Mit der Gesamtschule zur gemeinsamen Schule für alle

Jede Strategie hin zur einen Schule für alle dürfte nur dann Erfolg versprechend sein, wenn darin die Gesamtschulgeschichte und -gegenwart aufgehoben sind.

Ingrid Wenzler Mit der Gesamtschule zur gemeinsamen Schule für alle Seitdem im Dezember 2001 die Ergebnisse der ersten PISA-Vergleichsuntersuchungen veröffentlicht wurden und diese für das deutsche Schulsystem unerwartet negativ ausfielen, rückte die Schulpolitik schlagartig ins Zentrum der politischen Debatte. Diesmal blieb es kein kurzlebiger Medienhype. Die Auseinandersetzung um Ursachen, Deutung und angemessene Maßnahmen wird nunmehr seit fünf Jahren mit bleibender Intensität kontrovers geführt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Schulstruktur in der Sekundarstufe I. Bis zum 4. Dezember 2001 war die Überzeugung in Deutschland kaum erschütterbar, dass die Gliederung der Sekundarstufe I in Hauptschule, Realschule und Gymnasium plus Sonderschulen das Optimum eines Schulsystems darstelle und dies sowohl das kindgemäßeste als auch leistungsstärkste aller denkbaren Schulsysteme sei. Nun präsentierte eine so unverdächtige Organisation wie die OECD Befunde internationaler Vergleichsuntersuchungen, die nachwiesen, dass das deutsche gegliederte Schulsystem zentrale Erwartungen an die Leistungen eines Schulsystems nicht erfüllt, die in anderen Ländern sehr wohl und deutlich besser erfüllt werden. Weder waren die gemessenen Schulleistungen insgesamt befriedigend noch war die hiesige Leistungsspitze vergleichbar breit und leistungsstark wie die finnischen oder schwedischen Schüler und Schülerinnen. Während sie hier doch seit ihrem 10. Schuljahr von den leistungsschwächeren Kindern getrennt lernten, lernten sie in den erfolgreichen Ländern bis zum 9. Schuljahr in völlig heterogenen, „unausgelesenen“ Lerngruppen und Schulen und wiesen als Fünfzehnjährige erstaunlich gute Ergebnisse auf. Am unteren Ende des Leistungsspektrums waren die Ergebnisse in diesen skandinavischen Ländern deutlich überlegen. In Deutschland dagegen wiesen rund ein Viertel der Schüler und Schülerinnen unakzeptabel schlechte Leistungen auf. Außerdem wies PISA nach, dass die Chancen der Kinder auf Schulerfolg nirgendwo so sehr vom Elternhaus abhängen wie hier. Kinder haben hier deutlich weniger Chancen, Nachteile, die sie aus ihrem Elternhaus mitbringen, in der Schule auszugleichen. Die OECD wies beharrlich darauf hin, dass PISA ein Instrument sei, die Leistungen der Schulsysteme insgesamt zu vergleichen. Somit lautete die Aussage: Das deutsche Schulsystem ist leistungsschwach und sozial extrem ungerecht. Länder mit einer gemeinsamen Schule für alle schnitten in beiden Bereichen deutlich besser ab. Damit wurde auch in Deutschland fragwürdig, was bis dahin als undiskutierbar gegolten hatte: die hierarchisch gegliederte Struktur des Schulsystems selbst. Es war zu erwarten, dass dies zu einer höchst komplizierten Diskussion über Schule und das Schulsystem führen würde. Denn die Verteidiger des gegliederten Schulsystems verschwanden durch PISA ja nicht von der Bildfläche oder änderten ihre Meinung. Ihre Reaktionen waren eindeutig und zielorientiert darauf gerichtet, das gegliederte Schulsystem auf keinen Fall als Verursacher des unbefriedigenden Abschneidens bei PISA erscheinen zu lassen. Aus ihrer Sicht ist es zweckmäßig, alle möglichen Faktoren als ursächlich für das Desaster zu benennen und „behandeln“ zu wollen. Und da es sich hier um politisch und gesellschaftlich starke Personen und Gruppen und –parteiübergreifend – um die Bildungsministerien selbst handelt, steht die Abwehr der Schulstrukturdebatte im Zentrum aller ihrer Stellungnahmen und Maßnahmen. Verfechter der einen Schule für alle Kinder sahen sich durch PISA entscheidend gestärkt, sowohl inhaltlich als auch zahlenmäßig. Sie beziehen sich auf Skandinavien, suchen und studieren dort Beispiele für die nachgewiesenen hohen Leistungen voll integrierter Schulsysteme, beschreiben Vorbilder und untersuchen die dortige Entwicklungsgeschichte. Die Fülle der Erkenntnisse und die Überzeugungskraft der dort vorgefundenen Schulrealität sind eindrucksvoll. Bildungsreisende sind beeindruckt, weniger vom Unterricht selbst als vielmehr vom Selbstverständnis, das in einer jeden Schule lebt, der Akzeptanz aller Kinder und dem selbstverständlichen Auftrag, jedes Kind nach seinen besten Möglichkeiten zu fördern und als Person zu stärken. Jede Schule nimmt die Kinder an, die sie besuchen, und entwickelt in schöner räumlicher Umgebung in einem entspannten, freundlichen Schulklima die Personen und die Fähigkeiten eines jeden Kindes. In den wesentlichen amtlichen Dokumenten steht dort die Förderung aller als Grundprinzip der Erziehung in einem demokratischen Staat und für die Heranbildung demokratisch gesinnter und kompetenter Staatsbürger im Vordergrund. Dabei ist das, was heute besichtigt werden kann, sowohl in Schweden als auch in Finnland nach dortigem Verständnis ein Zwischenstand in einem langen, systematisch und systemisch angelegten Schulentwicklungsprozess auf nationaler Ebene mit klaren Zielen, Prioritäten, Strukturen und Ressourcen. Das prägt das Selbstverständnis aller Akteure. Vergleichbares hat Deutschland nicht vorzuweisen. Die Geschichte der Schulreform verlief hierzulande völlig anders. Zwar gab es seit Mitte der sechziger Jahre Ansätze in die gleiche Richtung. Im Jahr 1969 begann mit der Gründung der ersten integrierten Gesamtschulen in Westdeutschland ebenfalls eine praktische Geschichte der Schulreform. Es wurde jedoch eine sehr komplizierte Geschichte mit großen Unterschieden zwischen den Bundesländern. Heute besuchen zwischen 30 % der Schülerschaft in Hamburg und null Prozent in Sachsen die Gesamtschule. In allen Bundesländern ist die Gesamtschule bis heute ein kontrovers diskutiertes Thema geblieben. Das macht den Umgang mit der Gesamtschule und die Bestimmung des Verhältnisses zu ihr für viele schwierig. Es sind nicht nur die Gegner der gemeinsamen Schule für alle, die heute die Gesamtschulen als Dokumente eines gescheiterten Versuchs der Schulreform betrachten, die einen bildungspolitischen Neuanfang wünschen. Auch sie teilen streckenweise die Position der Reformgegner, Gesamtschule als Reminiszenz an überwundene „schulpolitische Grabenkriege“ zu betrachten. Sie sehen in ihr eine Schulform, deren Namen und Praxis man für die Zukunft besser ausblendet, um die „alten ideologischen Streitereien“ nicht wieder zu reaktivieren. Diese Auffassung ist allerdings höchst problematisch. Die These, die dieser Beitrag zu entfalten und zu begründen versucht, lautet: Der Weg zur einen Schule für alle Kinder kann nur erfolgreich verlaufen, wenn er an die eigene Schulgeschichte anknüpft, die Erfahrungen, Erfolge, Niederlagen und Prozesserfahrungen der Gesamtschulen aufgreift, sie würdigt und offensiv weiterführt. Einen Start vom Punkt Null aus zu wollen, ist eine Illusion – und sei es allein deshalb, weil die Gegner einer gemeinsamen Schule für alle es sehr wohl für sich zu nutzen und die Erinnerung am Leben zu halten wissen, wenn ein Teil einer unverarbeiteten, ungewollten Geschichte ausgeblendet werden soll. Es ist aber nicht nur strategisch falsch, sondern auch der Sache nach. Was die Gesamtschulen hierzulande seit 1969 geleistet haben, grenzt eher an ein Wunder, wenn die Bedingungen ihrer Arbeit berücksichtigt werden. Dies soll durch eine Skizze der Geschichte der Gesamtschule in (West-) Deutschland seit 1969 gezeigt werden. Zuvor werden aus Gesamtschulsicht Merkmale der aktuellen Schulpolitik beschrieben, und abschließend ein Fazit aus Entwicklungsgeschichte und aktuellen Integrationsbemühungen zu ziehen versucht.

1. Die Schulstrukturdebatte nach PISA

Als Ergebnis der PISA-Untersuchungen sind einige beliebte Argumente im Schulstrukturstreit unbrauchbar geworden. Es ist nicht mehr möglich zu behaupten, dass ein gegliedertes Schulsystem per se Spitzenleistungen produziere und ein integriertes System diese verhindere. Es ist auch nicht mehr möglich, das Thema Chancengleichheit zu ignorieren. Und es ist nicht mehr möglich, das Bildungsschicksal von Schülern und Schülerinnen der Hauptschulen und Sonderschulen unbeachtet zu lassen. Auf der Ebene der Problemsicht und der Rhetorik hat sich somit einiges im positiven Sinne getan. Die konkreten Maßnahmen der Bildungspolitik dienen jedoch auch seit 2001 nicht der Lösung der akzeptierten Probleme. Im Sinne der Erhaltung der Schulstruktur sind sie jedoch überaus effektiv: Sie verhindern Integration, sie halten alle Beteiligten pausenlos in Atem und sie suggerieren Problembearbeitung.

1.1. Die Schulstrukturdebatte im Licht der offiziellen Bildungspolitik

Am 4.12.2001 wurde die PISA-Studie der Öffentlichkeit präsentiert. Schon am 6.12.2001(!) verkündeten die Bildungsminister aller Bundesländer einstimmig sieben Handlungsfelder der Bildungspolitik als Reaktion auf die unbefriedigenden Ergebnisse des deutschen Schulsystems. Die Maßnahmen bezogen sich nicht auf die untersuchte Sekundarstufe I, sondern auf die Vorschulzeit, die Grundschulzeit, die Förderung Benachteiligter, Unterrichtsentwicklung und Evaluation, Lehrerbildung und die Entwicklung von Ganztagsangeboten! Es galt, Handlungsfähigkeit zu beweisen und zu verhindern, dass Raum für die offene Infragestellung des gegliederten Schulsystems entstand. Keine offene Diskussion, Abwehr aller auf die Struktur bezogenen Diskussionsansätze erscheint als das zugrunde liegende Motiv. Statt dessen vereinbarten sie: Einführung zentraler Prüfungen, Schaffung von Instituten zur Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich auf Bundes (IQB)- und auf Länderebene, Lernstandserhebungen, Entwicklung und Erlass von Bildungsstandards, Einrichtung von Ganztagsangeboten, Eigenverantwortlichkeit der Schule. Dies alles wollen die Bildungspolitiker bei ihren zahlreichen Studienreisen in skandinavische Länder als Geheimnis der dortigen Erfolge wahrgenommen haben. Dass deren Vertreter konsequent als Voraussetzung für die Wirksamkeit aller derartigen und vergleichbaren Maßnahmen die Einführung der einheitlichen Schulstruktur anführen, interessiert nicht. Gleichzeitig führten die Bundesländer in hohem Tempo und mit einschneidenden Folgen so viele Schulstrukturmaßnahmen durch wie kaum jemals zuvor:
  • Vorverlegung der Hauptschul- bzw. Realschulwahl von Klasse 7 auf Klasse 5 in Bayern (2000)
  • Aufhebung der Orientierungsstufe in Niedersachsen und Bremen (2004)
  • Errichtungsverbot für Gesamtschulen in Niedersachsen (2004)
  • Abschaffung aller Gesamtschulen bis Klasse 10 in Brandenburg (2005)
  • Aufweichung der integrierten Klassen 5 und 6 in Berlin und Brandenburg (2000)
  • Neueinführung von organisatorisch verbundenen Haupt- und Realschulen in mehreren Bundesländern Es grenzt ans Groteske, ist aber effektiv: Unter dem Motto, es gehe nicht um Schulstruktur, finden Veränderungen in deutschen Bundesländern fortwährend statt, zum Abbau erreichter oder erreichbarer Integration. Schulstrukturveränderung bedeutet im offiziellen Kontext regelmäßig die Ablehnung integrativer Schulentwicklung.

    1.2. Für die gemeinsame Schule für alle Kinder

    Trotz aller Bemühungen der Landesregierungen, das Thema abzuschließen, findet die Forderung nach einer gemeinsamen Schule für alle Kinder immer mehr Anhänger, zum Teil aus ganz unerwarteten Richtungen. Überraschende und entschiedene Unterstützung kam zuerst vom Handwerkskammertag Baden-Württembergs mit seiner Forderung nach einer gemeinsamen Schule für alle bis zur Klasse 9. Es war im Jahr 2002 die erste von inzwischen zahlreichen Stimmen aus der Privatwirtschaft. Der Bundeselternrat, die bundesweit organisierte Vertretung der Eltern aller Schulformen, votierte für die gemeinsame Schule für alle. Im Parteienspektrum tritt insbesondere Bündnis 90 / Die Grünen mit klaren Beschlüssen für die gemeinsame Schule ein („Neun macht klug“). Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW bekräftigte ihre entsprechenden Positionen, die sie schon im Mai 2001 in Lübeck beschlossen hatte. Auch in den Medien finden sich immer wieder Plädoyers für die skandinavische, einheitliche Schulstruktur. Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule GGG vertritt die Forderung als Verbandszweck seit ihrer Gründung im Jahr 1969. Gemeinsam mit dem Grundschulverband begründete sie schon im Frühjahr 2001 eine Kooperation, die sich zur bundesweit agierenden Initiative Länger gemeinsam lernen mit aktuell vierzehn Mitgliedsverbänden fortentwickelte. „Länger gemeinsam lernen“ ist zu einer prägnanten und breit verwendeten Zielformulierung in Programmdebatten, Pressebeiträgen und Konzeptentwürfen geworden. Die Unzufriedenheit mit der hierarchischen Gliederung des Schulwesens ist nicht mehr zu übersehen, auch nicht mehr zum Verstummen zu bringen. Die gemeinsame Schule für alle Kinder gewinnt immer mehr Zuspruch. Doch hier fällt die angedeutete merkwürdige Berührungsangst zu den Schulen auf, die sich in Deutschland schon auf diesem Weg befinden: zu den Gesamtschulen. Auf die Erfahrungen und die Leistungen der Gesamtschulen wird durch Integrationsbefürworter kaum zurückgegriffen. Teilweise werden sogar neue, sog. „unverbrauchte“ Begriffe geprägt, z.B. „Gemeinschaftsschule“ (nach Ernst Rösner). Die Grünen nennen ihr Programm „Neun macht klug“. Die Stärkung der Sache der Integration durch Ausbau und Stärkung der Gesamtschulen wird durch fast niemanden als Strategie entworfen. Aber es gibt die Gesamtschulen! Abgesehen davon, dass es gar nicht realisierbar ist, das Vorhandene auszublenden, ist dies sachlich nicht begründet. Die Nachzeichnung der Gesamtschulentwicklung seit 1969 kann erhellen, warum die Gesamtschulen und die Sache der Integration der Sekundarstufe I dort stehen, wo sie stehen. Sie kann Lernerfahrungen für das Weiterkommen nutzbar machen, die vorhandenen Leistungen sichtbar machen und helfen, Realisierungsmöglichkeiten bildungspolitischer und pädagogischer Ziele im eigenen Land einzuschätzen.

    2. Geschichte der Gesamtschule seit 1969 2.1. Konstanten der Gesamtschulentwicklung

    Die Geschichte der Gesamtschule in (West-)Deutschland weist einige Konstanten auf, die bis heute prägend sind. Es sind dies die klare, niemals wankende Ablehnung durch die konservativen Kräfte, politisch um die CDU / CSU gruppiert, der niemals ein ähnlich klar und konsequent vertretener politischer Wille zur Integration gegenüberstand. Zu keinem Zeitpunkt war die Diskussion offen, zu keinem Zeitpunkt wurden einvernehmlich allgemeine pädagogische und bildungspolitische Ziele formuliert (z.B. Chancengleichheit und Steigerung des allgemeinen Bildungsniveaus), deren Erreichen die Maßnahmen der Bildungspolitik leitete. Die umfangreiche wissenschaftliche Begleitforschung diente nicht der Suche nach guten Konzepten zur Verwirklichung des Bildungsauftrages. Sie war von Anfang an mit dem Auftrag versehen herauszufinden, welches System „besser“ sei, das traditionelle oder das neue, integrierte. Wissenschaftliche Unterstützung und Begleitung gab es nur für wenige Schulen (z.B. Köln-Holweide, Göttingen-Geismar, Laborschule Bielefeld). In ihnen wurden frühzeitig die Konzepte entwickelt (Team-Kleingruppen-Modell), die auf äußere Differenzierung verzichteten und ihrem Inhalt nach bis heute Bestand haben. Die Lehrerausbildung wurde nicht der neuen Aufgabe entsprechend weiter entwickelt. Die Bedingungen des Föderalismus mit dem im politischen Bereich positiv besetzten Konkurrenzdenken der Bundesländer lieferte elf Schlachtfelder für „Grabenkämpfe“ um die richtige Schulstruktur. Es scheint eher erklärungsbedürftig zu sein, dass es überhaupt gelang, die Gesamtschule zu stabilisieren und auszuweiten. Vor allem die Annahme der Gesamtschule durch viele Eltern liefert diese Erklärung. Sie sind die gesellschaftliche Gruppe, die die Gesamtschulentwicklung trug. Schon zu Zeiten des Schulversuchs, als die Gesamtschulen noch erste tastende und auch vielfach aufregende Versuche mit der neuen Schulform machten, war bundesweit die Elternnachfrage nach dem neuen Schultyp so überzeugend und weit größer als das Angebot, dass allein schon diese Situation die Kräfte in Parteien, Gewerkschaften und Parlamenten stärkte, die weiterhin für die Entwicklung einer gemeinsamen Schule für alle Kinder eintraten. Dass es in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer starken Expansion des Gesamtschulsektors in mehreren Bundesländern kam, ist auf die gesetzliche Absicherung des „Elternwillens“ in vielen Schulgesetzen der Bundesländer zurückzuführen. Was waren nun die Etappen dieser Entwicklung?

    2.2. Wichtige Etappen der Gesamtschulentwicklung 2.2.1 Anstöße

    Auch schon in den sechziger Jahren ist die unbefriedigende Situation des westdeutschen Bildungssystems bekannt gewesen. Jedoch war auch damals ein publizistisches Ereignis nötig, um eine öffentliche, kritisch-aufgeschlossene Betrachtung der Struktur und der Leistungen des Schulsystems anzustoßen. Dieser Anstoß ging von einer Artikelserie aus, die Georg Picht im Februar 1964 in der „Zeit“ publizierte: Die deutsche Bildungskatastrophe. Diese Artikel hatten eine enorme Wirkung. Wahrgenommen wurde nun in einer breiten Öffentlichkeit, wie rückständig die deutsche Schulsituation war. Die Bildungsbeteiligung war niedriger als in West- und Nordeuropa, die angestrebte Abiturientenquote blieb Ende der sechziger Jahre bei 8 % absurd niedrig im Vergleich zu Frankreich mit 20 % und Schweden mit 30 %. Die vielfach ungleichen Bildungschancen der Kinder wurden als Skandal empfunden, Bildung als Bürgerrecht (Ralf Dahrendorf) proklamiert und die finanzielle Ausstattung des Bildungsbereichs selbst durch die KMK kritisiert. Der damalige Berliner Bildungssenator C.-H. Evers war einer der wenigen aktiven Politiker, die in dieser Situation in seinem Bundesland Berlin und in der KMK Maßnahmen vorschlugen, um Anschluss an die internationale Entwicklung zu gewinnen. Dies bezog sich sowohl auf die Zielsetzung für das Schulsystem wie auch auf die dafür erforderlichen Strukturbedingungen. Er versuchte, seit 1964 in der KMK Beschlüsse durchzusetzen, die eine Entwicklung wie bei den Nachbarn im Norden und Westen Europas vorsahen, hin zu einer horizontal in Schulstufen, nicht vertikal in Schulformen gegliederten Schulstruktur. Interessant ist hier eine Erfahrung, die nachhaltige Wirkungen entfaltete. Die Gesamtschulbefürworter bezogen sich durchgängig auf das westeuropäische Modell der Schulentwicklung. Eine sachbezogene inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Schulsystem der DDR schien Mitte der sechziger Jahre gänzlich unmöglich, insbesondere in der Frontstadt Westberlin. Das eröffnete den Gegnern der Integration außerordentlich wirksame propagandistische Möglichkeiten. Obwohl sich nirgends ein positiver Bezug auf die Schulstruktur in der DDR und Osteuropa findet, obwohl der Name Gesamtschule sogar bewusst als Gegenbegriff zur „Einheitsschule“ der DDR geprägt wurde, bezogen sich die Gegner der Gesamtschule vielfach negativ auf das Schulsystem der DDR. Gesamtschule wolle in Wirklichkeit Gleichmacherei wie die kommunistische Einheitsschule. Erleichtert wurde diese Kampflinie dadurch, dass antikapitalistisch orientiertes „Strategisches Lernen in der Gesamtschule“ (Buchtitel von 1974), die eine oder andere wirtschaftskritische Unterrichtseinheit im Fach Arbeitslehre, die Hessischen Rahmenrichtlinien während der gesamten 70er Jahre als Material für Kampagnen genutzt wurden, um den Kommunismus-Vorwurf gegen die Gesamtschulen am Leben zu erhalten. Bei Informationsständen in Innenstädten erlebte ich selbst die Wirksamkeit dieser Kampagnen: von Ausdrücken wie „Baader-Meinhof-Schule“ bis hin zur „kommunistischen Kaderschmiede“ fehlte kaum ein Anwurf. Die Aktionen der Gesamtschulgegner waren ebenso wirksam wie beständig. Ihre Wirksamkeit bezogen sie auch daraus, dass die Bemühungen um Abgrenzung vielfach den Eindruck hinterließen, da sei wohl doch was dran. Das Fehlen eines souveränen Vergleichs von Gesamtschule im Westen und „Einheitsschule“ in der „Zone“, der das Gleiche, nämlich die Schulstruktur, deutlich benannt hätte, schwächte die Gesamtschulbewegung. Er wäre aber in der Zeit des Kalten Krieges publizistisch wohl kaum korrekt verbreitet worden. Die Beständigkeit zeigt sich in der im Jahr 2006 immer noch bewusst evozierten Ablehnung der Gesamtschule durch viele bürgerliche Eltern durch die Verwendung der Bezeichnung „Einheitsschule“. Diese Erfahrung zeigt, dass es nicht hilft, sich nicht selbst explizit und offensiv mit dem auseinanderzusetzen, was die Gegner als willkommene Schreckvision nutzen. Was gewesen wäre, hätte die Auseinandersetzung stattgefunden und wäre der Bezug auf die Struktur der Schule in der DDR explizit hergestellt worden, kann nicht mehr geprüft werden. So wurde es jedoch eine Hypothek, die die Gesamtschulentwicklung an jedem einzelnen Ort belastete und dazu beitrug, das zu schaffen, was heute –ebenfalls weitgehend unaufgearbeitet - als „ideologische Grabenkämpfe“ erinnert und abgelehnt wird.

    2.2.2. Die ersten Gesamtschulgründungen

    Die ersten Gesamtschulen wurden ab 1968 in Westberlin gegründet und ab 1969 in allen westlichen Bundesländern im Rahmen eines Experimentalprogramm Gesamtschule. Die zahlenmäßig strikt begrenzten Gesamtschulen wurden als Versuchsschulen errichtet. 1980, am Ende der Versuchsphase, gab es auf Grund der großen Elternnachfrage nach Gesamtschulplätzen bundesweit rund 200 Gesamtschulen, vor allem in Hessen, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Trotz der hohen Akzeptanz der Gesamtschulen bei den Eltern besuchten Ende der 70er Jahre bundesweit nur 3,4 % aller Schüler und Schülerinnen eine Gesamtschule. Begleitet wurde die Gründungsphase durch ein intensives Reiseprogramm von Bildungspolitikern und Schulpraktikern, insbesondere nach Schweden. Unter der Regie der damaligen Bildungsstaatssekretärin Hildegard Hamm-Brücher (FDP) entstand eines der klarsten Dokumente der sozialliberalen Bundesregierung für die Bildungsreform: der Bildungsbericht ’70. Das gesamte Bildungssystem von der frühkindlichen Phase bis zum Universitätsabschluss wurde darin in den Blick genommen. Die Sekundarstufe I sollte schrittweise zu einem Gesamtschulsystem zusammengefasst werden, das möglichst alle Jugendlichen zum Abitur I als einheitlichem Sekundarabschluss führen sollte. Auch das nächste wichtige Dokument, der Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung von 1973, sprach sich klar für die Organisationsform der integrierten Gesamtschule aus. Die CDU brachte hier allerdings schon ein abweichendes Minderheitsvotum ein. Die von ihr regierten Bundesländer verbargen ihre Ablehnung gegenüber der Gesamtschulentwicklung keineswegs – schon vier Jahre nach dem Start des gemeinsam beschlossenen Experimentalprogramms. Sie bestand darauf, die Veröffentlichung der wissenschaftlichen Begleitforschung abzuwarten.

    2.2.3. Ende der Versuchsphase - die Gesamtschule wird Regelschule

    Ergebnisse der Begleitforschung wurden ab Ende der 70er Jahre in den verschiedenen Bundesländern publiziert Den Landesregierungen war es dabei nicht um den Auftrag gegangen, die Entwicklung neuer Lern- und Organisationsformen zu unterstützen, sondern um die Feststellung, welches der beiden Systeme bessere Ergebnisse bei Lernleistungen, Durchlässigkeit, Schulabschlüssen, sozialer Mobilität und Aufstiegsmöglichkeiten, Schulklima erreicht. Die umfangreichste und am meisten diskutierte Studie (9 Bände) präsentierte 1979 die Forschungsgruppe um Helmut Fend über die nordrhein-westfälischen Gesamtschulen. Die öffentliche Rezeption der Studien ist erneut ein Lehrstück. Da nämlich in den Studien die Gesamtschulen nicht auf allen Gebieten eindeutig dem dreigliedrigen Schulsystem überlegen waren - wie übrigens nirgendwo auf der Welt nach zehn Jahren Entwicklungszeit -, interessierten Details nicht mehr. Die Gesamtschulen hatten sich nach Ansicht ihrer Kritiker und Gegner nicht bewährt. Es gab aus ihrer Sicht keinen Grund mehr, an ihnen festzuhalten, sondern gute Gründe, sie wieder abzuschaffen und alles beim Alten zu belassen. Dass damit keines der Probleme, die das bestehende Schulsystem in den 60er Jahren hervorgebracht hatte: Bildungsnotstand, soziale Ungerechtigkeit, niedriges allgemeines Bildungsniveau, veraltete Lehrpläne und Lernformen, gelöst war, schien nicht zu interessieren. Die Gesamtschule hatte nicht restlos überzeugt, das genügte. Die Ausgangsprobleme schienen vergessen. An das gegliederte Schulsystem wurden die Fragen nach Chancengleichheit, Förderung, Abbau des Sitzenbleibens ohnehin nicht gestellt. Es wurde bezüglich seiner Leistungen nie beweispflichtig. Bedenklich ist da auch der Gesamtbericht der Projektgruppe Gesamtschule der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, der 1982 unter dem Titel Modellversuche mit Gesamtschulen veröffentlicht worden war. Analysen und Vergleiche der Datenlage und der Präsentation beweisen, wie die nachgewiesenen Stärken von Gesamtschulen in der textlichen Darstellung einfach verschwinden. Die eindeutige Überlegenheit der Gesamtschulen im Bereich der sozialen Chancengleichheit, der Steigerung der Schulabschlüsse, des Rückgangs der Zahl der Sitzenbleiber und der Kinder ohne Schulabschluss, wurde in der sprachlichen Darstellung unkenntlich gemacht. Der Forschungsbericht mutierte zum politischen Dokument Im gleichen Jahr, am 27./28. Mai 1982, beschloss die KMK nach langen, zähen Verhandlungen die „Rahmenvereinbarung für die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen an integrierten Gesamtschulen“. Die Verhandlungen waren begleitet von zahlreichen öffentlichen Protesten und Demonstrationen gegen den von CDU und CSU geforderten Abbau von integrativen Arbeitsmöglichkeiten in den Gesamtschulen. Wegen des Einstimmigkeitsprinzips in der KMK waren diese Aktionen nur teilweise erfolgreich. Immerhin wurde die Gesamtschule aus dem Versuchsstatus entlassen und zur „Regelschule“ gemacht. Das bedeutete, dass die Länder nach eigener Landesgesetzgebung Gesamtschulen errichten konnten. An ihnen konnten die Schulabschlüsse der Sekundarstufe I erworben werden, die in allen Bundesländern ohne weitere inhaltliche Prüfung anerkannt wurden, wenn die Gesamtschulen nach eng festgelegten Kriterien äußere Leistungsdifferenzierung praktizierten.

    2.2.4. Expansion der Gesamtschule

    Nach der KMK-Vereinbarung von 1982 waren Gesamtschulgründungen neu möglich geworden. Die starke Elternnachfrage nach Gesamtschulen bestärkte die überzeugten Bildungspolitiker, insbesondere in der SPD, in ihrer Zielsetzung, die Gesamtschule weiter auszubauen. Für eine generelle Umstrukturierung des Schulsystems auf ein Gesamtschulsystem fand sich keine politische Kraft. Reformwillige Menschen in der SPD und einzelnen Ministerien entwickelten deshalb Strategien, die zur gesetzlichen Verankerung des Elternwillens als Regulativ für Gesamtschulgründungen führten. Hamburg begann, Nordrhein-Westfalen folgte. Es wurde das Politikmodell, das sich nach Regierungswechseln mehr oder weniger konsequent in allen sozialdemokratisch regierten Bundesländern durchsetzte. Dadurch schnellte die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen in diesen Bundesländern in die Höhe und bleibt dauerhaft zum Teil weit über der Zahl der angebotenen Gesamtschulplätze. Diese standen 2002 für rund 15 % der Schüler und Schülerinnen in NRW, dem Saarland und Bremen, 20 % in Berlin und gut 30 % in Hamburg zur Verfügung. Das sicherte dem Gesamtschulsektor immerhin eine Größe, die politisch auch bei Regierungswechseln nicht mehr zu ignorieren war. Doch die Nachteile sind nicht zu bestreiten. Das Konzept der Gesamtschule als ersetzender Schulform war faktisch aufgegeben. Die Gesamtschule wurde zu einer weiteren Schul“form“ neben den bestehenden Schulformen Hauptschule, Realschule und Gymnasium, ein Nachteil, der im Alltag zeitweise den Grundgedanken der Gesamtschule in Vergessenheit geraten ließ: die Schule für alle Kinder eines Jahrgangs zu sein. Im Bewusstsein vieler Eltern und Grundschullehrerinnen wurde sie zur Schule der Förderung schwieriger Kinder, weil sie sich dieser Aufgabe annahm. Das Nebeneinander von gegliedertem Schulsystem und Gesamtschule wiederum bewirkte, dass leicht lernende Schüler und Schülerinnen das Gymnasium besuchen („creaming“) und so das Grundprinzip der für alle Kinder eines Einzugsbereichs zuständigen Schule mit einer natürlich heterogenen Schülerschaft verfehlt wurde. Dies, nicht die Kenntnisnahme der pädagogischen Arbeit der Gesamtschulen, prägte und prägt die öffentliche Wahrnehmung. Dass leistungsstarke Kinder am Gymnasium angemeldet werden, wird als Manko der Gesamtschule bewertet. Dass in empirischen Vergleichsuntersuchungen die Schüler und Schülerinnen an Gesamtschulen vielfach besonders hohe Leistungszuwächse haben (z.B. LAU in Hamburg), interessiert nicht. Das prägt, mit geringen Variationen, die Außenwahrnehmung der Gesamtschulen seit ihrer Gründung. Es erschwert die Arbeit im Innern und die Darstellung nach außen.

    2.2.5 Gesamtschule in den östlichen Bundesländern

    Nach dem Beitritt der Bundesländer zur Bundesrepublik erfolgte eine schnelle, planmäßige und zielstrebige Auflösung der einheitlichen Schulstruktur der Polytechnischen Oberschule. Auch auf diesem Gebiet fand ein Export westlicher Konzepte, weitgehend ohne Einbeziehung östlicher Vorstellungen, statt. Westliche Bundesländer standen bei der Neugestaltung des Schulsystems Pate, und so reichte das Spektrum von Sachsen, das keine Gesamtschule zuließ, bis zu Brandenburg mit mehr als 50 % der Schülerschaft in Gesamtschulen. Da auch hier das Ziel aller wahrgenommenen und wertgeschätzten Elternwünsche das Gymnasium ist, fanden sich die Gesamtschulen oftmals in noch schwierigeren Situationen als im Westen wieder. So entging und entgeht der Politik und Öffentlichkeit weitgehend die relativ starke Nachfrage nach Gesamtschulen dort, wo reelle Arbeitsbedingungen gegeben sind, und ebenso die positiven Ergebnisse ihrer Schüler und Schülerinnen im Bereich der Leistungszuwächse. Eine starke Bewegung für die Wiedergewinnung der einheitlichen Schulstruktur lässt sich nicht ausmachen.

    2.2.6 Der Stand im November 2006

    Wahrscheinlich gibt es weder Grund zum Optimismus noch zur Sorge. Bundesweit sind die ganz überwiegende Mehrzahl der Gesamtschulen stabile, selbstbewusste, lernende Schulen, die ihre Schülerschaft und ihre Aufgaben der Förderung und der Chancengleichheit angenommen haben und diese mit Kompetenz, Professionalität und nachweisbaren Erfolgen erfüllen. Es sind nicht einige wenige „Leuchtturmschulen“, sondern die große Mehrheit aller Gesamtschulen. Mal mehr, mal weniger, doch dauerhaft seit 1969 müssen sie sich zur Wehr setzen, gegen Missachtung, das Ziel ihrer Abschaffung, gegen unseriösen Umgang mit Forschungsergebnissen usw. usf. Darin sind sie inzwischen erfahren. Doch weiterhin haben sie die Unterstützung der Gruppe, denen Gesamtschule für die eigenen Kinder existenziell wichtig ist: der Eltern, sowohl bei der Schulwahl nach der Grundschule als auch während des Gesamtschulbesuchs ihrer Kinder. Das stabilisiert. Gesamtschulen sind gut in der Umsetzung ihrer Ziele und ihre Innovationskraft strahlt aus. In ihnen ist das Ziel der gemeinsamen Schule für alle Kinder lebendig geblieben und die Bereitschaft, die dafür nötigen Konzepte zu entwickeln. Sie brauchen für die Idee der Integration nicht gewonnen oder überzeugt zu werden, sie sind es in hohem Maße schon. Was fehlt, ist vielfach Zeit und Unterstützung, und leider oft auch die Anerkennung des schon Geleisteten.

    3. Fazit

    Jede Strategie hin zur einen Schule für alle Kinder dürfte nur dann Erfolg versprechend sein, wenn darin die Gesamtschulgeschichte und -gegenwart insgesamt aufgehoben sind. In den Gesamtschulen arbeiten viele erfahrene Menschen, die das Ziel teilen und auf dem Weg dorthin weiterkommen wollen. Es gilt, sie einzubeziehen. Die Gesamtschulgeschichte stellt Erfahrungen bereit, die beiseite zu schieben nur kontraproduktiv sein kann. In besonderer Weise stellt sich die Frage nach der Durchsetzung. Um die Schulstruktur insgesamt zu ändern, bedarf es eines breit getragenen politischen Willens. Alle Fortschritte unterhalb dieser Ebene wie Schulversuche, lokale Lösungen, von Schulen ausgehende Initiativen, Parallelsysteme werden die Erfahrungen der Gesamtschulen teilen und beständig einen Teil ihrer Arbeitskraft der Selbstbehauptung widmen müssen. Entscheidende Schritte zur vollständigen Schulstrukturreform sind so nicht zu erreichen. Die gesellschaftliche Bewegung für die gemeinsame Schule für alle Kinder ist vor dem Hintergrund der Schulreformgeschichte der letzten 40 Jahre deshalb gut beraten, zweigleisig zu agieren. Zunächst gilt es, selbst stärker zu werden. Das wird ihr umso besser gelingen, je klarer sie alle integrativen Schulen, alle Gesamtschulen fördert, stützt, stärkt. Gleichzeitig bleibt der Träger der Verantwortung für die Gestaltung des Schulsystems und somit der Adressat der Forderungen der Staat. Von dieser Sachlage abzulenken, Kommunen, Elterninitiativen, Private als Verantwortliche erscheinen zu lassen, scheint ein Teil der Strategie sein, das Bestehende im Kern unangetastet zu lassen. Wie die aktuelle Rücknahme von schulischer Integration, trotz breiten Widerstands, auf dem Weg der Gesetzgebung durchgesetzt wird, wird auch die umgekehrte Richtung, die integrative Schulstrukturreform, nur auf dem Gesetzgebungsweg zu haben sein. Mit den Gesamtschulen für solche Gesetzgebung zu streiten, das empfiehlt dieser Artikel der Integrationsbewegung. Literatur Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung, Bildungsgesamtplan Band I, Stuttgart 2.Aufl. 1974 Die Deutsche Schule Heft 3 , 1983: Gesamtschule: Die Forschung am Ende – die Schulreform nicht. Evers, Carl-Heinz 1998: Zwischen-Fälle. Begebenheiten aus Schule und Politik, Hamburg: Bergmann und Helbig von Friedeburg, Ludwig 1989: Bildungsreform in Deutschland. Geschichte und gesellschaftlicher Widerspruch. Frankfurt/ M: Suhrkamp GGG (Hrg.), Gesamtschule. Erinnerungen an die Zukunft, Aurich o.J. H.-G. Herrlitz, D. Weiland, K. Winkel, Die Gesamtschule. Geschichte, internationale Vergleiche, pädagogische Konzepte und politische Perspektiven. Juventa: Hamburg und München 2003 P. Heyer, U. Preuss-Lausitz, L. Sack, Länger gemeinsam lernen. Positionen – Forschungsergebnisse – Beispiele. Heft 55 der Blauen Reihe der GGG, 2003 Rolff, Hans-Günter u.a., Jahrbuch der Schulentwicklung Band 1, Weinheim und Basel: Beltz, 1980