zur Situation in Israel
'Es gibt nur eine realistische Lösung: zwei Staaten. Die Israelis ziehen sich aus der Westbank und Gaza zurück und ziehen einen Sicherheitszaun hoch.'
Bereits vor zweieinhalb Jahren - im Dezember 2001 - erschien der hier dokumentierte Artikel von Klemens Himpele, Admin von www.jusos.org und Mitglied der Juso-HSG Köln, in der "Neuen Rheinischen Zeitung" der Jusos Mittelrhein, in dem ein solcher Sicherheitszaun bewürwortet wurde. Zudem wurde die politische Lage im Nahen Osten einer Analyse unterzogen und bewertet. Auch wenn der Text schon etwas älter ist, bietet diese Analyse auch für die heutige Beurteilung des Nahostkonflikts noch wertvolle Anregungen. Daher stellt www.jusos.org den Artikel auf seinen Seiten zur Verfügung und empfiehlt seine Lektüre.
Die Situation in Israel
Seit nunmehr über einem Jahr tobt in Israel die so genannte Al-Aqsa-Intifada. Jeden Tag erreichen uns Bilder von Steine schmeißenden Palästinensern, schießenden Tanzim-Milizen, Terroranschlägen und kämpfenden israelischen Soldaten. Die Frage, die sich immer wieder bei diesen Bildern aufdrängt: Wie konnte das nach den hoffnungsvollen Gesprächen zwischen Arafat und Barak geschehen? Wieso gelingt es den Protagonisten nicht, einen Jahrzehnte alten Konflikt beizulegen? Warum hat Oslo nicht den erhofften Durchbruch erreicht?
Verteidigung als Überlebensstrategie
Mit dem Ziel, nie wieder Opfer zu sein, kamen die Juden seit Ende des 19. Jahrhunderts nach Palästina, das seinerzeit türkisch, ab 1918 britisch beherrscht war. Das damalige Mandatsgebiet Palästina bezeichnete zunächst die Gebiete des heutigen Israel und des heutigen Jordanien. Durch die Balfour-Deklaration weiter ermutigt, setzten große Einwanderungswellen (Alliot) ein. In den 1920er Jahren kam es dann zu den ersten Überfällen arabischer Beduinen auf jüdische Siedlungen. Die Siedler hatten das Land käuflich erworben. Damals formten die Juden daher Verteidigungstruppen. Sie sind der Kern der ersten israelischen Armee, die das Land 1948 gegen die arabischen Nachbarstaaten erfolgreich verteidigte.
In den Folgejahren wurde Israel - ein von der UNO legitimierter Staat - immer wieder Opfer von Attacken und Kriegen: Als dann der ägyptische Staatspräsident Nasser ein anti-israelisches Bündnis zu schmieden begann, griffen die Israelis prophylaktisch an. Das ist der bekannte Sechs-Tage-Krieg 1967, bei dem Israel die Westbank (und Ostjerusalem), den Gaza-Streifen, den Golan und den Sinai eroberte. Viele sehen in diesem Krieg die Ursache der heutigen Problem. Diese seien nämlich begründet in der israelischen Siedlungspolitik, die im Anschluss an die Eroberungen einsetzte. Aus sicherheitsstrategischen Überlegungen und aus religiösem Fanatismus heraus begann Israel mit dem Bau von Siedlungen in den eroberten Gebieten. Diese haben - bis auf die Sinai-Siedlungen - bis heute Bestand. Als Israel 1973 jedoch erneut von den Arabern angegriffen wurde, vor allem von Syrien und Ägypten, bestärkte dies die Sicherheitsbemühungen der Juden. Der Yom-Kippur-Krieg brachte Israel an den Rand einer Niederlage und ist bis heute das Kainsmal des jüdischen Staates.
Bis 1991 war der Nahe Osten zudem ein Spielball der Großmächte USA und UdSSR. Erst nach 1991, wenn überhaupt, gab es eine reelle Chance auf Frieden - und Oslo folgte. Oslo jedoch hatte einen schweren Geburtsfehler. Die entscheidenden Fragen (Flüchtlinge, Jerusalem) wurden ausgeklammert, und daran scheiterte der Friedensprozess letzten Endes.
Die Rolle der Palästinenser ist bei diesem Prozess schwierig. Die Palästinenser waren seit 1948 immer nur Spielball der Araber und der Israelis. Kein arabischer Staat hat sich für Arafat interessiert. Die Palästinenser wurden lediglich missbraucht - als Argumentationshilfe gegen Israel. Bis heute müssen Palästinenser in den arabischen Nachbarstaaten unter menschenunwürdigen Umständen leben. Die Juden vernichten zu wollen war bis nach Oslo Credo der Palästinenser. Ein Friedensschluss ist unter diesen Umständen unmöglich.
Die feudale Korruptionswirtschaft Arafats tut ihr Übriges: Allein 1996 sind laut einen palästinensischen Untersuchungsausschuss 326 Mio. Dollar veruntreut worden. Arafat hat seit 1996 keine Wahlen mehr durchführen lassen. Regimekritiker werden gefoltert oder gleich erschossen, die Presse verboten. Immer wieder kommt es zu Schauprozessen, bei denen Palästinenser gehängt werden. Arafat lässt Kinder an die Front schicken, die Tanzim-Milizen gegen Israel kämpfen und verhält sich so, wie man sich klassischer Weise einen Diktator vorstellt. Dass die Tanzim den Palästinensern im Zuge von Oslo zugestanden worden sind, macht die Sache noch prekärer: Wie soll Israel den Palästinensern je etwas anvertrauen, wenn sie damit rechnen müssen, dass es gegen sie verwendet wird?
Sicherlich: Die Fatah-Organisation Arafats ist etwas Anderes als Hammas, Hisbollah und Dschihad. Aber auch der Fatah-Führer Berguthi spielt sich als Scharfmacher auf und ruft beständig zum Kampf gegen Israel auf. Die Hamas hat in den meisten Vertretungen wie Studierendenparlamente, Kammern u.Ä. die absolute Mehrheit. Und Arafat hat angekündigt, er werde mit Hamas koalieren. Wie dieser Mann je den Friedensnobelpreis bekommen konnte, erscheint einem schleierhaft.
Innere Reformen
Innere Reformen scheinen auf beiden Seiten der einzige Weg, zum Frieden zu kommen. Ehud Barak hatte recht, als er zunächst die Säkularisierung des Staates Israel vorantreiben wollte (Zivilehe, Aufhebung des Schabbat-Fahrverbotes). Israel krankt an einer religiös fundierten Sozialgesetzgebung. Barak hat auch erkannt, dass die Sozialsicherungssysteme weiter ausgebaut werden müssen. Und er hat keine einzige neue Siedlung im Parlament beschlossen (die, die er gebaut hat, rühren aus Verträgen der Vorgängerregierung Netanjahu). Zu den dringend nötigen Reformen in Israel gehört allerdings an oberster Stelle eine Wahlrechtsreform. Die Zustände in der Knesseth erinnern an Weimar. Viele Klein- und Kleinstparteien koalieren oder opponieren. Dies führt zu Instabilität und zu einem unverhältnismäßig hohem Einfluss religiöser Gruppen.
Noch trauriger sieht es bei den Palästinensern aus. Die fehlenden sozialen Sicherungssysteme tragen zum enormen Einfluss der Radikalfundamentalisten bei. In ihren Koranschulen gibt es Essen. Da geht man hin. Arafats Korruptionspolitik verhindert zudem den Aufbau einer Industrie. Im Moment wäre ein Palästinenserstaat nicht überlebensfähig. Und Wahlen muss man erst einmal wieder abhalten, bevor man sie reformieren kann.
Düstere Aussichten
All dies lässt auf weitere Kriege und Unruhen im Nahen Osten schließen. Es gibt nur eine realistische Lösung: zwei Staaten. Die Israelis ziehen sich aus der Westbank und Gaza zurück und ziehen einen Sicherheitszaun hoch. Doch auch dieses Szenario birgt Gefahren, denn dann jedoch hätten wir in Palästina das, was man ein "humanitäres Problem" nennt: eine sehr hohe Arbeitslosigkeit, wenig Industrie, wenig Nahrung. Zudem gäbe es viele Geheimdienste auf beiden Seiten und in Palästina einen Brutkasten für den Terrorismus.
Die Lage Israels ist fatal
Leider denken noch immer deutlich zu viele Menschen im arabischen Raum: Der gemeinsame Feind ist Israel. Dass Israel bei einer derartigen Bedrohung zuweilen mit Beißreflexen reagiert und überreagiert, ist sicherlich falsch, muss aber vor dem Hintergrund der Bedrohung analysiert werden. Die palastinensische Seite trägt zur Eskalation deutlich bei, denn die Autonomiebehörde ist nicht bereit, den Terrorgruppen in Palästina deutlich entgegen zu treten und ihnen "das Handwerk zu legen", was zwingend notwendig wäre.
Einmischen in Nahost heißt verhandeln, nicht proklamieren. Man braucht Menschen, die sich in diesem Pulverfass auskennen. Und man muss klare Anforderungen an einen palästinensischen Staat stellen. Ein Terroristennest wird Israel nicht dulden können - zurecht!