Hinten auf dem Acker

Gegen Männer zu spielen, macht keinen Spaß, sagt die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther. Ein Interview über Sexismus, Homophobie und Outing im Fußball.

an.schläge: 1990 sagte Paul Steiner, der frühere Libero des 1. FC Köln, er bezweifle, dass Schwule Fußball spielen können. 1998 erhängte sich Justin Fashanu, weil er nach seinem Outing in keinem Club mehr unterkam. Was ist heute, zehn Jahre nach diesem Selbstmord, anders?

Tanja Walther: Schwierige Frage. Einerseits gibt es inzwischen jemanden wie David Beckham, der kein Problem damit hat, sich für ein Schwulenmagazin fotografieren zu lassen und der zugibt, gelegentlich die Unterwäsche seiner Frau zu tragen.
Andererseits aber gibt es eben weiterhin auch Aussagen wie jetzt gerade wieder von Luciano Moggi, der sagt: "Ich würde keinen homosexuellen Spieler unter Vertrag nehmen. Hätte ich einen entdeckt, wäre er sofort gegangen."

Aber geoutete Fußballer gibt es in der Bundesliga weiterhin nicht?

Nein. Und interessanterweise auch keine geouteten Fußballspielerinnen. Obwohl ja das weit verbreitete Klischee existiert, dass fußballspielende Frauen ohnehin immer lesbische Mannweiber sind. Mir passiert das immer wieder, dass Leute zu mir sagen: "Was, du bist Fußballspielerin? Du siehst gar nicht so aus!" Da würde ich jedes Mal gerne zurückfragen, wie die denn bitte auszusehen haben.

In deiner Arbeit "Homophobie im Fußball" schreibst du: "Der Fußball der Frauen geht weniger restriktiv mit Homosexualität um. Auch in den Medien würde eine bekennende Lesbe für weniger Aufruhr sorgen. Ist das nicht letztlich Sexismus? Weil Frauenfußball weiterhin niemanden interessiert, interessiert man sich eben auch nicht so dafür, ob die Spielerinnen nun lesbisch sind?

Ja, auf jeden Fall ist das auch Sexismus! Genauso wie tausend andere Dinge. Dass die Mädchen irgendwo hinten auf dem Acker spielen müssen, während die Jungs den Platz haben. Oder warten müssen, bis die Jungs fertig sind, um selbst dran zu kommen.
Und dass Frauen nach wie vor aufgefordert werden, doch noch mal die Abseitsregel zu erklären.
Aber in den Teams selbst gehen die Frauen anders mit Homosexualität um. Die Heteras sind zum Beispiel immer gerne mit uns feiern gegangen und hatten damit überhaupt kein Problem. Das wäre bei Männern undenkbar.

Frauenfußball hat nach dem letzten WM-Titel in Deutschland merklich an Ansehen gewonnen. Wird sich das noch steigern, irgendwann vielleicht sogar gleichrangig behandelt werden?

Dass man irgendwann in ein ausverkauftes Stadion kommt und sich fragen muss, ob da jetzt wohl gerade Frauen oder Männer spielen - soweit wird es wohl nicht kommen. Ich glaube nicht, dass ich noch erleben werde, dass es irgendwann wirklich gar keinen Unterschied mehr gibt. Aber steigerungsfähig ist es sicher noch, vor allem, wenn die Frauen-WM dann nächstes Mal in Deutschland ist. Und es wirkt sich jetzt schon merklich auf die Wahrnehmung vieler Leute aus. Es ist für Eltern inzwischen normaler geworden, ihre Töchter Fußball spielen zu lassen. Die haben nicht mehr ganz so große Angst, dass die dann sofort lesbisch vom Training zurückkommen Â…

Und gemischte Mannschaften? Ist es vorstellbar, dass die Nationalmannschaft irgendwann aus Männern und Frauen besteht?

Nein. Es macht keinen Spaß, gegen Männer zu spielen. Männer haben einfach mehr Muskelmasse und dieser physische Unterschied macht sich bemerkbar. Bei gleicher Fitness und Statur habe ich gegen einen Mann keine Chance. Und wenn ich mir ältere oder unterlegene Männer aussuche, werden die ziemlich schnell aggressiv, wenn sie merken, dass sie verlieren. Und so macht es dann auch keinen Spaß mehr.

Wird es irgendwann auch Panini-Sticker von Fußballerinnen geben?

Ja, wieso nicht?! Bei der nächsten WM in Deutschland könnte ich mir das durchaus vorstellen.

Die schlimmste Schmähung im Stadion ist es nach wie vor, den Gegner als schwul zu bezeichnen. Als sich beim letzten Österreich-Deutschland-Spiel in Wien das Blatt wendete, haben alle: "Schwuler DFB" gebrüllt. Könnte man da nicht schon mal ansetzen, diskriminierende Parolen z. B. einfach verbieten?

Antisemitische Äußerungen beispielsweise sind verboten, da muss man sich schon fragen, weshalb zwischen den Diskriminierungsformen unterschieden wird Â… Aber Verbote alleine sind grundsätzlich zu wenig. Da muss schon eine gewisse Bewusstseinsbildung mit einhergehen. Und die muss früh ansetzen, die TrainerInnen der Jugendmannschaften müssen schon entsprechend eingreifen, wenn sich die Kids auf dem Spielfeld als "schwul" oder als "Behindi" bezeichnen. Und genau da versuchen wir mit unserer Arbeit auch anzusetzen.

Du engagierst dich beim Verein "Seitenwechsel - Frauen/Lesben Sportverein Berlin e.V." und bei "The European Gay & Lesbian Sport Federation" (EGLSF) Â…

Ja, der Verein Seitenwechsel ist mit 700 Mitfrauen mittlerweile der europaweit größte Frauen/Lesben-Sportverein für Frauen und Mädchen, unabhängig von Hautfarbe, Nationalität, körperlichen Voraussetzungen, Alter oder sexueller Orientierung. Über Seitenwechsel bin ich dann auch zur EGLSF gekommen. Wir bieten Workshops für Vereine an und versuchen, die SpielerInnen und TrainerInnen für das Thema Homosexualität im Sport, Homophobie und Sexismus zu sensibilisieren. Aber es ist nach wie vor verdammt schwer, SportlerInnen zu finden, die öffentlich gegen Homophobie Stellung beziehen. Dabei würde das sicherlich viel bewirken. Aber Fußballer haben sogar davor Angst, weil sie dadurch ja womöglich in den Verdacht kommen könnten, selbst schwul zu sein.

Wäre ein Outing inzwischen zumutbar?

Der DFB hat inzwischen eine Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball unterzeichnet und Theo Zwanziger hat zugesichert, SpielerInnen bei ihrem Coming-out zu unterstützen. Dennoch wäre der soziale Druck für einen Mann weiterhin enorm hoch. Frauen haben in der Regel nicht ganz so viel zu verlieren, auch keine lukrativen Sponsoring-Verträge. Obwohl ich mir offen lesbische und schwule SpielerInnen natürlich sehr wünschen würde - letztlich muss das jede/r für sich selbst entscheiden.

SporttheoretikerInnen analysieren Fußball als den homoerotischen Männerbund schlechthin, gleichzeitig wird aber jede Homoerotik vehement wie sonst nirgendwo geleugnet. Mittlerweile dürfen die Spieler nach einem Tor ja nicht mal mehr ihre Hemden ausziehen und sich gegenseitig abknutschen Â…

Das wird aber offiziell damit begründet, dass dieses ewige Herumknutschen einfach zu viel Zeit gekostet hat Â…

Glaubst du das?

Da wird wohl von allem ein Körnchen Wahrheit drin stecken. Aber ich denke natürlich auch, dass Fußball eine Männerbastion, ein Männerbund ist, in dem völlig irrwitzige Vorstellungen von Homosexualität kursieren: Dass sie ansteckend sei, dass die Schwulen beim gemeinsamen Duschen über die anderen herfallen würden etc. "Da könnten wir ja nur noch mit dem Hintern zur Wand duschen" - solche Sprüche sind weiterhin durchaus üblich.

In diesem Jahr wird es in Barcelona ja wieder die EuroGames, die lesbisch-schwule Europameisterschaft, geben. Wirst Du dort sein?

Ja, wir machen einen Workshop zum Thema Homophobie, aber ich werde auch selbst mitspielen, worauf ich mich sehr freue. Bei den EuroGames gibt es ja auch immer wieder den Vorwurf, dass wir uns als Schwule und Lesben selbst ausgrenzen. Aber ich finde es ab und zu absolut gerechtfertigt, sich diesen Raum zu nehmen.

Innerhalb der Linken gab es zur WM ja erbitterte Diskussionen über den neuen Patriotismus in Deutschland. Die einen verdammten jede Form von Nationalismus, die anderen pochten darauf, dass man es durch die Teilnahme von MigrantInnen an der allgemeinen Deutschland-Euphorie mit einem ganz neuen Phänomen zu tun habe. Was denkst Du?

Ich muss gestehen, ich war zur WM überhaupt nicht in Deutschland. Aber nach allem, was ich gehört habe, war das "Sommermärchen" wirklich sehr angenehm und unaggressiv patriotisch. Für mich ist eine Fahne schon o.k., solange sie niemanden ausgrenzt und diskriminiert.

Wer gewinnt die EM?

Ich würde es Österreich natürlich gönnen, aber dazu wird es wohl nicht kommen. Ich würde mich freuen, wenn es ein Außenseiter wird - die Schweiz ist auch eine nette Mannschaft. Letztendlich wird es dann aber doch Deutschland werden Â…

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at