Empowerment in Pink

Kurz vor dem Valentinstag wurden in Mangalore Frauen von selbst ernannten Moralpolizisten verprügelt. Indische FeministInnen werfen mit virtueller und realer rosa Unterwäsche zurück.

Kurz vor dem Valentinstag wurden in Mangalore Frauen von selbst ernannten Moralpolizisten verprügelt. Indische FeministInnen werfen mit virtueller und realer rosa Unterwäsche zurück. 

 

Seit einigen Jahren entdeckt Indien den Valentinstag. Während er sich bei der jungen und urbanen Mittelschicht immer größerer Beliebtheit erfreut, stößt der als „westlich“ gebrandmarkte Liebestag bei traditionell-konservativen und religiös fundamentalistischen Gruppen auf Kritik. „Der Valentinstag ist gegen die indische Kultur“, meint Pramod Muthalik, Gründer und Aktivist der rechtsgerichteten Hindu-Gruppe SriRam Sene (SRS). Auf der Grundlage konservativer Ansichten und überholter Rollenklischees attackieren diese selbst ernannten Sittenwächter nun alljährlich am 14. Februar unverheiratete Pärchen und insbesondere Kneipen besuchende Frauen ohne männliche Begleitung. Sie rufen zur Zerstörung jedweder romantischer Atmosphäre in Restaurants auf, verbrennen Valentinsgrußkarten und Blumenstände, schlagen Fensterscheiben ein und drohen mit Gewalt und Zwangsverheiratungen. Sri Ram Sene sorgte auch in diesem Jahr für brutale Schlagzeilen in dem ansonsten vor Liebesbekundungen und Geschenke-Tipps strotzenden Medienumfeld. 

Indische Frauenbrigaden in Madhya Pradesh demonstrierten mit den Slogans: „Lang lebe der Valentinstag“ und „Lasst uns lieben!“. Gleichzeitig verprügelten Polizeibeamte in Delhi missverstandene händchenhaltende Geschwisterpaare, eine junge Frau in Jind im Distrikt Haryana wurde von einem Beamten an den Haaren in die Polizeistation geschleift. Burschen in Ranchi wurden mit Sit-ups fürs Händchenhalten mit Mädchen bestraft. 

Starke Sprüche in Goa.In Goa, dem indischen Honeymoon-Paradies, wo der Valentinstag landesweit angeblich am ausgiebigsten gefeiert wird, sprechen sich dieses Jahr viele Inderinnen mit Vehemenz gegen die SRS aus. „Lasst doch den Valentinstag und greift besser die wichtigen Probleme auf, wie Armut, Korruption und Analphabetismus“, meinte etwa Frauenbeauftragte Sunita Rodrigues aus Calangute, in der „Goa Times“.1 „Diese feigen Kerle sollten ihre falsche Männlichkeit nicht durch das Verprügeln von Teenagern aufwerten“, so Fiona Cordozo, PR-Sprecherin in Panaji. „Für wen halten sie sich, dass sie sich herausnehmen zu kontrollieren, wie sich Frauen kleiden oder wo sie ausgehen? Dieses Moralpolizeigetue kommt offenbar aus ihrer tief verwurzelten Angst vor den erstarkten und unabhängigen modernen Frauen, die sich nicht von Männern unterjochen lassen.“

In Mangalore wurden Ende Jänner fünf Frauen, die eine Kneipe besucht hatten, von der SRS verprügelt, zwei davon sogar krankenhausreif. Das Ereignis wurde sogar gefilmt. Die Tatsache, dass SRS-Männer durch Prügel die indische Kultur vor „Cocktail trinkenden Flittchen“ beschützen wollen, hatte aber scheinbar noch nicht genug Nachrichtenwert, um es in die ausländische Presse zu schaffen. Maßgeblich zur lokalen und internationalen Öffentlichkeitsarbeit beigetragen hat schließlich die Initiative der indischen Journalistin Nisha Susan, die kurz nach dem Vorfall in Mangalore eine Kampagne als Antwort auf die Drohungen der SRS startete. Es begann mit einer Facebook-Gruppe namens „Consortium of Pub-going, Loose and Forward Women“, die nach einem Tag 500 und nach einer Woche 30.000 Mitglieder verzeichnete. Es folgte der Aufruf „Pink Chaddi“, also „rosa Unterwäsche“, per Post an die SRS und ihren Gründer Pramod Muthalik zu senden. Ganz schön frech – insbesondere nach südasiatischen Vorstellungen. 

Protest per Post. Die Facebook-Gruppe hatte im März bereits 56.000 Mitglieder – und sie wächst rasant weiter. Die Idee der Kampagne, Unterwäsche mit feministischem Aktionismus zu verbinden, ist dabei keine gänzlich neue. „Pink Chaddi“erscheint einerseits als geradezu sardonische Form friedvollen Widerstands und gleichzeitig als eine exzellente Taktik, um die Medien-Aufmerksamkeit zu halten. In kürzester Zeit bekannte sich der Protest zur Farbe Pink. Fotos und Kommentare wurden gepostet, Erfahrungsberichte von Attacken wurden innerhalbder Community veröffentlicht, Solidaritätsbekundungen aus dem Ausland trafen ein.

„Eine 75-Jährige aus Delhi hat uns Unterhosen geschickt“, erzählt Nisha Susan. „Ein Bollywood-Texter hat ein Gedicht zu Ehren unserer Unterwäsche-Aktion verfasst. Eine bekannte Buttermarke in Indien hat unser Emblem auf einem Plakat gefeaturet. Mehr als 2.000 Chaddis sind im SRS-Officeeingegangen.“3 Und Muthalik? „Er hat angeboten, uns als Antwort rosa Saris zusenden – es sind dann auch sieben Stück (immerhin!) in unserer Sammelstelle in Bangalore eingetroffen. Wir haben es geschafft, seine Rhetorik 15 Minuten lang von Gewalt zu befreien, darauf können wir stolz sein, denke ich. Muthalik denkt inzwischen wohl immer noch, wir seien ein Haufen verlotterter Party-Mädchen. Dabei bedeutet vielen von uns weder der Valentinstag noch das nächtliche Ausgehen sonderlich viel.“

Rosa gegen Rechts. Am 09.02.2008 bezeichnete Innenminister P. Chidambaram die SRS als Gefahr für das Land. Den Valentinstag verbrachte Muthalik dann mit 140 Mitgliedern der SRS in vorbeugendem Gewahrsam, nachdem er ein weiteres Mal die Attacken öffentlich gerechtfertigt hatte. Gleichzeitig folgten „Pink Chaddi“-AnhängerInnen dem Aufruf von Nisha Susan, am Abend des Valentinstags in die nächstgelegene Bar zugehen und einen Toast auf indische Frauen anzubringen.

„Die Mangalore Pub-Attacke hat eine Narbe in ganz Indien zurückgelassen“, hieß es sinngemäß in den indischen Medien. Es war die Rede von „Talibanisierung“ und einer „Schande“ für das Land. Die Umfrage eines großen Fernsehsenderser gab, dass die Mehrheit zudem nicht daran glaubt, dass die gegenwärtige Gesetzeslage imstande ist, mit der SRS adäquat umzugehen. Muthalik hat mehrfach gedroht, „Pink Chaddi“ zu verklagen.4 „Ein weiterer lächerlicher Versuch seinerseits im medialen Rampenlicht zu bleiben“, meint Nisha Susan. Auf Facebook gibt es bereits eine Gruppe von Anwälten, die bereit sind, „PinkChaddi“ zu verteidigen.

Take Back the Night. Anlässlich des internationalen Weltfrauentages am 8. März versammelten sich rund 500 Menschen im Banappa-Park in Bangalore für eine Sichtbarkeitskampagne – kurz nachdem es hier weitere Übergriffe gegeben hatte. Die von „Pink Chaddi“ und „Fearless Karnataka“ organisierte Veranstaltung umfasste u.a. Theaterstücke, Tänze und Video-Projektionen. Die Kleidung attackierter Frauen wurde gesammelt und auf einer Wäscheleine ausgestellt: Ärmellose T-Shirts, Jeans, aber auchklassische Salwar Kamiz und Kurtas waren zu sehen. Frauen sprachen öffentlich über Attacken, denen sie ausgesetzt waren. Sexuelle Minderheiten, auch Hrijas sowie Dalits, kamen zu Wort.

Die indische Gesellschaft erfährt ohne Frage einen raschen Wandel. Den Frauen im Land habe die Globalisierung generell Gutes getan, doch Indien befinde sich auch in einer Phase der Konfusion oder „Anomie“, so meint zumindest der Anthropologe Ravinder Kaur in der Valetinstagsausgabe der „Times of India“. Wenn Normen verwischen und Menschen unsicher über ihren Status in der Gesellschaft werden, kann es zu extremen Handlungen und Gewalt gegen jene kommen, die als Urheber aller Probleme identifiziert werden. Während viele Frauen die Grenzen neuer Rollenbilder für sich austesten und zunehmend zu wissen scheinen, wie ein modernes Frauenbild für sie aussehen kann, leiden konservative Hindu-Männer offenbar unter einer Art Identitätskrise, die sie u.a. glauben lässt, eine Frau müsse etwa einen Sari tragen, um der „indischen Kultur“ zu entsprechen. Nisha Susan ihrerseits würde es wohl vorziehen, wenn hier künftig von „indischen Kulturen“ im Plural die Rede wäre.           

 

1 Nicole Suares: „From Women with Love“, Goa Times,14.2.2009

2 http://thepinkchaddicampaign.blogspot.com

3 Nisha Susan: „Why we said pants to India’s bigots“,www.guardian.co.uk/commentisfree/2009/feb/15/india-gender

4 ebd.

 

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,  www.anschlaege.at