Dass die "Trostfrauen" ihre Zwangsprostitution auf sich alleine gestellt verarbeiten mussten, zeigt Aida Karic im Theaterstück "Die Troerinnen".
Über große Strecken ist es ziemlich dunkel im Stück "Die Troerinnen" in der Regie von Aida Karic. Schwarz und Dunkelblau sind die dominierenden Farben, sogar das Notlicht wird von einer jungen Frau zeitweise mit einem Schild abgedeckt. Später kommt viel leuchtendes Weiß dazu und vielleicht zwei Tupfen Rot. Das Stück handelt von den so genannten "Trostfrauen", den Zwangsprostituierten im Japan des zweiten Weltkrieges und Karic zieht es durch. Sie kokettiert nicht mit den ZuschauerInnen, die im Gegenteil noch mit verschiedenen Lichtern angestrahlt und geblendet werden.
"Ein undankbarer Tod? Sie ist glücklicher als ich, die am Leben ist. Der Tod gleicht einer absoluten Leere." Sehr reduziert und minimalistisch inszeniert Karic ihre Mischung aus Euripides und den "Trostfrauen", thematisiert dabei indirekt auch die Vergewaltigungen und Frauenmorde des Bosnienkrieges. Im Interview betont die junge Theatermacherin, die mit 18 Jahren wegen des Bosnienkriegs nach Österreich flüchtete, immer wieder, dass sie die Stärke der Frauen im Angesicht des Todes bzw. eines fürchterlichen Alltags mit um die 30 Soldaten pro Tag als "Kunden" der Zwangsprostituierten zeigen wollte. "Man muss eine große Charakterstärke und einen immensen Überlebenswillen haben, um sexuelle Gewalt zu überstehen", sagt Karic. "Das ist der Höhepunkt meines Elends", sagt eine Protagonistin im Stück, gleichermaßen distanziert und analysierend. "Die Troerinnen" handelt vom Gefasstsein in Trauer und tiefem Schmerz - von stolzer Trauer, vom Bestehen auf dem Eigenen gerade unter dem gewalttätigen Druck der äußeren Umstände.
Eine Frau dreht den Kopf in die Schlinge eines riesigen weißen Tuches, das quer über die ganze Bühne und den ZuschauerInnenraum reicht. Andere Frauen drehen sich seitlich im Kreise wie tanzende Derwische. Es handelt sich hier um die Anpassung eines Schamaninnenritual, denn Euripides Kassandra ist in KaricÂ’s Augen eine Schamanin. Karic wollte diese Szene unbedingt, weil ihr Rituale im Zusammenhang mit Tod und Gesellschaft wichtig sind. "Weiß ist die Farbe des Todes im positiven Sinn, weil eine Seele ins Licht kommt. Die Frauen tanzen, weil sie der Seele helfen wollen, auf eine gute Weise die andere Welt zu erreichen. In Korea habe ich so ein Schamaninnenritual gesehen, das dauert einen Tag", erzählt Aida Karic. Dort wird das Ritual mit einer Puppe vollzogen und dient der Verarbeitung des Todes eines Angehörigen.
Wie wenig Möglichkeiten der Verarbeitung eine Gesellschaft entwickelt hat, um mit den Opfern von Zwangsprostitution umzugehen, wird nicht thematisiert. Die Gesellschaft mit ihrer institutionalisierten sexuellen Gewalt bleibt außen vor. "Japan wollte Kolonien haben und griff erst China und dann Korea an. Es gab extreme Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung und die Vergewaltigungen nahmen ein solches Ausmaß an, dass die Politiker berieten, wie das schlechte Bild Japans vermieden werden könnte. So entstanden die ‚TroststationenÂ’ für die Soldaten", erklärt Karic. Was das Stück gut vermittelt, ist die völlige Einsamkeit der "Trostfrauen", die mit dieser Gewalt fertig werden müssen. Erst Jahrzehnte später erhielten überlebende "Trostfrauen" einen Platz in einem eigenen Altersheim, nachdem sie zuvor zum Teil auf der Straße oder bei Mönchen in einem Kloster leben mussten. "Bevor die Nacht zu Ende ist, wandelt sich alles in Klagegesang. Glückliche Lieder erzählen, dass der Krieg vorbei ist Â…", klingt das Stück ruhig aus. Aida Karic holte Schauspielerinnen aus Seoul, die nicht dem rassistischen Stereotyp der zierlichen kleinen Asiatin entsprechen. Besonders die Pansori-Sängerin Sunsook Kang ist äußerst beeindruckend.
Ein Problem des Stückes ist aber sicher, dass sich die Betonung auf Gesten und Bilder, mit sehr reduziertem, gestrafften Text, durchaus mit gewissen europäischen Vorurteilen vereinbaren lässt. Asiatischen Frauen wird gerne das Leiden abgesprochen, indem sie in Europa oft als ruhig, in sich gekehrt und über allem stehend imaginiert werden. Ihre Sprachlosigkeit wird kulturalisiert.
Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
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