Die Botschaft des Präsidenten

in (28.03.2003)

US-Präsidentensprecher Ari Fleischer wurde am 12. März beim täglichen "Brie fing" im Weißen Haus von einem Journalisten gefragt, welchen Rat der Präsident denn für eine Mutter in Bagdad habe, .

... die mit ihrem Kind einen Krieg der USA gegen das Land überleben wolle. Fleischer antwortete: "Die Botschaft des Präsidenten ist, daß die Freiheit kommt, wenn er sich für die Gewaltanwendung entscheidet. Das ist die Botschaft des Präsidenten. Der Präsident weiß auch, daß das Militär mit großer Vorsicht versucht, jedwedes mögliches Leid oder Schaden für Zivilisten zu minimieren. Der Präsident wird jedes Vorgehen bedauern, das zum Verlust von unschuldigen Menschenleben führt. Aber natürlich gibt es bei jeder militärischen Aktion nie eine Garantie. Unschuldige werden sterben. Das ist die Botschaft des Präsidenten."
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Für diejenigen, die immer noch glauben sollten, ein Krieg gegen den Irak habe etwas mit dem 11.9.2001 und nicht viel mit Erdöl zu tun, hat der US-Kongreß-abgeordnete Dennis Kucinich (Demokratische Partei) Auszüge aus einem Brief veröffentlicht (www.kucinich.us), den Donald Rumsfeld (jetzt Verteidigungsminister), Paul Wolfowitz (jetzt stellvertretender Verteidigungsminister) und Richard Perle (jetzt Vorsitzender des Beratungsgremiums der Regierung für Verteidigungspolitik) an den Präsidenten geschrieben haben, als der noch Bill Clinton hieß. Darin beschworen sie "Gefahr für einen erheblichen Teil der Erdöllieferungen der Welt, falls Saddam die Fähigkeit erwerben sollte, Massenvernichtungswaffen anzuwenden". Als "einzig akzeptable Strategie" forderten sie, "militärische Maßnahmen zu ergreifen, da die Diplomatie klar versagt. Langfristig heißt das, Saddam Hussein und sein Regime von der Macht zu entfernen. Das sollte jetzt das Ziel der amerikanischen Außenpolitik werden." Mit "jetzt" meinten sie das Jahr 1998. Denn ihr Brief ist fünf Jahre alt.
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Zwei führende Vertreter der Kriegsfraktion in der US-Regierung werden beschuldigt, an einem militärischen Überfall der USA auf den Irak persönlich zu verdienen. So berichtet die britische Zeitung Guardian aus Washington und Texas (www.guardian.co.uk), Vizepräsident Dick Cheney bekomme jedes Jahr von der Bau- und Erdölanlagenfirma Halliburton bis zu einer Million Dollar ausgezahlt. Halliburton stehe schon auf der Liste der Firmen, die gute Aussichten auf lukrative Aufträge hätten, nach dem Krieg das zerbombte Land wiederaufzubauen. Cheney gehörte bis 1993 dem Kabinett von Bush sen. als Verteidigungsminister an. Bevor er 2000 ins Weiße Haus berufen wurde, war er fünf Jahre Vorstandsvorsitzender der Firma Halliburton. In diesem Zeitraum konnte das Unternehmen seine Geschäfte mit der Regierung auf 2,3 Milliarden Dollar fast verdoppeln - und zahlte bereitwillig 1,2 Millionen Wahlkampfhilfe zumeist an Kandidaten der Republikaner.
Das angesehene Magazin The New Yorker (www.newyorker.com) weist darauf hin, daß Chefberater Richard Perle, langjähriger intellektueller Einpeitscher eines Krieges gegen den Irak, maßgeblich an der vom ihm gegründeten Invest mentfirma Trireme mitarbeitet, die Interessen im Nahen Osten hat. Die Anfrage eines Journalisten, ob Perle nicht wegen eines Interessenkonflikts von seinem Amt zurücktreten müsse, ließ das Weiße Haus unbeantwortet. Perle beschimpfte den Verfasser des Artikels, Seymour Hersh, in einem CNN-Interview mit den Worten: "Hersh ist im amerikanischen Journalismus derjenige, der einem Terroristen am nächsten kommt." Dazu muß man wissen: Hersh ist einer der bekanntesten investigativen Journalisten der USA (eine im Moment eher seltene Spezies), ihm wurden mehr als ein Dutzend Auszeichnungen verliehen, darunter der Pulitzer-Preis.
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Daniel Ellsberg hat Mitte März Mitarbeiter der US-Regierung aufgefordert, mit Dokumenten an die Öffentlichkeit zu kommen, die beweisen, daß Bushs angebliche Kriegsgründe auf Lügen aufgebaut sind (www.commondreams.org). Auf einer Pressekonferenz in Washington, die nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland von den tonangebenden Medien totgeschwiegen wurde, erklärte der bekannte Publizist, Militäranalytiker und frühere Angehörige der US-Eliteeinheit "Marines": "Warten Sie nicht, bis die Bomben fallen - gehen Sie mit solchen Dokumenten, die zeigen, daß die Öffentlichkeit belogen wird, gleich zum Kongreß oder zur Presse." Er warnte allerdings - auch aus eigener Erfahrung - vor den Risiken, die ein Informant eingeht: Die Veröffentlichung solch brisanter Dokumente könne zum Ruin von Berufskarriere und Ehe sowie zur Verhaftung führen. Ellsberg hatte 1971 die "Pentagon Papers" veröffentlicht, die unter anderem belegten, welche Lügen fabriziert worden waren, um die US-Bevölkerung von der Notwendigkeit des Vietnam-Krieges zu überzeugen. Ellsberg erinnerte auf der Pressekonferenz an die kürzlich bekannt gewordene Bespitzelung von UN-Diplomaten durch die US-Geheimdienste zu dem Zweck, die Mitgliedsländer des Sicherheitsrats für die US-Kriegspläne gefügig zu machen. Der Vorfall zeige, wie desperat und extrem gefährlich die Bush-Regierung sei.
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Seit Wochen fordern die einflußreichen Arbeitsgemeinschaften der Kongreßabgeordneten lateinamerikanischer (Hispanic Caucus) und afroamerikanischer Abstammung (Black Caucus) Präsident Bush auf, ihnen einen Termin zu gewähren - ohne Erfolg. In einem Brief widersetzt sich der Hispanic Caucus entschieden den Versuchen der Regierung, "die mexikanische Regierung unter Druck zu setzen", damit sie den Kriegskurs der USA unterstützt. Besonders die Drohungen mit einem Boykott mexikanischer Waren werden scharf zurückgewiesen. Beide Arbeitsgemeinschaften sind auch deshalb besorgt, weil nach ihren Informationen mehr als die Hälfte der bei einem Krieg im Irak eingesetzten US-Infanteristen afroamerikanischer oder lateinamerikanischer Abstammung sind und daher "schwarz und braun" den höchsten Blutzoll zu zahlen hätten.
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"Neue Gesichter" machte die US-Presse bei den Massendemonstrationen gegen Bushs Kriegskurs aus. Ob in New York, Washington, Los Angeles, San Francisco oder anderen Städten - immer sah man unter den jeweils Hunderttausenden, die gegen einen Irak-Krieg auf die Straße gingen, große Marschblocks von Gewerkschaftern mit ihren Losungen, Redner sprachen im Namen bedeutender Gewerkschaften, immer gehörten dutzende Gewerkschaftsorganisationen nicht nur zu den Unterzeichnern der Demonstrationsaufrufe, sondern trugen auch aktiv dazu bei, die - in den USA seit Jahrzehnten nicht mehr erlebten - Massenaktionen gegen den Krieg zu organisieren.
In Europa, vor allem in Frankreich und Italien, ist ein solches Engagement nichts Außergewöhnliches. In den USA hatte sich die Führung der Gewerkschafts-Dachorganisation AFL-CIO seit George Meany in den fünfziger Jahren für das Lager der militanten Antikommunisten und gegen die Friedensbewegung entschieden; nicht selten wurden sogar Schlägertrupps aus den Reihen der Gewerkschaften gegen Friedensdemonstranten in Marsch gesetzt. So überfielen 1970 etwa 200 Bauarbeiter in der Wall Street in New York eine Kundgebung gegen den Vietnamkrieg. Präsident Nixon war so begeistert, daß er den damaligen Vorsitzenden der New Yorker Bauarbeitergewerkschaft, Peter Brennan, als Belohnung zu seinem Arbeitsminister ernannte. Selbst in der letzten Phase der Proteste gegen den US-Überfall auf Vietnam schlossen sich offiziell nur wenige Gewerkschaften, zumeist lokale Gruppen, dem Widerstand an.
Auch nach dem 11. September 2001 war es der Regierung zunächst gelungen, die Gewerkschaften auf Hurra-Patriotismus und Rache-Politik einzuschwören. Das funktionierte noch beim Überfall auf Afghanistan. "Es dreht sich nicht einfach um Gerechtigkeit, sondern um Vergeltung," erklärte der Präsident der Maschinistengewerkschaft, Tom Buffenbarger.
Doch seit mehr als einem Jahr hat sich der Wind gedreht. Zuerst kam der mit der Sicherheitslage begründete Abbau der demokratischen Rechte, auch der Rechte der Gewerkschaften. So verweigert die Regierung den 170 000 Beschäftigten des neugeschaffenen Superministeriums zur Heimatverteidigung (Homeland Security Department) die normalen gewerkschaftlichen Rechte und Tarifverträge. Dem folgten der Abbau der sowieso schon geringen Sozialleistungen wie der Hilfe im Krankheitsfall, verstärkte Privatisierung von Betrieben in öffentlicher Hand, der Rückgang der Löhne und Gehälter, Entlassungen und der Zusammenbruch vieler Rentenfonds in Folge der durch betrügerische Manipulationen (z.B. Enron-Skandal) ausgelösten Pleitewelle großer Unternehmen.
Der internationale Repräsentant der Gewerkschaft der Kommunikationsarbeiter, Steve Early, faßte die neue Lage kürzlich in der Zeitung Boston Globe so zusammen: "Die Haltung der Gewerkschaften änderte sich, als klar wurde, daß es einen Krieg gegen die Arbeiter im Innern und gegen ›Feinde‹ im Ausland geben würde." Diese Entwicklung sei von unten, von den "Grassroots", ausgegangen. 400 lokale, regionale und nationale Gewerkschaftsorganisationen mit mehr als 4,5 Millionen Mitgliedern hatten sich schon im Januar auf einer Konferenz in Chicago zur Arbeitsgemeinschaft "US Labor Against War" zusammengeschlossen (www.uslaboragainstwar.org) und eine Resolution verabschiedet, in der es heißt: "Die Opfer eines Krieges werden die Söhne und Töchter von Arbeiterfamilien sein, die im Militär dienen" sowie "unschuldige irakische Zivilisten". Die vielen Milliarden Dollar, die der Krieg kosten werde, würden aus den Etats "für Schulen, Krankenhäuser, Sozialwohnungen und Sozialversicherung" abgezweigt. Schon die Kriegsvorbereitungen, so die US-Gewerkschafter, dienten der Regierung als Vorwand für Angriffe auf die organisierte Arbeiterbewegung und die Menschenrechte und sollten von der schlechten wirtschaftlichen Lage in den USA, der Korruption in den Unternehmen und den Entlassungen ablenken.
Zum Entsetzen des Weißen Hauses schloß sich unter dem Druck der Basis Ende Februar auch der Exekutiverat der AFL-CIO, der 65 nationale Gewerkschaften vertritt, dem Anti-Kriegs-Protest an - wenn auch mit einer wesentlich zurückhaltender formulierten Resolution, in der Bush vorgeworfen wird, er habe seine Verantwortung für die Nennung eines überzeugenden Kriegsgrundes nicht erfüllt und die Alliierten der USA "beleidigt". Ein Zusammenhang zwischen Krieg und Sozialabbau wird allerdings ausgeklammert.
Selbst wenn die überraschend nachdrückliche und aktive Unterstützung der Mehrheit der US-Gewerkschaften noch keinen Erfolg der sich neu formierenden Friedensbewegung in den USA über den Kriegkurs von Bush bedeutet, kommt ihr - ob der Krieg nun entgegen dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung vom Zaune gebrochen wird oder verhindert werden kann - große Bedeutung zu. Denn das Bewußtsein vom Zusammenhang zwischen einem Feldzug gegen den Irak (sowie weitere "Schurkenstaaten") und einem Krieg derselben Regierung nach innen ist gewachsen. Die Zusammenarbeit von Friedensbewegung und Gewerkschaften werde daher, so führende Gewerkschafter, weitergehen und ausgebaut werden. "Frieden ist patriotisch" hält Gewerkschaftsfunktionär Steve Early den selbsternannten Superpatrioten im Weißen Haus entgegen. Langfristig werde die Irak-Invasion nämlich "das Leben der Arbeiterklasse in den USA zunehmend schwieriger werden".

aus: Ossietzky 06/2003