Die schöne Welt der Hochschuldemokratie.

Zu den erweiterten Mitbestimmungsmöglichkeiten des Kapitals.

Mitbestimmung ist ein schönes Wort. Mitreden, Mitgestalten, Mitmachen heißt die Devise. Auch an den Hochschulen.

Doch die Realität sieht leider anders aus. Seit Jahren ist die Zahl der Studierenden, die sich in den Hochschulgremien und in Hochschulgruppen engagieren rückläufig. Die Beteili-gung an den Wahlen ist mehr als niedrig. Die Zeit der großen Studierendenproteste, die mit den bundeswei-ten Aktionen 1997 noch einmal kurz aufflackerten, scheint vorbei. Sind die Studierenden brav geworden?

_Die bestehenden Möglichkeiten der Mitbestimmung:

Doch schauen wir uns einmal an, welche Möglichkeiten der Mitbestimmung es gibt. Bildung ist Ländersache und damit werden diese Möglichkeiten auch in den Landeshochschul-gesetzen geregelt. Meistens existiert die sogenannte "Ver-asste Studierendenschaft". JedeR, die/der anfängt zu studieren, wird automatisch Mitglied und zahlt jedes Semester einen bestimmten Beitrag, der von den Gremien verwaltet wird, um damit Aktionen durchzuführen, Parties zu organisieren, Projekte zu unterstützen. Anders die Situation in Bayern und Baden-Württemberg: Dort gibt es die Verfasste Studierendenschaft nicht, die Studierenden agieren ohne rechtliche Absicherung, ohne eigene Finanzen.

Doch auch in den anderen Ländern sieht es bei weitem nicht so rosig aus, wie man jetzt meinen könnte. Vielfach werden den Studierenden Steine in den Weg gelegt. In Hochschul-gremien werden sie dazu benutzt, Entschlüsse, die die ProfessorInnen vorher gefaßt haben, einfach abzunicken. Ein allgemeinpolitisches Mandat, also die Möglichkeit, sich zu Themen zu äußern, die nicht direkt mit der Hochschule zu tun haben, gibt es nicht. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass Studierendenschaften reihenweise verklagt wurden, nur weil sie gesellschaftliche Fragen und Probleme wie Umweltschutz oder Rechtsextremismus thematisiert hatten.

_Drohende Einschränkung der Kompetenzen für Studis:

Vielfach werden die Kompetenzen der Studierendenschaften auch weiter eingeschränkt. Bei Novellierungen von Landeshochschulgesetzen gibt es immer wieder Versuche, die Mitbestimmungsrechte zu verringern. So schlug das SPD-geführte niedersächsische Wissenschaftsministerium die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft vor. Stattdessen werden, wie in Brandenburg, pseudodemokratische Strukturen geschaffen. Dort wurde ein Landeshochschulrat gebildet, dessen Mitglieder ausgesuchte Personen aus Wirtschaft, Politik und Kultur sind. Ausgewählt werden sie vom dortigen Wissenschaftsministerium, ebenso wie die beiden studentischen Vertreter.

Ein gerne vorgebrachtes Argument dafür, ist das scheinbare Desinteresse der Studierenden an ihrer Selbstverwaltung. Die geringe Wahlbeteiligung ist ein Fakt, doch wenn es um die "große" Politik und die mangelnde Beteiligung an Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen geht, schlägt auch niemand die Abschaffung von Wahlen vor. Vielmehr muß gefragt werden, ob das Problem nicht darin liegt, dass die Studierenden zu wenig Möglichkeiten sehen, sich zu beteiligen.

Eine bundesweite Interessenvertretung gibt es ebenfalls nicht. Der fzs, der freiwillige Zusammenschluß von Studie-rendenschaften, der eine Vernetzung studentischer Interessen zum Ziel hat, wird von internen Machtkämpfen gelähmt und ist dadurch nach außen hin weitgehend handlungsunfähig.

_Mehr Mitbestimmung - für das Kapital!

Eine neue Erscheinung ist das verstärkte Engagement der Privatwirtschaft im deutschen Bildungswesen. Immer mehr private Institute werden gegründet, auch Privathochschulen scheinen auf dem Vormarsch. Das Ziel ist die marktgerechte Ausbildung von Fachkräften und die Bindung an die eigene Firma. Mit der Mitbestimmung sieht es dort aber noch schlechter aus, als an den öffentlichen Hochschulen.

Ein Beispiel dafür ist die Universität Potsdam. Hier hat die Softwareschmiede SAP ein privates "An-Institut" gegründet und bildet dort Softwareingenieure aus. Formal ist das "Hasso-Plattner-Institut" ein Teil der Universität, praktisch bestimmt aber SAP was dort geschieht. Es gibt eigene Aufnahmeregelungen, Studiengebühren werden von SAP ins Auge gefasst und jede Form der demokratischen Mitbestimmung ist weder vorgesehen, noch erwünscht. Das erinnert fatal an eine Firma, die sich gegen Betriebsräte wehrt und den Angestellten mit Entlassungen droht, wenn sie dennoch Einen gründen wollen. Hier wird den zukünftigen MitarbeiterInnen bereits während der Ausbildung gezeigt, wer das Sagen hat.

_'Politikverdrossenheit' und Doppelmoral

Politisches Engagement außerhalb etablierter Parteien und Organisationen scheint in unserer Gesellschaft nicht erwünscht zu sein - gleichzeitig beklagen Politikerinnen und Politiker die "Politikverdrossenheit" der Gesellschaft. Bundesbildungsministerin Bulmahn hat angekündigt, bei den Anhörungen zur Novellierung des Hochschulrahmengesetzes im Herbst diesen Jahres keine Studierenden zu beteiligen. Damit wird die größte Betroffenengruppe vom Gesetz-gebungsprozeß schon im vornherein ausgeschlossen. Die "schöne Welt der Hochschuldemokratie" braucht noch viele Veränderungen.