Die regionale Wirtschaftsstruktur Ostdeutschlands - das Jahresgutachten 1999/2000 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
1. Die regionale Wirtschaftsstruktur Ostdeutschlands - das Jahresgutachten 1999/2000 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen EntwicklungIm Jahresgutachten 1999/2000 hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erstmals versucht, die bisherigen Ergebnisse des Transformationsprozesses in Ostdeutschland regional tiefer zu analysieren. Von den insgesamt 67 Arbeitsmarktregionen in Ostdeutschland wurden sieben als "Wachstumspole" identifiziert. Das sind Berlin (einschl. Potsdam und Teile von Kreisen Brandenburgs, die an Berlin angrenzen), Halle, Erfurt, Jena, Leipzig, Chemnitz und Dresden. Fast die Hälfte aller abhängig Beschäftigten Ostdeutschlands arbeitet in diesen sieben Regionen.
"Diese Regionen zeichnen sich allesamt durch gute Ausgangsbedingungen bezüglich ihrer Potentialfaktorausstattung aus. In diesen Regionen gelang es, die vorhandenen Potentiale auch nach der Vereinigung zu nutzen und auszubauen sowie die Schaffung weiterer Potentialfaktoren zu stimulieren. Es handelt sich bei diesen Regionen um Agglomerationsräume, in denen Unternehmen untereinander sowie mit Forschungszentren und mit Hochschulen verflochten sind." Und an anderer Stelle: "Daß hier Potentialfunktionen in großem Maße vorhanden sind, liegt auch an der im Vergleich zum ostdeutschen Durchschnitt günstigen Ausgangslage dieser Regionen, gekennzeichnet durch eine technologieintensive und vielseitige Branchenstruktur zu Beginn des Transformationsprozesses."
Hervorzuheben sind aus diesen Angaben vier Feststellungen:
Der Anteil der Hochqualifizierten ist in diesen Arbeitsmarktregionen auch gemessen an den Maßstäben des früheren Bundesgebietes außerordentlich hoch.
Das Dienstleistungsgewerbe übertrifft mit seinen Beschäftigungsanteilen in den Wachstumspolen sowohl den ostdeutschen als auch den westdeutschen Durchschnitt, demgegenüber ist der Anteil der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe sowie die Industriedichte beträchtlich unter dem ostdeutschen und auch dem westdeutschen Niveau.
Diese Wachstumspole erhielten relativ weniger Fördermittel als andere ostdeutsche Regionen.
Tabelle 1
Regionalökonomische Kennzahlen
Vergleich Wachstumspole - Ostdeutschland - Westdeutschland
Wachstums- Ostdeutschl. Westdeutschl.
pole
(Durchschnitt Ostdeutschland = 100)
Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen 114 100 151
Anteil der Hochqualifizierten* 150 100 82
GA-Mittel für die Wirtschaft** 65 100 *
GA-Mittel für die Infrastruktur** 67 100 *
Industriedichte*** 94 100 224
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte Anteile in vH
Dienstleistungen 37,8 30,6 31,0
Verarbeitendes Gewerbe 16,0 19,2 32,1
Landwirtschaft 1,4 3,3 0,9
* Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mit Universitäts- oder Fachhochschulausbildung in Relation zu den Einwohnern;
** Alle mit Haushaltsmitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" geförderten Vorhaben je Einwohner 1990 -1998;
*** Beschäftigte in Bergbau und Verarbeitenden Gewerbe je 1000 Einwohner
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1999/2000, S. 127ff. ; eigene Berechnungen
Auch die Spitzenregionen in Ostdeutschland haben im Vergleich zum Durchschnitt des früheren Bundesgebietes noch einen großen Rückstand bei der vom Sachverständigenrat gewählten Kennziffer der Arbeitsproduktivität (Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen).
In 30 von 67 Arbeitsmarktregionen Ostdeutschlands ist im Verlauf der Jahre von 1995 bis 1998 die Industriedichte angestiegen, obwohl sie im Durchschnitt der neuen Bundesländer von 42 auf 39 zurückgegangen ist. Arbeitsmarktregionen mit relativ hoher Industriedichte und mit einem absoluten Zuwachs in den Jahren von 1995 bis 1998 könnten als weitere potentielle Wachstumsregionen in Ostdeutschland gelten.
Hier wurden einige Großprojekte westdeutscher oder ausländischer Investoren realisiert, so für den Bau des Opelwerkes in Eisenach und des Volkswagenwerkes in Zwickau. Dabei zeichnen sich diese angeführten Regionen nicht durch einen hohen Anteil hochqualifizierter Beschäftigter aus. Installiert wurden vor allem reine Montagebetriebe, qualifizierte Arbeiten wie Forschung und Entwicklung oder Marketing wurden hier selten angesiedelt. Gemessen an westdeutschen Verhältnissen ist der Industriebesatz auch dieser ostdeutschen Spitzenregionen spärlich. Im Jahre 1998 betrug die Zahl der Industriearbeitsplätze im Durchschnitt des früheren Bundesgebietes 87 je 1.000 Einwohner, d.h. nicht eine "Spitzenregion" Ostdeutschlands erreicht den westdeutschen Durchschnitt.
Tabelle 2
Arbeitsmarktregionen mit hoher und wachsender Industriedichte in Ostdeutschland
(Beschäftigte in Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe je 1000 Einwohner)
Arbeitsmarktregion Industriedichte 1998 Zuwachs 1998
gegenüber 1995
Zwickau 71 12
Pößneck 72 11
Eisenach 74 10
Arnstadt 58 7
Riesa 57 7
Sonneberg 70 5
Ostdeutschland 39 -3
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1999/2000, Tabelle 67*.
Die Förderung von Investitionen führte in Ostdeutschland zur besonderen Entwicklung kapitalintensiver Branchen des Verarbeitenden Gewerbes. Arbeitsplätze wurden dabei nur im geringfügigen Ausmaß neu geschaffen, so daß in einigen Regionen, die verhältnismäßig hohe Summen an Fördermitteln erhielten, die Arbeitsplätze in der Industrie sich weiter verringerten.
Tabelle 3
Arbeitsmarktregionen in Ostdeutschland mit den höchsten Investitionsförderungsbeträgen 1990 bis 1998
Arbeitsmarktregion gefördertes Investitionsvolumen Industriedichte
der gewerblichen Wirtschaft
je Einwohner in DM 1998 1995
Naumburg 34.781 50 61
Bitterfeld 34.718 54 70
Luckenwalde 31.384 50 40
Prenzlau 31.044 35 35
Gotha 25.635 53 47
Ostdeutschland 11.535 39 42
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1999/2000, S. 123 und Tabelle 67*
Die Arbeitsmarktregionen Bitterfeld und Naumburg gehören sogar zu den ostdeutschen Arbeitsmarktregionen mit den höchsten Rückgängen an Industriearbeitsplätzen im Zeitraum 1995 bis 1998. Nur die vom Braunkohlebergbau geprägte Arbeitsmarktregion Senftenberg hatte im gleichen Zeitraum einen noch höheren Verlust an Industriearbeitsplätzen. Aber auch aus einer anderen Sicht ist die Konzentration von geförderten Investitionen auf diese Regionen nachdenkenswert. Bis auf die Arbeitsmarktregion Prenzlau bleiben alle anderen aufgeführten Regionen mit dem höchsten Fördervolumen in der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen deutlich unter dem bisher erreichten zu niedrigen ostdeutschem Produktivitätsniveau. Lediglich die Region Naumburg (hier befinden sich die Leuna-Werke mit der 1996 noch im Aufbau befindlichen Erdölraffinerie) erreichte den ostdeutschen Durchschnittswert mit 98 vH, Bitterfeld bleibt mit 81 vH, Gotha mit 86 vH und Luckenwalde mit 88 vH beachtlich zurück.
Mit den Fördermitteln der Bundesregierung wurde in den zurückliegenden Jahren ein kräftiger Bauboom in Ostdeutschland angestoßen. Förderprogramme für den Ausbau der Infrastruktur, aber auch Subventionen und Sonderabschreibungen für Bürobauten und Geschäftszentren verhalfen der Bauwirtschaft nicht nur im Osten Deutschlands zu einem einmaligen konjunkturellen Aufschwung, der im Verlauf der letzten Jahre zunehmend erlahmte und schließlich zusammenbrach. In diesem Zusammenhang sind in Ostdeutschland Überkapazitäten entstanden.
2. Zur regionalen Verteilung der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland
Das gravierende gesellschaftliche Problem der neuen Bundesländer ist und bleibt die hohe und sich verfestigende Arbeitslosigkeit. Dieser Tatbestand überschattet das politische, wirtschaftliche und soziale Klima der gegenwärtigen Bundesrepublik. Da im diesjährigem Gutachten im Gegensatz zu vorhergehenden Jahresgutachten regional gegliederte Daten zur Arbeitslosigkeit fehlen, mußte auf die Daten der 176 Arbeitsamtsbezirke der Bundesrepublik zurückgegriffen werden.
Unübersehbar und eindeutig konzentrieren sich auch 1999 die hohen Quoten der Arbeitslosigkeit fast ausnahmslos auf alle Regionen der neuen Bundesländer: Von den 35 ostdeutschen Arbeitsamtsbezirken befinden sich 29 auf den letzten Rangplätzen 148 bis 176 der Arbeitsamtsbezirke der Bundesrepublik. Die Region Gelsenkirchen mit der höchsten Arbeitslosenquote im früheren Bundesgebiet von 16,6 vH bleibt beträchtlich unter dem Durchschnitt der Arbeitslosenquote der neuen Bundesländer mit einen Wert von 19,1 vH.
Diese bedeutenden Differenzen können nicht als "normale" Unterschiede zwischen regionalen Einheiten klassifiziert werden, wie es zunehmend durch Politiker geschieht, die alsbald die besonderen Fördermaßnahmen für die neuen Bundesländer abbauen wollen.
Tabelle 4
Arbeitslosenquoten der Arbeitsamtsbezirke der Bundesrepublik am 31.12.1999
Arbeitslosenquote |
Bundesgebiet West |
Bundesgebiet Ost |
Unter 6 vH |
10 |
- |
6 bis unter 7,5 vH |
24 |
- |
7,5 bis unter 10 vH |
60 |
- |
10 bis unter 12,5 vH |
24 |
- |
12,5 bis unter 15 vH |
18 |
- |
15 bis unter 20 vH |
5 |
20 |
Über 20 vH |
- |
15 |
Insgesamt |
141 |
35 |
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg; eigene Berechnungen
Die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt wird in einigen ostdeutschen Regionen in beträchtlichem Ausmaß durch Auspendler in das frühere Bundesgebiet entlastet. Insgesamt wird eingeschätzt, daß etwa 350.000 Erwerbstätige mehr aus den neuen Bundesländer einer Tätigkeit im früheren Bundesgebiet nachgehen, als umgekehrt Einpendler aus Westdeutschland im Bundesgebiet Ost Arbeitsplätze besetzt haben. Die Zahl der Auspendler ist gegenwärtig höher als die der ABM und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) zusammengenommen
Tabelle 5
Arbeitsamtsbezirke mit hohen Anteilen an Auspendlern
Arbeitsamts- Rangfolge Auspendler Arbeitslosenquote vH
bezirk in der Arbeits- Personen
losenquote
Arbeitsamt Land
Halberstadt 168 9.000 21,4 21,7
Stendal 162 8.000 20,8 21,7
Neuruppin 160 19.000 19,1 19,1
Nordhausen 155 12.000 18,6 16,9
Suhl 138 25.000 15,0 16,9
*geordnet nach der Höhe der Arbeitslosenquote aller 176 Arbeitsamtsbezirke der Bundesrepublik
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg; Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Die Aufnahmefähigkeit von Arbeitspendlern aus den neuen Bundesländern in Arbeitsamtsbezirke des früheren Bundesgebietes, die unmittelbar an der ehemaligen innerdeutschen Grenze liegen, ist offensichtlich erschöpft. Hier hat ein Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt stattgefunden. Die Arbeitslosigkeit ist gegenwärtig an der ehemals innerdeutschen Grenze in vielen Fällen höher als im jeweiligen Landesdurchschnitt. Dazu gehören stellvertretend für das jeweilige Bundesland folgende Arbeitsamtsbezirke in den alten Bundesländern:
Tabelle 6
Arbeitslosenquoten in Arbeitsamtsbezirken Schleswig-Holsteins, Niedersachsens, Hessen und Bayern, die an neue Bundesländer angrenzen, vH
Arbeitsamts- Rangfolge in der Arbeitslosenquote Landesdurch-
bezirk Arbeitslosenquote* Arbeitsamtsbezirk schnitt
Goslar 135 14,1 11,4
Lübeck 129 13,6 10,5
Kassel 127 13,4 9,0
Hof 110 11,1 7,3
*geordnet nach der Höhe der Arbeitslosenquote aller 176 Arbeitsamtsbezirke der Bundesrepublik
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg
Ebenfalls überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquoten haben die Arbeitsamtsbezirke an der Landesgrenze - Göttingen, Uelzen, Bad Hersfeld, Braunschweig, Helmstedt, Coburg und Bayreuth.
Um das Ausmaß der innerdeutschen Arbeitspendlerbewegung zu illustrieren: In Thüringen wäre ohne den überdurchschnittlichen Auspendlersaldo die Arbeitslosenquote um etwa 4 vH höher als gegenwärtig ausgewiesen und läge damit deutlich über den Durchschnitt der neuen Bundesländer. So zeigt sich hier besonders deutlich, ostdeutsche Arbeitsmarktprobleme können nicht isoliert ohne gesamtdeutsche Zusammenhänge betrachtet werden.
Die Vertiefung der Ost-West Kluft im Jahre 1999 wird auch in der regionalen Differenziertheit der Veränderung der Arbeitslosigkeit sichtbar.
Die höchsten Arbeitslosenquoten gab es am 31.12.1999 in den Arbeitsamtsbezirken Sangerhausen, - 24,4 vH; Merseburg - 23,5 vH; Altenburg - 22,2 vH; Wittenberg - 22,1 vH; Cottbus - 21,9 vH.
Relativ niedrige Arbeitslosenquoten gibt es in folgenden Regionen, die nicht durch Landeshauptstadteffekte oder hohe Auspendlersalden begünstigt sind: Jena - 15,3 vH; Gotha - 15,7 vH; Plauen - 16,5 vH; Chemnitz - 18,1 vH; Gera - 18,2 vH.
Tabelle 7
Entwicklung der Arbeitslosigkeit 31.12. 1999 gegenüber 31.12.1998, vH
Bundesgebiet West |
Bundesgebiet Ost | |
Verringerung um 10 vH und mehr |
37 |
- |
Verringerung zwischen 5 und 10 vH |
68 |
2 |
Verringerung bis 5 vH |
36 |
9 |
Wachstum bis zu 5 vH |
- |
10 |
Wachstum 5 bis unter 10 vH |
- |
8 |
Wachstum über 10 vH |
- |
6 |
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, eigene Berechnungen
Dabei fällt auf, daß alle diese fünf angeführten Regionen im Gegensatz zur ersten Gruppe vielseitig strukturierte traditionelle Industrieregionen in der DDR waren.
Für beide Gruppen ist im Vergleich zu Westdeutschland der unterdurchschnittliche Anteil der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe und der überdurchschnittliche Anteil der Beschäftigten im Baugewerbe typisch. Im Gegensatz dazu ist der Dienstleistungssektor in den Regionen mit relativ niedriger Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland bereits fast genau so hoch besetzt wie in Westdeutschland.
3. Ostdeutschland als unterentwickelte Region in der EU
Ostdeutschland ist gegenwärtig eine große unterentwickelte Region innerhalb der EU. Mit einem Bruttoinlandsprodukt je Einwohner - gemessen in Kaufkraftparitäten - erreichen Brandenburg einen Wert von 64, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt 60 sowie Mecklenburg-Vorpommern 57 vH (EU-Durchschnitt gleich 100). So befinden sich alle neuen Bundesländer deutlich unter dem Niveau des gegenwärtig wirtschaftlich schwächsten EU-Mitglieds Griechenland (65 vH des EU-Durchschnitts). Diese Berechnungen erfolgten nach der regionalen Systematik der EU auf Ebene von "NUT-1 Regionen", etwa vergleichbar in der Bundesrepublik mit den Bundesländern. Nur wenn die regionale Betrachtung auf einer noch niedrigeren Ebene ("NUT-2 Regionen" - in Deutschland vergleichbar mit den Regierungsbezirken) fortgeführt wird, existieren regionale Einheiten mit einer niedrigeren Wirtschaftskraft als die der ostdeutschen Bundesländer (wie Alentejo in Portugal - 53 vH und Extremadura in Spanien - 54 vH).
Gegenwärtig ist die Bundesrepublik das EU-Mitgliedsland mit den größten regionalen wirtschaftlichen Differenzierungen (vgl. Abbildung 1). Hier befinden sich auf der NUT-1-Ebene sowohl die wirtschaftlich stärkste Region der gesamten EU (Hamburg) als auch eine der wirtschaftlich schwächsten Regionen (Mecklenburg-Vorpommern). Die wirtschaftlich schwächeren Regionen der anderen EU-Mitgliedsländer befinden sich demgegenüber meist an der Peripherie oder auf Inseln (Italien - Sizilien; Frankreich - Korsika; Großbritannien - Nordirland). Hinsichtlich der Bevölkerungszahl haben die neue Bundesländer in der europäischen Gemeinschaft ein besonderes Gewicht. Mit 15,4 Millionen Einwohnern leben hier mehr Menschen als in den unterentwickelten Regionen Südspaniens und Süditaliens zusammengenommen. Alle anderen unterentwickelten Regionen der EU außerhalb der Bundesrepublik haben wesentlich weniger Einwohner als die neuen Bundesländer in Ostdeutschland.
Eine etwa gleiche Schlußposition haben die neue Bundesländer inne bei einem regionalen Vergleich der Arbeitslosenquoten. Nach den von EURO-STAT für das vierte Quartal 1998 herausgegebenen Übersichten hat von den größeren Flächenländern der Gemeinschaft nur noch Spanien und Italien eine hohe regionale Differenzierung der Arbeitslosenquoten aufzuweisen, während in Frankreich und in Großbritannien die Extremwerte nicht so stark abweichen wie in der Bundesrepublik.
Tabelle 8
Arbeitslosenquoten im Vergleich von EU-Regionen
Land |
Arbeitslosenquote 4/98 | ||
|
Insgesamt |
Region mit der höchsten Quote | |
Deutschland |
9,8 |
21,5 |
Sachsen-Anhalt |
Frankreich |
11,4 |
15,7 |
Mediterrane |
Großbritannien |
6,2 |
9,1 |
North East |
Italien |
12,3 |
25,6 |
Sizilien |
Spanien |
19,1 |
28,1 |
Süd |
Belgien |
9,3 |
14,3 |
Brüssel |
Quelle: Eurostat, Statistics in focus, Theme 1-5/99 S. 7ff
So betrachtet gibt es zwischen Ostdeutschland und den übrigen unterentwickelten Regionen der Europäischen Union Unterschiede:
Ostdeutschland ist mit Abstand mit 15 Millionen Einwohnern die größte geschlossene unterentwickelte Region innerhalb der EU.
Im Gegensatz zu anderen unterentwickelten Regionen ist das vorhandene Bildungs- und Qualifikationsniveau der Einwohner und der Beschäftigten überdurchschnittlich hoch.
Einige der unterentwickelsten Regionen in den anderen Ländern der EU befinden sich relativ entfernt vom Zentrum auf Inseln (Korsika, Sizilien, Azoren).
Der größte Teil der Bevölkerung Ostdeutschlands wohnt im Gegensatz zu den anderen unterentwickelten südeuropäischen EU-Regionen in dichtbesiedelten Gebieten mit einer für europäische Maßstäbe entwickelten Infrastruktur.
Arbeitslosigkeit ist historisch betrachtet in Ostdeutschland ein relativ neues soziales Phänomen, in den anderen rückständigen europäischen Regionen ist sie seit Generationen typisch.