100.000 demonstrierten am 18. September 2010 für den Atomausstieg. Und jetzt? Auf ins Wendland: Castor stoppen!
Großartig! Am 18. September 2010, zwei Tage vor Drucklegung dieser GWR, haben rund 100.000 Anti-Atom-AktivistInnen in Berlin für den sofortigen Atomausstieg demonstriert.
Vor einem Jahr protestierten 50.000 in Berlin und im April 2010 beteiligten sich rund 140.000 Menschen an den Anti-Atom-Aktionen zum Tschernobyl-Jahrestag. Die Anti-Atom-Bewegung ist so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr.Und der Bundesregierung, die gerade dreist im Auftrag der Atommultis eine weitere Laufzeitverlängerung für die deutschen Schrottmeiler bis zum Sankt Nimmerleinstag beschlossen hat, droht ein politischer GAU.
Ob die Atomstaatspolitik weiterhin gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden kann, wird sich zeigen. „Das letzte Wort in Sachen Atomenergie ist noch längst nicht gesprochen!", so der .ausgestrahlt-Aktivist und Ex-GWR-Redakteur Jochen Stay nach der von ihm mitorganisierten Berliner Großdemo.
Die momentane Größe der Anti-Atom-Bewegung hat auch damit zu tun, dass nun viele Mitglieder von SPD und Grünen mitdemonstrieren und das oft mit ihren Parteifähnchen zur Schau stellen. Das war zwischen 1998 und 2005, als es sich die ParteifunktionärInnen auf den Regierungsbänken bequem gemacht haben, nicht der Fall. Da hat sich kaum eine/r der rot-grünen „Atomkompromissler" auf eine Anti-Atom-Demo getraut. Das wäre ein Verstoß gegen die Parteiräson gewesen.
Umso problematischer und geradezu ekelerregend ist das Heranrobben der ParteifunktionärInnen der derzeitigen Oppositionsparteien an die momentan größte soziale Bewegung des Landes. Wo immer die Massenmedien auf den Anti-Atom-Demos auftauchen, schmeißen sich Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin, Claudia Roth und Co. vor die Kameras und Mikrophone, um die Demo als Wahlkampfbühne für sich und die Partei zu instrumentalisieren.
Aber vergessen wir nicht: SPD und Grüne haben sich in ihrer Regierungszeit von den Aktionen der Anti-Atom-Bewegung distanziert und stattdessen einen Pseudo-"Ausstieg" mit der Atomindustrie ausgeklüngelt, der nichts weiter war als eine AKW-Bestandsgarantie und ein leicht durchschaubarer Versuch, den nicht erst seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl schwelenden sozialen Konflikt zu befrieden.
Als libertärer Teil der außerparlamentarischen und unabhängigen Anti-Atom-Bewegung sollten wir deshalb immer wieder darauf hinweisen, dass wir keine rot-grün angemalten Atommeiler, sondern den sofortigen Atomausstieg wollen. Wer zu wenig fordert, bekommt bekanntlich gar nix. Seien wir also realistisch und fordern - frei nach Bakunin - das scheinbar Unmögliche, dann bekommen wir wenigstens das Mögliche.
Dass die Anti-Atom-Bewegung einen langen Atem hat, hat sie bewiesen. Und den wird sie auch weiterhin unter Beweis stellen. Im November 2010 geht es weiter.
Nach Recherchen der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg wird der nächste Atommülltransport mit 11 Castorbehältern am 5. November 2010 in Cap de la Hague starten. Voraussichtlich am 6. November wird es eine Anti-Atom-Demo im wendländischen Dannenberg geben. Die Anti-Atom-Proteste können Anfang November im Wendland und entlang der Transportstrecke einen weiteren Höhepunkt erleben. „Gorleben ist schon lange kein regionales Problem mehr, hier manifestiert sich die verfahrene Atompolitik von Schwarz-Gelb, sie produziert nur Müll, von dem am Ende keiner weiß, wohin. Gorleben als Endlager wird wegen des Wasserkontakts und des Einschlusses von Gas als Atommülldeponie ausscheiden müssen", stellt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke klar.
Freuen wir uns auf die vielfältigen Demonstrationen und direkten gewaltfreien Aktionen im Wendland und überall. Versalzen wir gemeinsam der Atommafia die strahlende, grünlich schimmernde Suppe. Keine Atempause - der Castor wird gestoppt!
Bernd Drücke, 19.9.2010
Kommentar aus: Graswurzelrevolution Nr. 352, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 39. Jahrgang, Oktober 2010, www.graswurzel.net