ausgereizt. Lediglich mit der Privatisierung kommunaler Dienstleistungen und öffent¬licher Daseinsvorsorge eröffnen sich noch nennenswerte zusätzliche Verwertungspotenziale für das globale Kapital. Insgesamt nehmen Absatz- und Verwertungsprobleme zu, verstärken sich die stagnativen Tendenzen. Die transnationalen Konzerne reagieren darauf mit umfangreichen Programmen zur Senkung des "Break-even-points" (Kostendeckungspunkt), Kostensenkung und Belegschaftsabbau. Wie es Vertreter Institutioneller Anleger formulieren: "Wenn die Märkte nichts mehr hergeben, dann muss man die Rendite aus den Kosten holen". Dadurch wird das Problem der Nachfragelücke mit den Folgen für die Beschäftigung auf die Spitze getrieben. In globalem Maßstab werden immer mehr Menschen "überflüssig", d.h. immer weniger werden als Arbeitskräfte gebraucht.

5.

Der kapitalistische Globalisierungsprozess stößt an seine Grenzen und zunehmend auf Widerstand: an die Grenzen des Weltmarktes, der Ressourcen, der Ökologie und der Duldsamkeit der Menschen. Die Grenzen des Marktes offenbaren sich in der gegenwärtigen Stagnationsphase der Weltwirtschaft. Es spricht viel dafür, dass es sich dabei nicht um einen vorübergehenden Konjunktureinbruch, sondern um eine "Japanisierung", um eine längerfristige Stagnation der globalen Ökonomie handelt. Unkalkulierbar sind allerdings die Wirkungen eines sich abzeichnenden Rüstungs-Keynesianismus in den USA: einer permanenten Kriegswirtschaft, Zerstörungen und Wiederaufbau in bekriegten Ländern, und der mit alldem verbundenen Rüstungs- und sonstigen öffentlichen Ausgaben. Die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen zeigt sich vor allem an den Schlüssel-Ressourcen Erdöl und Erdgas: Während deren Anteil an der globalen Energie-Bilanz in den nächsten Jahren noch zunimmt, der globale Energieverbrauch weiter steigt, ist der Höhepunkt der globalen Ölproduktion bereits überschritten. Vor allem die Ölquellen in unmittelbarem Besitz der Metropolen - nordamerikanisches und Nordsee-Öl - erschöpfen sich in kurzer Zeit und haben nur noch eine "Reichweite" von etwa zehn Jahren. Die Versorgung der energie- und ölvergeudenden Metropolen wird zunehmend abhängig von "feindlichem Öl". Der Historiker Paul Kennedy ("Aufstieg und Fall der großen Mächte") schreibt: "Die USA werden jedes Jahr abhängiger vom Ölimport. Das ist, aus Sicht des Pentagon, aus Sicht von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, die eine Achillesferse, die die Vereinigten Staaten haben. Überall sonst sind sie stark und unbesiegbar." (Wirtschaftswoche, 30.01.03). Der Globalisierungsprozess produziert weltweit Armut und Elend: Die Kluft zwischen Indus¬trieländern und Peripherie nimmt die Form einer "globalen Apartheid" an. Von den natür¬lichen Ressourcen und Energiereichtümern in den Peripherie-Ländern profitiert nur eine winzige Herrschaftsclique und eine kleine Schicht privilegierter Beschäftigter in den produktiven Inseln. Der Rest versinkt im Elend, oder kann sich über informelle Tätigkeit gerade noch über Wasser halten. Zbigniev Brzezinski, Grand Old Man unter den Strategen des US-Imperialismus, formuliert das "Problem der Armut" so: "Neu daran ist jedoch, dass die ärmeren Teile der Weltbevölkerung heute in einem Zustand leben, in dem ihnen ihre relative Armut schmerzlich bewusst ist, und ein Gefühl der Feindseligkeit und des Neids gegenüber den Reichen empfinden. Dies ist der Bodensatz für politische Unruhen, die für die reicheren Gesellschaften zu einer wachsenden Bedrohung werden können." (Handelsblatt, 28.01.03). Aber auch in den Metropolen tut sich die Kluft zwischen Reichtum und Armut weiter auf, wächst das Heer der Globalisierungsverlierer: immer mehr Menschen werden infolge neo¬liberaler Globalisierung marginalisiert, in prekäre (ungesicherte) Beschäftigungsverhältnisse abgedrängt oder ganz in die Arbeitslosigkeit entlassen. Die Zahl der "working poor", der Sozialhilfeempfänger und Armen nimmt zu. Das Elend der Globalisierungsverlierer schlägt zunehmend um in Widerstand und Gegenwehr: zum Teil in Anarchie und Chaos produzierenden Terror (Al Kaida) oder in terroristische Verzweiflungsakte wie in Palästina, zunehmend aber auch in Aktionen und Bewegungen gegen die Multis und das internationale Finanzkapital und in Forderungen, worin die Reichtümer des Landes für dessen Bewohner reklamiert werden. Weltweit gewinnt die globalisierungskritische Bewegung an Zulauf, vernetzt sich mit der sozialen und Friedensbewegung. Insgesamt gerät so die neoliberale Globalisierung in eine wachsende Akzeptanzkrise, ihre Legitimität schwindet. Der Widerstand nimmt zu. Die Losung des diesjährigen Weltwirtschaftsforums in Davos, "Vertrauen schaffen" markiert die Defensive der Apologeten des Neoliberalismus. An Resonanz gewinnt die Losung des Welt-Sozialforums: "Eine andere Welt ist möglich".

6.

Der "Krieg gegen den Terror" ist der reaktionäre Ausweg aus der Akzeptanzkrise des Neoliberalismus. Er markiert das Ende des Versuchs, auf die weltweiten sozialen Probleme politisch zu reagieren. Das globale Kapital antwortet auf die durch die kapitalistische Globalisierung dramatisch verschärften sozialen Spaltungen und die monströse Verarmung nicht mit einem globalen Marshall-Plan oder mit einem globalen Umverteilungsprogramm, sondern mit Militärschlägen. Der "Krieg gegen den Terror" stellt die Absicherung und Fortsetzung der Globalisierung mit militärischen Mitteln dar. Angesichts des Unheils, das die kapitalistische Globalisierung hervorruft, lässt sie sich nicht mehr allein mit der ökonomischen Macht von Dollars und Euros fortsetzen. Sie muss zunehmend mit der Kriegswährung der Bomben und Raketen unterlegt werden. Zur "unsichtbaren Hand" des Marktes kommen mehr polizeiliche Handschellen im Inneren der Metropolen und die gepanzerte Faust nach außen. Thomas L. Friedman, Chef-Kolumnist der New York Times und früherer Assistent von Madeleine Albright, der Außenministerin von Präsident Clinton, schrieb bereits 1999: "Damit die Globalisierung funktionieren kann, kann Amerika nicht davor zurückschrecken, wie eine allmächtige Supermacht zu handeln, die es ja auch ist. Die unsichtbare Hand des Marktes wird niemals funktionieren ohne die sichtbare Faust. McDonalds kann nicht prosperieren ohne McDonnel Douglas, den Fabrikanten des Kampffliegers F-15. Die sichtbare Faust, sichert auf der ganzen Welt den Sieg der Technologieprodukte aus Silicon Valley. Diese Faust sind die Landstreitkräfte, die Marine, die Luftwaffe und das Marine-Corps der Vereinigten Staaten." (New York Times, 28.03.99). Drei Jahre später - im September 2002 - verkündet die Bush-Regierung in der "Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten" ihr Privileg, dass sie, "um Bedrohungen durch unsere Feinde zuvor zu kommen, wenn notwendig präventiv zuschlagen (wird)". Die USA, heißt es weiter, "(erfreuen) sich einer Position unvergleichbarer militärischer Stärke und großen ökonomischen und politischen Einflusses. ... Diesen Moment der Gelegenheit wollen die USA nutzen, um die Vorteile der Freiheit über den Globus auszubreiten. Wir werden aktiv daran arbeiten, die Hoffnung von Demokratie, Entwicklung, freiem Markt und freiem Handel in jeden Winkel der Erde zu bringen." (www.whitehouse.gov/ncs/nss). Mit dem "langanhaltenden Feldzug gegen den Terror", dem "Kreuzzug gegen das Böse" (Bush), haben sich die USA an die Umsetzung dieser imperialen Doktrin gemacht. Der "Kreuzzug gegen das Böse" ist die Propagandaformel für die militärische Absicherung der Globalisierung. Der Krieg wird zur prägenden Kategorie der Weltpolitik, zum "normalen" Instrument, um die Weltmarkt-Ordnung der Multis zu bewahren und auszubauen. Die globale Fabrik erfordert einen globalen "Betriebsfrieden" in allen Abteilungs-Standorten, macht eine "globale Ordnung" notwendig zur Sicherung des Zugriffs auf die Schlüssel-Ressourcen, zur Absicherung der Produktivitäts-Inseln und des fein gesponnenen Netzwerks der Multis rund um den Erdball. Ebenso sollen die Reaktionen auf Unterdrückung und Armut, der gesellschaftliche Zerfall in weiten Regionen der Welt mit dem Militärknüppel in Schach gehalten werden. Brzezinski: "Die entscheidende Frage, die sich der internationalen Gemeinschaft in den nächsten zwanzig Jahren stellen wird, ist, ob es uns gelingt, eine wirklich globale Ordnung herzustellen oder ob die Welt in Anarchie abdriftet." (a.a.O.). "Weltordnungskriege" (Robert Kurz) in Form eines permanenten militärischen Interventionismus sollen diese "Pax Americana" auf der gesamten Erde installieren. Errichtet wird eine globale politisch-militärische Diktatur im Interesse des globalen Kapitals.

7.

Zentralasien und die Golfregion sind für die Weltherrschaftspläne der USA von zentraler strategischer Bedeutung. Es handelt sich um die Haupt-Energieregionen der Welt. Gelingt den USA die "Neuordnung des Nahen Ostens" nach ihren Vorstellungen, stünde die künftige Ölversorgung der Welt unter Kontrolle westlicher Öl-Multis, vorrangig anglo-amerikanischer. Die Macht der OPEC wäre gebrochen, die Ölversorgung aufstrebender ökonomischer Mächte wie China und Indien liefe über die Kassen dieser Multis. Die Ölrechnungen würden auch künftig in Dollar ausgestellt und würden diesen folglich als Weltwährung stützen. Die Finanzierung des Triple-Defizits der US-Wirtschaft - Privathaushalte, Staatsetat und Leis¬tungsbilanz - ließe sich eher fortsetzen. Der frühere CIA-Chef und Pentagon-Berater Woolsey brachte es auf die Formel: "Zwei Drittel der bekannten Ölvorräte liegen am Persischen Golf. ... Es geht nicht nur um Amerikas Abhängigkeit vom Öl, sondern um die der ganzen Welt. Auf kurze Sicht liegt unsere grundlegende Verwundbarkeit darin, dass die Saudis die Fördermenge schnell drosseln oder steigern können, weil sie über die Hälfte der weltweiten "swing capacity" ... verfügen. Damit haben die Saudis entscheidenden Einfluss auf den Ölpreis. Wir müssen dem Nahen Osten die Ölwaffe wegnehmen". Eine "Sesam-öffne-dich"-Rolle in dieser Strategie spielt der Irak: Mit den zweitgrößten Weltreserven verfügt er selbst über das Potenzial zu einem swing-producer. Nirgendwo auf der Welt ist das Öl billiger zu fördern. Eine reprivatisierte irakische Ölindustrie unter Kontrolle westlicher Multis - etwa nach dem Modell internationaler Konsortien in der Kaspi-Region - würde den Ölpreis-Hebel der Saudis und der OPEC unwirksam machen. Das Londoner Zentrum für Energiestudien: "Wenn Iraks Ölindustrie privatisiert wird, können Sie die OPEC vergessen." (zit. nach AZ, 10.04.03). James Woolsey, auch Lobbyist von US-Konzernen und in der irakischen Übergangsverwaltung als Informationsminister tätig, im Januar 2003: "Wir fangen mit dem Irak an ... man muss im Zentrum des Problems beginnen". Auch geostrategisch spielt der Irak eine zentrale Rolle bei der Beherrschung der gesamten Region. Als wichtige Glieder eines prowestlichen, mit US-Stützpunkten durchsetzten Staatenbogens vom Mittelmeer bis an die Westgrenze Chinas fehlen dann nur noch Syrien und der Iran. Beide sind bereits im Visier der US-Kriegsplaner. Im Irak will die US-Army vier Militärstützpunkte errichten. An dieser Grenze zwischen Europa und Asien befindet sich die Schnittstelle potenzieller Rivalen-Mächte ("global peer competitors") der USA: China, Russland, Indien und Europa. Nach dem Ende des "Kalten Krieges" formulierte das Pentagon 1992 in seinem "No-Rivals-Plan" (Defense Planning Guidance), dass man künftig alles unternehmen werde, um "dem Aufstieg jedes möglichen Konkurrenten globaler Dimension zuvorzukommen". Und: "Wir müssen versuchen zu verhüten, dass irgendeine feindliche Macht eine Region dominiert, deren Ressourcen - unter gefestigter Kontrolle - ausreichen würden, eine Weltmachtposition zu schaffen". Der Krieg gegen Afghanistan, die damit verbundene US-Militär- und Stützpunktpräsenz u.a. in ehemaligen Sowjetrepubliken - Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisien - und an der Westgrenze Chinas dient dem strategischen Ziel der USA, potenzielle Rivalitätsmächte in Schach zu halten.

8.

Die transnationalen Konzerne haben hinsichtlich der weiteren Formierung und Absicherung des Weltwirtschaftsraumes und des globalen Netzwerks dieser Konzerne ein gemeinsames Interesse. Diesem Interesse entspricht es, die USA als eine Art Gesamtdienstleister für die globale Umstrukturierung und Kontrolle wirken zu lassen. Sie stehen aber untereinander in schärfster Konkurrenz in und um diesen globalen Wirtschaftsraum. Für diesen Konkurrenzkampf mobilisieren sie nach Möglichkeit auch das politische Gewicht ihrer "Mutterländer". Nur die militärische Supermacht USA ist zu einer globalen Ordnungsfunktion im Sinn der Transnationalen Konzerne überhaupt in der Lage. "Jenseits aller Interessensdifferenzen bleiben die politisch und ökonomisch Mächtigen auch hierzulande auf den Rückhalt der USA angewiesen", schreibt der Frankfurter Politologieprofessor Joachim Hirsch. "Diese vor allem sind es, die Privateigentum, Marktwirtschaft sowie den Zugang zu Ressourcen, Investitions- und Absatzgebieten in den unsicheren Teilen der Welt zu garantieren vermögen. Daraus ergibt sich ein höchst komplexes Kooperations- und Konfliktverhältnis zwischen den Staaten des kapitalistischen Zentrums". Die Konflikte ergeben sich u.a. aus dem Konkurrenzkampf der Multis untereinander auf dem Weltmarkt. Gerade in Zeiten der Stagnation der Märkte nimmt dieser "Krieg der Konzerne" um Weltmarktanteile an Heftigkeit zu. Auch "Global Player" versuchen, das ökonomische und politische Potenzial ihrer Nationalstaaten für die eigenen Interessen optimal einzusetzen. Das Gewicht ihrer Staaten soll optimiert werden, um größtmöglichen Einfluss auf die Gestaltung der globalen Wirtschaft auszuüben. Das "Mutterland" ist auch für die "Global Player" eine wesentliche politische und ökonomische Basis. Hier sind in der Regel die sensiblen Teile des Geschäftes: Finanzen, FuE und die Gesamtleitung konzentriert. Hier ist auch der Zugriff auf die politischen Institutionen am engsten. Die Nationalstaaten sind demnach auch in Zeiten der Globalisierung von strategischer Bedeutung. Sie haben einerseits möglichst günstige Standortbedingungen zu liefern, zum anderen legen ihre Agenten in den internationalen Institutionen die Regeln der globalen Wirtschaft fest. Ohne die politischen Agenten, ohne den Staat und die Parteien, könnten die transnationalen Konzerne überhaupt nicht funktionieren; hier befindet sich ihr politischer Transmissionsriemen. Im Maß der weiteren Internationalisierung verflechten die Transnationalen Konzerne ihre Macht zunehmend mit der anderer Staaten und Staatengruppen. Sie unterwerfen sich nicht nur den Herkunftsstaat, sondern streben in möglichst vielen Staaten nach politischem Einfluss. Da ihre Macht sich aus weltweiter Kontrolle über Produktion, Kredite und Finanzen speist, können sie sich leichter dem Zugriff einzelner Staaten entziehen. Je internationaler die Konzerne werden, um so leichter können sie mit ihrem "global sourcing" die einzelnen Staaten gegeneinander ausspielen. Bei den immer größer werdenden Kapitalzusammenschlüssen kommt das Kapital aus unterschiedlichen nationalen Quellen. Zudem durchziehen die internationalen Produktionsnetze die drei Blöcke der Triade - USA, Europa und Japan. Dies hat zur Folge, dass die dominanten Nationalstaaten die Interessen aller transnationalen Kapitalgruppen, sowohl der eigenen nationalen wie der ausländischen, berücksichtigen müssen. Am Irak-Konflikt lässt sich dieses Wechselverhältnis zwischen Interessenskongruenz und -konflikt exemplarisch aufzeigen. Indem die Bush-Regierung im Nahen Osten ihre Öl-Interessen verfolgte, sicherte sie - zwangsläufig - den Ölfluss für den gesamten Metropolen-Kapitalismus. Allerdings unter ihrer Dominanz. So können sich jetzt nach dem erfolgreichen Krieg zuvorderst Öl-Multis vor Ort bedienen und beim "Wiederaufbau" vorrangig US-Konzerne zum Zug kommen. Dies ist aber nur der kleine Teil der zu erwartenden "Öl-Rente". Andere Faktoren haben stärkeres Gewicht: Die USA haben mit ihrem Krieg konkurrierende Ölfirmen aus Frankreich und Russland, die bereits Ausbeutungsverträge mit dem Irak Saddams in der Tasche hatten, aus dem Feld geschlagen. Sie haben sich eine Position verschafft, von der aus sie in Zukunft über den Ölpreis und damit auch über die wirtschaftliche Lage Russlands wesentlich mitentscheiden können. Auch Deutschland, das über keine eigenen Ölvorkommen verfügt, wird in Zukunft noch abhängiger von den USA. Es ist also nicht verwunderlich, dass gerade diese drei Länder - Frankreich, Deutschland und Russland - sich gegen das US-unilaterale Vorgehen und für eine multilaterale Operation gegen den Irak aussprachen. Dabei ist vor dem Missverständnis zu warnen, als sei der Staat einfach Erfüllungsgehilfe oder bloßer Agent des transnationalen Monopolkapitals. Der Staat ist ein gesellschaftliches Verhältnis, das von verschiedenen Klassenkräften bestimmt wird. Dazu zählen neben dem Einfluss anderer Kapitalfraktionen - nicht-transnationales Monopolkapital, Mittelstand, Landwirtschaft - auch der Druck der Gegenkräfte. Staatliche Politik ist letztlich die Resultante aus diesem Kräfteparallelogramm und fällt auch im Zeitalter der Globalisierung in den Metropolen unterschiedlich aus. Allerdings setzen die Interessen der Transnationalen Monopole den Rahmen, innerhalb dessen sich staatliche Politik bewegen kann. Eine Politik, die deren Interessen prinzipiell zuwider läuft, setzte den Umsturz - neutral gesagt: den Wechsel - der herrschenden Wirtschaftsordnung voraus.

9.

In der Auseinandersetzung um die Kriegführung "gegen den Terror", also die militärische Absicherung der kapitalistischen Globalisierung, spitzen sich die Widersprüche zwischen der "einzigen Weltmacht" und den kapitalistischen Mittelmächten zu. Die Konflikte sind komplexer Natur und resultieren aus wenigstens zwei Ursachenbündeln: einmal aus den bereits in These 8 angesprochenen polit-ökonomischen Interessensgegensätzen innerhalb des transnationalen Kapitals; zum anderen aus strategisch-taktischen Fragen der Kriegführung und des damit verbundenen Führungsanspruchs des Hegemons USA. Einigkeit besteht darin, dass die "unsichtbare Hand" des (Welt-)Marktes zunehmend der offenen Panzer-Faust bedarf. Das zeigt auch das gemeinsame Vorgehen in Jugoslawien/Kosovo und Afghanistan. Auch diese Kriege waren Angriffskriege und nicht durch den UNO¬Sicherheitsrat legitimiert. Bundeskanzler Schröder betonte dabei im Einklang mit Bush, dass es um die "Verteidigung unserer Wertvorstellungen", also "unseres lifestyles" gehe: "Wir verteidigen die Zivilisation". "Erst nach dem 11. September des Jahres 2001... ist - mit der universellen Kriegserklärung der Regierung der USA an den "Terrorismus" und die sog. Schurkenstaaten der Übergang zur "Normalität des Krieges", der keine Grenzen, keinen genauen Adressaten und kein Ende hat, vollzogen worden. Erst jetzt hat die Regierung (der imperiale Staat) der USA die Reaktion auf den Anschlag verbunden mit dem Übergang zur politisch-militärischen Durchsetzung eines Systems der Weltherrschaft durch die USA, das im Kern darauf gerichtet ist, angesichts der weltpolitischen Veränderungen nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes die unumschränkte wirtschaftliche und politische Dominanzposition der USA (unipolare Ordnung) - sowohl in Europa, vor allem aber in der Region des Mittleren Ostens durchzusetzen." (Frank Deppe, Krieg als Normalität, Manuskript, S. 4). Der Kriegsblock innerhalb der US-Regierung, die Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes und der Öl-Industrie, sahen jetzt die Chance zum rigorosen militärischen Durchmarsch. Die USA befanden sich ökonomisch, politisch und militärisch auf dem Höhepunkt ihrer Macht - sie waren in jeder Hinsicht hegemonial. Fast die ganze Welt bekundete mehr oder weniger "uneingeschränkte Solidarität". Die Gunst der Stunde nutzten die Bellizisten, die Kriegsfraktion, um künftig ohne lästiges Abstimmungs-Prozedere mit den Verbündeten und der UNO die Weltordnung nach US-Muster mit dem militärischen Knüppel herbeizuprügeln; notfalls im Alleingang oder mit "Koalitionen der Willigen". Im Krieg gegen den Irak schwenkten die europäischen Kern-Mächte Frankreich und Deutschland von "uneingeschränkter Solidarität" zu offenem Widerstand gegen die Bellizisten aus Weißem Haus und Pentagon um. Sie reklamieren ein höheres Gewicht in der Führung des militärischen Globalisierungsprozesses ("partners in leadership"). Sie befürchten, bei dem rigorosen militärischen Vorgehen der USA zu reinen Vasallen degradiert zu werden. Um so mehr, als ihre GASP- und Euro-Streitmacht-Pläne nicht weit gediehen sind, wohingegen die US-Kriegsmaschinerie seit Bush und dem 11. September in einem gewaltigen Ausmaß aufgerüstet wurde. Deutschland und Partner verlangen einen anderen Mix aus militärischen und politischen Maßnahmen: Einmal weil sie in der "Währung der Waffen" nicht mitbieten können; zum anderen, weil ihnen die Kosten einer überwiegend militärischen Kontrolle des Globus zu hoch erscheinen. Es sind dies neben finanziell-ökonomischen Kosten - Kriegs-, Zerstörungs-, Besatzungs- und Wiederaufbaukosten; Befürchtungen für die Weltkonjunktur - auch politische Kosten, nämlich die Sorge, dass der gesamte Prozess außer Kontrolle gerät und schließlich über neue Terrorakte, Aufstände, Atomwaffeneinsätze in einer Barbarisierung der Weltgesellschaft endet. Aber auch Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung, auf eine breiter gewordene Antikriegs-Stimmung in Europa schlägt sich im politischen Kalkül nieder. Verallgemeinernd lassen sich im globalen Imperialismus zwei Flügel unterscheiden: Der bellizistische Flügel setzt auf das Primat des Militärischen, sein Herrschafts- und Ordnungsmodell ist letztlich die globale politisch-militärische Diktatur. Der "kooperative" Flügel will sein Ordnungsmodell eines "globalen Kontrollregimes" mehr mit politisch-diplomatischer Regulierung, Einbindung der UNO und internationaler Institutionen und Abkommen praktizieren. Den militärischen Knüppel schließt er nicht aus, will jedoch, dass er durch die UNO beschlossen wird, womit dem Hegemon USA multilaterale Zügel angelegt werden sollen.

10.

Nach dem siegreichen Überfall auf den Irak ist die militärische Hegemonie der USA größer denn je. Andererseits ist die Legitimität des Weltsheriffs umstritten wie nie. Die Weltmeinung ist gegen ihn, sein politisch-ideologischer Führungsanspruch erodiert. Verlust der kulturellen Hegemonie und Legitimität beschleunigen wiederum die Spirale aus Staatsterror und militärischer Gewaltanwendung. Aus dem permanenten Kriegszustand mit dem Rest der Welt droht den USA eine imperiale Überdehnung (imperial overstretch). Sie übernehmen sich bei dem Versuch, den gesamten Globus militärisch zu kontrollieren. Die sprunghaft gestiegenen Militär- und Rüstungsausgaben, die Entwicklung neuer Waffensysteme, der Aufbau eines neuen Systems an Stützpunkten ("Festungsbau"), unmittelbare Kriegs- und Besatzungskosten bewirken bereits jetzt eine Staatsverschuldung in neuen Dimensionen. In zweieinhalb Jahren Bush-Regierung sind die Milliarden Haushaltsüberschüsse gigantischen neuen Defiziten gewichen. Das gesamte Land ist mittlerweile eine einzige Schuldenwirtschaft und auf die permanente Zufuhr von frischem Geld aus aller Welt angewiesen. Reißt der Kreditstrom ab, droht eine fatale Kettenreaktion, die zum Kollaps des gesamten Börsen- und Finanzsystems führen kann. Für die EU-Mächte wären Abwertung des Dollars und Flucht aus der Weltwährung jedoch kein Anlass zu ökonomischem Positions- und politischem Machtgewinn. Zu eng ist inzwischen die ökonomische transatlantische Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit. Ein Absturz der US-Wirtschaft würde auch die ohnehin schwächelnden EU-Ökonomien in die Tiefe reißen. Realistisch analysierende Strategen des US-Imperialismus sehen die Gefahr des "imperial overstretch" und versuchen, ihr zu begegnen. Brzezinski, der in seinem Buch "Die einzige Supermacht" die "unangefochtene globale Macht" der USA analysierte und eine "Hegemonie neuen Typs" verkündete, warnt: "Im Augenblick mag die Macht der USA noch ausreichen, um globale Unruhen unter Kontrolle zu halten. ... Doch auf lange Sicht kann Amerika nicht ständig auf eigene Faust handeln. Es steht an erster Stelle, ist global aber nicht omnipotent. Es braucht Partner, und mehr als alle anderen braucht es Europa als Partner." (HB, a.a.O.). Über die Verteilung der Kriegsbeute und den Wiederaufbau und die Neuordnung und Absicherung der Region werden die USA "Europa" wieder in Reih und Glied zwingen und ihm seinen Kosten-Tribut am Empire abverlangen. Europa soll nach den US-Plänen in Verbindung mit der UNO zudem die Rolle zufallen, eine gewisse Mindest-Legitimität des US-Vorgehens, zumindest bei der Metropolen-Bevölkerung, zu erzeugen. Bei der politischen Klasse in Deutschland - Regierung, Opposition und Medien - sind längst heftige Bemühungen zur Synchronisierung der deutschen mit der US-amerikanischen Politik zu beobachten. Tatsächlich braucht das kapitalistische Europa die USA. Es erscheint völlig realitätsfern, anzunehmen, dass die EU in absehbarer Zeit die ökonomische und militärische Potenz gewinnen kann, im Alleingang eine Weltordnung nach den Bedürfnissen des transnationalen Kapitals zu errichten und abzusichern. In dem Maße, wie es der EU gelingt, eine eigene Militär- und Interventionsmacht aufzubauen, mag sie auch in der Führung und in der Strategie des globalen Imperialismus größeres Gewicht erlangen bzw. arbeitsteilig an Führungsaufgaben beteiligt werden. Neue NATO-Eingreiftruppe, EU-Interventions-Streitkräfte, der Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee bis hin zur "Landesverteidigung am Hindukusch" (Struck) ergänzen sich - bei allen Differenzen - im Rahmen einer imperialistischen Welt-Ordnungsstrategie.

11.

Die im Irak herbeigebombte "Pax Americana" bringt keinen Frieden, nicht für das Land noch für die Region. Vom Erfolg des "Blitzkrieges" berauscht nehmen die US-Kriegstreiber bereits die nächsten Ziele ins Visier: Syrien und Iran. Sie wollen den von ihnen angekündigten "langanhaltenden Feldzug gegen den Terror" Etappe für Etappe durchziehen - es wird ein Krieg ohne Ende. Die Liste der "Schurkenstaaten" ist lang, die "Achse des Bösen" reicht bis Fernost. Sie selbst erklären sich im "Vierten Weltkrieg" (Woolsey) befindlich - nach dem "Kalten Krieg" als drittem. Die Machthaber der USA mit ihrer ungeheuerlichen Kriegsmaschine sind die größte Bedrohung für die Menschheit. Sie erklären jedes Land, das sich den "Herren der Welt" und ihren "Weltordnungsplänen" nicht unterwirft, zum Feind. Angriffskriege, selbst unter Einsatz von Massenvernichtungsmitteln, und Völkerrechtsbruch sind Mittel zur Durchsetzung ihres globalen Hegemoniestrebens. Für die Menschheit wird es zur Überlebensfrage, wie dieser Kriegsblock zu stoppen ist. Politiker, Medien, selbst Teile der jüngsten Antikriegsbewegung wecken und hegen Hoffnung auf die "Zivilmacht Europa": Sie müsse gegenüber dem US-Kriegsblock auch militärisch zur Gegenmacht aufgebaut werden. Diese Hoffnung ist trügerisch. eine hochgerüstete EU würde die Kriegsgefahr vergrößern. Von der EU und deren Mitgliedsstaaten ist kein prinzipieller Widerstand gegen die US-Kriegspläne zu erwarten. Auch das transnationale Kapital Westeuropas, engstens verflochten mit der US-Wirtschaft, braucht für seine Profit- und Verwertungsinteressen die Fortführung und Absicherung der neoliberalen Globalisierung, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Allen voran das ökonomische Schwergewicht Deutschland, das als Exportweltmeister und mit dem hohem Internationalisierungsgrad der hier ansässigen transnationalen Konzerne im besonderen Maße auf den "militärischen Gesamtdienstleister" USA angewiesen ist. Die vielbeschworene "Wertegemeinschaft" mit den USA reduziert sich auf die US-Doktrin, "freies Unternehmertum", "freien Markt und freien Handel in jeden Winkel der Erde zu bringen". Je nach Bedarf mit Angriffskrieg, notfalls gar mit Atomwaffen. Dieser Interessensidentität entspringt auch die Idee der NATO-Eingreiftruppe, die vorrangig aus EU-Staaten rekrutiert werden soll. Auch der Aufbau einer EU-Interventionsarmee und die Umstrukturierung der Bundeswehr von "Fähigkeiten zur Landesverteidigung" zur Eingreiftruppe mit einer Reichweite bis zum "Hindukusch" liegt in der Logik der neuen US-Militärdoktrin der globalen und präventiven Militärschläge. Mit dieser "Militärmacht Europa" soll nicht etwa die US-Kriegsfurie gestoppt werden, sondern im Bündnis mit ihr die Welt ausgeraubt und nach den Vorstellungen des transnationalen Kapitals "geordnet" werden. Allerdings erhofft sich die westeuropäische politische Klasse mit einem größeren Militärpotenzial mehr Teilhabe an Planung und Durchführung künftiger Raubzüge und "Weltordnungskriege". Das schließt arbeitsteiliges Vorgehen und selbst begrenzte Alleingänge in abgesteckten "Hinterhöfen" und Einflusszonen - beides unter dem Propagandatitel: "weltweit Verantwortung übernehmen" - nicht aus. Für diese künftigen Kriege werden bereits jetzt der Bevölkerung Opfer abverlangt. Demagogisch und im Windschatten des Protests gegen den Irak-Krieg forderte Bundeskanzler Schröder eine Erhöhung der deutschen Rüstungs- und Militärausgaben. Kriegs- und Aggressionsvorbereitung nach außen und soziale Kriegserklärung an die eigene Bevölkerung, das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Deutschland befindet sich bereits jetzt mitten im "Krieg gegen den Terror". Insgesamt zehntausend Bundeswehrsoldaten sind auf dem Balkan, am Hindukusch und in der Golf¬region im Einsatz, um das Waren-, Produktions- und Finanzkreislaufsystem des globalen Kapitals abzusichern. Selbst bei der Aggression gegen den Irak war Deutschland ein wichtiges Räderwerk in der US-Kriegsmaschinerie. Stichworte wie Überflugrechte, AWACS-Überwachungs- und Feuerleithilfe, ABC-Spürpanzer in Kuweit, Bundesmarine-Geleitschutz für US-Waffen- und Truppentransportschiffe auf dem Weg zum Golf verdeutlichen den materiellen deutschen Kriegsbeitrag. Diese Rolle soll noch verstärkt werden. Der Krieg im Irak ist noch nicht beendet, da verkündet das Pentagon seine größte Auslandsinvestition für den Ausbau des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr. Auf diesem Truppenübungsplatz, dem größten der US Army in Europa, trainierten Panzerverbände den Krieg gegen den Irak, scharfes Schießen mit Uran-Munition eingeschlossen. Von hier startete das Expeditionskorps unmittelbar zum Einsatz an den Golf. Deutschland ist der größte Truppenstützpunkt der US Army im Ausland, die weltweit größte Aufmarsch- und Nachschubbasis für US-Aggressionen.

Hoffnung Friedensbewegung

Die Hoffnung, Krieg und Barbarei zu stoppen, ruht auf der internationalen Friedensbewegung. Sie hat im Kampf gegen den Irak-Krieg einen gewaltigen Aufschwung genommen und die größten Massenaktionen in der jüngeren Geschichte organisieren können. Sie hat sichtbar gemacht, dass die Weltöffentlichkeit gegen diesen Krieg ist. Die Rede war von der "Zweiten Weltmacht". Sie hat gegen die Barbarei des Krieges die Kultur des Friedens gestellt. Die USA haben die Legitimität für ihre hegemonistische Politik eingebüßt. Sie stehen am Pranger der Weltöffentlichkeit. Nach dem raschen militärischen Erfolg versuchen sie jetzt im Verein mit ihren Verbündeten, die Weltmeinung wieder für sich zu gewinnen. Jubel-Iraker sollen dafür herhalten, den Krieg als Mittel zur Befreiung von diktatorischen Regimes zu legitimieren. Kriege sollen wieder als Mittel der Politik hoffähig gemacht werden, zur Verbreitung von "freedom & democracy", zur missionarischen Verbreitung des "american way of life". Zumal es sich angeblich um "kurze" und "saubere Kriege", mit perfekt gezielten "chirurgischen Schlägen" und geringen Opfern unter der Zivilbevölkerung handle. Das soll vergessen machen, dass • Monster vom Schlage Saddam Hussein und Usama Bin Laden aus den Labors der CIA und der US-Regierung stammen; • die USA überall in der Welt mit blutrünstigen Diktatoren paktieren, wenn es ihren Interessen entgegenkommt; • im Falle des Iraks bereits das Embargo einer halben Million Kinder das Leben gekostet hat; • der Krieg völkerrechtswidrig war, Tausenden von Zivilisten das Leben kostete und mit dem Verschuss von Uran-Munition das Land radioaktiv verseuchte und zehntausende genetischer Missbildungen zur Folge haben wird; • die Infrastruktur in Schutt und Asche gelegt wurde, Millionen Menschen von sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung abgeschnitten und zu Bittstellern der Besatzungsmacht degradiert wurden; • das Land jetzt den Status einer US-Öl-Kolonie hat, bei der die US-Statthalter - erneut völkerrechtswidrig - die Plünderung der natürlichen Ressourcen und Kunstschätze organisieren. Aufgabe der Friedensbewegung ist es, dem menschenverachtenden Zynismus der Propagierung "gerechter Kriege", "humanitärer Invasionen", und der nachträglichen Rechtfertigung von Angriffskriegen entgegenzutreten. Das Völkerrecht darf nicht pervertiert und im Interesse der Aggressoren "fortgeschrieben" werden. In Tribunalen und geduldiger Aufklärung muss der Krieg gegen den Irak als völkerrechtswidrige Aggression gebrandmarkt und die Kriegsverbrecher und ihre Helfershelfer an den Pranger der Weltöffentlichkeit vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gestellt werden. Ein solches Tribunal kann auch die UNO-Vollversammlung darstellen, indem sie auf Antrag von Mitgliedsstaaten die Aggression als völkerrechtswidrigen Akt verurteilt. Die Auseinandersetzungen um den Krieg gegen den Irak haben Stärke und Schwäche der UNO offenbart. Sie zeigte sich als unfähig, der Aggression der Supermacht entgegenzutreten und die Durchsetzung des Faustrechts zu verhindern. Die Weltorganisation hat umgekehrt Stärke und Autorität bewiesen, indem sie sich trotz beispielloser Pressionen nicht dazu nötigen ließ, dem Recht des Stärkeren ihren Segen zu geben. Sogar der von den Metropolen-Mächten dominierte Weltsicherheitsrat wurde so zum Tribunal gegen die US-Kriegstreiber. Sie haben vor der Weltgemeinschaft eine politisch-moralische Niederlage erlitten. Die UNO hatte so großen Anteil daran, dass der Aggression der USA und ihrer Kriegswilligen die Legitimation genommen wurde. Die USA versuchen jetzt, der UNO das Schicksal des Völkerbunds zuzufügen. Umgekehrt sollte die Friedensbewegung die Idee und die Charta der Vereinten Nationen als reale Utopie des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu beleben versuchen. Das Prinzip des Gewaltverbots und der Souveränität der Staaten, die im Zentrum der UNO-Charta stehen, sind der wichtigste Imperativ der Gegenwart. Nach den großen Aktionen, nach den weltweiten Demonstrationen der Millionen Menschen gegen den US-Krieg, steht für die Friedensbewegung in der Zwischenkriegsphase die Aufklärungsarbeit im Vordergrund. Aufklärung über Ursachen und Hintergründe heutiger Kriege. Aufklärung über den Zusammenhang von Globalisierung, Krieg und Abbau sozialer und demokratischer Rechte. Diese Aufklärung legt die Grundlagen für eine schnelle und noch effektivere Mobilisierung gegen künftige Kriege. Sie ist aber vor allem die Voraussetzung dafür, dass die Antikriegsstimmung zum politischen Faktor wird, in aktive und eingreifende Friedenspolitik übergeht. In der Auseinandersetzung um den Krieg gegen den Irak hat sich die Friedensbewegung zunehmend internationalisiert und mit anderen Bewegungen vernetzt. Es entstand ein globales Netzwerk aus Friedensbewegung, globalisierungskritischer Bewegung, alter und neuer Sozialbewegung. Dieses Netz muss noch enger und fester geknüpft werden. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Aufklärung über die Rolle der Multis und ihres politisch-militärischen Hauptagenten, des US-Imperialismus. Es sind die Multis, die den Globus total ihren Verwertungsinteressen zu unterwerfen versuchen und dabei letzte Barrieren, selbst ethische Schranken wie im Fall der Genmanipulation, niederreißen. Es sind die Multis, die sich ihr globales Ausbeutungsnetz, ihren weltweiten Zugriff auf Ressourcen und Humankapital militärisch absichern lassen. Und es sind die selben Konzerne, die in ihren Metropolen mit der Losung "es gibt Wichtigeres als sozialen Frieden" die sozialen Sicherungssysteme niederwalzen und demokratische Gewerkschaftsrechte aushöhlen, um mehr Spielraum und monetäre Feuerkraft im globalen "Krieg der Konzerne" zu erlangen. Der entscheidende politisch-militärische Machtfaktor für die Durchsetzung der Interessen des transnationalen Kapitals ist der US-Imperialismus, der Kern des Kriegsblocks. Von ihm geht die Hauptgefahr für den Weltfrieden aus. Die US-Machthaber blockieren und torpedieren als Vertreter des Öl-, Auto-, Rüstungs- und Pharmakomplexes auch jegliches Welt-Umwelt- und Klimaschutzabkommen wie z.B. das Kyoto-Protokoll, weil es ihrer Energieverschwendungs-Strategie zuwiderläuft. Sie sind bei WTO- und GATS-Verhandlungen die Haupteinpeitscher rigoroser Investitions-, Öffnungs- und Schutzabkommen im Interesse der transnationalen Konzerne. Mit ihrer heftig geschürten "Sicherheits"-Hysterie haben sie in den USA mit der Realisierung des Orwellschen Überwachungsstaates begonnen. Dieser Kriegsblock muss weltweit isoliert, jegliche Unterstützung für Krieg und Besatzungsregimes muss verweigert werden. Ihm muss überall auf der Welt der Boden für seine Angriffskriege entzogen werden. Deutschland darf nicht länger Drehscheibe und Aufmarschbasis für künftige Kriege der USA und ihrer Hilfswilligen sein. Die Luftwaffenstützpunkte wie Ramstein und der Truppenübungsplatz Grafenwöhr müssen aufgelöst werden. Deutschland selbst muss sofort alle Soldaten aus der Golfregion und aus den NATO-Protektoraten in Afghanistan und auf dem Balkan abziehen. Der Umbau der Bundeswehr zur Präventivschlag- und globalen Eingreiftruppe muss gestoppt werden. Er steht im Widerspruch zum Grundgesetz. Nur durch Abrüstung und ein Bekenntnis zu Gewaltverzicht können Deutschland und Europa einen Beitrag zu einer internationalen Friedensordnung leisten. Der Kriegsblock unter Führung der US-Administration ist gegenwärtig in der Lage, jedem Land seinen militärischen Willen aufzuzwingen. Die Aggressivität ist kein Zeichen der Stärke, sondern das Aufbäumen einer überlebten Ordnung, einer menschenverachtenden Logik. "Der amerikanische way of life kann nicht aufrecht erhalten werden", schreibt die indische Schriftstellerin Arundhati Roy. "Weil diese Lebensform nicht akzeptiert, dass es außer Amerika noch eine andere Welt gibt. Macht ist glücklicherweise nicht unbegrenzt haltbar. Irgendwann wird dieses mächtige Imperium, wie andere vor ihm, sich übernehmen und implodieren. Schon sind erste Risse zu erkennen. Der Krieg gegen den Terror wirft seine Netze immer weiter aus, und das Herz der amerikanischen Konzerne blutet. Eine Welt, die regiert wird von einer Handvoll gieriger Banker und Unternehmenschefs, die niemand gewählt hat, kann unmöglich Bestand haben". Eine neue Ordnung wird bereits sichtbar, sie gewinnt an Gestaltungskraft. Sie drückt sich aus in den Millionen Menschen, die gegen den Krieg aufstehen. Die nicht mehr hinnehmen, dass der ganze Globus zu einer einzigen Ware wird. Die gegen globale Apartheid und für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Diese Millionen eint die Losung "Eine andere Welt ist möglich" - eine Welt des Friedens und der menschlichen Solidarität.