Agro-Gentechnik: Anbau verbieten

Brüssel hatte die Tür für Anbauverbote gentechnisch veränderte Pflanzen weit aufgestoßen. Nun sind die Mitgliedstaaten der EU am Zug.

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Ein Blick in die Pressemitteilungen der Bundesländer zeigt eine überraschende Einhelligkeit: Wohin man auch schaut, wer auch immer die Regierung bildet: In der Diskussion über die Ausgestaltung der Novellierung des Gentechnikgesetzes sind die Bundesländer einer Meinung. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) muss eine in ganz Deutschland gültige Regelung für das Verbot gentechnisch veränderter Nutzpflanzen liefern. Nur so lasse sich ein Flickenteppich von Einzellösungen verhindern. Die derzeitige Vorsitzende der Agrarministerkonferenz (AMK), die hessische Agrarministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen), ist selbst in einer Koalition mit der CDU und meint: „Ein länderbezogenes Verbot wie es Bundesagrarminister Schmidt wiederholt vorgeschlagen hat, ist aus Sicht der AMK nicht vertretbar.“ Der Pollenflug mache „vor Ländergrenzen aber nicht Schluss. Dieses Risiko sind wir nicht bereit zu tragen“.1

Kurzzeitig schien Schmidt der Forderung nach einem bundeseinheitlichen Gesetz nachzukommen. In einem Bericht des Deutschlandfunks über die Konferenz mit seinen Länderkollegen sagte er: „Ich möchte nicht nur im Hinblick auf 1507 - den gentechnisch veränderten BT-Mais - sondern auch im Hinblick auf sieben andere gegenwärtig im Zulassungsverfahren befindliche Maissorten (...) diese sechs Monate nutzen, um dann ein Anbauverbot aussprechen zu können.“2 Auf Nachfrage macht Ministeriumssprecher Michael Hauck jedoch einen Rückzieher und zieht sich auf die Position zurück, dass eine rechtssichere Konstruktion für ein seit neuestem mögliches Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland nur auf der Ebene der Bundesländer möglich sei.

Wissenschaft ist besorgt

Eine grundsätzlich andere Einschätzung der Lage vertreten die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften - acatech und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Die Mitglieder einer eigens einberufene Arbeitsgruppe - besetzt mit bekannten Gentech-Fans wie dem Potsdamer Genetikprofessor Bernd Müller-Röber oder dem Göttinger Agrarökonom Matin Qaim, „sehen durch solche Anbauverbote in Deutschland die Forschungs- und Berufsfreiheit, den Schutz des Eigentums sowie die allgemeine Handlungsfreiheit und damit die Chancen der Erforschung, Weiterentwicklung und kommerziellen Nutzung der Grünen Gentechnik akut bedroht“.3 Bezüglich der Novellierung des Gentechnikgesetzes machen sie ergänzend zu der Umsetzung der europäischen Opt out-Regulierung 4 ein weiteres Fass auf: Die Mitglieder der Abeitsgruppe empfehlen, „für die Risikobewertung zukünftig vor allem auf die spezifischen Eigenschaften neuer Pflanzensorten und nicht auf den Prozess ihrer Erzeugung abzustellen“.

Offene Fragen

Demgegenüber hatten sich zivilgesellschaftliche Gruppen ebenfalls für die bundeseinheitliche Regelung eingesetzt, zuletzt im Rahmen einer von knapp 340.000 Personen unterstützten Online-Aktion und einem gemeinsamen Brief. Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft betont, dass jetzt „alle diejenigen gefragt seien, „die sich die Gentechnikfreiheit immer auf die Fahnen geschrieben haben“. Zudem blieben ihrer Meinung nach viele Fragen offen, sollte es nicht zu einer einheitlichen Regelung kommen, zum Beispiel: „Wie werden Lebensmittel verarbeitende Unternehmen und der Handel künftig ihren gentechnikfreien Rohstoffbezug sichern? Und wer bleibt auf den Kosten sitzen?“ Zudem sieht sie im Falle von 16 länderspezifischen Regulierungen eine weitere Gefahr: „Wer soll da noch durchblicken?“

  • 1. „Frühjahrs-Agrarministerkonferenz in Bad Homburg“. Pressemitteilung des Hessischen Landwirtschaftsministeriums, 20.03.15, www.hessen.de.
  • 2. „Einheitliche Verbotsregelung in Sichtweite“. Deutschlandfunk, 20.03.15, im Netz unter www.deutschlandfunk.de oder www.kurzlink.de/gid229_0. Am ersten April begann eine Frist von sechs Monaten, innerhalb derer die europäischen Vorgaben (siehe Fußnote 3) in deutsches Recht übertragen sein müssen.
  • 3. „Stellungnahme zur Grünen Gentechnik“ (2015). Im Netz unter www.leopoldina.org.
  • 4. Siehe zur Opt out-Regulierung auch GID 228 (Februar 2015, Seite 34), GID 227 (Dezember 2014, Seite 34) oder GID 225 (August, Seite 39).