Über Silvia Federicis "Aufstand aus der Küche"

Im Unterschied zu Nancy Fraser (vgl. Frigga Haug in diesem Heft) ist Silvia Federici eine jener Feministinnen, die der Frauenbewegung von Beginn an eine einflussreiche positive Kraft zuerkennt. Besonders die Debatte über Lohn für Hausarbeit, auf die sie immer wieder zurückkommt, ebenso wie die darin eingebundene Marxkritik, gelten vielen als Meilenstein einer Frauengeschichte, die immer auch von Federici repräsentiert wird. Dies macht sie beliebt und populär in aktuell agierenden Bewegungen. So verstehen Hg. Federici als eine Autorin, die queerfeministische Ansätze bereits lange vorweggenommen habe und begreifen sie deshalb auch als Gewährsfrau ihrer Geschichte (vgl. 16f). Ihr 2012 erschienener Band »Aufstand aus der Küche« enthält drei Essays: einen Hauptbeitrag Die Reproduktion der Arbeitskraft im globalen Kapitalismus, eigens für diesen Band; Der Feminismus und die Politik der Commons (2010) und Counter-Planning from the Kitchen von 1974, den sie gemeinsam mit Nicole Cox geschrieben hat.

 

Unterstrich als Emanzipation?

Konsequent haben Hg. die im Englischen geschlechtsneutralen Begriffe wie workers, socialists, feminists usw. im Deutschen mit einem Unterstrich/Gender_Gap versehen, eine Schreibweise, die irritieren und allen Geschlechtern, so auch Intersexuellen, Transsexuellen und Transgender-Personen gerecht werden soll. Sprechen und Schreiben in Verhältnissen, in denen nach wie vor nach Geschlecht unterschieden wird – und das in jeder Hinsicht, ökonomisch, kulturell, sozial und politisch –, bleibt schwierig. Wie greifen wir mit Sprache ein, entlarvend, verstörend, darum ringend, Interessen zu formulieren, zu Wort zu kommen, präzise wahrzunehmen, besser zu verstehen und handlungsfähig zu werden? Binnen-I und Gender_Gap können, ebenso wie der Verzicht darauf, dazu dienen, Realitäten zu vernebeln und trügerische Harmonie zu verbreiten. Insofern ist diese Schreibweise ambivalent: Stehen den linken Aktivist_innen auf der Demo tatsächlich »Polizist_innen« gegenüber? Ist es hilfreich, von »Soldat_innen« zu sprechen, auch auf die Gefahr hin, darüber hinwegzutäuschen, dass die meisten Armeen nach wie vor männerbündisch strukturiert sind und der »soldatische Körper« als ein dezidiert männlicher gedacht, geformt und konstruiert wird? Käme es insofern nicht viel eher darauf an, sich der Mühe zu unterziehen, jeweils explizit die An- und Abwesenheit der Geschlechter zu reflektieren?

 

Die drei Essays

In Counter-Planning from the Kitchen arbeiten Federici und Cox anschaulich die Bedeutung der Hausarbeit im Kapitalismus heraus, die in der (Wieder-)Herstellung und »physischen, emotionalen und sexuellen Wartung« der Lohnverdiener bestehe (111). Es ist ein Beitrag zur innerlinken Debatte, er attackiert die »in der gesamten linken Tradition [herrschende] Einigkeit über die marginale Bedeutung der Hausarbeit für die Reproduktion des Kapitals und der Hausfrau für den revolutionären Kampf« (107). Die Linke folge einer Strategie, Frauen in die Fabrik zu führen, sich in die Verhältnisse hineinzubegeben, anstatt sie zu zerstören (108). »Die Arbeit, die Frauen im Haushalt leisten, nicht zu sehen, bedeutet blind zu sein für die Arbeit und die Kämpfe der überwiegenden Mehrheit der Weltbevölkerung, die nicht entlohnt wird.« (110)

Für die Autorinnen ist die Kampagne »Lohn für Hausarbeit« in diesem nun schon historischen Text ein neues Kampfterrain, das von den Frauen ausgeht, aber für die arbeitende Klasse streitet (109). Nicht zuletzt habe die Lohnlosigkeit der Frauen auch die Männer an ihre Arbeit gebunden und damit diszipliniert (115). Produktiver Arbeiter zu sein, ist kein Glück, sondern ein Pech, zitieren sie Marx (113). Die Forderung nach Lohn basiere nicht auf der Idee eines »gerechten Lohns« und streite nicht für die Integration der Reproduktionsarbeit lediglich in eine andere Form von Ausbeutung, Entfremdung und Kontrolle. Die Idee, die Ausweitung weiblicher Lohnarbeit zeitige einen emanzipatorischen Effekt, kritisiert Federici noch an anderer Stelle (71ff). Strategisch geht es darum, die in diesem Feld geführten Kämpfe und ihre Akteurinnen sichtbar zu machen – und um die Weigerung, Hausarbeit als »biologisches Schicksal zu akzeptieren, was eine unverzichtbare Voraussetzung für unseren Kampf […] darstellt« (122). »Wenn wir feststellen, dass wir das Kapital produzieren, stellen wir letztlich fest, dass wir das Kapital zerstören können und wollen« (114). So ist der Lohn für Hausarbeit letztlich eine Strategie im antikapitalistischen Kampf: »Unser Ziel ist es, unbezahlbar zu sein. Wir wollen einen Preis, der unsere Marktfähigkeit aufhebt. Wir wollen, dass Hausarbeit, Fabrikarbeit und Büroarbeit ›unökonomisch‹ werden.« (126)

Federici versteht in ihrem Hauptbeitrag den Kampf um die Reproduktion als »ground zero der Revolution« (85). Programmatisch beginnt sie mit einer dezidierten Kritik an Marx und dem Marxismus. Dabei unterstellt sie, dass »Marx die Reproduktionsarbeit deswegen ignorierte, weil er einem technizistischen Revolutionskonzept verhaftet blieb, das menschliche Befreiung an die Errungenschaften großmaßstäblicher Industrialisierung und Automatisierung knüpft und die Steigerung der Arbeitsproduktivität zur materiellen Vorbedingung des ›Übergangs zum Kommunismus‹ erklärt« (32). Einzig der Operaismus habe es verstanden, einen »Bruch mit der evolutionären Lesart des Marxismus« (38) zu vollziehen. Es ist diese Lesart, die Marx und den Marxismus wenn nicht ums Ganze, so doch im Kern um den revolutionären Impuls bringt, indem sie ihm einen platten Evolutionismus unterstellt. Der Begriff der Entwicklung der Produktivkräfte wird hier auf den einer technischen Entwicklung verengt, während die der Hauptproduktivkraft, nämlich die des Menschen, gänzlich vernachlässigt wird.

Gerade in der weltweiten Occupy-Bewegung ist für Federici die »wichtige Rolle, die der Reproduktionsarbeit bei der Entwicklung einer Alternative zum Kapitalismus zukommt«, deutlich geworden (85). Mit der Revolte der Frauen gegen die Reproduktionsarbeit in den 1970er Jahren, parallel zu den antikolonialen Kämpfen, sei eine »praktische Neubestimmung der Arbeit, der Arbeiter_innenklasse und des Klassenkampfes« vorgenommen worden, die von dessen Theoretikern ignoriert worden sei (34). Die Kritik an Marxens Kategorien bringt sie mit Mariarosa Della Costa auf den Punkt: Gerade die Reproduktionsarbeit habe »die für die kapitalistische Gesellschaft bedeutendste Ware produziert, diejenige, von der die Produktion aller weiteren Waren abhängt: die Arbeitskraft« (39f). Beim Kapitalismus habe man es mit heterogenen Verbindungen unterschiedlicher Formen von Arbeit und Ausbeutung zu tun, wobei der Lohn verwendet werde, »um nicht entlohnte Arbeit zu kommandieren« (40). Das Persönliche wurde politisch (41). Investitionen in die Reproduktion der Arbeitskraft hätten sich vom Standpunkt der Kapitalisten nicht durch eine entsprechende Erhöhung der Arbeitsproduktivität als rentierlich erwiesen. Stattdessen seien diese schließlich dazu übergegangen, reproduktive Tätigkeiten unmittelbar zur Quelle der Akkumulation zu machen (58). Sie werden aus der unbezahlten in eine bezahlte prekäre Arbeit verwandelt, wofür Frauen gehalten sind, andere Frauen, zumeist Migrantinnen, zu beschäftigen (66, 69). Die Globalisierung kennzeichnet Federici, ähnlich wie David Harvey und andere, als die Wiederkehr der ursprünglichen Akkumulation: »Indem sie weltweit Millionen von Menschen ihrer Subsistenzmittel beraubt hat, ist es der kapitalistischen Klasse gelungen, das Ruder […] wieder an sich zu reißen« (54). Die neue Form der Akkumulation werde wie die früheren gewaltsam durchgesetzt, als »großmaßstäbliche Zerstörung menschlichen Lebens« (67).

Empathisch beschreibt Federici nicht nur das unerträgliche Ausmaß der Ausbeutung, sondern nennt auch die widerständigen Praxen, die im herrschenden Diskurs allenfalls als Modernisierungsverweigerung, Flucht, Hexerei usw. bezeichnet werden oder einfach nicht vorkommen. Sie verweist auf die Entschlossenheit, mit der Migrantinnen Grenzen überwinden, auf Frauen, die sich weigern, Kinder zu bekommen, und die anderen – die sogenannten »Falschen« und »Überflüssigen« –, die es dennoch tun. Wenn das Kapital mancherorts tausende von Menschen sterben macht, dann ist allein schon das Ansinnen, sich und die Seinen am Leben zu halten, widerständig. Federici spricht von einem »breiten Panorama jener stillen Kämpfe, durch die Millionen von Menschen ihre Existenz sichern, indem sie autonome Gebiete aufbauen und Aktivitäten entwickeln, die sich der Kontrolle der Marktwirtschaft entziehen« (71).

Es ist jene Begeisterung eines Yes we can, die nicht nur die feministischen Massen ergreift. Es liegt an uns, lautet die Botschaft, fangen wir an! Dass dabei soziale Widersprüche vernachlässigt werden, soll nicht weiter von Belang sein. Wir tun es, und wir können es, lautet die Parole. So knüpft Federici an bereits existierende Gruppen und Occupy-Bewegungen an, die 99 % der Weltbevölkerung repräsentieren wollen und die in Bewegung zu setzen Federici augenscheinlich inspiriert.

 

Care-Debatte, ökologische Frage und der lokale Widerstand

Gerade die beiden aktuellen Essays werden von Feministinnen derzeit aufmerksam rezipiert, beziehen sie sich doch auf Entwicklungen und Debatten, die an Brisanz gewonnen haben. Dazu zählen die Diskussion um Sorge-Arbeit, die Krise der Reproduktion, das wachsende Bedürfnis zumindest einiger Menschen in den Industrieländern, fair und ökologisch zu konsumieren, die zahlreichen Versuche, im Hier und Jetzt anders miteinander zu leben, zu wohnen und zu produzieren, ein Stück Utopie zu realisieren und so »Halbinseln gegen den Strom« (Friederike Habermann, 2009) zu schaffen.

Ganz in diesem Sinne plädiert Federici für die »Wiederaufnahme eines kollektiven Kampfes um die Reproduktion, der darauf abzielt, die Kontrolle über die materiellen Bedingungen der Produktion von Menschen wiederzuerlangen und neue Kooperationsformen zu entwickeln, die außerhalb der Logik von Kapital und Arbeit angesiedelt sind« (83). Sie erinnert an den Erfahrungsschatz der Frauen, allen voran der Migrantinnen in den USA, der Aktivistinnen der Landlosenbewegung sowie der Subsistenzbäuerinnen und illegalen städtischen Siedlerinnen in Indien, China und Nordafrika. Landbesetzungen und Stadtteilgärten, Experimente mit Tauschwirtschaft und gegenseitiger Hilfe, Versuche, die in Privathaushalten isolierte (und daher extrem unökologische) Lebensweise zu überwinden, alternative Formen der Gesundheitsversorgung, die Verteidigung oder Wiederaneignung gemeinschaftlicher Güter: »Aus diesen Bemühungen geht eine neue Ökonomie hervor, die die Reproduktionsarbeit aus einer dumpfen, von Diskriminierung geprägten Tätigkeit in eines der befreiendsten und kreativsten Experimentierfelder für zwischenmenschliche Beziehungen verwandeln könnte« (84).

In ihrem Aufsatz Der Feminismus und die Politik der Commons, als optimistischer Kommentar zur Occupy-Bewegung verfasst, konstatiert sie den »Niedergang des etatistischen Revolutionskonzepts« (88). Ihre Hoffnungen setzt sie in die Vielzahl lokaler Widerstandspraxen, die für gemeinschaftliches Eigentum streiten bzw. die letzten, noch nicht eingehegten Gebiete und Ressourcen verteidigen. »Commons« fungiere als Klammerbegriff und wende sich sowohl gegen Staats- als auch Privateigentum (88f) – dies sei notwendig, wenn der Begriff dazu taugen solle, die »kooperative Gesellschaft« vorwegzunehmen. Wie also können Commons zur Grundlage einer nicht-kapitalistischen Ökonomie werden? Federici beabsichtigt, »vor dem Hintergrund dieser Fragen […] die Politik der Commons aus feministischer Perspektive« (89) zu untersuchen. Denn insbesondere Frauen seien die Hauptträgerinnen des Widerstands gegen Einhegungen und die Zerstörung »sozialer Organisation« und als Trägerinnen solcher Ordnungen unhintergehbar. Es gelte, der »Auslöschung jener kollektiven Erfahrungen, Wissensformen und Kämpfe entgegenzutreten, die Frauen im Bereich der Reproduktionsarbeit gesammelt haben, und deren Geschichte ein wesentlicher Bestandteil unseres Widerstands gegen den Kapitalismus gewesen ist« (105). Dies stelle »für Frauen wie Männer einen entscheidenden Schritt dar, um die vergeschlechtlichte Architektur unseres Lebens zunichte zu machen und unsere Haushalte und Leben als Commons aufzubauen« (ebd.). Federici bezieht sich auf Maria Mies mit dem Aufruf, es bedürfe einer »tiefgreifenden Veränderung unseres Alltags« (99), Trennungen seien zu überwinden: »Denn die Trennungen der Produktion von der Reproduktion und vom Konsum führen dazu, dass wir die Bedingungen, unter denen unsere Nahrungsmittel, Kleider und Arbeitsgegenstände hergestellt worden sind, ebenso wenig zur Kenntnis nehmen wie ihre sozialen und ökologischen Kosten«. Nur so könne der »Zustand andauernder Leugnung und Unverantwortlichkeit« (ebd.) überwunden werden. Auf die Agenda gehöre die Kollektivierung alltäglicher Reproduktionsarbeit und deren Aufwertung. Der Haushalt müsse »wieder zum Zentrum des kollektiven Lebens« gemacht werden (103).

 

Feminismus und Marxismus

Frigga Haug erinnert (1999), dass die feministische »Auseinandersetzung mit Marx mit Mariarosa dalla Costas Intervention (1973) [begonnen] und […] sich […] als Hausarbeitsdebatte« (118) fortgesetzt habe, die schließlich die (am Ende mehr akademische denn politische) feministische Diskussion bis zum Ende des 20. Jahrhunderts beschäftigte. In Auseinandersetzung mit Marx, der sich u.a. mit der Familienarbeit einer patriarchalischen Bauernfamilie beschäftigte, welche für den eigenen Bedarf produzierte Güter nicht individuell, nach Maßgabe verausgabter Arbeitszeit, sondern gesellschaftlich, als Ergebnisse der ohne Unterschied gemeinsamen Familienarbeit erscheinen (MEW 23, 92), stellt sie fest, »dass Marx diesen Befund in seinen Folgen für die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und für das kapitalistische Zivilisationsmodell nicht weiter untersucht hat« (122). Insgesamt kommt sie zu dem Schluss: »Weit entfernt davon, dass der Fortschritt der materiellen Produktivkräfte die Menschen doch freisetzen würde, ihre eigene Entwicklung als Menschen in die Hand zu nehmen, bleibt diese gewissermaßen Abfallprodukt der allgemeinen industriellen Entwicklung und Frauenwerk. In dieser Weise bleibt Fouriers Satz, der von Marx übernommen wurde, dass am Grad der Frauenemanzipation der Grad der Entwicklung der Menschheit ablesbar sei, aktuell.« (129)

Federici steht technischen Entwicklungen skeptisch gegenüber. Jedenfalls eigne sich die Reproduktion von Menschen im Unterschied zur Warenproduktion nicht für die fortschreitende Mechanisierung und Automation und diese leiste nur einen beschränkten Beitrag zur Reproduktionsarbeit (75). Gentechnische Entwicklungen berücksichtigt sie dabei nicht. Kritisch diskutiert sie, ob Kapitalismus in irgendeiner Weise fortschrittlich sei: Weder habe die Entwicklung der Produktivkräfte den Mangel aus der Welt geschafft, im Gegenteil: »Mangel im Weltmaßstab ist heute ein unmittelbares Ergebnis kapitalistischer Produktion« (23), noch habe die Kooperation der Arbeitenden ihre Organisation vorangetrieben (im Gegenteil: die herrschenden Produktionsweisen führen zu vielfältigen Spaltungen innerhalb der Arbeiterklasse), noch seien die am stärksten antisystemischen Kämpfe des letzten Jahrhunderts ausschließlich oder auch nur hauptsächlich vom entlohnten Industrieproletariat geführt worden (23).

 

Alles ist Widerstand

Ihr Setzen auf feministische Bewegung macht Federici für Feministinnen und ›Queer-Aktivist_innen‹ liebenswert. Am Schluss ihres Haupttextes konstatiert sie hoffnungsvoll, der »Aufstieg der Transgender- und Intersex-Bewegungen« sei ein wesentlicher Aspekt der »gegenwärtigen Reorganisierung der Reproduktion« (85). Diese Bewegungen verwiesen »auf ein neues Verständnis von Männlichkeit und Weiblichkeit, durch das die vom Kapitalismus geschaffenen und beständig neu durchgesetzten Geschlechterbestimmungen ebenso überwunden werden können wie die mit ihnen einhergehende geschlechtliche Arbeitsteilung« (86).

Im Ganzen lesen sich die Aufsätze verführerisch widerspruchsfrei. Nur dem Anschein nach spricht sie von widersprüchlichen Verhältnissen, unter denen sie aber bloße Antinomien versteht. Diese bestehen hier in der einfachen Entgegensetzung unterschiedlicher Interessen.

Den Kapitalismus beschreibt sie als Konterrevolution: Anschaulich erzählt Federici z.B. auch in ihrem Buch »Caliban und die Hexe« (2012 erneut auf deutsch erschienen, vgl. die Besprechung in diesem Heft) vom Ausmaß, der Kraft und Entschlossenheit der sozialen Bewegungen vom mittelalterlichen Europa an. Es ist stets ein Kampf »oben« gegen »unten«, in dem die Unterjochten unterlagen, obwohl die Geschichte auch anders hätte ausgehen können, wenn und solange die Unteren die Initiative ergreifen. Nicht, indem die Widersprüche zum Tanzen gebracht werden, sondern das Handeln überhaupt (oder learning by doing) macht den Widerstand aus.

So erzählt Federici die Geschichte der Marginalisierten als eine Geschichte grausamer Niederlagen, aber auch als eine des Widerstands. Die Subalternen erscheinen mächtig und ohnmächtig zugleich. Federicis Material stärkt und ermutigt freilich darin, in den eigenen Kämpfen nicht nachzulassen und an widerständige Erfahrungen und Traditionen anzuknüpfen. Andererseits liest es sich, als werde Hegemonie stets grausam von oben durchgesetzt. Mutwillig werden die Marginalisierten von Mächtigen gespalten: So konnten letztere sich, insbesondere in Zeiten der Krise wie seit 2008, alter Ressentiments bedienen; ganz maßgeblich erweisen sich Rassismus, Hexenverfolgung und Frauenunterdrückung als Projekte von oben, um Solidarität zu verhindern. Und stets und allerorts leisten die Marginalisierten dieser Welt erbitterten Widerstand. Nicht ist die Rede von Einverständnis und Komplizentum, von Kämpfen um Hegemonie und von Befreiungspotenzialen, die gesellschaftlichen Veränderungen innewohnen können. Es ist eine Opposition, die keine Fragen stellt. Und deshalb ein Empowerment, das hilflos bleiben muss.

Vielleicht verdankt sich der Erfolg von Federicis Büchern auch dieser Vereinfachung und scheinbaren Erfolgsorientierung. Die Texte sind intelligent, schnell und gut zu lesen, links, überschaubar. Sie setzen etwas in Bewegung, das dem Anschein nach vorwärts bringt – aber doch vor allem illusionäre Effekte schafft, nicht wirklich werden will.

Anknüpfend an Mariarosa dalla Costa greift Federici in eine offene Wunde marxscher Theorie. Das macht den widerständigen Elan ihrer Analysen und Entwürfe aus. Sie bringt ihre Perspektive jedoch um ihren Gehalt, wenn sie die Subalternen und die Mächtigen jeweils als anonyme Gruppen zusammenfasst, abstrakt gegenüberstellt und dabei den Unteren einen in seinem Ausmaß und Mitteln unverhältnismäßigen Kampf zumutet, den diese nicht und niemals bestehen können.

Wie also müsste Geschichte der Frauenbewegung geschrieben werden, um zielgerichtet handeln zu können? Sie müsste die Widersprüche aufgreifen, in denen sich jede Bewegung befindet, auch wenn sie schmerzen. Das heißt, sie müsste das praktische Leben als eines von Widersprüchen begreifen und nicht so tun, als wenn die Bewegung schon alles sei. Wir bewegen uns nicht um der Bewegung willen, sondern weil wir die Verhältnisse verändern wollen. In der Geschichte sind die Handlungsbedingungen den Subalternen schon immer vorgegeben. Und es bedarf eigener Anstrengung, sie nicht als ewig und in sich ruhend zu verstehen, sondern sie gegen den Strich zu lesen, um die Verhältnisse als Kampfbedingungen zu sehen und entsprechend zu handeln. Den Akteurinnen als Geschichtsschreiberinnen kommt entgegen, dass Frauen schon immer widerständig sind und es sein müssen, wenn sie nur ihren Alltag strukturieren wollen. Allerdings tun sie das in einem nur affirmativen Sinn, wenn sie nicht ein Bewusstsein ihrer Sache besitzen. Und es ist an einer Geschichtsschreibung, an den vorfindlichen Bedingungen zu arbeiten, sie zu reflektieren, die Ergebnisse in Bewegung zu halten, um den Frauen und der Frauenbewegung ein Bewusstsein ihrer Lage und also bessere Handlungsmöglichkeiten zu verschaffen.

 

Literatur

Haug, Frigga, »Familienarbeit, Hausarbeit«, in: Haug, Wolfgang Fritz, Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 4, Hamburg 1999, 118-129

Federici, Silvia, Aufstand aus der Küche. Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution, Münster 2012

Dies., Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation, Wien 2012

Marx, Karl, »Das Kapital«, in: MEW 23

 

© DAS ARGUMENT 308/2014, S. 369-375