Die Geburt des amerikanischen „Neokonservatismus“

Daniel Bell, Michael Harrington und die Zeitschrift „Dissent“

Während noch Mitte der 1990er Jahre ein Aufgehen des „Neokonservatismus“ im Konservatismus erwartet wurde (Ehrman 1995; Gerson 1996a), ist der Begriff seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und dem amerikanischen Irak-Krieg 2002/2003 wieder stark in den Medien präsent. Man kann sogar von einer „Neoconmania“ (Tzogopoulos 2012: 149) sprechen. Das neu erwachte Interesse spiegelt sich auch in der Fülle wissenschaftlicher Publikationen zu dem Thema wider (Halper/Clarke 2004; Stelzer 2004; Thompson 2007; Heilbrunn 2008; Vaisse 2010; Drolet 2011; Fuller 2012).

Der genaue Bedeutungsinhalt dieses „queck­silbrige[n] Begriff[s] des ‚Neokonservatismus’“ (Keller 2008: 16) ist aber schwer zu bestimmen. Es ist umstritten, ob sich überhaupt ein theoretischer Kern der politischen Strömung identifizieren lässt, weshalb zu deren Beschreibung häufig auf die Darstellung von Einzelpersonen zurückgegriffen wird (Volkert 2006; Tzogopoulos 2012). Ein Grund für die definitorischen Probleme ist, dass der Ausdruck von Michael Harrington (1973a) in seinem Artikel „The Welfare State and Its Neoconservative Critics” als abgrenzender und abwertender Begriff in die Debatte eingeführt wurde (Fuller 2012).1

Paradigmatisch wirkte jedoch Harringtons Vergabe des Etiketts „neokonservativ“, welches er Nathan Glazer und Irving Kristol, aber auch dem Anfang des Jahres 2011 verstorbenen, amerikanischen Soziologen Daniel Bell verlieh. Diese Kennzeichnung Bells hat sich bis in die Gegenwart gehalten (Bluhm 2006; Aronowitz 2007; Heilbrunn 2008; Abrams 2009; Vaisse 2010; Drolet 2011; Fuller 2012).

Bell lehnt die Bezeichnung Harringtons aber, wie mehrere der so Vereinnahmten (Lipset 1988; Glazer 2009), vehement ab und versteht sie als eines „jener typischen Manöver gestandener Linker, die ihren eigenen Rechtsdrift zu camouflieren versuchen, indem sie noch weiter rechts stehende Kreise attackieren“ (Bell 1992, 124).2 Die inhaltliche Veränderung des Begriffs „Neokonservatismus“, der zunächst auf innenpolitische und erst später auf außenpolitische Positionen angewendet wird, führt auch zu verstärkten Distanzierungsbemühungen (Glazer 2009).

Als Reaktion auf die Diskussion gibt Bell (1996a) in seinem Vorwort der zweiten Auflage seines Werks „The Cultural Contradictions of Capitalism“ schon 1978 selbst eine Beschreibung seiner politischen Haltung. Demnach sei er ein Sozialist im Bereich der Wirtschaft, ein Liberaler im Bereich der Politik und ein Konservativer im Bereich der Kultur. Als Sozialist im Bereich der Wirtschaft bezeichnet er sich, weil seiner Ansicht nach das oberste Ziel auf diesem Problemfeld sein sollte, ein „soziales Minimum zu etablieren, das es allen Individuen ermöglichen sollte, ein Leben in Selbstachtung zu führen und Mitglied der Gemeinschaft zu sein” (Bell 1996a: XII). An dieser Selbstbeschreibung hält Bell bis zu seinem Tode fest (Bell, Interview mit Autor, 8. September 2007). Seine differenzierte Selbstanalyse blieb aber weitgehend wirkungslos und die Kennzeichnung „neokonservativ“ wird eine lebenslange Belastung für ihn (Bell, Interview mit Autor, 8. September 2007). Noch 2009, kurz vor seinem Tod, wehrt er sich deshalb anlässlich eines Nachrufs auf Kristol, in dem er erneut neben Kristol, Glazer und Seymour Martin Lipset als Mitbegründer des Neokonservatismus genannt wird, in einem Brief scharf gegen diese Zuordnung und bezeichnet sich selbst erneut als Sozialdemokraten (Bell 2009: 19).

Seit der Etablierung des Begriffs „Neokonservatismus“ durch Harrington gibt es auch Zweifel an der Zuordnung Bells zu dieser politischen Richtung und sie ist selbst innerhalb der Gruppe um die Zeitschrift „Dissent“ nicht unumstritten. So erscheint in der gleichen Ausgabe wie Harringtons Artikel Michael Walzers (1973) Aufsatz „In Defense of Equality“, in dem dieser sich positiv auf Bell bezieht. Selbst Kristol (1995: 476), der Doyen der Neokonservativen, der „neokonservativ“ als Beschreibung für sich akzeptiert, kommt in Hinblick auf Bells politische Auffassungen zu dem Schluss, dieser sei immer ein sozialdemokratischer Intellektueller gewesen.

Häufig wird zudem übersehen oder nur kurz behandelt, dass Bell aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Kristol schon 1973, also zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bewegung der Neokonservativen ihren Namen erst bekommt, als Herausgeber der Zeitschrift „The Public Interest“ zurücktritt. Gegen Bells Zuordnung zu den Neokonservativen spricht weiter, dass keiner seiner Schüler oder Schülerinnen zu einem Neokonservativen geworden ist. Zudem sind in den einschlägigen Kompendien zu der politischen Strömung keine Texte von ihm enthalten (Gerson 1996b; Stelzer 2004).

Im Folgenden wird deshalb die These vertreten, dass die wirkungsmächtige Beschreibung Bells als Neokonservativer durch Harrington zu problematisieren und Bell angemessener als gemäßigter Sozialdemokrat zu beschreiben ist. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt deshalb auf dem historischen Ausgangspunkt der Debatte und der Begriffsprägung durch Harrington. Auf ihn verweisen sowohl Bell (1992) als auch Lipset (1988: 10f.), weil er wesentlich für die weitere Entwicklung der Debatte ist. Deutlich wird dabei, dass es sich zunächst um eine interne Diskussion „New York Intellectuals“ (NYI) handelte, zu denen sowohl Harrington als auch Bell zählen. Immerhin erscheint Harringtons Aufsatz „The Welfare State and Its Neoconservative Critics“ in der zu dem Zirkel gehörenden Zeitschrift „Dissent“. Aus demselben Grund gibt es aber auch große theoretische Übereinstimmungen innerhalb des Kreises etwa bezüglich der Kritik an der „neuen Linken“.

Der erste Abschnitt dieses Beitrags geht dem Verhältnis von Harrington und Bell genauer nach, weil sich Harrington schon lange vor Auftakt der Debatte um den „Neokonservatismus“ mit Bells Werk auseinandersetzt und sich theoretische Parallelen z.B. in Hinblick auf die These der Entstehung einer „neuen Klasse“ zeigen lassen. Der zweite Abschnitt untersucht den zentralen Aufsatz „The Welfare State and its Neoconservative Critics” genauer, in dem sich Harrington mit Bells (1972b) Artikel „On Meritocracy and Equality“ auseinandersetzt. Drittens schließlich rückt Bells Rücktritt als Herausgeber der Zeitschrift „The Public Interest“ und dessen Auswirkung auf die Ausrichtung des Magazins sowie Bells offene Distanzierung von den Neokonservativen seit Anfang der 1980er Jahre in den Mittelpunkt. Abschließend gilt die Aufmerksamkeit den Gründen für das Scheitern von Bells Distanzierungsbemühungen von den Neokonservativen und den Folgen der Debatte für die zeitgenössische Rezeption Bells.

 

Frühe Auseinandersetzung Michael Harringtons mit dem Werk Daniel Bells

Harrington beschäftigt sich schon früh mit Bells Werk und bezieht sich 1954 in einem Artikel auf dessen 1952 erschienenes Buch „The Background and Development of Marxian Socialism in the United States“ (Harrington 1954). Bells grundlegende These lautet darin, dass das Hauptproblem der amerikanischen sozialistischen Parteien in der Spannung zwischen Ethik und Politik bestanden habe oder, wie Bell es phrasenhaft zusammenfasst, deren Leben „in aber nicht von der Welt“. Schon Weber habe dieses Dilemma in der Unterscheidung von „Verantwortungs-“ und „Gesinnungsethik“ formuliert (Bell 1996b: 6).

Harrington (1954: 2-C) zeigt sich in seiner Besprechung des Buches zwar von dieser Hauptthese Bells nicht überzeugt, da aus seiner Sicht dessen Argumente das Scheitern der Bewegung nicht erklären könnten, dennoch behandelt Bell damit eine für Harrington wichtige Frage. So ist er auch interessiert am Bellschen Problem, wie sich Pragmatismus und Prinzipientreue vereinbaren lassen, da er sich zu der Zeit als „Drittes-Lager Sozialist“ versteht, der Kritik sowohl an der Sowjetunion als auch am Kapitalismus übt. Seine Haltung zu dem von Bell formulierten Problem fasst er dabei so zusammen: „Der zentrale Punkt ist, dass, wenn der Sozialist ‚nicht von der Welt’ ist, d.h. keine praktischen Alternativen sieht, dies nicht bedeutet, dass man die nicht-sozialistische Position unterstützen muss.” (Harrington 1954: 2-C)

In seinem Buch „Socialism“, das 1972, also kurz vor der Auseinandersetzung um den Neokonservatismus, erscheint, beschäftigt sich Harrington erneut mit der These Bells und kommt wieder zu einem grundsätzlich positiven Ergebnis. So stellt er Bell die Auffassung Ira Kipnis’ gegenüber, welche das Scheitern des Sozialismus darauf zurückführt, dass die sozialistische Partei zu angepasst gewesen sei, und schließt sich grundsätzlich Bells Ausführungen an. Folglich bestand auch für Harrington das Hauptproblem des amerikanischen Sozialismus in dessen Sektierertum, nicht in dessen zu starkem Pragmatismus (Harrington 1972b: 253).

Zur selben Zeit beschäftigt sich Harrington (1970) in einer in der Zeitschrift „Commentary“ erschienenen Besprechung des Buches „The Crisis of Industrial Society“ von Norman Birnbaum auch mit Bells Modell der „post-industriellen Gesellschaft“, wobei erneut eine Nähe beider Autoren erkenntlich wird. Zwar bezeichnet er Bells Variante als liberale, technokratische und anti-radikale Version einer Theorie der Industriegesellschaft (Harrington 1970: 84), sein eigener Ansatz zeigt aber große Ähnlichkeiten. Eine Parallele zeigt sich in Harringtons (1972b: 359) Annahme von der Entstehung einer „neuen Arbeiterklasse“, welche Ingenieure, Techniker und gut ausgebildete Arbeiter bilden. Er selbst stellt diese Übereinstimmung zu Bell zwar fest, wendet jedoch sowohl gegen dessen als auch John Kenneth Galbraiths Fassung der Theorie der Industriegesellschaft ein, dass die Techniker innerhalb der kapitalistischen Institutionen agieren und sie deshalb nicht regieren würden (Harrington 1972b: 359f.). Bell und Galbraith seien deshalb in Anlehnung an die Thesen Thorstein Veblens zu optimistisch in Bezug auf die Macht und die Werte der Techniker. Dennoch kommt Harrington zu dem positiven Schluss, dass beide Autoren wichtige Einblicke in eine wichtige neue soziale Entwicklung ermöglicht hätten (Harrington 1972b: 361; vgl. auch Harrington 1972a).

Harrington berücksichtigt bei seiner Kritik nicht, dass Bell (1963) schon in seinem Essay „Veblen and the Technocrats. On the Engineers and the Price System“ eine ähnliche Kritik an Veblen übt. Zudem ähneln Harringtons frühere Einwände gegen die „neue Linke“, die zur Entfremdung des SDS von den NYI beiträgt, denen Bells (Gitlin 1987: 111-118; Harrington 1988: 57; Bell 1996a). Harrington wird deshalb 1968 selbst als Sozialdemokrat bezeichnet (Alexander 1998: 144; Howe 1982: 317). Seine Überlegungen zu Bell zeigen so, trotz der Kritik, große Übereinstimmungen, was auf die gemeinsamen Überzeugungen der Gruppe der NYI verweist.

Darüber hinaus bezeichnet Harrington Bell zunächst nicht als „neokonservativ“. In seiner 1973 erschienenen Autobiographie „Fragments of the Century“, in der er erstmals diesen Begriff benutzt (Harrington 1973b, 244), erwähnt er nur Glazer und dessen Artikel „The Limits of Social Policy“ (Glazer 1971). Die spätere Zuordnung Bells zum Neokonservatismus geht wahrscheinlich erst auf einen Brief Bells an Howe aus dem Frühjahr 1973 zurück. Darin erwähnt Bell Harrington namentlich und Howe zeigt Harrington daraufhin das Dokument. Darin wirft Bell (Bell an Howe, 25. April 1973; zit. n. Isserman 2000: 303) Howe vor, dieser habe den Sinn für die Komplexität der sozialen Fragen verloren. Howe und „Dissent“ sollten aufhören, die Kontroverse über die richtige Wohlfahrtspolitik als moralisches Spiel mit den Liberalen als Helden und den Konservativen als Schurken zu betrachten. Zudem implizierten viele Artikel der Zeitschrift, dass sie die Antworten auf die gesellschaftlichen Probleme wüssten, was Bell aber bestreitet: „Denn Tatsache ist, dass die liberalen Linken diese nicht besitzen. Ihre Stärke ist eine moralische Einstellung, in der sie die Priorität der Benachteiligten und Ausgebeuteten betont, aber anzunehmen, dass, weil man eine moralische Stärke besitze, daraus eine praktische Lösung folge, ist falsch. Tatsache ist, dass die Programme der 60er Jahre gezeigt haben, dass niemand die Antwort weiß, und das jeder von Programm zu Programm geschlittert ist, ohne zu wissen, was funktionieren wird […].” Bell verweist dann direkt auf Harrington: „Mike Harrington [war] in der Shriver Arbeitsgruppe zum Problem der Armut, aber wenn Mike offen wäre, würde er zugeben, dass er kein Programm besaß, und seine Notlösung immer darin bestand, mehr Geld auszugeben („spending money“). Und das ist nicht die Antwort. Geld ändert nicht soziale Gewohnheiten, repariert kaputte Familien, gibt bessere Bildung etc.”

Obwohl Bell die Formulierung „Geld ausgeben“ („spending money“) schon in einem Aufsatz „Quo Warranto?“ aus dem Jahre 1970 verwendet (Bell 1970a), ähnelt sie einer von Nixon nach dessen Wiederwahl benutzten, welche Harrington (1988: 89) in seiner Autobiographie wörtlich zitiert.

Der Beginn der Debatte um den „Neokonservatismus”

Der Auslöser für die Prägung des Begriffs „Neokonservatismus“, den Harrington (1973c) rückblickend nennt, ist die amerikanische Präsidentschaftswahl 1972. Als Beginn der Bewegung gilt eine von Kristols Frau Gertrude Himmelfarb organisierte Zeitschriftenanzeige von Demokraten, die auch von Kristol unterstützt wird und die zur Wahl des republikanischen Kandidaten Richard Nixon bei der Abstimmung aufruft. Anders als Kristol unterstützen aber sowohl Bell als auch Glazer den demokratischen Kandidaten George McGovern (Glazer 1972). Bell und Kristol bspw. werden von der „New York Times“ gebeten, Gastkolumnen zu verfassen, in denen sie erklären sollen, wieso sie jeweils McGovern bzw. Nixon bevorzugen (Bell 2006: 122).3 Nixon erringt in einem Erdrutschsieg fast 61% aller Stimmen und verlor lediglich in zwei Bundesstaaten, während McGovern nur 37,5% der Stimmen auf sich vereinigen kann (Regnery 2008: 143).

Obwohl der Ausdruck „Neokonservative“ erst durch die Verwendung von Harrington bekannt wird, benutzt ihn im Umfeld von „Dissent“ zuerst Howe (1973) in dem kurz nach dieser Wahl verfassten Essay „Picking Up the Pieces“, worin er die Ursachen für die Niederlage von McGovern untersucht.4 Er sieht dabei seine eigene Vorhersage bestätigt, dass der tiefer liegende Grund für viele frühere demokratische Wähler, Nixon zu wählen, eine Ablehnung der politischen Unruhen war. Das Ergebnis der Abstimmung ist für ihn deshalb bis zu einem gewissen Grad der Preis für die Konfrontationspolitik der „neuen Linken“ wie auch ein Zeichen des Misstrauens gegenüber McGovern. Die nun anstehende Aufgabe für die Linke sieht Howe (1973: 10f.) zwar zunächst in einer eingehenden Beschäftigung mit den vergangenen Fehlern und künftigen politischen Möglichkeiten; grundlegender ist für ihn aber die Kritik des neuen konservativen Trends, den er nicht nur in der Regierung, sondern auch im intellektuellen Leben zu spüren vermeint. Howe kündigt daher eine weitere Diskussion des Phänomens in den nächsten Ausgaben von „Dissent“ an.

Der erste Artikel, der zu dem Thema in der Frühjahrsausgabe 1973 der Zeitschrift erscheint, ist Joseph Epsteins (1973) „The New Conservatives: Intellectuals in Retreat“, der jedoch nicht kanonisch wurde und den Darstellungen zur Geschichte des Neokonservatismus nicht als Ausgangspunkt der Debatte nennen. Schon bei ihm ist aber das Bewusstsein für die Heterogenität der Neokonservativen ausgeprägt (Epstein 1973: 153). Kristol bezeichnet er als den Inbegriff des Neokonservativen (Epstein 1973: 153), in der Einschätzung Bells ist er allerdings weniger sicher. So gebe dieser zwar die Zeitschrift „The Public Interest“ heraus, er habe aber weder die Anzeige für Nixon unterstützt noch polemische Aufsätze veröffentlicht, die belegten, dass er seine linksliberale Position verlassen hätte.

Erst in der Herbstausgabe 1973 von „Dissent“ erscheint Harringtons (1973a) Aufsatz „The Welfare State and Its Neoconservative Critics”, der den Begriff „Neokonservatismus“ populär macht und in dem er, im Gegensatz zu seiner Autobiographie, Bell zu dieser Gruppe zählt. Er bezieht sich dabei neben Glazers (1971) Artikel „Limits of Social Policy“ und Kristols (1972) Aufsatz „About Equality“ auf Bells (1972b) Veröffentlichung „On Meritocracy and Equality“, welche in der Herbstausgabe 1972 von „The Public Interest“ erschienen war, und nennt damit andere Referenztexte als Epstein. Auch steht bei Harrington, wie bereits der Titel des Artikels andeutet, wiederum im Unterschied zu Epstein (1973: 153), die Kritik der Neokonservativen am Wohlfahrtsstaat und nicht deren Kritik an der „neuen Linken“ im Mittelpunkt. Als Repräsentanten dieser Richtung bezeichnet er dabei zunächst Glazer, Daniel P. Moynihan und auch Bell. Jedoch sieht er ebenso wie Epstein Probleme bei der Einordnung des Letzteren, da Bell sich nie positiv über den Konservatismus geäußert und ebenso wie Glazer McGovern unterstützt habe. Zudem verstehe sich Bell selbst als Mann der Linken. Dennoch vertritt Harrington (1973a: 435) die These, dass die Ideen der Gruppe geschlossen und einheitlich auftreten würden. Diese Gemeinsamkeiten der Neokonservativen versucht er in der Folge nachzuweisen.

So lautet seiner Ansicht nach die erste ihrer Thesen, dass die Regierung zu viel getan und zu häufig interveniert habe, und die zweite, dass der Staat zu egalitär in seiner Politik gewesen sei (Harrington 1973a: 436, 439). In diesem Zusammenhang bezieht er sich explizit auf Bells (1972b) Artikel „On Meritocracy and Equality” und dessen Behauptung, die Universitäten seien gesellschaftliche Quasi-Vermittler der Klassenposition geworden. Dagegen spricht laut Harrington der Coleman-Report, den Bell selbst zitiert und der gezeigt habe, dass die soziale Herkunft den Bildungserfolg bestimme (Harrington 1973: 439).5 Er widerspricht auch Bells (1972b: 67) Behauptung, dass die Einkommensungleichheit abgenommen habe. Stattdessen wären die Maßnahmen von John F. Kennedy, etwa die Steuersenkungen und die beschleunigten Abschreibungsmöglichkeiten, eher zugunsten der Reichen ausgefallen (Harrington 1973a: 441f.). Dies sind aber die einzigen Stellen in seinem Artikel, an denen Harrington auf Bell verweist. Im weiteren Verlauf seiner Überlegungen, bspw. zur dritten neokonservativen Annahme, der zufolge die Konsequenzen des Regierungshandelns häufig nicht beabsichtigt seien und sogar negativ ausfielen, steht wie in seiner Autobiographie Glazers (1971) Artikel „The Limits of Social Policy“ im Mittelpunkt der Ausführungen (Harrington 1973a: 445, 448).

Wenn man die einzelnen laut Harrington für den Neokonservatismus charakteristischen Thesen betrachtet, treffen deshalb allein die zweite und die dritte, mit Einschränkungen, auf Bell zu. So übt Bell (1973) in keinem seiner Aufsätze zum Konzept der „post-industriellen Gesellschaft“ eine grundsätzliche Kritik am Eingreifen des Staates oder an den Konsequenzen der Regierungsmaßnahmen, sondern betont im Gegenteil die Notwendigkeit einer Planung durch die Politik. Harrington erwähnt ihn zudem selbst nur im Kontext der Kritik der egalitären Tendenzen, da Bell (1972b: 65) durch seine Begrifflichkeiten, z.B. „Resentiment“ oder „Populismus“, tatsächlich eine negativere Einschätzung im Vergleich zu früheren Beiträgen suggeriert. Dennoch formuliert Bell (1972b: 65) das Ziel einer stärkeren Angleichung der Menschen etwa in der Frage der Arbeitsverhältnisse und fordert ein Grundeinkommen. In der Einschätzung der vermeintlichen neokonservativen Autoren blendet Harrington ebenfalls, anders als Epstein, die gemeinsame Kritik an der „neuen Linken“ aus, die für viele der Grund für den Wandel der politischen Einstellung war. Trotz dieser inhaltlichen Mängel wurde Harringtons Aufsatz, auch mit der Benennung von Vertretern des Neokonservatismus, kanonisch.

Aber selbst innerhalb der Gruppe um die Zeitschrift „Dissent” ist die Einordnung Bells, wie schon Epsteins Artikel andeutete, umstritten. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass sich Michael Walzer (1973) in seinem Artikel „In Defense of Equality“, der in der gleichen Ausgabe wie Harringtons Kritik erscheint, positiv auf Bells Theorie und dessen Aufsatz „On Meritocracy and Equality“ bezieht. Howe, der sich zusammen mit Bernard Rosenberg in dem 1974 in „Dissent“ erschienenen Artikel „Are American Jews Turning to the Right“ mit dem neuen politischen Trend auseinandersetzt, erwähnt in diesem Zusammenhang ebenfalls weder Bell noch die Zeitschrift „The Public Interest“ (Rosenberg und Howe 1974). Auch Coser (1974) nennt in der Einleitung zu dem von ihm und Howe herausgegebenen Band „The New Conservatives. A Critique from the Left“, in dem die Artikel von Epstein, Harrington, Howe und Walzer versammelt sind, nicht Bell, sondern allein die Aufsätze „About Equality“ von Kristol und „The Limits of Social Policy“ von Glazer. In den genannten Arbeiten aus dem Umfeld von „Dissent“ zählt somit allein Harrington Bell zu den Neokonservativen, wobei er ihn nur an wenigen Stellen erwähnt. Alle anderen Autoren stellen Kristol oder Glazer in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen.

Rückzug aus „The Public Interest“ und offener Bruch mit Kristol

Die theoretischen Differenzen zwischen Bell und den Neokonservativen drücken sich auch in Bells Rücktritt als Herausgeber der Zeitschrift „The Public Interest“ im Frühjahr 1973, aus. Der Rücktritt fällt somit unmittelbar in die Zeit der Diskussion um den Begriff des „Neokonservatismus“. Seine Funktion übernimmt anschließend Glazer, der schon seit seinem Wechsel an die Harvard-Universität 1969 Mitglied des redaktionellen Beirats der Zeitschrift war (Glazer, Interview mit Autor, 30. August 2007). Dies wird häufig bei der späteren Zuordnung Bells zu der Gruppe wie auch bei der Darstellung der Geschichte von „The Public Interest“ nicht berücksichtigt.6 Dabei ist die Herausgeberschaft dieses Magazins ein Grund dafür, weshalb ihn z.B. Epstein (1973) überhaupt zum Kreis der Neokonservativen zählt.

Dieser Rücktritt Bells, der auf inhaltliche Differenzen mit Kristol zurückgeht, hat Folgen für die inhaltliche Ausrichtung der Zeitschrift. Zwar zeigen schon die Artikel nach 1970 eine größere Skepsis gegenüber dem Einfluss der Regierung, aber erst nach seinem Rückzug wird 1974 eine Spezialausgabe mit dem Titel „The Great Society – Lessons for the Future“ zu dem Thema herausgegeben. Das Jahr 1975 stellt auch für Mark Lilla (1985: 71f.) insofern eine Wasserscheide dar, als dass sich seit diesem Jahr die meisten Autoren kritisch gegenüber den Zielen des „New Deals“ und der „Great Society“ äußern. Für ihn ist dies zwar ein unbeabsichtigter Wechsel, der Wandel bezeugt aber auch das nach dem Rücktritt Bells fehlende Gegengewicht zu Kristol, da Glazer Kristol nicht nur politisch näher steht, sondern zudem einen anderen, kompromissbereiteren Charakter besitzt (Lilla, Interview mit Autor, 12. September 2007).

Die Differenzen Bells zu Kristol und den anderen Autoren der Zeitschrift manifestieren sich weiter dadurch, dass Bell nach seinem Rückzug bis zur endgültigen Trennung von „The Public Interest“ 1982 kaum noch dort veröffentlicht. In der Zeitschrift erscheinen nur mehr 1974 der Essay „The Public Household – on ‚Fiscal Sociology’ and the Liberal Society“, 1975 der Artikel „The End of American Exceptionalism“ für die Sonderausgabe der Zeitschrift zur 200-Jahr-Feier der USA und 1978 sein Reisebericht „A Report on England“ (Bell 1974, 1975a, 1978). Dagegen publiziert er verstärkt in anderen Periodika, z.B. dem „The American Journal of Sociology“ oder der „Encounter“ (Bell 1977b, 1977a). Die Weiterentwicklung seiner Theorie der „post-industriellen Gesellschaft“ erscheint ebenfalls nicht in „The Public Interest“, sondern in einem Sammelband (Bell 1980).

Kurze Zeit später treten diese theoretischen Unterschiede zu den Neokonservativen offen zutage. So verlässt Bell Anfang 1982 den redaktionellen Beirat von „The Public Interest“, dessen Vorsitzender er bis zu diesem Zeitpunkt noch gewesen war, und trennt sich damit endgültig von der Zeitschrift, denn diese wird mit der Präsidentschaft Ronald Reagans zunehmend politischer (Lilla, Interview mit Autor, 12. September 2007). Danach distanziert sich Bell (1985: 57) öffentlich von dem Magazin, so in seinem Artikel „The Revolt against Modernity“, der dort 1985 erscheint: „The Public Interest begann als ein Magazin, das anti-ideologisch ausgerichtet war […], nun ist es Teil einer ideologischen Kampagne gegen den Liberalismus.”7

Erstmals direkt von den Neokonservativen und Kristol sagt sich Bell (1984/1985) im Anschluss an das Symposium „Our Country and Our Culture“ los, das im Januar 1983 vom „Committee for a Free World“ abgehalten wird und sich auf das vorangegangene Symposium „Our Country and Our Culture“ der Zeitschrift „Partisan Review“ aus dem Jahre 1952 bezieht. In seinem Artikel „Our Country – 1984“, der in „Partisan Review“ erscheint, weist er daraufhin, dass 1952 die positive Darstellung Amerikas noch Proteste provoziert habe. In der Gegenwart gebe es dagegen eine Gruppe von konservativen Intellektuellen, für die die Bestätigung der USA und des Kapitalismus zur Grundlage ihrer Existenz geworden sei und für die jede Art von Kritik an Amerika einen Affront bedeute (Bell 1984/1985: 629). Als Beispiel für die Tendenz nennt er explizit die Zeitschrift „The Public Interest“. Er wirft den Neokonservativen auch vor, dass ihr eigener konservativer Standpunkt verschiedene Inkonsistenzen beinhalte. Sie verteidigten bspw. den Modernismus, würden aber zugleich eine populistische Sicht auf die Kunst vertreten.

In diesem Zusammenhang distanziert sich Bell, zunächst versteckt, von Kristol durch die Anspielung auf dessen Artikel „When virtue loses all her loveliness“, auf den sich Bell in früheren Essays noch affirmativ bezogen hat (Kristol 1970; Bell 1970b). So zeige sich dieser Widerspruch ebenfalls in der neokonservativen Sicht auf den Markt. Wenn man die Auffassung vertrete, dass dieser das einzige Richtmaß sei, stelle sich die Frage, was die Grenzen z.B. der Pornographie oder der Sexualität seien: „So geht man subtil über zu einer moralischen Vormundschaft bei den persönlichen Tugenden, während man einen Populismus in ökonomischen Fragen unterstützt, einem Gebiet, in dem Tugend ihre Lieblichkeit verloren hat („where virtue has lost its loveliness)“ (Bell 1984/1985: 634). Bell greift Kristol auch direkt an und zitiert aus dem Editorial der ersten Ausgabe von „The Public Interest“, in dem er und Kristol sich noch explizit gegen Ideologien gewendet hatten. Dies habe sich nun aber geändert, da für Kristol alle Politik ideologisch sei (Bell 1984/1985: 635).

In langen Interviews, die Mitte der 90er Jahre für eine Filmdokumentation über die Gruppe der NYI geführt werden, setzt sich Bell weiter von Kristol ab. Als zentralen Unterschied zu ihm führt er an, dass dieser vollkommen ideologisch in dem Sinne geworden sei, dass er sich auf einem Kreuzzug befinde und Kristol deshalb aggressiver in seiner Sichtweise geworden sei (Dorman 2000: 180). Besonders stört er sich an einem Artikel Kristols, in dem dieser nicht mehr den Kalten Krieg, sondern den Krieg gegen den Liberalismus als vorrangiges politisches Ziel benennt (Dorman 2000: 180). Bell (1996b: 203, 1999: XXVIII) selbst orientiert sich dagegen, wie er 1996 in seinem neuen Vorwort für sein Buch „Marxian Socialism in the USA“ ausführt, weiter an der Idee des Sozialismus und dessen moralischem Ideal der Gleichheit und der Möglichkeit für alle, sich selbst und seine Talente entfalten zu können. Bell bezeichnet sich deshalb 1999 als „post-Marxist“.

Fazit

Trotz dieser expliziten Absagen blieb Bells Bemühen um Distanz von den Neokonservativen weitgehend folgenlos. So fand Howe trotz seiner scharfen Auseinandersetzungen mit der „neuen Linken“ zum Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre noch Anerkennung bei der Linken (Rodden 2005), Bell hingegen nicht mehr. Dies gilt auch für seine Rezeption in Deutschland, da Jürgen Habermas (1988, 1990), der sich stark auf das erste umfassende, amerikanische Werk zu der Gruppe der „Neokonservativen“ von Peter Steinfels (1979) stützt, den Begriff und die Zuordnung Bells zu dem Kreis hierzulande wirkungsmächtig einführt. Welche Konsequenzen dies haben kann, zeigt sich darin, dass eine ähnliche Beschreibung postmoderner Autoren durch Habermas (1988) deren Rezeption in Deutschland lange behinderte.8 Wenn Stephan Lessenich (2011) deshalb in einem kürzlich veröffentlichten Artikel das Werk Bells für den konservativen Abbau des Wohlfahrtsstaats in den 80er Jahren verantwortlich macht, ist nicht nur ein entferntes Echo der frühen amerikanischen Debatte zu spüren.

Das Nachzeichnen der Etablierung des Begriffs „Neokonservatismus“ zeigt jedoch, dass die Diskussion zunächst innerhalb der Zeitschrift „Dissent“ geführt wird, die zu der Gruppe der NYI zu zählen ist, der auch Bell angehörte. Deshalb zeigen sich trotz aller Polemik starke Übereinstimmungen zwischen Harrington und Bell z.B. hinsichtlich der Kritik an der „neuen Linken“ oder der These der Entstehung einer „neuen Klasse“. Die Kennzeichnung Bells ist auch anhand der von Harrington selbst angeführten Kriterien fragwürdig, da Bell in dem von Harrington genannten Artikel „On Meritocracy and Equality“ keine grundsätzliche Kritik am Wohlfahrtsstaat übt. Er fordert im Gegenteil eine stärkere soziale Gleichheit und Absicherung. Zudem ist die Beschreibung Bells als „Neokonservativer“ selbst innerhalb des „Dissent“-Zirkels von Beginn an umstritten und weder von Howe noch von Walzer noch Coser folgen ihr.

Die Unterschiede zwischen Bell und den Neokonservativen werden weiter dadurch deutlich, dass er schon 1973 vom Herausgeberposten von „The Public Interest“ zurücktrat, woraufhin sich der Kurs der Zeitschrift änderte und die Kritik an staatlichen Wohlfahrtsprogrammen zunahm. Die offene Distanzierung Bells von dem Magazin und von Kristol erfolgt zwar erst Anfang der 1980er Jahre. Grund dafür ist die lange persönliche Verbindung Bells mit Kristol, den Bell (2009) noch kurz vor seinem Tod, trotz aller politischen Differenzen, in einem Brief als Freund bezeichnet.

Wieso hat sich dennoch die Beschreibung Bells als „Neokonservativer“ durchgesetzt? Ein Grund dafür ist, neben dem beschriebenen Abgrenzungsbedürfnis Linker wie Harrington von gemäßigten Sozialdemokraten wie Bell, das Interesse amerikanischer konservativer Autoren, in dem historisch stark durch liberale Denkströmungen geprägten Land auch eine genuin konservative Tradition als Vorläufer des zeitgenössischen Neokonservatismus aufzuweisen (Friedman 2005). Zudem kommt es als Effekt der von Harrington initiierten Debatte zu einer Abwendung früherer Freunde und Verbündeter sowie zu einer Hinwendung Konservativer zu den als „neokonservativ“ Bezeichneten, die daraufhin zu Konferenzen oder zur Mitarbeit in Denkfabriken eingeladen werden (Lipset 1988: 10f.). Lipset z.B. wird so Fellow der „Hoover Institution“. Bei Bell (1972a), der seine institutionelle Distanz behält, zeigen sich die Folgen der Diskussion zum Einen darin, dass in der Zeitschrift „Dissent“ für viele Jahre keine Essays von ihm mehr erscheinen, obwohl er dort noch 1972, also kurz vor dem Artikel Harringtons, seinen Aufsatz „Labor in the Postindustrial-Society“ veröffentlicht hatte. Zum Anderen können spätere Arbeiten Bells mit größerer Berechtigung als neokonservativ bezeichnet werden als sein ursprünglicher Aufsatz „On Meritocracy and Equality“, der die Grundlage für die Zuordnung zu den Neokonservativen bildete. So betont er z.B. in seinen folgenden religionssoziologischen Schriften wie „Religion in a Postindustrial Age“ (Bell 1975b), die Stephan Halper und Jonathan Clarke (2004) als Beleg für seine neokonservative Haltung nehmen, stärker als in früheren Essays die Notwendigkeit des Glaubens zur Integration von Gesellschaften. In den 1980er Jahren revidiert er seine Position und nähert sich wieder zivilgesellschaftlichen Vorstellungen an.9

Die fortwirkende Bezeichnung Bells als „neokonservativ“ hat jedoch zur Folge, dass die Rezeption seiner theoretischen Arbeiten behindert oder verzerrt wird. Ein Grund dafür ist, dass sich, wie schon die Ausführungen Harringtons zum Bellschen Konzept der „Wissensgesellschaft“ zeigen, die Autoren, die sich mit den politischen Ansichten Bells beschäftigen, gleichfalls mit dessen Theorie auseinandersetzen. Der Einfluss der Kennzeichnung als „neokonservativ“ ist daher etwa bei der Interpretation von Bells Buch „The Cultural Contradictions of Capitalism“ zu erkennen, das deswegen entweder gar nicht rezipiert oder als konservativ gedeutet wird. Nichtsdestotrotz lassen sich dort ebenfalls Unterschiede zu neokonservativen Ansichten aufzeigen.10 Im Wege einer Neudeutung Bells als Sozialdemokrat aber, die sich mit seiner Selbsteinschätzung deckte, könnte er dagegen als Kritiker des Neoliberalismus wieder entdeckt werden, wie z.B. die neuen Vor- bzw. Nachworte der Wiederauflagen seiner Bücher belegen.

 

Anmerkungen

1   Harrington verwendet den Begriff „Neokonservatismus“ zwar nicht als Erster, allerdings entfaltet der Terminus erst ab diesem Zeitpunkt bleibende Wirkung.

2   Bell verweist auf Harringtons Wechsel von der Sozialistischen zur Demokratischen Partei 1973.

3   Die Artikel wurden aber nicht gedruckt (Bell 2006: 122).

4   Harrington sagt später selbst, dass es schon vor 1972 unter den Herausgebern von „Dissent“ das Bewusstsein des Entstehens eines Neokonservativismus gegeben habe. Der Ausdruck könne deshalb auch von Howe oder von den anderen Herausgebern stammen (Harrington 1988: 96).

5   Harrington bezieht sich dabei auf den Coleman-Report „Equality of Educational Opportunity“ aus dem Jahre 1966, der zu dem Ergebnis kam, dass es keinen großen Unterschied in der finanziellen Unterstützung der weißen und der schwarzen Schulen gab. Entscheidender als die materielle Ausstattung stellte sich für den späteren Bildungserfolg die familiäre Herkunft heraus (Coleman et al. 1966).

6   Glazer z.B. erwähnt in seiner Rückschau auf die Zeitschrift den Wechsel nur kurz und thematisiert ihn nicht weiter, Lilla geht in seiner Darstellung gar nicht auf ihn ein (Glazer 1985; Lilla 1985).

7   Bell (1989) veröffentlicht danach nur noch einen weiteren Aufsatz in der Zeitschrift.

8   Die gegenwärtig starke Bezugnahme einer kritisch ausgerichteten Soziologie auf postmoderne Autoren wie Michel Foucault zeigt die Revisionsbedürftigkeit der ursprünglichen Kennzeichnung von Habermas (Bröckling 2007).

9   Stephan Halper und Jonathan Clarke (2004: 54f.) heben zudem selbst hervor, dass Bell im Unterschied zu konservativen Autoren eine allgemeine Erklärung von Religion liefert und keine Kandidaten dieser politischen Richtung unterstützt.

10 Dies kann hier nicht näher gezeigt werden, da das Buch „The Cultural Contradictions of Capitalism“ für die ursprüngliche Einordnung Bells als Neokonservativer keine Rolle spielt. Das Werk wird erst später als Grund dieser Charakterisierung herangezogen (Steinfels 1979), obwohl das zentrale Kapitel des Buches schon 1970 als Aufsatz erschienen war (Bell 1970b).

 

Literatur

Abrams, Nathan (2009): “A Profoundly Hegemonic Moment”: Demythologizing the Cold War New York Jewish Intellectuals, in: Goffman, Ethan/Morris, Daniel (Hrsg.): The New York Public Intellectuals and Beyond. Exploring Liberal Humanism, Jewish Identity and the American Protest Tradition, West Lafayette, Ind., S. 17-34.

Alexander, Edward (1998): Irving Howe. Socialist, Critic, Jew, Bloomington, Ind.

Aronowitz, Stanley (2007): Considerations on the Origins of Neoconservatism, in: Thompson, Michael J.: (Hrsg.): Confronting the New Conservatism. The Rise of the Right in America, New York, S. 56-70.

Bell, Daniel (1963): Veblen and the Technocrats, in: Veblen, Thorstein: The Engineers and the Price System. With a New Introduction by Daniel Bell, New York, S. 2-35.

Bell, Daniel (1970a): Quo Warranto? – Notes on the Governance of Universities in the 1970’s, in: The Public Interest, 19 (Frühling), S. 53-68.

Bell, Daniel (1970b): The Cultural Contradictions of Capitalism, in: The Public Interest, 21 (Herbst), S. 16-43.

Bell, Daniel (1972a): Labor in the Postindustrial-Society, in: Dissent 19 (Winter), S. 163-189.

Bell, Daniel (1972b): On Meritocracy and Equality, in: The Public Interest, 29 (Herbst), S. 29-68.

Bell, Daniel (1973): The Coming of Post-Industrial Society. A Venture in Social Forecasting, New York.

Bell, Daniel (1974): The Public Household – On „Fiscal Sociology“ and the Liberal Society, in: The Public Interest, 37 (Herbst), S. 29-68.

Bell, Daniel (1975a): The End of American Exceptionalism, in: The Public Interest, 41 (Herbst), S. 193-224.

Bell, Daniel (1975b): Religion in a Postindustrial Age, in: Social Research, 42 (Herbst), S. 381-413.

Bell, Daniel (1977a): Teletext and Technology, in: Encounter, 48 (Juni), S. 9-29.

Bell, Daniel (1977b): The Once and Future Marx, in: The American Journal of Sociology, 83 (Juli), S. 187-197.

Bell, Daniel (1978): A Report on England: I. The Future That Never Was, in: The Public Interest, 51 (Frühjahr), S. 35-73.

Bell, Daniel (1980): The Social Framework of the Information Society, in: Forester, Tom (Hrsg.): The Microelectronics Revolution. The Complete Guide to the New Technology and Its Impact on Society, Oxford, S. 500-549.

Bell, Daniel (1984/1985): Our Country – 1984, in: Partisan Review, 51/52 (Herbst/Winter), S. 620-637.

Bell, Daniel (1985): The Revolt Against Modernity, in: The Public Interest, 81 (Herbst), S. 42-63.

Bell, Daniel (1989): „American Exceptionalism“ Revisited: The Role of Civic Society, in: The Public Interest, 95 (Frühjahr), S. 38-56.

Bell, Daniel (1996a): The Cultural Contradictions of Capitalism. With a new Afterword by the Author, New York.

Bell, Daniel (1996b): Marxian Socialism in the United States. With a new Introduction by Michael Kazin and a new Afterword by the Author, Ithaca.

Bell, Daniel (1999): The Coming of Post-Industrial Society. A Venture in Social Forecasting. With a new Foreword by the Author, New York.

Bell, Daniel (2006): On Society & Sociology Past & Present, in: Daedalus, 135 (1), S. 120-123.

Bell, Daniel (2009): For the Record, in: The Economist, 392 (10. Oktober), S. 18-19.

Bluhm, Harald (2006): Figuren einer intellektuellen Bewegung – Irving Kristol, Daniel Bell, Leo Strauss und der Neokonservatismus, in: Bluhm, Harald/Reese-Schäfer, Walter (Hrsg.): Die Intellektuellen und der Weltlauf. Schöpfer und Missionare politischer Ideen in den USA, Asien und Europa nach 1945, Baden-Baden, S. 41-61.

Bröckling, Ulrich (2007): Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt a. M.

Coleman et al. (1966): Equality of Educational Opportunity, Washington.

Coser, Lewis A. (1974): Introduction, in: Coser, Lewis A./Howe, Irving (Hrsg.): The New Conservatives. A Critique from the Left, New York, S. 3-8.

Dorman, Joseph (2000): Arguing the World. The New York Intellectuals in their own Words, New York.

Drolet, Jean-Francois (2011): American Neoconservatism. The Politics and Culture of a reactionary Idealism, New York.

Ehrman, John (1995): The Rise of Neoconservatism. Intellectuals and Foreign Affairs 1945-1994, New Haven.

Epstein, Jason (1973): The New Conservatives: Intellectuals in Retreat, in: Dissent, 20 (Frühjahr), S 151-162.

Friedman, Murray (2005): The Neoconservative Revolution. Jewish Intellectuals and the Shaping of Public Policy, Cambridge.

Fuller, Adam L. (2012): Taking the Fight to the Enemy. Neoconservatism and the Age of Ideology, Lanham, MD.

Gerson, Mark (1996a): The Neoconservative Vision. From the Cold War to the Culture Wars, Lanham, MD.

Gerson, Mark (Hrsg.) (1996b): The Essential Neoconservative Reader, Reading, MA.

Gitlin, Todd (1987): The Sixties. Years of Hope, Days of Rage, New York.

Glazer, Nathan (1971): The Limits of Social Policy, in: Commentary, 52 (September), S. 51-58.

Glazer, Nathan (1972): McGovern and the Jews: A Debate, in: Commentary, 54 (September), S. 43-47.

Glazer, Nathan (1985): Interests and Passions, in: The Public Interest, 81 (Fall), S. 7-30.

Glazer, Nathan (2009): For the Record, in: The Economist, 392 (10. Oktober), S. 19.

Habermas, Jürgen (1988): Die Moderne – ein unvollendetes Projekt, in: Welsch, Wolfgang (Hrsg.): Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion, Weinheim, S. 177-192.

Habermas, Jürgen (1990): Die Kulturkritik der Neokonservativen in den USA und in der Bundesrepublik, in: ders.: Die Moderne – ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-politische Aufsätze 1977-1990, Leipzig, S. 75-105.

Halper, Stephan/Clark, Jonathan (2004): America Alone. The Neo-Conservatives and the Global Order, Cambridge.

Harrington, Michael (1954): A Discussion: The Third Camp Socialist as “Witness”, in: Labor Action, 18 (17. Mai), S. 2-C, 4-C.

Harrington, Michael (1970): The New Elite, in: Commentary, 49 (Februar), S. 84-85.

Harrington, Michael (1972a): Old Working Class, New Working Class, in: Dissent, 19 (Winter), S. 146-162.

Harrington, Michael (1972b): Socialism, New York.

Harrington, Michael (1973a): The Welfare State and Its Neoconservative Critics, in: Dissent, 20 (Fall), S. 435-454.

Harrington, Michael (1973b): Fragments of the Century, New York.

Harrington, Michael (1988): The Long-Distance Runner. An Autobiography, New York.

Heilbrunn, Jacob (2008): They Knew They Were Right. The Rise of the Neocons, New York.

Howe, Irving (1973): Picking Up the Pieces, in: Dissent, 20 (Winter), S. 7-12.

Howe, Irving (1982): A Margin Of Hope, New York.

Isserman, Maurice (2000): The Other American, New York.

Keller, Patrick (2008): Neokonservatismus und amerikanische Außenpolitik. Ideen, Krieg und Strategie von Ronald Reagan bis George W. Bush, Paderborn.

Kristol, Irving (1970): „When Virtue loses all her Loveliness“, in: The Public Interest, 21 (Herbst), S. 3-15.

Kristol, Irving (1972): About Equality, in: Commentary, 54 (November), S. 41-47.

Kristol, Irving (1995): Memoirs of a Trotzkyist, in: ders.: Neoconservatism. An Autobiography of an Idea, New York, S. 469-480.

Lessenich, Stephan (2011): Die kulturellen Widersprüche der Aktivgesellschaft, in: Koppetsch, Cornelia (Hrsg.): Nachrichten aus den Innenwelten des Kapitalismus. Zur Transformation moderner Subjektivität, Wiesbaden, S. 253-263.

Lilla, Mark (1985): What Is The Civic Interest?, in: The Public Interest, 81 (Herbst), S. 64-81.

Lipset, Seymour M. (1988): Neoconservatism: Myth and Reality, in: Holtfrerich, Carl-Ludwig (Hrsg.): Ernst Fraenkel Vorträge zur amerikanischen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Geschichte 1, Berlin, S. 1-18.

Regnery, Alfred S. (2008): Upstream. The Ascendancy of American Conservatism, New York.

Rodden, John (2005): Irving Howe and the Critics. Celebrations and Attacks, Lincoln, NE.

Rosenberg, Bernard/Howe, Irving (1974): Are American Jews Turning to the Right?, in: Dissent, 21 (Winter), S. 30-45.

Steinfels, Peter (1979): The Neoconservatives. The Men Who Are Changing America’s Politics, New York.

Stelzer, Irwin (Hrsg.) (2004): The Neocon Reader, New York.

Thompson, Michael J. (Hrsg.) (2007): Confronting the New Conservatism. The Rise of the Right in America, New York.

Tzogopoulos, George N. (2012): US Foreign Policy in the European Media, London.

Vaisse, Justin (2010): Neoconservatism. The Biography of a Movement, Cambridge.

Volkert, Bernd (2006). Der amerikanische Neokonservatismus. Entstehung – Ideen – Intentionen, Berlin.

Walzer, Michael (1973): In Defense of Equality, in: Dissent, 20 (Fall), S. 399-408.

 

Erschienen in: Berliner Debatte INITIAL 24 (2013) 1, S. 137-147