Hassprediger

in (15.03.2007)

Es war ein vorzüglicher Beitrag: Report aus Mainz berichtete, was ein Zusteller einer mit der Post konkurrierenden Berliner Firma

im vorangegangenen Monat verdient hatte: Weniger als 600 Euro hatte er nach Hause gebracht. Der Berliner Senat, der seine Briefe nicht mehr von der Post, sondern von dieser Firma austragen läßt, begründete das mit seiner Pflicht zu sparsamem Umgang mit Steuergeldern: Die Firma begnüge sich eben mit weniger Porto. Die Post reagierte mit Andeutungen, sie werde ihre jetzigen Tarifgehälter senken müssen, wenn ihr große Aufträge zugunsten von Billig-Anbietern verloren gingen. Und dann wurde uns vorgerechnet, daß der anfangs gezeigte Zusteller Hartz-IV-Gelder in Anspruch nehmen muß, um mit seiner vierköpfigen Familie überleben zu können. So verhilft der Staat - in diesem Fall das "rot-rot" regierte Land Berlin - einem Privatunternehmer zu Aufträgen, billigem Personal und sattem Profit. Die Schlußfolgerung lag nahe: So inhuman, so irrsinnig funktioniert Kapitalismus.

Doch in derselben Sendung attackierte derselbe Moderator im letzten Beitrag den Strafhäftling Christian Klar, der es gewagt hatte, sich gegen den Kapitalismus zu äußern. Wir erfuhren: Wer sich gegen den Kapitalismus äußert, darf keine Gnade finden. Er gehört hinter Gitter.

Innerhalb weniger Tage erschien die Berliner Springer-Zeitung BZ mit folgenden fetten Schlagzeilen: "Wir zahlen seinen Haß" ("Terrorverdächtiger erhält 2300 Euro Sozialleistungen im Monat von Berliner Behörden"), "Jagt ihn!" (gemeint war ein mutmaßlicher Kindsmörder), "RAF-Terroristin läuft durch Berlin" (gemeint war eine Strafgefangene, die nach langer Isolationshaft jetzt zwecks Resozialisierung im Freigang an einer Berliner Foto-Schule ausgebildet wird; am Tor der Justizvollzugsanstalt und am Schultor warten Pressefotografen - worauf?).

Als vor 40 Jahren Studenten in Berlin wiederholt von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machten, nicht um die Obrigkeit zu bejubeln wie in früheren Zeiten, sondern um gegen sie zu protestieren, erschien die BZ mit scharfmacherischen Überschriften, von denen ich mir eine gemerkt habe: "Ausmerzen!" Das war vor den Schüssen des Neonazis Josef Bachmann auf Rudi Dutschke. Und lange vor der RAF.

Deutlich habe ich in Erinnerung, wie die Springer-Presse gegen Slobodan Milosevic und "die Serben" hetzte. Mit Buchstaben, die die obere Hälfte der Titelseite füllten, stellte Bild ihn als "Der Schlächter" vor, seine Frau als die "Hexe von Belgrad". So wurde der NATO-Krieg gegen Jugoslawien vorbereitet. Die BZ beteiligte sich mit solchen Charakterisierungen des jugoslawischen Staatspräsidenten wie "Der Alkoholiker - Er nimmt immer stärker die Züge eines zweiten Hitler an". Und phantasierte über die "KZÂ’s von Milosevic".

Im Februar 2007 hat nun der Internationale Gerichtshof klargestellt, was an all den schweren und schwersten Beschuldigungen dran war, mit denen 1999 begründet wurde, daß deutsches Militär zum dritten Mal innerhalb eines Jahrhunderts (nach 1914 und 1941) über Serbien herfallen müsse: nichts.

Nicht nur die Springer-Presse, fast alle Medien hatten mitgehetzt und mitgelogen. Gibt es eine einzige Zeitung, die jetzt bereut? Sich um die Opfer des Krieges bemüht? Sich bei uns Lesern entschuldigt? Und Konsequenzen für ihre redaktionelle Arbeit zieht?