Summer of Resistance

Aktuelles zu Studiengebühren

in (01.11.2005)

Durch ihre Entscheidung am 26. Januar 2005 haben die Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht das gebührenfreie Erststudiums zur Disposition gestellt...

Durch ihre Entscheidung am 26. Januar 2005 haben die Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht das gebührenfreie Erststudiums zur Disposition gestellt. Daraufhin verkündeten die unionsgeführten Bundesländer, dass sie so schnell wie möglich Erststudiumsgebühren einführen würden.

Aus heutiger Sicht betrachtet, kam diese Ankündigung deutlich zu früh. Schließlich war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Aussage darüber, ob Studiengebühren eingeführt werden sollen oder nicht. Lediglich die Entscheidungskompetenz über die Gebührenfreiheit des Studiums hat sich vom Bund auf die Länder verlagert. Mit dem Aus für das gebührenfreie Erststudium im Hochschulrahmengesetz werden nicht automatisch Studiengebühren eingeführt. Der damit offene politische Entscheidungsprozess bietet noch die Möglichkeit der Einflussnahme. Diese Möglichkeit kann und sollte genutzt werden. Der "Summer of Resistance" der letzten Monate war dazu ein guter Auftakt:

Trotz aller Widrigkeiten waren mehrere Tausend bereit, für die Forderung nach einem gebührenfreien Studium zu protestieren: Nachdem an der Universität Hamburg zu Beginn des Sommersemesters die größten Proteste stattfanden, folgten andere Hochschulen: Protestcamps in Duisburg, Regensburg und Dortmund, Demonstrationen in Stuttgart, Potsdam und Würzburg, Rektoratsbesetzungen in Freiburg, Hildesheim und Lüneburg. Als Reaktion darauf rudern die BildungspolitikerInnen der Länder zurück: In Baden-Württemberg will man die Studiengebühreneinführung lieber erst nach dem Landtagswahlkampf angehen und in NRW wurde der CDU im Wahlkampf von ihren ManagerInnen empfohlen, das Thema besser nicht aufzugreifen. Die neue Landesregierung hat die Einführung nun weiter aufgeschoben. Auch in Bayern wird der geplante Termin für die Einführung immer weiter nach hinten verschoben. Diese Beispiele zeigen, dass der Protest gegen Studiengebühren mindestens einen Aufschub bedeuten kann und deshalb weitergeführt werden muss. Dafür ist eine starke bundesweite Vernetzung notwendig, die die Proteste gegen dieses unsoziale und undemokratische Vorhaben in den Kontext der allgemeinen Sozialproteste stellt.
Es geht bei Studiengebühren nicht nur um "ein paar Hundert Euro". Stattdessen werden Studiengebühren ein bereits selektives Bildungssystem um ein gutes Stück selektiver machen und damit das Grundrecht auf Bildung weiter einschränken. Werden Darlehen angeboten, droht eine soziale Abschreckung durch den erwarteten Schuldenberg nach dem Studium. Bei Stipendienvergabe muss eine Auswahl getroffen werden. Wie die bisherige Erfahrung z.B. bei Auswahlverfahren zu Studienbeginn zeigt, ist jede Auswahl immer auch eine soziale Auswahl.

Die Debatte um die Einführung von Studiengebühren reiht sich ein in einen Prozess der Entdemokratisierung von Bildung. Weitere Aspekte sind die massive Einschränkung von Studienmöglichkeiten im Zuge der Umsetzung des Bologna-Prozesses oder die immer strikteren Vorgaben zur Studienorganisation. Ziel ist es, nicht nur abzuwehren, sondern für ein anderes Bildungssystem und für eine soziale und demokratische Gesellschaft zu streiten: eine Gesellschaft, in der allen Menschen ein selbstbestimmtes Lernen, Arbeiten, Faulenzen und Leben jenseits der Zwänge der kapitalistischen Wirtschaftsordnung möglich ist.
Nele Hirsch