Klum ist ein Stahlbad


Für Adorno wäre die Sache vermutlich klar gewesen: Eine Sendung wie „Germany’s Next Topmodel“ ist manipulativer Massenbetrug, der falsches Bewusstsein erzeugt und deshalb einfach abgeschafft gehört. Doch der Feminismus hielt es bei der Bewertung medialer Produkte zuletzt weniger mit der Kritischen Theorie denn mit den Cultural Studies. Und die sprechen seit John Fiske von „viewer producers“, aktiven RezipientInnen also, die es verstehen, notfalls auch dem letzten Dreck televisueller Popularkultur Subversives abzutrotzen und so selbst von Fernsehshows wie „Herzblatt“ noch etwas über Geschlechtergerechtigkeit lernen können. ?
Was aber könnte es Positives sein, das die mehr als 4,6 Millionen Menschen, die sich das finale Spektakel der nationalen Modelsuche angesehen haben, von der Klum’schen Mädchenmenagerie lernen konnten??
Dass sich Leistung lohnt, ist die intendierte und von Heidi Klum und ihren beiden unangenehmen Konsorten in jeder einzelnen Folge unermüdlich wiederholte Message. Und Leistung bedeutet auch für Models längst nicht mehr nur, möglichst ansehnlich zu sein. Ganz gemäß neoliberaler Allround-Anforderungen gilt es auch in diesem Business, „den Kunden“ zufriedenzustellen und dafür prinzipiell ALLES zu geben. Das Leben als Abfolge idiotischer Challenges erfordert straffestes Selbstmanagement – drei Jahre lang zu Hause einsam vor dem Spiegel den richtigen Laufsteg-Gang zu üben etwa – und ganz allgemein die Bereitschaft, sich im Wortsinne bis auf die Knochen zu blamieren. ?
Die metaphorische Umsetzung spätkapitalistischer Maxime ist in der Sendung dabei ebenso eindeutig wie einfallslos: Schwindlige Höhen müssen mitsamt der Angst davor bezwungen, ein gut aussehender Umgang mit wilden oder unappetitlichen Tieren gepflegt werden. Schwesterliche Solidarisierungen unter den Teilnehmerinnen werden augenblicklich unterbunden, indem der nächste Konkurrenz-Contest oder das ewige Mantra von der Einzelkämpferin („Es kann nur eine geben“) ausgerufen wird, die Teamwork allenfalls temporär und strategisch für das eigene Fortkommen zu nutzen weiß. Noch das unschuldigste Aufbegehren („Ich bin doch keine Puppe“) wird drakonisch sanktioniert, und wer aus Frust zu fressen anfängt, fliegt sowieso raus.?
Die Botschaft von der lohnenden Leistung ist dabei hier wie überall eine schamlose Lüge. Nicht einmal die Siegerin wird für den ganzen Zirkus tatsächlich mit lukrativen Jobs belohnt, die Horde aberhunderter junger Frauen, die zu Beginn in inszenierter Hysterie das Studio stürmte und unterwegs trotz aller Anstrengung und der folgsam geleisteten Arbeit an sich selbst auf der Strecke geblieben ist, erst recht nicht. ?Das tut der allgemeinen Beliebtheit des propagierten Erfolgsmodells jedoch nicht den geringsten Abbruch. Und dass mit Sara Nuru eine Afro-Deutsche gewonnen hat, befördert den Glauben daran sogar noch in besonders perfider Weise. Von Heidi Klums gleichgültiger Geschäftstüchtigkeit inzwischen recht risikolos kalkuliert, von Presse und Publikum mit „Yes, she can“ bejubelt und auf Internetforen wie „afrolink“ kräftig beklatscht, wird mit der Wahl der Schwarzen Sara erneut suggeriert: Erfolg ist das Ergebnis von Eigenverantwortung und echtem Engagement. Damit wird nahtlos an den Trend zu Migrantinnen-Awards und Ähnlichem angeschlossen, deren Erfolgsstorys allesamt vom nötigen Biss und nur noch sehr wenig von so etwas wie struktureller Diskriminierung erzählen. ?Auch die 19-jährige Nuru selbst glaubt, dass nur „Leistung und Persönlichkeit“ zählen. Die Hautfarbe spiele ähnlich der Haarfarbe nur noch bei der Entscheidung für einen eben gerade gefragten Typ eine Rolle.?
Feminismus oder Antirassismus lehrt die Sendung also auch beim besten Subversionswillen nicht. Als widerständige Sehstrategie dürfte hier wahrscheinlich höchstens jene der schwulen GNTM-Fangemeinde gelten, die einfach Freude an den großen Frisuren der Models hatte. Oder jene, die zu den erfrischenden Wutbekundungen von Roger Willemsen („Da möchte man sechs Sorten Scheiße aus ihr herausprügeln – wenn es nur nicht so frauenfeindlich wäre“) und Christiane Rösinger (… man will „Heidi Klum eigentlich fortwährend ins Gesicht schlagen“) im Feuilleton führte. ?Aber vielleicht hat ja auch jemand nach der Sendung einfach mal wieder Adorno gelesen.

 

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin, www.anschlaege.at