Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO
Nach dem Scheitern von Cancún im September 2003 und monatelangem Verhandlungsstillstand ist auf dem Treffen des Allgemeinen Rates der WTO...
Mitte Februar in Genf nun Bewegung in die Verhandlungen gekommen. Doch trotz Teilerfolgen ist kritische Wachsamkeit auch weiterhin geboten, denn wie bisher versuchen EU und andere Industrieländer ihre Agenda möglichst unverändert durchzusetzen.
In Cancún waren die Verhandlungen u.a. daran gescheitert, dass EU und Japan auf eine Erweiterung der WTO-Agenda durch die Aufnahme der umstrittenen Singapur-Themen (Investitionen, Wettbewerb, öffentliches Beschaffungswesen und Handelserleichterungen) gedrängt hatten. Zudem ignorierten die Industrieländer die Forderungen des Südens im Agrarbereich. Die von Entwicklungsländern gebildeten Allianzen der G 20 und G 70 lehnten Verhandlungen daher ab. Sie forderten Welthandelsregeln, die den unterschiedlichen Entwicklungsstandards der Länder Rechnung tragen und Spielraum für eine selbstbestimmte Entwicklungspolitik lassen. Kritische zivilgesellschaftliche Gruppen unterstützten diese Forderungen und begrüßten das Scheitern der Konferenz.
Auf den Treffen der WTO-Handelsvertreter in den vergangenen Monaten zeigte sich kaum eine Annäherung dieser gegensätzlichen Positionen. Im Dezember präsentierte die EU Vorschläge, die kein Entgegenkommen gegenüber dem Süden erkennen ließen. Daraufhin folgten weitere Konsultationen und nach der letzten Ratssitzung im Februar 2004 werden nun formelle Verhandlungen auf den Weg gebracht. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Positionen in allen Bereichen angenähert haben. Die WTO-Staaten konnten sich z.B. nicht darauf einigen, noch in diesem Jahr eine Ministerkonferenz in Hong Kong abzuhalten, wie es EU und USA forderten. Das macht deutlich, dass die Erwartungen über den Fortgang der Verhandlungen noch weit auseinander liegen. Dass zu den kontroversen Singapur-Themen zunächst keine formellen Verhandlungen aufgenommen werden, wird von kritischer Zivilgesellschaft und von den Regierungen des Südens einerseits begrüßt, zugleich jedoch nur als ein Teilerfolg angesehen.
Salami-Taktik der EU
Die EU als eine der stärksten Befürworterinnen der Singapur-Themen zeigte sich im Februar scheinbar kompromissbereit. Sie schlägt nun - ähnlich wie bereits im Dezember 2003 - vor, zunächst nur Verhandlungen zu zwei der vier Themen (Handelserleichterungen und öffentliches Beschaffungswesen) aufzunehmen, und die Verhandlung der anderen Singapur-Themen vorerst zurückzustellen. Zudem sollen die Themen nun außerhalb der gegenwärtigen Verhandlungsrunde und plurilateral, d.h. im WTO-Rahmen jedoch nur mit denjenigen Ländern, die hierzu bereit sind, verhandelt werden. Die Gefahr eines plurilateralen Ansatzes besteht jedoch darin, dass Entwicklungsländer, die Verhandlungen zu den Singapur-Themen eigentlich ablehnen, durch politischen Druck gezwungen werden könnten, plurilateralen Abkommen beizutreten. Daher ist der plurilaterale Ansatz ebenso abzulehnen wie der gegenwärtig praktizierte nördlich-hegemoniale Multilateralismus der WTO.
Die EU-Forderungen machen deutlich, dass die EU - ebenso wie USA und Japan - auch weiterhin versucht, ihre Interessen, die einer eigenständigen Entwicklungspolitik der Länder des Südens entgegenstehen, durchzusetzen. Für die Allianzen der Entwicklungsländer sowie die globalisierungskritische Zivilgesellschaft bleiben die Forderungen von Cancún - Ablehnung der Singapur-Themen, Abbau der nördlichen Exportsubventionen im Agrarbereich und Schaffung von Handelsregeln, die den unterschiedlichen Bedingungen und Kapazitäten von Entwicklungs- und Industrieländern Rechnung tragen - daher von zentraler Bedeutung.
Barbara Dickhaus ist Mitarbeiterin bei World Economy, Ecology
and Development (WEED)