Wirtschaftskrieg USA-China geht weiter

Strafzölle und Währungen als Druckmittel

Seit wenigen Tagen sind die neuen US-Zölle auf Waren aus China in einem Wert von 200 Mrd. US-Dollar (170 Mrd. Euro) in Kraft. Auch die chinesischen Gegenzölle im Volumen von 60 Mrd. US-Dollar wurden wirksam. US-Präsident Donald Trump hat durchgesetzt, die Sanktionen im Handel zwischen den USA und China auszuweiten. Damit hat er inzwischen gegen rund die Hälfte aller Importe aus der Volksrepublik erhöhte Einfuhrabgaben verhängt.

Ab 2019 sollen 25% Zoll erhoben werden. US-Importeure befürchten, dass sich die Waren massiv verteuern. Zugleich drohte der US-Präsident mit einer weiteren Verschärfung, sollte China mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die US-Industrie oder -Landwirtschaft reagieren. Dann werde »umgehend Phase drei eingeleitet«, die Zölle auf weitere Produktgruppen im Wert von 267 Mrd. US-Dollar vorsehen.

Die Strafzölle werden gestützt auf die sogenannte 301-Untersuchung erhoben, die im März 2018 abgeschlossen wurde und einen weitgehenden unfairen Umgang Chinas mit amerikanischen Technologien und geistigem Eigentum festgestellt hatte. Die USA werfen China u.a. Marktabschottung, unfaire Beihilfen für die eigene Wirtschaft und Technologiediebstahl vor. China weist dies zurück. Der Konflikt schürt Sorgen, dass er sich zu einem Handelskrieg mit schweren Folgen für die Weltwirtschaft ausweitet.

US-Regierungsvertreter begründeten das schrittweise Vorgehen – die Besteuerung von Importen im Wert von 200 Mrd. US-Dollar bis zum Jahresende zu 10% und danach zu 25% – mit dem Argument, dass amerikanische Importeure so noch etwas Spielraum erhielten, um sich bis zum Jahresende nach alternativen Lieferanten umzuschauen. Das Vorgehen könnte aber auch verhandlungstaktisch motiviert sein, um China noch dieses Jahr zu ernsthaften Konzessionen zu zwingen. Und nicht zuletzt erfahren so die in den Vereinigten Staaten schon bald anlaufenden Weihnachtsverkäufe einen nicht zu groben Schock.

 

USA siegessicher

US-Außenminister Mike Pompeo hatte sich vor Inkrafttreten der neuen Zölle siegessicher im Handelskrieg mit China gezeigt. »Wir werden gewinnen«, sagte Pompeo. Im Endergebnis werde China künftig gezwungen sein, nicht länger »intellektuelles Eigentum zu stehlen«. Persönlich möge US-Präsident Donald Trump sein chinesisches Gegenüber Xi Jinping »sehr gerne«, sagte der Außenminister. Er werde jedoch die Ziele durchsetzen, »die die amerikanischen Arbeiter verdienen«.

Die US-Administration erwartet eine Unterwerfung der VR China. Der US-Präsident drohte mit einer weiteren Verschärfung, sollte China mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die US-Industrie oder -Landwirtschaft reagieren. Trump hatte zuvor erklärt, er habe enormen Respekt vor dem chinesischen Präsidenten, aber das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten sei zu groß.

Die Chinesen sind sich bewusst, dass sie im Wettlauf der Strafzölle am kürzeren Hebel sitzen. Angesichts des geringeren Imports aus den USA können ihre Strafzölle nicht annährend die gleiche Wirkung erzielen. Der chinesische Chefunterhändler, Zhu Guangyao, verfolgt nach wie vor den Kurs einer Verständigung und bietet den USA eine Reform der Welthandelsorganisation WTO an. »Die WTO ist nicht perfekt, sie arbeitet ineffizient und reagiert bei Herausforderungen viel zu schwerfällig«, räumt die chinesische Seite ein. »Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das WTO-Gericht wieder arbeiten kann und dass diese Organisation künftig wieder wirksam arbeiten kann.« China war der WTO vor 17 Jahren beigetreten, die Wirtschaft des Landes hatte von der Mitgliedschaft durch den Wegfall von Handelsbarrieren massiv profitiert.

Die chinesische Regierung hat gleichwohl deutlich gesagt, dass sie auf die neuerlichen Strafzölle mit Gegenzöllen reagieren wird. »Wir wollen keinen Handelskrieg. Aber wenn man uns in die Ecke drängt, wehren wir uns«, sagte Zhu. Peking werde daher mit Gegenzöllen auf US-Produkte im Wert von 60 Mrd. US-Dollar antworten. »Die Volksrepublik hat sich noch nie dem Druck aus dem Ausland gebeugt.« Weiterhin sei »eine Zusammenarbeit die einzige Möglichkeit zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen China und den USA«, warnt er die Amerikaner. China erwartet zudem von Europa, dass es sich in dem aktuellen Handelskonflikt nicht auf eine Seite schlägt, sondern aktiv versucht, ihn zu lösen, fordert Zhu Guangyao. »Europa kann sich nicht raushalten. Eine weitere Zuspitzung des Konflikts wäre gefährlich für Deutschland und Europa.«

Bislang brachten die Gespräche zur Beilegung der Krise zwischen den USA und China keine konkreten Fortschritte. Die US-Regierung hat China zu neuen Gesprächen eingeladen, die trotz der Eskalation beginnen sollen. Das »Wall Street Journal« hatte allerdings unter Berufung auf Insider berichtet, China erwäge, das Gesprächsangebot auszuschlagen, falls die USA neue Zölle erlassen sollten – man werde nicht mit der Pistole am Kopf verhandeln.

 

Chinas Modernisierungsstrategie

Ziel der US-Sanktionen ist nicht die Herstellung einer ausgeglichenen Handelsbilanz. Präsident Donald Trump hatte schon im Wahlkampf angekündigt, Jobs in die USA zurückholen zu wollen. Dank Reshoring sollen Arbeitsplätze wieder in den USA entstehen, die die Chinesen den Amerikanern weggenommen haben. Die Einführung von Zöllen auf Industrieprodukte soll also dazu dienen, den Produktionsstandort USA wieder attraktiver zu machen. Und sie lässt sich politisch gut verkaufen.

Aber auch in den USA wird die höchste Wertschöpfung mit den innovativsten Produkten und Dienstleistungen erzielt. Deshalb sind die USA so viel produktiver als China, und nicht wegen der Montagehallen von Industrieprodukten, die trotz aller Mechanisierung und Automatisierung immer noch viel Handarbeit erfordern. China stützt sich zudem auf ein differenziertes Lieferantennetzwerk über die Wertschöpfungsketten, was in den USA zuerst einmal aufgebaut werden müsste. Dies würde wohl Jahre dauern. Die Rückholung von Industriearbeitsplätzen ist also eher ein politisch motiviertes Narrativ.

Realistischer wird der Grund des Konfliktes erfasst, wenn wir auf die expansive Modernisierungs- und Investitionsstrategie der VR China schauen. Der chinesische Staat investiert Milliarden in Zukunftstechnologien. Man will den amerikanischen Tech-Giganten nicht die Führerschaft in der technologischen Entwicklung überlassen und weiterhin lediglich die Werkbank der Weltwirtschaft sein.

Diese Strategie ist ein konsequenter Schritt der Modernisierung der chinesischen Ökonomie, und kann als Angriff auf die wirtschaftliche Vorherrschaft der USA interpretiert werden. Wenn die US-Regierung nun den von China erzwungenen Technologietransfer geißelt, so kann man dies vor diesem Hintergrund sehen. Es geht nicht um Einzelfälle, es geht nicht um einzelne Branchen, in denen man sich einen besseren Zugang zum chinesischen Markt erhofft, sondern um das große Spiel: Wie kann die nächste Technologierevolution vorangetrieben und gestaltet werden?

Die Trump-Administration mit ihrer Losung »America first« will China bremsen, solange die USA dazu noch in der Lage sind. Sich in der Position des Stärkeren wähnend, soll China dazu gezwungen werden, die eigenen Ambitionen aufzugeben. Die Zölle dienen als Druckmittel. Die stark exportorientierte chinesische Wirtschaft wird denn auch früher oder später Bremsspuren davontragen. In diesem Licht betrachtet wird der riesige Handelsbilanzüberschuss Chinas für die USA dann zum Problem, wenn China weltweit auf Einkaufstour geht, um Technologien einzukaufen, die es für den nächsten Schritt benötigt. Solange sich die Chinesen darauf beschränkten, in amerikanische Staatsschulden zu investieren, war dieser Überschuss hingegen kein Problem.

Die Trump-Administration nimmt mit der Logik der Strafzölle die massive Beschädigung der Welthandels- und Währungsordnung in Kauf. Dank der Ausweitung des offenen multilateralen Handelssystems im Rahmen von Gatt/WTO ist der Handel seit dem Zweiten Weltkrieg 1,5-mal schneller gewachsen als das globale BIP. Die 164 Volkswirtschaften, die Mitglied der WTO sind, haben sich zur Unterstützung eines offenen, multilateralen Systems bekannt und zu gemeinsamen Regeln und Verfahren, die dazu beitragen sollen, dass das System weiterwächst.

Die USA sind gewiss keiner ernsten Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit durch Handelspartner wie Kanada, Mexiko, die EU, Japan oder China ausgesetzt. Die Strafzölle der USA verstoßen mit Sicherheit gegen den Geist der WTO-Regeln. Schon jetzt gefährden die US-Zölle das weltweite Wachstum und schwächen die WTO. In einer Welt grenzübergreifender Lieferketten und zunehmender Vernetzung wird die politische gewollte Störung des Handels zu einer Belastung der Produktion nicht nur in den exportierenden Ländern, sondern auch in den USA führen.

China hat erklärt, dass Washington versuche, andere Länder durch Sonderzölle einzuschüchtern und ihnen seinen Willen durch extremen Druck aufzuzwingen. Trump seinerseits erklärte, die USA hätten China längst klargemacht, welche Erwartungen bestünden, und China habe ausreichend Gelegenheiten gehabt, sein Verhalten zu ändern. Bis jetzt mache China diesbezüglich aber keine Anstalten, sondern habe stattdessen wiederholt eigene Zölle erhoben, um der US-Wirtschaft weiter zu schaden.

 

Chinesen wollen keine Eskalation

Washington vertraut auf die globale Rolle des US-Dollars und der Wirtschaftsstärke des Landes, wenn es darum geht, Sanktionen durchzusetzen. Andere Staaten können diesem Druck wenig entgegenstellen. Seit den 1990er Jahren zielen die Vereinigten Staaten vermehrt darauf ab, andere Länder mithilfe von Sanktionen zu einer Verhaltensänderung zu zwingen. Unter Präsident Trump wird dieses Vorgehen noch häufiger angewendet. Dabei werden nicht nur Wirtschaftssanktionen verhängt, auch Zölle werden eingesetzt, um Druck auf ausländische Regierungen auszuüben. Bei alledem wird weniger als früher auf Verbündete geachtet.

Das wirkungsvollste Instrument ist der globale Stellenwert der amerikanischen Währung. Der US-Dollar wird weltweit für Zahlungen, Finanzierungen und Kapitalanlagen genutzt – Funktionen, die sich gegenseitig verstärken. Zudem können es sich viele Unternehmen nicht leisten, den Zugang zum amerikanischen Markt zu verlieren. Ob der vermehrte Einsatz von Sanktionen und Zöllen abtrünnige Staaten stärker an die Kandare zu nehmen vermag, ist offen. Kurzfristige Marktbewegungen sind das eine, das Verfolgen langfristiger Ziele – wie ein Regimewechsel oder eine Verhaltensänderung einer Regierung – etwas anderes. Auf jede Maßnahme folgt zudem eine Gegenmaßnahme.

Es ist auch nicht prinzipiell auszuschließen, dass China ebenfalls die Währung als Kampfmittel einsetzt. Die Volksrepublik besitzt US-Staatsanleihen im Wert von mehr als einer Bio. US-Dollar. Damit ist China weltweit größter Gläubiger der USA, abgesehen von der US-Notenbank. Amerika ist abhängig von chinesischen Krediten. Peking könnte auch die Währung als Mittel einsetzen.

Diese Eskalation schließen die Chinesen aktuell aus, weil sie an einer Einigung mit den USA und an einer Reform der WTO festhalten. »Wir haben derzeit einen Handelskonflikt und sollten uns darauf beschränken, die Instrumente der Handelspolitik zu nutzen, um ihn auszufechten«, sagt Zhu. »China ist ein verantwortungsvoller Partner und Anleger auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten, der nach den internationalen Regeln spielt. Das Thema Staatsanleihen ... ist keines.«

Bei dem amerikanischen Schritt handelt es sich um eine »bedeutende Eskalation«. Es ist nicht erkennbar, wie der Weg zu einer Lösung aussieht. Die Situation ist äußerst verfahren. Beide Seiten sind nicht bereit, nachzugeben. Die beiden Länder wollen ihre Verhandlungsmacht nicht schwächen. Man wird daher sich auf eine »geraume Zeit« mit weiteren Zöllen und anderen handelspolitischen Restriktionen einrichten müssen.

Die Europäische Handelskammer in China klagt im Namen ihrer Mitgliedsfirmen auch über Probleme im Technologietransfer. Allerdings – so ihrer Positionsbestimmung – ließen sich so komplexe Themen wie erzwungener Technologietransfer, Hindernisse beim Zugang zum chinesischen Markt sowie unfaire bürokratische Hemmnisse nicht durch eine weitere Eskalation im Handelskonflikt lösen. »Zusätzliche Zölle schädigen den Welthandel und die globalen Wertschöpfungsketten.«