Vertrauliche Info an Frau Ministerin

Sehr geehrte Frau Gesundheitsministerin, eigentlich müßte ich Sie Frau Fitmacherin oder Frau Effi-zienta nennen, denn Sie wollen unser Gesundheitssystem fit, also effizient, machen. Vielleicht wisse

Sie aber nicht, wie Ihre famosen Gesetze wirken und welche Gelder Sie dabei wirklich einspa-ren. Ich darf Ihnen das am Selbstversuch erklären:
Ich benötige regelmäßig Medikamente. Aus Datenschutzgründen darf ich nicht sagen, welche. Ich bekomme sie nur auf Rezept.

Das Rezept gibt es nach einem Besuch beim Facharzt, an den ich streng nach Gesetz vom Hausarzt überwiesen werden muß. Beim Hausarzt wiederum zahle ich die moderate und wirksame Praxisge-bühr (10 Euro) und muß ein paar Stündchen warten: 4,5 Stunden bei meinem Stundenlohn von Euro 3,75 - ich bin freischaffend (drum könnte man mein Einkommen auch als zukunftsweisend osteu-ropäisch bezeichnen), das ergibt die lächerliche Summe von 16,88 Euro.

Beim Facharzt wiederum muß ich 2 mal 2,5 Stunden warten - zwischendurch hat er noch eine drin-gende, besserbezahlte OP. Meine persönliche Investition in meine Ineffizienz (so nennen wir jetzt eine chronische Krankheit) sind also nochmals 18,75 Euro. Hinzu kommen Anfahrtskosten und -zeiten, die wir bei meiner geringen Finanzkraft aber lediglich mit 4,90 je Arztbesuch ansetzen = 9,80 Euro pro Medikamentenverschreibung.

Für die Arznei selber muß ich nur 15 Euro zuzahlen - das ist ganz sozial und unabhängig von mei-ner Leistungsträgerschaft. Wir sind jetzt bei 60,43 Euro angelangt. So wenig kostet mich eine Me-dikamentenverschreibung.

Nun haben Sie die Ärzte allerdings angewiesen, so knapp wie möglich zu verschreiben - ich muß also nach immer kürzerer Zeit Medikamente besorgen. Früher konnte man in solchen Fällen bei der Apotheke auf seinen guten Namen quasi im Vorschuß - bei gesetzlicher Zuzahlung - die Medika-mente holen. Das unterbinden Sie jetzt. Medikamente, auch für Chronisten, wie wir ständig kranken Dichter uns mal nennen wollen, gibt es nur nach erneutem Arztbesuch. Die Triade heißt wiederum: Haus-A., Fach-A., Apotheke mit großem A vorne. Wieder 60,43 Euro. Mit einem einfachen Trick sind die Kosten verdoppelt worden. Meine Kosten. Kosten, die unsereins natürlich gern in ein ge-sundes Krankheitssystem investiert.

Doch es geht noch finanzfreundlicher. Apotheker müssen endlich streng gesetzlich handeln, selbst bei Ausgabe lebensnotwendiger Medikamente. Wenn man diese plötzlich - zum Beispiel in einem fernen Ort - braucht, bekommt man von der Apotheke nicht etwa die Medikamente, sondern sofort die Anschrift eines Arztes, bei dem man dann, sofern er nicht gerade aus Überlastungsgründen schließen mußte, schon nach wenigen Stunden Fahrt- und Wartezeit und intensiver Lektüre von Ge-sundheitszeitschriften die nötigen Papiere bekommt. Ist man bis dahin verstorben, spart man ganz clever die Rezeptgebühr (15 Euro).

Wer das Pech hat, noch immer zu leben, muß allerdings erneut zahlen beziehungsweise seine Ar-beitszeit investieren. Doch ist das nicht lächerlich wenig, wenn man es mal mit den Verdiensten un-serer globalen Pharma-Industrie vergleicht?

Ich habe Glück. Mein Glück sind meine osteuropäischen Einkommensverhältnisse als freischaffen-der Herumdichter. Nähmen wir Ihre Verdienst-Spannen, sehr geehrte Frau Krankheitsindustrie-Ministerin, respektive die Stundenlöhne Ihrer pumperlgesunden Ministerialdirigenten - ich habe mich kundig gemacht -, wären wir bei durchschnittlich 1304,62 Euro pro Medikamentenverschrei-bung.
Ich spare also, gemessen an Ihnen, über 90 Prozent. Wenn ich jetzt gänzlich einkommenslos würde, kostete mich die Medikamentenverschreibung man grade noch 25 Euro. Noch eine Einsparung von 70 Prozent. Lächerlich wenig, gemessen an dem, was Sie bei einem einfachen Arztbesuch zwecks Arzneikonsum alles drauflegen müßten. Nun hätte ich als Einkommensloser - oder heißt das Ein-kommenslooser? - aber nicht mal jene 25 Euro zur Hand. Einsparung bis auf null Euro. Meine Krankheit kostete mich nichts!

Drum arbeite ich jetzt daran, einkommenslos zu werden. Dann erst wird wirklich deutlich, wie bil-lig Ihr System ist. Spottbillig, sehr geehrte Frau Gesundheitsministerin.

Mit herzlichem Gruß an die teuren Regierungskollegen Ihr Matthias Biskupek