Interview mit Betriebsrat Michael Weißenfeldt*
Ende November 2011 zeigte sich der Maredo-Konzern auf dramatische Weise von seiner betriebsrats- und gewerkschaftsfeindlichen Seite. Etwa 20 Beschäftigte wurden teilweise bis zu zwei Stunden im verschlossenen Restaurantbereich eingesperrt. Einzeln wurden die festgehaltenen KollegInnen in verschiedenen Räumlichkeiten durch die teilweise aus Düsseldorf angereisten, teilweise auch aus anderen Regionen abkommandierten Verantwortlichen zu angeblichen Verfehlungen im Zusam-menhang mit der Bonierung von Personalessen oder sonstigen Eigentumsdelikten verhört. Durch »massive Einschüchterung« wurden, wie MitarbeiterInnen berichteten, ca. einem Dutzend Beschäftigten Eigenkündigungen ihrer teilweise langjährigen Beschäftigungsverhältnisse abgerungen, bei den meisten anderen wurden fristlose Kündigungen eingeleitet.
Aber die Beschäftigten lassen sich nicht einschüchtern: Während zwei der erzwungenen Eigenkündigungen durch die NGG vor dem Arbeitsgericht angefochten werden, hat sich ein Initiativkreis unter den Beschäftigten gebildet, der sich wehrt. Karin Zennig und Kirsten Huckenbeck befragten den langjährigen Betriebsrat Michael Weißenfeldt zu den Vorkommnissen und zur Situation in einer »Goldgrube der Systemgastronomie«.
Könntest Du etwas zu Eurer Filiale und zur Vorgeschichte dieses Vorfalls erzählen?
Michael Weißenfeldt: Das Maredo in der »Fressgass’« in Frankfurt/Main war das vierte der Steakhauskette überhaupt. Es war jahrelang eine Goldgrube, und auch jetzt ist es noch einer der besten Umsatzbringer. Seit über zwanzig Jahren gibt es in dieser Filiale einen Betriebsrat, der bereits in seiner Anfangszeit hart mit der Unternehmensleitung kämpfen musste. Unter anderem kam eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitgestaltung heraus, die über lange Jahre Vorbildfunktion hatte. In den letzten Jahren sah der Betriebsrat seine Hauptaufgabe darin, erreichte Standards zu verteidigen.
Wie sah denn bisher das Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten bzw. Betriebsräten bei Euch aus?
M. W.: Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung war durchaus »normal«. Der BR sah sich sehr wohl als Interessenvertreter der Beschäftigten, bediente andererseits aber auch die Interessen des Kapitals, als »Schmierstoff« das Getriebe des Unternehmens in Gang zu halten. Die letzte turnusmäßige BR-Wahl jedoch wurde von Maredo angefochten. Als wir eine Neuwahl anstrebten, wurde von deren Seite versucht, sie zu sabotieren. Dies gelang aber nicht, wir gewannen wieder haushoch.
Als Vertreter der Arbeitnehmer waren der BR-Vorsitzende Mimoun Bouhout und ich in der Tarifkommission. Wir wollten mindestens 8,50 Euro Mindestlohn und sechs Prozent Lohnerhöhung. Die Arbeitgeber in der Dehoga lachten uns aus, boten nichts für das Jahr 2011 und 1,5 Prozent für 2012. Die dritte Tarifrunde war für kurz vor Weihnachten anberaumt. Da waren wir schon drei Wochen aus dem Weg geräumt, ebenso wie die BR-Vorsitzende Jacqueline Fiedler aus Osnabrück.
Gab es solche Vorfälle bereits in der Vergangenheit?
M. W.: Nach unseren Recherchen gab es solche oder ähnliche Fälle, in denen die Belegschaft von einem zum anderen Tag ausgewechselt wurde, in der Systemgastronomie schon mehrfach zuvor. Nur kam so etwas nie an die Öffentlichkeit. Entweder wurden die Beteiligten so massiv eingeschüchtert, dass sie sich nicht mehr trauten, irgendetwas zu tun, oder sie arrangierten sich. Es ist ja interessant, wie niedrig die Zahl der Betriebsräte in der Systemgastronomie ist. Bei Maredo mit über fünfzig Betrieben sind es kaum mehr als eine Hand voll, das »Blockhaus« hat nach Angaben der NGG gar keine.
Warum hat das Unternehmen Deiner Meinung nach eine derartige Eskalationsstrategie eingeschlagen?
M. W.: In der Kapitalistenklasse gibt es verschiedene Fraktionen. Die einen nutzen Betriebsräte und Gewerkschaften, indem sie sie einbinden – ich glaube, das heißt mittlerweile »Co-Management«, eine Art Korruption auf niedrigstem Niveau –, um sich und ihnen die Ausbeutung der Kollegen zu erleichtern. Die anderen sehen sie als den Klassenfeind, den sie vernichten müssen. Sie haben die Sozialpartnerschaftsideologie zwar mit in die Welt gesetzt, sind dieser Lüge aber nie selbst aufgesessen.
Wie sieht die betriebliche Situation für Euch konkret aus? Arbeitet Ihr weiter? Und kann der Betriebsrat seinen Aufgaben noch nachgehen?
M. W.: Den Betriebsrat gibt es noch. Maredo strebt zwar auch an, ihn zu entlassen, aber das ist nicht ganz so einfach. Der Kammertermin für das Zustimmungsersetzungsverfahren ist am 8. Mai 2012 am Arbeitsgericht Frankfurt. Sollte Maredo dort gewinnen, könnten sie uns kündigen, und sie werden auch nicht zögern, das zu tun.
Maredo möchte schon, dass wir BR-Arbeit machen, oder genauer gesagt: das, was sie uns als unsere BR-Arbeit zubilligen. Somit kann ihnen niemand nachsagen, dass sie den BR zerschlagen wollten. Aber sie lassen uns am ausgestreckten Arm verhungern, indem sie uns außer dem Dienstplanentwurf, Einstellungen und Entlassungen nichts mitteilen. Alles, was in der Betriebsvereinbarung steht, ist auf einmal obsolet. Wir können die Kontrollaufgaben nicht erfüllen. Auch alles andere wird uns sehr schwer gemacht. Über das Arbeitsgericht haben wir aber erwirkt, dass wir jederzeit Betriebsratsarbeit im Betrieb machen können – wir haben ja für alle Maredo-Betriebe Hausverbot, und Maredo wollte, dass wir nur unter Aufsicht und nach langer Voranmeldung den Betrieb betreten dürfen. Das Gericht sah darin aber eine übermäßige Einschränkung der BR-Arbeit.
Insgesamt 14 Beschäftigte und Betriebsräte haben gegen Verantwortliche der Steakhauskette Maredo mit Sitz in Düsseldorf Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung und Nötigung erstattet. Wie ist hier die aktuelle Situation? Was ist der Stand in Bezug auf die Strafanzeige?
M. W.: Alle Kollegen, die Strafantrag gestellt haben, wurden bisher vom Kommissariat 12 der Kriminalpolizei als Zeugen befragt. Die Gespräche mit jedem einzelnen dauerten jeweils mehrere Stunden. Jetzt liegt es an Polizei und Staatsanwaltschaft, tätig zu werden.
Wie sieht die Situation der gekündigten KollegInnen aus?
M. W.: Das schwierigste war die Situation direkt nach der Kündigung: Die war ja bei allen fristlos, und das heißt normalerweise drei Monate Sperre beim Arbeitsamt und kein Geld. Einige der Kollegen arbeiten wieder in der Gastronomie, und das, obwohl die Firma Maredo extrem schlechte Zeugnisse ausstellt.
Wie stellt sich die Situation im Konzern bzw. an anderen Standorten dar?
M. W.: In Osnabrück gibt es auch einen aktiven Betriebsrat. Die Kollegin Jacqueline Fiedler wird dort seit vielen Monaten massiv gebosst und gemobbt. Dort hat Maredo die KollegInnen so stark unter Druck gesetzt, dass sie – in der irrtümlichen Ansicht, sie könnten damit ihren Job retten – bereits Unterschriften gegen ihren selbst gewählten Betriebsrat sammeln. Doch auch hier ist es wie überall im Leben: Geliebt wird der Verrat, nicht der Verräter. Maredo betreibt die Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden: Das Verfahren zur Zustimmungsersetzung findet am 19. April beim Arbeitsgericht Osnabrück statt. Arbeitsgerichtsverfahren sind öffentlich. Da müsst Ihr unbedingt hinkommen.
Wie wird Eure Auseinandersetzung von Beschäftigten in anderen Maredo-Filialen wahrgenommen?
M. W.: Maredo fährt eine Desinformationskampagne. Intern in Aushängen und Schreiben an die Mitarbeiter werden wir denunziert und in die Nähe der Mafia gerückt. Maredo spricht von »500 Straftaten«, die »nachweisbar festgestellt« worden seien, nahezu alle Mitarbeiter seien dabei gewesen, »angeführt durch den dreiköpfigen Betriebsrat«; Maredo spricht von einem »dauerhaften, man kann sagen organisierten, Betrug und Diebstahl«. Das ist Denunziation und Rufmord. Der Geschäftsführer Uwe Büscher ist zur Zeit in einer Schmusetour, getarnt als »Frühstück mit den Geschäftsführern«, unterwegs durch Deutschland, um seine Mitarbeiter zu instruieren. Die KollegInnen erhalten dort natürlich nur ganz einseitige Informationen.
Die Vielzahl von Aktivitäten, die Ihr in der kurzen, bisher vergangenen Zeit unternommen habt, die kontinuierliche Pressearbeit, die Einbeziehung politischer Akteure wie z.B. die Einladung der OB-KandidatInnen im Vorwahlkampf, Aktionen, Veranstaltungen und Kundgebungen gegen Maredo – all das liest sich wie eine gut durchdachte Eskalationskampagne. Was ist Euer Plan, könnt Ihr uns etwas über Eure nächsten Schritte verraten?
M. W.: Wir haben keine Eskalationskampagne. Wir verteidigen uns nur. Eskaliert ist das Ganze wegen des Vorgehens von Maredo. Da gibt es viele Punkte, die die Menschen, mit denen wir sprechen, empören:
- die illegale Videoüberwachung im Vorfeld,
- der illegale Einsatz verdeckter Ermittler, d.h. von Spitzeln,
- die Kommandoaktion am 26. November 2012, in der etwa ein Dutzend Mitarbeiter und Zuarbeiter von Maredo, unter ihnen hochrangige Rechtsanwälte, die Kollegen schwer unter Druck gesetzt haben, wo sie im dunklen Lokal bei Kommunikationsverbot festgehalten wurden, wo die Kollegen nicht herausdurften, und wo sie erst nach Stunden etwas zu trinken bekamen.
- der offensichtliche Zweck der Kündigungen, einen unliebsamen Betriebsrat zu entfernen,
- der Zweck, die Arbeiter, die teilweise seit zwanzig, dreißig Jahren loyal zu Maredo gestanden haben, rauszuschmeißen, weil es Menschen gibt, die bereit sind, zu noch geringeren Löhnen zu arbeiten,
- und weil die neuen Kollegen zu Niedrigstlöhnen (7,50 Euro brutto) und nur befristet eingestellt werden. Menschen, die sich mit solch unsicheren Verträgen kaum trauen werden, sich zu wehren und Widerstand zu leisten.
- Außerdem ist es für viele Bürger schwer erträglich, dass Pressemedien, Internet und Fernsehen unter Druck gesetzt werden sollen.
Wir werden natürlich weitermachen, wir werden die Wahrheit über Maredo sagen.
Zurzeit bereiten wir eine bundesweite Kampagne vor. Und wir brauchen viel Hilfe und Öffentlichkeit für die juristischen Verfahren gegen die Kündigungen: am 19. April um 10 Uhr am Arbeitsgericht in Osnabrück und am 8. Mai um 13.30 Uhr am Arbeitsgericht Frankfurt/Main, wo es um die Zustimmungsersetzung der drei Frankfurter Betriebsräte geht. Am 21. April ab 9 Uhr werden wir bei der Delegiertenkonferenz der Gewerkschaft NGG sein und unser Anliegen vorstellen, mittags demonstrieren wir dann. Weiteres geben wir kurzfristig bekannt.
Wie wir gehört haben, hat sich mittlerweile ein Unterstützungskomitee für Eure Auseinandersetzung gebildet. Mit wem und wie arbeitet Ihr dort zusammen? Wie könnt Ihr weiter unterstützt werden?
M. W.: Das wichtigste für uns ist die Solidarität und die Unterstützung durch die Gewerkschaft. Dies hat glücklicherweise geklappt, und das, obwohl die Gewerkschaft überhaupt nicht auf solche Angriffe des Klassenfeindes vorbereitet ist. So etwas wie einen Notfallplan gibt es zum Beispiel gar nicht. Aber – und dies ist meine Meinung – ein Kampf ohne oder gar gegen die Gewerkschaften ist zum Scheitern verurteilt. Allerdings mussten wir auch Bündnispartner auf breitester Ebene suchen. Die haben wir gefunden in sozialen Bewegungen wie z.B. Occupy Frankfurt, der Kommunalen Ausländervertretung, dem Hessischen Sozialforum, bei Parteien vorwiegend des linken Spektrums und bei Jugendorganisationen, bei Gewerkschaften und in Hochschulen, bei den OB-KandidatInnen – außer Boris Rhein – und bei Internet-AktivistInnen.
Ihr könnt uns unterstützen:
- macht unsere Anliegen publik,
- verweist auf die Veröffentlichungen im Internet und in der Presse,
- kommt mit zu unseren Veranstaltungen.
Das Solidaritätskomitee trifft sich einmal wöchentlich mittwochs ab 17 Uhr im Gewerkschaftshaus Frankfurt. Jeden Samstag um 13 Uhr stehen wir vor dem Maredo in der Frankfurter Fressgass.
Ansprechpartner des Solikomitees sind: Volkhard Mosler, volkhard.mosler@gmx.de und Jürgen Ehlers, ehl55@gmx.de
* Michael Weißenfeldt ist seit zehn Jahren bei Maredo, seit sechs Jahren im Betriebsrat; er ist der stellvertretende Vorsitzende.
erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 3/12
express im Netz unter: www.express-afp.info, www.labournet.de/express