Willkür bei Einberufungen zum Wehrdienst

in (21.09.2004)

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit einem Urteil vom 21. April 2004 (AZ.: 8 K 154/04) der Klage eines Wehrpflichtigen stattgegeben, der sich gegen seine Einberufung gewendet hatte. Nach Ansicht des Gerichts gibt es keine gesetzliche Grundlage für die seit dem 1. Juli 2003 geltenden Einberufungsrichtlinien des Verteidigungsministeriums, die größere Gruppen von Wehrpflichtigen von vorne herein von einer Einberufung ausnehmen, wie etwa Verheiratete, über 23-Jährige und Wehrpflichtige mit einem eingeschränkten Tauglichkeitsgrad (T3).
Die Kölner RichterInnen beziehen sich auf eine ältere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), wonach die Wehrgerechtigkeit verlangt, dass bei der Einberufung zur Wehrpflicht nicht willkürlich und ohne sachlich zwingenden Grund unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Dies sei aber gegenwärtig der Fall, da nur noch die Hälfte der für eine Einberufung in Frage kommenden Männer zum Wehrdienst herangezogen werde. Damit verstoße die Einberufungspraxis nicht nur gegen die Wehrgerechtigkeit, sondern auch gegen das aus Art. 3 Abs. I Grundgesetz abzuleitende Recht des/der Einzelnen, von willkürlichen Behördenentscheidungen verschont zu bleiben.
Das Verteidigungsministerium will an der Praxis jedoch trotz des Urteils nichts ändern, da es sich um ein Einzelurteil handele und andere Gerichte den Klagen von einberufenen Wehrpflichtigen nicht stattgegeben hätten. Trotzdem soll zum nächsten Oktober die Einberufungspraxis gesetzlich abgesichert werden. Tatsächlich haben jedoch auch diejenigen Gerichte, die Klagen abwiesen, die Richtlinien für rechtswidrig erklärt (etwa VG Koblenz, AZ.: 7 L 616/04 KO). Die Kläger waren dort nur gescheitert, weil zwar der systematische Verzicht auf Einberufungen Unrecht sei, sich Einberufene aber nicht darauf berufen könnten, dass ihnen dieser unrechtmäßige Vorteil auch gewährt werden müsse.
Das BVerfG hat nun mit einer Entscheidung vom 17.05.2004 (AZ.: 2 BvR 821/04) den Antrag eines Wehrpflichtigen zurückgewiesen, der seine Einberufung zur Bundeswehr aufgrund des Verstoßes gegen die Wehrgerechtigkeit bis zur endgültigen Entscheidung seines Rechtsstreits verhindern wollte. Da es sich hierbei um eine Eilentscheidung handelte, wurde die Verfassungsmäßigkeit der Einberufungspraxis nicht geklärt. Das Gericht wies lediglich darauf hin, dass diese Praxis auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen sei und lehnte den Antrag im übrigen aufgrund einer Folgenabwägung ab.
Eine grundlegende höchstrichterliche Entscheidung lässt also noch auf sich warten. Die Gerichte sollten jedoch der Politik nicht die längst überfällige Entscheidung abnehmen, die Wehrpflicht abzuschaffen.

Maja Kreßin, Hamburg