Klaus Schlichte
Die politische Ökonomie des Krieges
Daß der Krieg eine ökonomische Seite hat, ist mittlerweile eine Platitüde. Doch die sozialwissenschaftlichen Diskurse seit dem Ende des Ost-West-Konflikts haben diesen Zusammenhang einseitig thematisiert. Nach 1990 hat es zwei Wellen der Interpretation des weltweiten Kriegsgeschehens gegeben. Die erste, die vor allem unter dem Eindruck der Konflikte in der zerfallenden Sowjetunion und der Kriege in Jugoslawien stand, glaubte, im Begriff der "Ethnizität" oder des "Ethnonationalismus" die Schlüsselkategorie für die Erklärung bewaffneter Konflikte gefunden zu haben. Einige Vertreter dieser Richtung meinten gar, einen "dritten Weltkrieg" der Ethnien ausmachen zu können (Scherrer 1993). Diese Interpretationsrichtung sah sich wachsender Kritik ausgesetzt und hat heute nur noch wenige Unterstützer. Sie ist aber in der modifizierten Form des von Samuel Huntington (1993) und Robert Kaplan (1996) propagierten Kulturalismus ein politisch einflußreiches Wahrnehmungs- und Deutungsmuster zeitgenössischer Kriege und Konflikte geblieben. Die zweite Interpretationslinie entdeckte die ökonomische Seite der Kriege neu. In den letzten fünf bis sechs Jahren läßt sich eine schnell wachsende Literatur beobachten, die sich mit den ökonomischen Interessen am und im Krieg befaßt und die sich verstetigenden Zusammenhänge von Gewalt und Ökonomie in Kriegen thematisiert.1 Doch es gibt auch kritische Stimmen zu dieser Richtung (vgl. Marchal/Messiant 2002). Die Kritiker bemängeln eine Vereinseitigung der Perspektive, die die ursächlichen Entstehungsprozesse von Kriegen wie auch ihre innere Dynamik letztlich auf die Verfolgung ökonomischen Interessen reduziert. In einer Zeit, in der sich auch in den Wirtschaftswissenschaften ein Abrücken vom homo oeconomicus als Axiom der Analyse und Erklärung beobachten läßt, sei diese Vereinseitigung aufzuheben und um andere analytische Perspektiven zu erweitern.
In der Tat ist es wissenschaftlich interessant, eine Verbindung dieser beiden Perspektiven zu suchen. Denn so wenig kulturelle Unterschiede in der Lage sind, direkt kriegsursächlich zu wirken, so wenig lassen sich Vorstellungen, Ängste und Erwartungen von Kriegsakteuren allein auf ihre ökonomischen Interessen reduzieren. Um zu verstehen, was in einem Krieg passiert, sind sicher beide Seiten - wenn nicht noch weitere - zu integrieren. Darin zeigen Kriege keinen Unterschied zu vielen anderen sozialen Phänomenen. Im Krieg aber gelten andere Bedingungen als im sonstigen sozialen Leben. Kriege haben die Tendenz, ihre Ursachen gleichsam zu vergessen. Sie entwickeln in ihrem Verlauf eine Eigendynamik (vgl. Waldmann 1995; Genschel/Schlichte 1997). Das heißt natürlich nicht, daß die ursprünglich wirksamen Ursachen unwichtig würden. Sozio-ökonomische Ungleichgewichte und die Fragmentierung politischer Eliten, die vielen innerstaatlichen Kriegen ursächlich zugrunde liegen, bestehen immer über die Dauer des Krieges fort. Im Krieg selbst aber entwickeln sich weitere, die Gewaltdynamik verstärkende Momente, wie die Militarisierung des Politischen oder die Zunahme ethnischer Stereotypisierungen.
Ein zweiter Befund betrifft die Imperative der Gewalt: Im Krieg gibt es nicht nur neue Dynamiken, sondern es verändern sich auch andere, ältere Wandlungsprozesse. Sie werden unter dem Druck der Gewalt gleichsam "umgebogen". Beobachten läßt sich dies etwa an den Verhältnissen der Geschlechter und der Generationen, aber auch an den Mustern der sozialen Mobilität. Flucht und Vertreibung, die Zerstörungen im Kampfgebiet, aber auch die ungeheure Kapitalvernichtung im Krieg verändern mit fortdauernder Gewalt nachhaltig soziale Strukturen. Der Raub, die gewaltsame Aneignung von Gütern, ist deshalb nur ein Teil der im Krieg gewaltgesteuerten Veränderungen von Märkten und Besitzverteilungen.
Eine vermittelnde Position, die die kulturelle Interpretation und die ökonomische aufhebt, ergibt sich deshalb aus einer soziologischen Sicht auf solche Wandlungsprozesse vor, im und nach dem Krieg. Das ist der Ausgangspunkt dieses Beitrags. Die einzelnen Mechanismen dieser Gewaltmärkte können hier freilich nur umrissen werden.
Wie im Krieg soziale Zusammenhänge zerbrechen und sich neue konstituieren, wie sich weltwirtschaftliche Einbindungen auf das Kriegsgeschehen auswirken und sich im Krieg verändern, all dies ist von der vergleichenden Forschung bisher nicht sonderlich gut analysiert und bearbeitet worden. Im folgenden sollen dazu ein paar grundlegende Ausführungen gemacht werden, ohne daß dieser Beitrag eine umfassende Systematisierung des Themas beabsichtigt. Grundlage für die hier präsentierte allgemeine Sicht ist jedenfalls ein sehr erweitertes, soziologisches Verständnis des Ökonomischen, etwa im Sinne Max Webers oder Pierre Bourdieus.2
Der Beitrag beginnt mit ein paar begrifflichen Überlegungen, in denen es vor allem darum geht, den Begriff der "Kriegsökonomie" so zu fassen, daß darunter nicht allein Prozesse des Gütertauschs und monetäre Transaktionen verstanden werden können. In einem zweiten Schritt wird dann der zentrale Mechanismus einer Kriegsökonomie skizziert: die Abwärtsspirale, die allgemein ein Absinken des Kapitalstocks in einer Gesellschaft bedeutet. Im Krieg brechen viele Märkte zusammen, während zugleich neue entstehen. Im dritten und letzten Teil geht es um die Frage, wie Kriegsökonomien transformiert werden, was also nach dem Ende eines Krieges geschieht, und was dabei mit den Gewinnern und Verlieren passiert.
1. Der Begriff der Kriegsökonomie
Der kriegerische Zerfall von Staaten wie in Somalia, Liberia oder Afghanistan ist sicher zu einem der bedrückendsten Probleme der Weltgesellschaft geworden. Was die Ereignisse in diesen Ländern auszeichnet, das ist die Fortdauer eines Zustandes, von dem man nicht weiß, ob man ihn Krieg oder Frieden nennen soll. Irgendwo gibt es zwar eine Regierung, gleichzeitig aber wird auch irgendwo gekämpft, und die ganze Situation ist so instabil, daß diese Länder und ihre Nachbargebiete international als "no-go areas" betrachtet werden.
Diese Länder verbindet, daß in ihnen ähnliche Prozesse stattgefunden haben: Ein institutionell schwacher Staat, der durch eine gewaltsame Rebellion herausgefordert wurde, hat sich im Verlauf des Krieges fast vollständig aufgelöst. Trotz nationaler und internationaler Bemühungen sind die Kriege nicht wirklich beendet, sondern dauern in unterschiedlichen Intensitätsgraden fort. Wenn sich irgendwo im Land so etwas wie Formen von Herrschaft etablieren, dann beruhen diese in erster Linie auf Repression und Gewalt gegenüber der Bevölkerung und sind nicht zuletzt deshalb ihrerseits chronisch instabil.
Die spezifischen sozialen Interaktionsformen, die sich unter diesen Bedingungen herausgebildet haben, werden in der Publizistik unter dem Begriff der "Kriegsökonomie" thematisiert. Dabei sind es vor allem Zusammenhänge zwischen Gewaltpraktiken und ökonomischen Vorgängen, die im Mittelpunkt des Interesses stehen. In vielen Kriegen der Gegenwart ist zu beobachten, daß die Kriegsparteien ihre materielle Basis in ökonomischen Formen und Praktiken finden, die sich so weit verselbständigen, daß sie zum unmittelbaren Hindernis für die friedliche Regelung der Konflikte werden. Unter den Bedingungen des Krieges bilden sich über die Grau- und Schattenzonen der Weltwirtschaft Einnahmequellen, welche die daran Interessierten dazu veranlassen, alle Bemühungen um eine Beendigung des Krieges zu torpedieren. Eine solche Kriegsökonomie ist also ein sozialer Raum, in dem die Verteilung und Aneignung von Ressourcen gewaltgesteuert verläuft: Physische Gewalt wird eingesetzt, um Güter zu erlangen, um Chancen ihrer Veräußerung abzusichern, und um Ressourcen zu generieren.
Christine Messiant und Roland Marchal (1997) haben zu Recht darauf hingewiesen, daß nicht in allen Kriegen solch ein Prozeß der Verselbständigung einsetzt. Sie unterscheiden zwischen "économie dans la guerre", einer Ökonomie im Krieg, und "économie de guerre", der Kriegsökonomie. Während für die erste vor allem die Zunahme von Zwangsmaßnahmen und politischer Regulierung kennzeichnend ist, stellt sich die Eigendynamik, die die Reproduktion ganz der kriegerischen Logik unterstellt, nur in Kriegsökonomien ein.
Im Rahmen der Diskussion über "neue" Kriege ist in den vergangenen Jahren der internationale, "gehegte" zwischenstaatliche Krieg wiederholt dem vermeintlich neuen innerstaatlichen Krieg gegenübergestellt worden.3 Dabei wurde immer wieder behauptet, daß nur für den letzteren "globalisierte Kriegswirtschaften" kennzeichnend seien (Münkler 2002: 159ff.) Ein historisch genauerer Blick dagegen offenbart, daß sich diese Gegenüberstellung nicht aufrechterhalten läßt. Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg lassen sich die Phänomene finden, die den "neuen Kriegen" zugeschrieben werden, während viele Kriege der Gegenwart sich gerade durch sehr begrenzten Gewalteinsatz auszeichnen. Die Thesen über die politische Ökonomie des Krieges, die im folgenden dargelegt werden, beziehen sich daher auf beide, auf innerstaatliche wie auf zwischenstaatliche Kriege.
Wichtiger als die Besonderheiten jeder einzelnen Kriegsökonomie sind allgemeine, systemische Eigenschaften, die verdeutlichen, daß das Phänomen in einer rein ökonomischen Sprache nicht angemessen zu erfassen ist und daß sich das Handeln der Beteiligten auch nicht allein auf ein ökonomisches Nutzenkalkül reduzieren läßt. An den zentralen Merkmalen von Kriegsökonomien kann man das deutlich erkennen.
Mit fortschreitender Dauer der Gewalt expandieren gewaltgesteuerte ökonomische Beziehungen zunächst im Innern einer Ökonomie, deren Grenzen von den Gewalthabern gesetzt werden: In Kriegsökonomien sind nicht nur typische Waren des Krieges wie Waffen und Drogen von Bedeutung. Auch der unkontrollierte Export von Rohstoffen, wie Tropenholz oder Diamanten, oder die einfache Abschöpfung von Handelsgewinnen durch Kontrolle bedeutsamer Außenhandelspunkte werden zu gewaltsam umkämpften Ressourcen. Immer mehr Güter werden im Krieg zur Ware, noch der kleinste Gebrauchswert macht den Raub rentabel. Das frappierendste Beispiel für diese Art der inneren Expansion waren die niedergesägten Strommasten in Liberias Hauptstadt Monrovia, die von Soldaten der westafrikanischen Interventionstruppen umgelegt wurden, um die Stromleitungen abreißen zu können und zu verscherbeln. Aber auch der Export requirierter Luxusgüter durch deutsche Militärs in den besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs ist ein Beispiel für diese Form der raubgestützten Expansion von Gewaltmärkten.4 Der Raub, in unterschiedlich institutionalisierten Formen, wird im Krieg zu einer allgegenwärtigen ökonomischen Praxis.
Kriegsökonomien expandieren aber auch nach außen. Sie haben die Eigenschaft, sich nicht auf ihren Entstehungskontext zu beschränken. Nicht nur in den kriegsbetroffenen Ländern selbst kommt es zu erheblichen Verwerfungen und zu hohen menschlichen Opfern. Über Flüchtlingsbewegungen, Schmuggel, organisierte Kriminalität und andere über die Grenzen hinaus wirkende Faktoren können Kriegsökonomien ganze Regionen destabilisieren. Kriege können, wie im Fall der westafrikanischen Staaten Sierra Leone, Guinea, Liberia und Elfenbeinküste, nicht nur lokale Gewaltmärkte eröffnen, sondern zu regionalen Gewaltsystemen ausgreifen. Der Zweite Weltkrieg etwa hat über die Mobilisierung kolonialer Ressourcen weit über die unmittelbaren Kampfgebiete hinaus politische und ökonomische Beziehungen geformt.
Kriegsökonomien bringen zudem eine Ausweitung informeller Zonen des Wirtschaftens mit sich, indem sie Gewaltunternehmern die Möglichkeit eröffnen, sich an die Schattenseiten der Weltwirtschaft anzukoppeln. Diese Ankopplung etwa von Warlords, Rebellengruppen oder auch staatlichen Akteuren an die nicht regulierten Bereiche des Weltmarktes stellt ein gravierendes Hindernis für die Beendigung von Kriegen dar, ohne daß dies in den politischen Bemühungen oder in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit zeitgenössischen Kriegen schon hinreichende Aufmerksamkeit erfahren hätte.
Schließlich scheren sich Kriegsökonomien nicht nur wenig um territoriale Grenzen, sondern um Grenzen überhaupt. Ihnen wohnt eine Tendenz zur Aufhebung hergebrachter sozialer und politischer Unterscheidungen inne. Für zeitgenössische Kriege gilt sowieso, daß in ihnen viele aus dem klassischen Kriegsbild bekannte Unterscheidungen nicht mehr oder immer weniger gelten. Eine "Front" als Kampfzone läßt sich oft ebensowenig ausmachen, wie sich Kombattanten von Nichtkombattanten unterscheiden lassen. Das gleiche gilt für die zeitliche Grenze zwischen Kriegs- und Friedenszeiten, denn Kriegserklärungen und Friedensverträge sind gleichermaßen selten geworden. Letztlich gilt die Aufhebung der Grenzen auch für die Kriegsökonomie selbst. Wir reden zwar von Kriegsökonomien, als seien diese abgeschlossene Wirtschaftssysteme. Diese Redeweise ist auch aus analytischen Gründen sinnvoll, weil sie es erlaubt, den Blick erst einmal auf einen Ausschnitt zu lenken und dessen innere Zusammenhänge zu studieren. In der Wirklichkeit aber sind die Grenzen nicht so eindeutig. Das "System Kriegsökonomie" ist mit seiner Umwelt dicht verwoben. So wie die Schattenwirtschaft und die offizielle Wirtschaft mit Buchführung direkt aufeinander angewiesen sind, wie eine von der anderen lebt, so ist dies auch mit der Kriegsökonomie und der restlichen Weltwirtschaft. Kriegsökonomien sind keine isolierten Inseln des Unrechts, sondern Teil einer Weltwirtschaft, in der unterschiedliche Grade der politischen Kontrolle und der Gewalt wirken.
Menschen, Geld und Waren wandern zwischen den gewaltgestützten Ökonomien und den regulierten Märkten hin und her. Als Soldaten, Waffen und Kredite gehen sie in die Kriegsökonomie ein, als Flüchtlinge, Kriegsopfer und Exportwaren treten sie aus dieser wieder heraus.
2. Die politische Ökonomie zeitgenössischer Kriege
Man kann den Krieg als System ansehen, in dem Sinne, daß in seinem Innern andere Regeln gelten als außerhalb des Gewaltraums. Physische Gewalt setzt andere funktionale Imperative. Diese betreffen in erster Linie die Zeithorizonte der Handelnden und damit nicht nur ihr Investitionsverhalten, sondern ihr soziales Handeln überhaupt - in der ganzen Breite des Weberschen Wortsinns. Im Krieg gilt der Vorrang des Kurzfristigen, der für die Politik überhaupt gilt, in nochmals verschärfter Form. Diese Grundbedingung setzt einen Mechanismus in Gang: die Abwärtsspirale. Sie wirkt im Innern des Systems, dessen Grenzen da liegen, wo die unmittelbare Drohung oder Praxis der Gewalt nicht mehr gelten. Abwärtsspiralen beruhen auf dem Raub als Bereicherungsmodus (vgl. Rufin 1999: 27ff.). Kennzeichnend für diese Abwärtsspiralen ist der Mechanismus, daß unter den Bedingungen der Gewalt mehr Ressourcen verbraucht als generiert werden. Die Gesellschaft lebt im Krieg von ihren Vorräten, und deshalb sinkt ihr Kapitalstock kontinuierlich.
Solche Prozesse der Plünderung können lange andauern, insbesondere dann, wenn sie dauerhafte Formen der Sozialbeziehung zwischen Räubern und Beraubten generieren, wie das in den Konstellationen der Fall ist, die in den Sozialwissenschaften unter dem Begriff "racket" zusammengefaßt werden. Solche Formationen einer auf "Quasi-Besteuerung" oder Schutzgelderpressung beruhenden sozialen Ordnung können sich als "predatory rule" (Levi 1981) verstetigen. In der Weltgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg läßt sich eine ganze Reihe von "gewaltoffenen Räumen" ausmachen, in denen sich über lange Zeiträume solche gewaltgesteuerten Zustände und Strukturen gehalten haben oder bis heute halten. Das gilt etwa für den Quasi-Staat des Khun Sa, der sich in Burma über dreißig Jahre halten konnte, gestützt auf die im Vietnam-Krieg entstandene Drogenökonomie des "Goldenen Dreiecks" (McCoy 1999). Ähnliche Strukturen entstanden in den 1990er Jahren in Angola um die Rebellenorganisation des Jonas Savimbi, die sich wegen der nachlassenden Unterstützung westlicher Regierungen vermehrt aus den illegalen Diamantenexport finanzierte (Le Billon 2005).
Voraussetzung für die Genese solcher gewaltbasierten Sozialordnungen ist allerdings, daß es den Beteiligten gelingt, den Schwung der Abwärtsspirale zu verlangsamen oder ganz zu stoppen bzw. sektoral einzugrenzen. Daß das auch in gewaltoffenen Räumen, in Kriegsgebieten, möglich ist, zeigt u.a. die Entwicklung in Kolumbien.
Die Abwärtsspirale beschreibt indes nur eine innere Dynamik. Man kann sie abfangen, aber nur über externe Kontakte. Ein Beispiel dafür sind Zuwendungen aus dem Ausland, etwa aus Exilgemeinden oder in Form humanitärer Hilfe. Sie erlauben es, den Krieg, wenn auch mit geringer Intensität, fortzuführen, ohne daß der Kapitalstock einer Gesellschaft zu schnell absinkt. Genau diese Wirkung hatte auch die Militärhilfe während des Ost-West-Konflikts. Nach dessen Ende haben sich die zuvor von außen geförderten Kriegsakteure gezwungen gesehen, neue Quellen aufzutun, interne wie externe. In der Literatur zu Kriegsökonomien ist das in vielen Variationen nachzulesen.
Der Raub als ökonomischer Hauptmodus des Krieges zeitigt allerdings auch unintendierte politische Effekte. Denn er verändert nicht nur das soziale Gefüge, sondern damit auch die politischen Kräfteverhältnisse nachhaltig. Menschen haben im Krieg, grob gesprochen, eine dreifache Wahl. Sie können fliehen, innerhalb des Landes oder ins Ausland, sie können warten und leiden, oder sie können selbst zu Kriegsteilnehmern werden, indem sie sich einer der Parteien anschließen oder auf eigene Rechnung agieren. Keine dieser drei Optionen - Flucht, Leiden oder Kriegsbeteiligung - verändert etwas an den Tendenzen, die durch die Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden. Dennoch gibt es in Kriegsökonomien auch Gewinner, und dies sind nicht nur externe Akteure. Welche Gewinner das sind, läßt sich zeigen, wenn man die These vom Absinken des Kapitalstocks differenziert.
In diesem Zusammenhang ist die These von der Vernichtung des Kapitalstocks zu differenzieren. Die Dynamik von Gewinner- und Verliererschicksalen im Krieg hängt mit dem Tausch und den relativen Tauschraten von Kapitalsorten zusammen. Mit der Unterscheidung von Kapitalsorten, die der französische Soziologe Pierre Bourdieu - wenn auch in einem ganz anderen Kontext und zu ganz anderen Zwecken - entwickelt hat, läßt sich dies zeigen. Demnach gibt es drei Kapitalsorten, die über bestimmte Mechanismen untereinander tauschbar sind: Ökonomisches Kapital entspricht dem gängigen Kapitalbegriff; es ist Kapital, das direkt in Geld umgewandelt werden kann; kulturelles Kapital dagegen ist inkorporiertes Kapital, wie schulische Bildung oder erlernte kommunikative Kompetenz. Soziales Kapital schließlich besteht in persönlichen Beziehungen und Kontakten, die ebenso wie kulturelles Kapital in ökonomisches umgesetzt werden können (vgl. Bourdieu 1982). Untersucht man die Verteilung dieser Kapitalsorten und die Veränderung dieser Verteilungen in einer Gesellschaft, dann erhält man ein ziemlich präzises Bild der Sozialstruktur. Auf dieser Grundlage lassen sich dann Aussagen über die Entwicklungstendenzen bestimmter Personenkreise unter veränderten Bedingungen machen.5
2.1. Die Verlierer
Zu den Verlierern gehören zunächst jene, deren Kapital in ihrer Arbeitskraft besteht. Es ist in erster Linie kulturelles Kapital, inkorporiert in Bildung und Qualifikationen, das in den Kriegen der Gegenwart massiv an Wert verliert. Ein paar Beispiele machen dies deutlich:
Da sind zunächst die Staatsbediensteten zu nennen. Ganz gleich, wer den Krieg beginnt, ob es sich um einen rein innerstaatlichen Krieg handelt oder ob andere Staaten daran beteiligt sind, Kriege gehen immer zu Lasten des Staatshaushalts. Der Tendenz nach werden andere als der militärische Teil des Staates im Krieg nach und nach ausgetrocknet. Das beginnt bei der normalen Verwaltung, bei Bildungs- und Gesundheitsausgaben, und erstreckt sich dann auch auf eigentlich "kriegswichtige" Infrastrukturen wie Verkehrswege und Kommunikationslinien. Staaten senken aber nicht nur die Investitionen in diesen Bereichen, sondern auch die Personalausgaben. Die Löhne und Gehälter halten mit der sich rasch beschleunigenden Inflation nicht mehr mit. Deshalb zählen die nicht-militärischen Staatsbediensteten fast immer zu den Verlierern des Krieges - es sei denn, sie beteiligen sich in der ein oder anderen Form am Schmuggel, am informellem Handel oder der Veräußerung von Staatsbesitz. Der Zerfall von staatlichen Institutionen hat hier seine persönliche, biographisch faßbare Seite.
Eine zweite große Gruppe von Verlierern sind die Lohn- und Gehaltsempfänger sowie die Rentner. Beide Gruppen leiden unter der Entwertung bestimmter Formen ökonomischen Kapitals, vor allem des Geldes. Der Grund hierfür ist die Inflation, die mit jedem Krieg einhergeht und teilweise extreme Ausmaße annimmt. In der BR Jugoslawien etwa sank der Umtauschwert des Durchschnittslohns zwischen 1992 und 1993, also innerhalb eines Jahres, von 145 DM auf 15 DM.
Eine weitere Gruppe von Verlierern sind die Flüchtlinge. Nur für wenige ist die Flucht oder das Exil der Beginn eines Aufstiegs. So gelingt es meist nur einer kleinen Schicht, ihr akkumuliertes kulturelles Kapital zu nutzen, um etwa im westlichen Exil im formellen Sektor Einkommen und Vermögen zu erlangen. Für die große Mehrzahl ist die Flucht mit einem Verlust an Kapital aller Sorten verbunden: Qualifikationen werden verlernt, soziale Bindungen zerbrechen, und zurückgelassene Werte werden geplündert oder vernichtet.
Eine besondere Dynamik entfaltet sich in Flüchtlingslagern. Die legalen Systeme schwacher Gastgeberstaaten greifen dort nicht. Statt dessen etablieren sich dort informelle Institutionen der Flüchtlingsgemeinschaften (vgl. Crisp 2000), das Camp wird zur "totalen Institution". Im Camp entstehen neue Konfliktlinien zwischen und innerhalb der Flüchtlingsgemeinschaften, die häufig gewaltsam eskalieren. Der Grad an sozialer Frustration ist hoch, Auswege gibt es keine. Die Suche nach illegalen oder von den tragenden Institutionen nicht gewünschten Alternativen ist aber verständlich. Nicht weil sie von sich aus militant sind oder weil sie Drogen nehmen, sondern weil sie keine andere Lebenschance sehen, schließen sich junge Männer aus Flüchtlingslagern den Rebellenfraktionen an, deren Einfluß meist tief in die Flüchtlingslager hineinreicht.
Natürlich kommen zum rationalen Kalkül, durch die Kriegsteilnahme auch ein besseres Leben, etwas Wohlstand und eine Zukunft zu erreichen, auch noch andere Motive hinzu. Die Orientierung an traditionellem Kriegerhabitus und das Streben nach Akkumulation sozialer Ehre wären hier zu nennen.6 Roland Marchal hat diese Gemengelage von Motiven den "blinden Sprung in eine geträumte Moderne" genannt (2000: 174) und damit gemeint, daß junge marginalisierte Männer sich von ihrer Beteiligung am Krieg oft mehr erhoffen als Geld. In der Wahl der Gewaltoption kann man auch einen Ausdruck des Wunsches nach Partizipation, nach Geltung und Anerkennung sehen. Man kann es auch so sagen: Diese Männer versuchen, das wenige soziale Kapital, das sie haben, zu nutzen, um an anderes heranzukommen. Sie versuchen, ihr Verliererschicksal umzukehren. Daß sie zu den Gewinnern gehören werden, ist indes unwahrscheinlich.
Allgemein ist der Kreis der Verlierer groß und wächst im Krieg weiter. Im Krieg wird Kapital vernichtet, Karrieren knicken ab oder enden für immer, der Produktion gesellschaftlicher Werte werden Ressourcen entzogen. Auch wenn es falsch ist zu glauben, alle Landesteile und alle gesellschaftlichen Bereiche seien gleichermaßen vom Krieg betroffen, so weitet sich mit der Fortdauer des Krieges der Kreis der Verlierer gleichwohl stetig aus. Schließlich wird selbst die Landwirtschaft auf Subsistenzniveau herabsinken, weil unter den Bedingungen der Unsicherheit nur noch der gewaltgesteuerte Handel weiterläuft, in dem Profite einfach abgepreßt werden können. Im Krieg nimmt die Zahl der Armen und das Ausmaß der Armut zu.
Es gibt aber auch Gewinner im Krieg. Dabei handelt es sich nicht durchweg um Waffenhändler und charakterlich verdorbene Menschen. Und auch wenn ihre Zahl und das Wachstum ihres Reichtums in keinem Verhältnis zu den gesamtgesellschaftlichen Verlusten stehen, spielen sie in der sozialen Dynamik von Gesellschaften im Bürgerkrieg eine wichtige Rolle.
2.2. Die Gewinner
Zu den Gewinnern gehören Menschen und soziale Gruppen mit ganz bestimmten Merkmalen, die wiederum in der Begrifflichkeiten der Kapitalsorten beschrieben werden können. Sie lassen sich zudem nach internen und externen Akteuren unterscheiden. Für alle Gewinner gilt, daß sie von der relativen Wertsteigerung bestimmter Kapitalsorten profitieren. Das kulturelle Kapital der Gewaltkompetenz, also die Fähigkeit und die Expertise in der Gewaltausübung, ist dabei als erstes zu nennen. Deshalb werden in bewaffneten Gruppen schnell Militärs kooptiert, wie dies im Fall der "National Patriotic Front of Liberia" der Fall war. Charles Taylor, selbst ohne militärische Erfahrung, nutzte die Fragmentierungen im liberianischen Militär, um dort Offiziere abzuwerben.
Eine Wertsteigerung aber gibt es auch beim sozialen Kapital. "Verbindungen" oder Bindungsfähigkeiten werden in einer Kriegsökonomie überlebenswichtig. Deshalb erfährt soziales Kapital im Verlauf eines Krieges die höchste Aufwertung. An Romanen über die Bürgerkriegszeit in Uganda kann man diesen Mechanismus besser nachvollziehen als in der oft bloß auf größere Zusammenhänge abstellenden wissenschaftlichen Literatur.7
Zu den internen Gewinnern gehören sodann die Charismatiker, von denen es zwei Sorten gibt. Die einen sind die militärisch Erfolgreichen. Denken könnte man hier an Charles Taylor und Prince Yormieh Johnson in Liberia oder an Yoweri Museveni in Uganda. Ihr Kriegercharisma erlaubt es ihnen, ältere Herrschaftsverhältnisse aufzulösen, neue Gruppen an sich zu binden und innerhalb ihres eigenen Verbandes Legitimität zu erlangen. Ähnliches läßt sich auch von Otto von Bismarck behaupten, dessen Ansehen in der bürgerlichen deutschen Öffentlichkeit sich vom Erfolg seiner kriegerischen Politik nicht trennen läßt.
Die anderen Charismatiker sind die religiösen, die nicht militärisch aktiv sind, denen aber nach dem Zusammenbruch anderer Ordnungen eine herausragende Stellung zukommt, weil sie über symbolische Machtmittel verfügen. Das ist etwa der Fall bei Mullah Omar in Afghanistan (vgl. Dorronsoro 2000: 304ff.). Diese Charismatiker stehen schnell vor dem Problem der "Veralltäglichung" ihres Charismas (vgl. Weber 1985), der Überführung ihres Ansehens in Herrschaft. Sie müssen also das ökonomische Kapital, das sie als Kriegsunternehmer anhäufen, möglichst bald und weitreichend in soziales Kapital ummünzen, um ihre Position zu stabilisieren.
Mindestens kurzfristig gehören auch die einfachen Kämpfer zu den Gewinnern des Krieges. Insofern wird die Erwartung auf höheren sozialen Status, die eines der Hauptmotive der Kriegsbeteiligung der jungen Männer ausmacht, jedenfalls im Krieg belohnt. Für diesen Aufstieg gegenüber anderen Statusgruppen lassen sich Beispiele in allen Kriegen finden, in den bewaffneten Gruppen der Demokratischen Republik Kongo ebenso wie in der Bundeswehr oder in der US-Army. Meist wird die Teilnahme am Kampf kurzfristig mit der Übertragung von Kriegsbeute belohnt. Langfristig ist es die Teilhabe an der Macht, an Ämtern, Pfründen und Pensionen, mit der die Kombattanten (jedenfalls der siegreichen Partei) entlohnt werden.
Außerdem gibt es ökonomische Kriegsgewinnler. Das sind zum Beispiel Händler, auf die die Kriegsparteien angewiesen sind, um bestimmte Dinge auf den externen Märkten loszuwerden oder um an bestimmte Dinge zu gelangen. Das soziale Kapital dieser Leute wird also erheblich wertvoller als zu Friedenszeiten, und darauf beruht ihr Gewinn. Ihr Hauptproblem im Krieg ist indes, daß militärische und politische Akteure versuchen, ihnen ihre Position streitig zu machen und sie auszuschalten, um selbst von den profitabelsten Teilen der Kriegsökonomie zu profitieren.
Zu den internen Kriegsgewinnlern gehören schließlich die inflationsresistenten Besitzer: Ihre Gewinne sind jedoch meist eher relativer Natur. Sie verbessern ihre Lage in Relation zu den Nichtbesitzenden. Landbesitz und Besitz an Produktionsmitteln übersteht Krieg eher als Geldbesitz und reine Arbeitskraft, jedenfalls solange es nicht infolge des Kriegs zu Enteignungen kommt. Das Ausmaß der Verschiebung dieser Vermögensstruktur ist eine Frage der Inflation, die in Serbien (Reuter 1994) ebenso wie im Libanon (Chami 1992) stattgefunden hat.
Abgesehen von den internen Kriegsgewinnlern, gibt es zudem eine Reihe von externen Kriegsprofiteuren. Dazu gehören zunächst die verbündeten Staaten der siegreichen Partei. Ihnen fallen Sicherheitsgewinne und vielleicht auch ökonomische Vorteile zu. Schon während des Krieges profitieren ihre Ökonomien von den leicht abzuschöpfenden Gewinnen aus dem Handel mit den Kriegsgebieten. Selbst in armen Gegenden kommt heute nach dem Krieg Geld ins Land, weil internationale Organisationen ihre Arbeit aufnehmen und weil sich eventuell Handelsströme günstig verschieben.
Schließlich gibt es einzelne Firmen und Individuen, die als externe Akteure von Kriegen profitieren. Das sind vor allem solche, die in den spezifischen Branchen tätig sind, zu denen die Exportwaren der Kriegsökonomien gehören. Der Gewinn dieser externen Akteure beruht darauf, daß die Kriegsakteure ihnen Waren zu herabgesetzten Preisen verkaufen. Denn unter den Bedingungen des Krieges bleibt weder Zeit, Kartelle und Preisabsprachen zu organisieren, noch durch Vorratshaltung oder Produktionsbeschränkungen den Preis hochzuhalten, wie dies bei vielen Rohstoffen zu Friedenszeiten möglich ist. Die Dringlichkeit der militärischen Situation erfordert vielmehr rasche und möglichst umfangreiche Verkäufe. Von dieser Situation profitieren die Abnehmer, die auf diese Weise Extragewinne realisieren können.
Nach dem Ende des Krieges gibt es schließlich weitere externe Gewinner, wenn die siegreiche Partei die ökonomischen Chancen neu verteilt. Die Öl-Bonanza, die sich im Gefolge des Irak-Krieges der USA ergeben hat, ist dafür das augenfälligste Beispiel. Es gibt mittlerweile genug Hinweise, daß sich aus den gegenwärtigen Konstellationen internationaler Politik ein neues Verhältnis von Politik und Ökonomie im zwischenstaatlichen Krieg ergibt, in dem solche Sieger mit privaten militärischen Organisationen verschmelzen (vgl. Avant 2007; Azzelini/Kanzleitner 2003).
Zu den externen Nutznießern zählen schließlich in einem gewissen Sinn auch die internationalen Organisationen, sowohl die von Regierungen getragenen als auch Nichtregierungsorganisationen. Sie profitieren vom Krieg in Form von Budgets, Jobs, Aufgaben und Organisationsmacht. Sie übernehmen eine Vielzahl von Aufgaben, die vormals dem Staat zufielen oder wenigstens zugedacht waren, besonders in den Bereichen Gesundheit und Bildung.8
Dieses Panorama der Gewinner und Verlierer ist allerdings unvollständig. Es fehlen darin unter anderem die externen Verlierer. Betrachtet man eine Kriegsökonomie jedoch in ihrer Gesamtheit, d.h. samt ihrer Vorgeschichte und ihren Nachwirkungen, dann wird deutlich, daß es auch diese gibt. Der Bürgerkrieg im Libanon etwa hat die Wirtschaft Zyperns aufblühen lassen, und die Nachbarstaaten Serbiens konnten erheblich vom Schmuggel zu den Zeiten der Sanktionen profitieren. Mit dem Ende der Konflikte war es aber auch mit dem kriegsbedingten wirtschaftlichen Aufschwung in den genannten Regionen vorbei.
Man kann Kriegsökonomien folglich mit einer gewissen Berechtigung als große Umverteilungsmaschinen betrachten, und sie verteilen nicht nur im Inland um. Denn das meiste, was nach dem Krieg an Schäden behoben werden muß und was an Hilfe in eine Nachkriegsgesellschaft fließt, wird heute international mit öffentlichen Geldern finanziert. In einer langfristigen, globalen Sicht folgen Kriegsökonomien also dem Muster: "Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Kosten". Mit Recht können Steuerzahler fragen, warum sie zur Behebung von Kriegsschäden beitragen sollen, wenn die Gewinner des Krieges nicht wenigstens ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Auch wenn es übertrieben wäre, die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft - oder genauer: die Steuerzahler, die die Politik dieser internationalen Gemeinschaft finanzieren - deshalb als externe Verlierer von Kriegsökonomien zu bezeichnen, so gehören sie doch zweifellos zu denjenigen, zu deren Lasten die gegenwärtigen Finanzierungsmodelle gehen.
Die politischen Dynamiken von Kriegen lassen sich zusammenfassen: Im Krieg werden bestimmte Kapitalsorten entwertet, und andere erleben eine Steigerung der Profitrate: Kulturelles Kapital, also Bildung und berufliche Qualifikationen, verlieren im Krieg rapide an Wert, soweit sie nicht unmittelbar militärisch verwertbar sind. Die einzige Form kulturellen Kapitals, die im Krieg in jedem Fall höheren Nutzen bietet als in Friedenszeiten, ist die Gewaltkompetenz. Ökonomisches Kapital wird in großem Maßstab vernichtet. Nur bestimmte Sorten, etwa der Besitz von Extraktionsbetrieben exportfähiger Rohstoffe und die für den Unterhalt der militärischen Verbände nötigen verarbeitenden Industrien, erleben eine Konjunktur.
All diese Veränderungen bedeuten, daß sich mit der Fortdauer des Krieges die Sozialstruktur einer Gesellschaft und damit die politische Machtverteilung wandelt. Je länger der Krieg dauert, desto tiefgreifender ist dieser Wandel. Er kann an der Spitze den Austausch der Eliten bedeuten und in der Gesellschaft zu neuen Gruppierungen und Fragmentierungen führen.
3. Der Weg aus dem Krieg und die Transformation von Kriegsökonomien
Bemühungen, Konflikte zu beenden, in denen sich Kriegsökonomien entwickelt haben, richten ihr Augenmerk zumeist auf die Probleme der Vermittlung zwischen den Kriegsparteien, die Ausgestaltung der politischen Ordnung nach dem Krieg sowie die humanitäre Hilfe für die Opfer und die Bewältigung der Kriegsfolgen, die durch ein Ende des Krieges möglich werden. Dies gilt für die politischen Bemühungen wie für ihre wissenschaftliche Begleitung und Analyse gleichermaßen. Die ökonomische Struktur, die in Bürgerkriegen entsteht und sich verfestigt, ist hingegen nur selten Gegenstand von politischen Bemühungen der Kriegsbeendigung und Friedensregelungen geworden. Diese Programme müssen noch geschrieben werden.
Eine Maßnahme zur Beendigung von Kriegen und der Austrocknung von Kriegsökonomien, die in der Literatur am häufigsten genannt wird, ist das Embargo - also der Versuch, die Ökonomie eines Landes von außen einer effektiven Kontrolle zu unterwerfen. Das Embargo als Sanktion führt jedoch dazu, daß nicht nur der Außenhandel, sondern auch die internen Märkte zusammenbrechen. Das hat natürlich negative Effekte auf die Beschäftigung, auf Handelswege, Kommunikations- und Infrastruktur. Aber der politisch bedeutsame Haupteffekt ist der, daß die Unterversorgung der Bevölkerung und der Nachfrageüberschuß, der sich auf den Binnenmärkten ergibt, zu einer relativen Bedeutungssteigerung von sozialen Beziehungen führen, die nur teilweise ökonomischer Art sind. Damit wird eine weitere Wertsteigerung des sozialen Kapitals in Gang gesetzt.
In Nachkriegssituationen entstehen oft dadurch große Probleme, daß unter den Bedingungen eines Handelsembargos die Schattenwirtschaft einen Boom erlebt. Schwarzhändler, Kriminelle und alle möglichen Mittler und Organisierer haben unter den Bedingungen eines Embargos Konjunktur und können sich Machtpositionen erobern, die sie nach dem Krieg nicht freiwillig räumen werden.
Damit geraten Menschen in Machtpositionen, die nach den gängigen modernen Begrifflichkeiten Kriminelle genannt werden müssen. Ihr Aufstieg verdankt sich den Bedingungen des Krieges, und sie sind in ihren Mitteln für gewöhnlich nicht wählerisch. Ihr Einfluß beschränkt sich zudem nicht auf die Wirtschaft. Gerade weil in den politischen und militärischen Positionen über die großen Ressourcenflüsse entschieden wird, greift der Einfluß der Schattenwirtschaft in der Regel auch auf die Politik über.
Diese Kriminalisierung der Politik läßt sich indes nicht nur im Kriegsland, sondern auch in den Nachbarländern beobachten. Denn die inoffiziellen Sphären der Weltwirtschaft kümmern sich nicht um die Normen der offiziellen Weltwirtschaft und auch nicht um politische Grenzen. Die Nachfrage, deren Sättigung durch die Sanktionen verhindert werden soll, sucht ihre Erfüllung nun in den inoffiziellen Sphären der Weltwirtschaft.
Dabei wird die unmittelbare Umgebung des Kriegsgebietes zum wichtigen Sekundärmarkt, zum Umschlagplatz für alle - international geächteten und verbotenen - Transfers. Wenn dieser Tendenz keine großen Widerstände entgegenstehen, wenn also kein kräftiger Staat die Einhaltung der Sanktionen durchsetzen kann und will, dann weitet sich die Kriminalisierung aus. Das schließt meist den Gebrauch der Gewalt ein. Deshalb läßt sich häufig eine Ausweitung eines innerstaatlichen Krieges auf die Nachbarländer beobachten. Es bilden sich Ringe der Unsicherheit, die sich regional um Gewaltherde legen. Die Entwicklungen in Afghanistan oder Liberia zeigen, wie nachhaltig diese Effekte sein können.
Im Grunde sollen Sanktionen den Krieg kürzer machen, indem sie den Druck auf eine oder mehrere Kriegsparteien erhöhen. Zunächst aber machen sie den Krieg grausamer: der Mechanismus der Auszehrung greift schneller, aber unter mutmaßlich größeren Leiden der Bevölkerung, weil die Machthaber fast immer in der Lage sind, einen Teil der ihnen aus den Sanktionen entstehenden Kosten auf die Bevölkerung abzuwälzen.
Man kann deshalb am Sinn von Sanktionen mit guten Gründen zweifeln. Sie haben meist nicht den Effekt, den man sich von ihnen erhofft. Oder wenn sie diese Effekte doch haben, dann sind die Nebenwirkungen so groß, daß sie die gewünschten Effekte wieder aufheben. Sie setzen, um wirklich effizient zu sein, eine intime Kenntnis der ökonomischen Strukturen und Zusammenhänge voraus. Fehlt diese Kenntnis - was leider meistens der Fall ist - , so bewirken sie gerade in Kriegsökonomien etwas anderes als das, was man mit ihnen beabsichtigte.
In diesem Zusammenhang gilt allerdings eine Ausnahme: das Waffenembargo. Die Sperrung der Nachfrageseite der Kriegsökonomien - nämlich ihres Verbrauchs an Waffen und Munition - ist sicher nützlich. Angesichts der Vielzahl der in der Welt zirkulierenden Kleinwaffen haben die Bemühungen um Waffenembargos jedoch zweifelhafte Wirkung (vgl. Lock 2001).
Grundsätzlich aber scheint es sinnvoller, die Regulierung, Einhegung oder gar Austrocknung von Kriegsökonomien von der anderen Seite her zu denken, nämlich in Form der Kontrolle der internationalen Abnehmer. Statt durch ein Embargo die Informalisierung weiter voranzutreiben, ist es vermutlich effizienter, in den Zonen politische Maßnahmen zu ergreifen, in denen politische Regulierung noch greift. Aber auch diese Maßnahmen wollen gut überlegt sein, damit nicht unintendierte Effekte auftreten.
Im sogenannten Kimberley-Prozeß hat man versucht, mittels staatlicher Herkunftszertifikate den Handel mit sog. "Blutdiamanten", d.h. geschmuggelten Diamanten aus Bürgerkriegsregionen, und somit den Mittelfluß in Kriegsgebiete einzudämmen. Auch die UN-Initiative "Global Compact" zielt auf ein verantwortungsvolleres Handeln von Unternehmen, die mit Handelspartnern in Kriegsgebieten Geschäfte machen, freilich ohne bisher mit Sanktionen bewehrt zu sein.
Kriegsökonomien wirken durch ihre sozialen Verwerfungen nach dem Ende der Kampfhandlungen weit über den Krieg hinaus. Angenommen, ein Krieg sei trotz der ihm innewohnenden Eigendynamiken zu Ende gegangen und es wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der vielleicht im großen und ganzen eingehalten wird. Welche Probleme resultieren dann aus den Strukturen, die in einer Kriegsökonomie entstanden sind?
3.1. Gewaltmonopol und Nachkriegsökonomie
Was genau passiert, wenn Bürgerkriege zu Ende gehen, ist nicht besonders gut erforscht. Es ist allerdings bekannt, daß es eine Reihe von Problemen gibt, die dabei zu bewältigen sind. Diese Probleme sind nicht überall und für alle dieselben. Je nachdem, wo man in der sozialen Hierarchie steht, sehen die Probleme anders aus. Auch hier gilt, wie immer: Des einen Lösung ist des anderen Problem. Die Konflikte gehen nach dem Krieg unvermeidlich weiter.
Zeitgenössische Kriege haben die Besonderheit, daß in ihnen die Unterscheidung zwischen Kriegs- und Friedenszeiten undeutlich geworden ist. Zunächst einmal erschwert das Erbe der Kriegsökonomie die Etablierung eines neuen Gewaltmonopols. Die Wiedererrichtung eines staatlichen Gewaltmonopols, das noch dazu einer demokratischen Kontrolle unterliegt, ist aber die Minimalbedingung einer dauerhaften Nachkriegsordnung. In den meisten Fällen bleibt aber auch das schon ein fernes Ideal. Gewaltkompetenz zahlt sich nämlich bei fehlendem oder prekärem Gewaltmonopol immer noch aus. Nur wer selbst gewaltbereit oder aber in soziale Zusammenhänge eingefügt ist, in denen es auch gewaltkompetente Mitglieder gibt, hat eine ökonomische Chance.
Die gesellschaftliche Militarisierung, die mit Kriegen einhergeht, hat auch Konsequenzen für das politisch-institutionelle Gefüge in Nachkriegssituationen. Das gilt besonders für die Stellung des Militärs. C. Wright Mills (1956, Kap. 9) hat diese "military ascendency" für die USA nach dem Zweiten Weltkrieg eindrücklich belegt. In vielen westlichen wie östlichen Staaten lassen sich die Größe und der Mittelverbrauch des Militärs sicherheitspolitisch nicht begründen. Erklären lassen sie sich nur als Nachklang, als institutionalisierte Versorgung eines Gewaltstabes, der unter anderen Umständen entstand und sich mit Hilfe politischer Koalitionen dauerhaft festsetzte.
In allen Nachkriegssituationen gibt es also einen Nachklang der Gewalt. Krieg und Frieden lösen sich nicht über Nacht ab, sondern es gibt mehr oder weniger lange Zwischenzeiten, in denen nicht klar ist, wie es weitergehen wird, und in denen die Gewalt anhält, wenn auch auf vermindertem Niveau. Das heißt, daß das Ende des Krieges nicht das Ende der Gewalt bedeutet. Statt dessen beobachtet man in fast allen Nachkriegssituationen eine Fortdauer der Gewalt, die auch weiterhin eine ökonomische Rolle spielt - sei es in der Form von Schutzgelderpressung, in der Einschüchterung von Konkurrenten, in der organisierten gewaltsamen Aneignung bestimmter Güter oder in anderen Formen dessen, was wir Kriminalität nennen. Diese Phänomene lassen sich in Liberia genauso beobachten wie in Georgien (vgl. Koehler 2000), in Uganda genauso wie in Peru.
Diese Situationen ähneln denen vor dem Beginn eines Bürgerkrieges: Es ist unklar, ob es eine zentrale Staatsgewalt gibt, ob sich nicht Teile des Militärs oder anderer Sicherheitsagenturen verselbständigt haben. Gewalttaten sind häufig und können mit Hilfe staatlicher Organe nur unzureichend oder gar nicht geahndet werden. Polizei und Justiz sind nur eingeschränkt oder gar nicht funktionsfähig, Rechtssicherheit gibt es keine.
Diese Zustände können sich verstetigen. Gesellschaften können lange in diesen Übergangszonen zwischen Krieg und Frieden existieren. In manchen Gesellschaften schließlich ist der Einsatz physischer Gewalt normal geworden: Ein Gewaltmonopol des Staates wurde nie etabliert, die Lösung sozialer und persönlicher Konflikte durch den Einsatz von Schußwaffen ist zur alltäglichen Praxis geworden. Kolumbien ist so ein Fall (vgl. Kurtenbach 1999), wo für Männer zwischen 15 und 45 Jahren der Tod durch eine Pistolenkugel zur häufigsten Todesursache geworden ist. Hier wie in anderen Fällen hat die Bestimmung der Ökonomie durch gewaltsame Strategien sich so verfestigt, daß sie das Ende eines offenen Krieges überdauert.
3.2. Was wird aus den Siegern, was aus den Verlierern?
Aus Kriegsprofiteuren werden langfristig Gewinner, wenn es ihnen gelingt, die Transformation vom militärisch-ökonomischen Verband zur legitimen Interessengruppe, Partei oder sogar zur Regierung zu bewerkstelligen. Die Profiteure einer Kriegsökonomie stehen dabei nach dem Ende eines Krieges vor neuen Herausforderungen. Sie müssen das Mittel der Gewalt durch andere Herrschaftsstrategien ergänzen und langfristig ersetzen. Eine Strategie ist dabei das, was Antonio Gramsci "reziproke Assimilation" nennt. Die Kriegsprofiteure müssen mit den anderen (neuen) Machthabern zu einer neuen politischen Klasse verschmelzen. Um zu vermeiden, daß ihre im Krieg mühsam errungenen Positionen in der Etablierung einer Nachkriegsordnung von anderen übernommen werden, brauchen sie Bündnispartner, um in der neuen Lage ihre Gewinne legitimieren und absichern zu können.9 Diese neue politische Klasse muß sodann neue Mechanismen sozialer Schließung ausbilden, um ihre Chancen langfristig abzusichern.
Ganz wesentlich ist dabei heute der Kontakt zur internationalen Gemeinschaft, allen voran zu den westlichen Geberländern. Ein klares Beispiel, wie es den Kriegsgewinnlern gelingen kann, sich die "internationalisierte Lösung" oder wenigstens Beendigung eines Krieges zunutze zu machen, ist der Fall Bosnien. Dort vermochten die Kriegsgewinnler, ihre im Krieg errungenen Positionen dadurch zu sichern, daß sie mit den externen Interventen eine Allianz eingegangen sind (vgl. Pugh 2002).
Verlierer bleiben Verlierer, je erfolgreicher die Sieger darin sind, den Verlierern die Kosten des Übergangs aufzubürden. Das ist ein schwieriger Balanceakt. Wenn nämlich die Kosten für die Verlierer zu hoch werden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit einer Wiederaufnahme des Krieges. Die Belastung wird von den Verlierern schlicht als zu hoch empfunden, und damit steigt erneut die Kriegsbereitschaft. Dies ist ein Teil der Erklärung dafür, daß viele "neue" Kriege dort beginnen, wo wenige Jahre zuvor schon ein Krieg stattgefunden hat. Daß es unter den Siegern Enttäuschte gibt, deren Erwartungen für die Zeit nach dem Krieg nicht erfüllt wurden und die deshalb auf eigene Faust einen neuen gewaltsamen Versuch starten, ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, das den Revanche-Mechanismus noch verstärkt.
Es ist deshalb für Kriegsgewinnler eigentlich geboten, die Verlierer nicht massiv zu übervorteilen, sondern ihnen Partizipations- und Aufstiegschancen zu bieten. In Nachkriegssituationen ist dies indes selten zu beobachten. Zu stark sind die Aspirationen der Gefolgschaften der Gewinner. Diese Gefolgschaften sehen nicht ein, warum sie als Teilhaber des Sieges am Ende schlechter dastehen sollen als die Verlierer.
Die Veränderungen in ökonomischen Strukturen, die sich durch kriegerische Gewalt ergeben, verändern sich nur langsam wieder, wenn überhaupt. Einmal veränderte Handelsströme lassen sich nicht per Dekret umlenken, und Nachkriegsstaaten sind meist zu schwach, um mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen den Status quo ante wieder herzustellen. Die Wiederbeschaffung von geraubtem Besitz gelingt immer nur unvollständig, wenn sie politisch überhaupt durchzusetzen ist, und die ökonomischen Gewinner des Krieges verlieren ihren Reichtum nur dann, wenn internationaler politischer Druck entsteht, der dies erzwingen kann.
Noch verheerender stellen sich die langfristigen Auswirkungen dar, wenn man außerdem berücksichtigt, in welcher Weise sich die ökonomischen Veränderungen in kultureller Hinsicht niederschlagen. Die Korrumpierung des politischen und des bürokratischen Apparates, die Unterminierung rechtsstaatlicher Strukturen und die Zersetzung familiärer und sozialer Beziehungen und Loyalitäten haben nicht selten eine so starke Austrocknung der sozio-moralischen Ressourcen zur Folge, daß Ansätze eines anspruchsvollen nation building von vornherein zum Scheitern verurteilt sind.
Die Ökonomie des Krieges wird somit immer in die Nachkriegsstrukturen eingeschrieben bleiben. Sie wirft auch auf die Märkte des Friedens einen Schatten der Gewalt.
Anmerkungen
1 Vgl. Jean/Rufin 1996; Schlichte 1996; Elwert 1997; Genschel/Schlichte 1997.
2 Vgl. dazu Bourdieu (1982; 1992) und Webers historische Einbettung wirtschaftlichen Handelns in "Wirtschaft und Gesellschaft" (1985). Eine kompatible soziologische Einbettung des Ökonomischen findet sich prominent auch in Karl Polanyis "Great Transformation" (1944).
3 Vgl. etwa Kaldor (1999) und Münkler (2002). Die These von den neuen Kriegen hat schon ihre frühen Kritiken nicht überstanden; vgl. Kalyvas (2001); Marchal (2003). Die deutsche Diskussion findet sich in Geis (2006).
4 Götz Aly (2005) hat in einer bekannten Studie auf die systemstabilisierende Wirkung der NS-Kriegsökonomie hingewiesen und an umfangreichem Material entfaltet. Für eine detaillierte Fallstudie dieser Strategien vgl. Sundhaussen (1983). Zur Verbreitung der Plünderung als der einfachsten Form des Raubes in früheren, vermeintlich "gehegten" Kriegen s. Reed (1994), Merridale (2005, Kap. 9).
5 Was nun folgt, gilt vor allem für die Bedingungen eines innerstaatlichen Krieges. Zwischenstaatliche Kriege weisen ähnliche Tendenzen auf, aber die Mechanismen sind mutmaßlich andere. Die Forschung zu zwischenstaatlichen Kriegen leidet darunter, daß sie sich im wesentlichen auf industrialisierte Staaten konzentriert hat, die andere politische und wirtschaftliche Strukturen haben als diejenigen Staaten, in denen wir heute innerstaatliche Kriege beobachten.
6 Übrigens ist in fast allen Gesellschaften die Bewährung im Kampf eine Quelle von Ehre und Ansehen. Auch die deutsche Gesellschaft ist da keine Ausnahme, sondern, langfristig historisch betrachtet, sogar ein Extremfall (vg. Elias 1990).
7 Vgl. Isegawa (2000) oder den Augenzeugenbericht von Kyemba (1977).
8 Vorteile in Form gesteigerter Zuwendungen und Aufmerksamkeit ergeben sich schließlich auch für den Wissenschaftsbetrieb, freilich ohne daß dessen Angehörige deshalb ein Interesse an der Fortsetzung der Kriege hätten. Dies kann man u.a. am Boom der Veröffentlichungen und Projekte ablesen, die sich in den vergangenen zehn Jahren mit Gewaltphänomenen beschäftigen.
9 Ein aus der deutschen Geschichte prominentes Beispiel für solch eine Strategie ist die Geschichte des Josef Neckermann, des vormaligen "Reichsbeauftragen für Kleidung", der die deutsche Wehrmacht für den Rußlandfeldzug mit dem "Wendemantel" ausstattete. Nach dem Krieg verwandte Neckermann sein ökonomisches Kapital für die Gründung eines Versandhauses und kam als Olympiasieger im Dressurreiten und als Sportfunktionär zu Ehren; vgl. "Nichts mehr möglich: Mißmanagement bei Neckermann", Manager-Magazin vom 28.08.2001.
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Prof. Dr. Klaus Schlichte, Politikwissenschaftler, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
aus: Berliner Debatte INITIAL 18 (2007) 6, S. 72-84