Auf die Rampen!



in (19.09.2009)

Das feministische Musikfestival rampenfiber (24.-27. September) mixt Queer Country mit Indie-Elektropop, verbindet D.I.Y.-Attitüde mit Theorie-Lectures und buchstabiert mit Carrie Brownstein und Beth Ditto das Punk-Rock-ABC neu.

 

Im Herbst 2006 fand das erste rampenfiber-Festival, veranstaltet von der Zeitschrift „fiber. werkstoff für feminismus und popkultur“, in Wien statt – doch trotz des großen Erfolgs hat es ganze drei Jahr gedauert, bis das feministische Musikgroßereignis nunmehr in die zweite Runde gehen kann. „Bei der Organisation von rampenfiber 2006 wurde eigentlich nie wirklich über eine Fortsetzung nachgedacht“, erklären Judith Kabas und Angela Tiefenthaler aus der fiber-Redaktion die lange Pause. „Wir wurden aber immer wieder auf ein mögliches nächstes Festival angesprochen.“ 2007 und 2008 sollte ein Parallelfestival zum Ladyfest und den Queer-Feministischen Tagen vermieden werden, aber es waren auch die knappen Ressourcen und personellen Fluktuationen, wie sie in ehrenamtlichen Projekten kräfteraubender Alltag sind, die die Neuauflage des Events erheblich verzögerten.


This beat is … rampenfiber. 
Die Erfahrungen aus dem ersten Festival, aber auch aus dem Ladyfest und den Queer-Feministischen Tagen dürften dazu beigetragen haben, dass sich das diesjährige rampenfiber-Programm noch stärker queeren Diskursen widmet und queere Acts featuret. Schließlich endet die Kritik an den Geschlechterverhältnissen im Pop nicht bei einem bloßen Gegenentwurf zu populären männlich dominierten Musikfestivals, bei dem die übliche „Frauenquote“ quasi verkehrt wird, sondern untersucht auch die Bedingungen, unter denen die Gender-Performances vor, auf und hinter der Bühne stattfinden. Und sie interessiert sich für alternative und transgressive Geschlechterinszenierungen.
Nicht zufällig wird daher der Eröffnungsabend im fluc u.a. mit einem Konzert des trans* Country-Musikers Rae Spoon begangen, den es vor einigen Jahren aus der kanadischen Prärie in die ostdeutsche Kleinstadtprovinz verschlagen hat. Ebenfalls beim Festival-Opening dabei sind die Wiener Slam-Poetin Mieze Medusa und DJ irradiation, die ihr gemeinsames Projekt IRR2M deluxe vorstellen werden.
Auf dem voll gepackten viertägigen Festivalprogramm stehen außerdem noch u.a. die berüchtigte Laptop-Banjo-Artistin Kevin Blechdom, die Elektro-Glam-Rap-Crew Scream Club aus Olympia, das schwedische Elektro-Pop-Duo Lissi Dancefloor Disaster, local heroes Dandies & Darlings und der_die französisch-deutsche Performer_in Océan Le Roy, umrahmt von DJ-Sets von Electric Indigo, Ina D, djane mithras, Quote, strom+- und vielen mehr.
Bevor der Dancefloor gestürmt und der Moshpit von Schweiß durchtränkt wird, bieten zahlreiche Workshops ganz im Sinne des Do-It-Yourself – von Tontechnik und Video-Doku-Produktion über Breakdance und Poetry Slam bis hin zu DJing und Visuals – Gelegenheit für Erfahrungs- und Wissensaustausch. Judith Kabas und Angela Tiefenthaler: „Uns war wichtig, dass das aktive Tun während des Festivals mehr Platz bekommt und auch unterschiedliche Bereiche abdeckt.“


Stages & Spaces. 
Nach dem Workshop-Besuch bleibt emsigen Festival-Geher_innen allemal noch Zeit für die verschiedenen Lectures, Diskussionspanels und Filmscreenings. Der Kurzfilmwettbewerb von 2006 wurde in ein Kurzfilmprogramm umgewandelt, das vom Hamburger Bildwechsel Archiv kuratiert wird. „Queering the stage“ und „claim the feminist space“ sind die Themen der Podiumsdiskussionen und Vorträge, die zugleich eine Reflexion darüber sind, dass feministische Musikfestivals nicht einfach „nur“ Event, sondern auch immer praktische Raumnahme sind. Neben dem fluc am Praterstern, das wieder die Festival-Homebase stellt, wurden für 2009 mit dem Schikaneder-Kino, dem Frauencafé, den Räumen der VBKÖ (Vereinigung Bildender Künstlerinnen Österreichs) in der Wiener Innenstadt und dem Medienzentrum der Stadt Wien neue Locations programmiert. Die vergangene und aktuelle Auseinandersetzung innerhalb der rampenfiber-Organisation mit der Frage, welche Räume von welchen Machtverhältnissen durchzogen sind und wie diese Orte besetzt werden können, ist auch in der aktuellen fiber-Ausgabe (15/2009) dokumentiert.
„2006 war die Raumnahme im fluc ein recht großes Problem“, fassen Judith Kabas und Angela Tiefenthaler die Erfahrungen im Szenelokal am Praterstern rückblickend zusammen. „Immer wieder kam es zu Scheißübergriffen. Daher haben wir dieses Mal von vornherein gesagt, wir machen es nur dann wieder im fluc, wenn wir uns dort als feministische Veranstaltung auch anerkannt fühlen. Soll heißen, wir wollen dort auch eingreifen, etwa mit den Securitys in einem gemeinsamen Workshop vorab, deren Vorgehensweise klären, den Raum gestalten (Tapete usw.) und ihn in seiner Gesamtheit nutzen, also sowohl das Lokal oben als auch die ‚Wanne’ darunter.“
Nicht nur der erweiterte Handlungsspielraum, auch die ökonomische Situation des Festivals stimmt positiv: „Wir haben dieses Mal viel mehr Zeit für Geldaufstellereien investiert. So haben wir schon früh über ein gewisses Budget verfügen können, was uns auf jeden Fall lockerer an die Arbeit gehen ließ.“ Derzeit sieht es – zur Überraschung der Organisator_innen – finanziell sogar recht gut aus. Von einer (adäquat) bezahlten Arbeit kann trotzdem keine Rede sein: „Für uns springt nur dann eine Bezahlung raus, wenn am Schluss was übrig bleibt.“


Feminist Superstars.

Wie der Grundstein für eine erfolgreiche Karriere als feministisches Role-Model im Musik-Biz gelegt werden kann, ist bei der Österreich-Premiere der Doku „Girls rock!“ (USA/Kanada 2009) von Shane King und Arne Johnson zu sehen. In einem Rock’n’Roll-Camp in den USA lernen rund hundert Mädchen zwischen acht und 18 Jahren das Punk-Rock-ABC neu zu buchstabieren und sich selbst auf der Bühne zu verwirklichen: Es wird geschrieen, geschwitzt und den Instrumenten jede Menge Lärm entlockt. Unterstützt werden die Mädchen dabei von Carrie Brownstein, Gitarristin der Indie-Rock-Band Sleater-Kinney, und Sängerin Beth Ditto von Gossip. 
Im knapp einstündige Dokufilm „Working on It“ (Schweiz/Deutschland 2008) von Karin Michalski und Sabina Baumann erzählen die 15 Protagonist_ innen aus der Berliner Queer-Szene aus ihrem Wahrnehmungsalltag – wie werde ich entlang der Parameter von Geschlecht begriffen, wie kann ich diesen Zuschreibungen begegnen und auf welche Inszenierungen greife ich zurück? Den Soundtrack zu diesem experimentellen Filmprojekt, die der geschlechtlichen Selbstdarstellung eher auf einer fiktiven denn dokumentarisch-authentischen Ebene begegnet, liefern ebenfalls Role-Models der feministischen Musikszene, u.a. Lesbians on Ecstasy, Rhythm King and her Friends und Scream Club.


Infos und detailliertes Festival-Programm unter www.fibrig.net.
Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,  www.anschlaege.at