Kriegsberichterstattung
Seit dem zweiten Golfkrieg können wir Kriege live miterleben. Doch auch eine "gelungene" Kriegsberichterstattung hat ihre eigenen Fallstricke.
Die Berichterstattung über den letzten Krieg im Irak ist von "ExpertInnen" häufig gelobt worden. Die JournalistInnen seien weniger einer einseitigen Propaganda aufgesessen, seien kritisch gewesen und hätten auch KriegsgegnerInnen zu Wort kommen lassen.
Seit dem zweiten Golfkrieg (1991) können wir Kriege live miterleben - fast so wie Sportereignisse, nur dass die Kameras nicht ganz so nah dran sind. Was man sieht, sind nichtssagende Bilder, die auch ein Feuerwerk zeigen könnten. Und wenn man gar nichts sieht, weil wie im dritten Golfkrieg keine Bilder von der Front oder der Bombardierung einer Stadt vorliegen, dann kommen die ExpertInnen ins Studio und geben Hintergrundberichte zum Besten. Und genau hierin liegt die besondere Problematik der Fernsehberichterstattung: Sie muss die Sendezeit ausfüllen und zwar angesichts der Wichtigkeit des `Großereignis Krieg` in größerem Ausmaß als bei anderen Ereignissen.
Dadurch entsteht ein Zwang zur Berichterstattung, der dazu führt, dass auch dann berichtet wird, wenn aktuell nichts geschieht. In Kriegszeiten gelten VertreterInnen des Militärs als besonders kompetent. Daneben kommen Politikwissensch aftlerInnen oder - wie im Fall des Irak-Krieges - auch mal IslamwissenschaftlerInnen zu Wort.
Allen gemeinsam ist, dass sie den Krieg nicht als das Problem selbst ansehen, sondern als den mehr oder minder legitimen Versuch, einen Konflikt zu lösen, den man mit anderen Mitteln nicht lösen zu können glaubt. Auch in Bezug auf die Konsequenzen des Krieges gehen die meisten ExpertInnen in die Argumentationsfalle der Krieg treibenden Parteien: Es wird unterschieden zwischen unschuldigen zivilen Opfern und - dann ja wohl schuldigen - Opfern unter den SoldatInnen.
Die Grausamkeiten des Krieges, meist nur der einen Seite, werden aufgedeckt als bedauerliche Entgleisungen. Dies erweckt den Eindruck, als könnte es einen Krieg geben, der in irgendeiner Form regelgerecht, korrekt und ohne unschuldige Zivilopfer vonstatten geht. Damit wird verschleiert, dass eines der Ziele jedes Krieges darin besteht, die Zivilbevölkerung durch militärische Grausamkeiten zu demoralisieren, damit sie die Armee des bekriegten Landes nicht mehr unterstützt.
Diese Kritik äußert auch der Friedensforscher Johan Galtung an der Kriegsberichterstattung, die er durch eine Friedensberichterstattung ersetzen möchte. Dazu müssen die JournalistInnen den gedanklichen Fallstricken entweichen, dass Krieg ein "Spiel" mit Verlierern und Gewinnern sei, dass es bessere und schlechtere Kriege gebe, dass Frieden bereits die Abwesenheit von Krieg sei und dass Krieg die Entscheidung einzelner Regierender sei.
Galtungs Gegenkonzept des Friedensjournalismus kritisiert folglich nicht nur die offene Zensur, sondern auch die unreflektiert übernommenen Voraussetzungen der Berichterstattung. Dies erfordert jedoch enorme Umdenkungsprozesse bei den JournalistInnen, die sogar die professionellen Regeln betreffen. Deren Veränderung vollzieht sich bestimmt nicht von selbst, sondern nur unter politisch-gesellschaftlichen Druck. Und dafür müssen nach wie vor alternative Medien abseits des herrschenden Mainstream mit kritischen Perspektiven sorgen.