Rückt die Kohle raus! Wer nicht ausbildet muss zahlen.

Für eine solidarische Umlagefinanzierung.

in (22.08.2001)

Die Situation kennen wir alle: kaum die Schule abgeschlossen und schon sitzte auf der Straße. Das Lehrstellenangebot wird von Jahr zu Jahr immer schlechter.

Eine Ausbildung nach den eigenen Wünschen oder überhaupt eine zu finden, wird zur Schnip-seljagd. Besonders große Unternehmen und Konzerne bilden wenig oder gar nicht mehr aus. Seit Jahren bietet die öffentliche Hand immer weniger Ausbildungsplätze an, während kleine Betriebe sich mehr Auszubildende oft nicht leisten können. Besonders katastrophal ist die Situation in den neuen Bundesländern. Im Osten standen im letzten Ausbildungsjahr 120.000 Ausbildungsplatzsuchenden gerade mal 30.000 Ausbildungsplätze gegenüber. Wer einen Ausbildungsplatz bekam, konnte sich glücklich schätzen. _Qualität und Ansprüche gehen immer weiter zurück. Doch in der beruflichen Ausbildung geht es um mehr, als nur um den bloßen Kampf um die Zahl der Ausbildungsplätze. So sinkt die Qualität der beruflichen Bildung im gleichen Maße, wie die Ansprüche der jungen Menschen zurückgehen. Die Qualität der Ausbildung hängt ganz entscheidend auch vom Niveau der Ausbildungsstelle, der Dauer der Ausbildung und der Menge der Auszubildenden pro Ausbilder ab. _Oft ist Ausbildung = Ausbeutung. Auf der anderen Seite nutzen die Unternehmen die Krise, um billige Arbeitskräfte zu bekommen. Vielfach werden die Vergütungen nicht nach tariflich vorgeschriebenen Löhnen und Gehäl-tern gezahlt, Überstunden verlangt und die fachkundige Anleitung vernachlässigt. Aber auch die Arbeits-schutzbestimmungen und die Verpflichtung zur kostenfreien Bereitstellung des Arbeitsmaterials werden häufig umgangen. Deutlich zeigt sich das am Beispiel der Baubranche: So lernt mensch im dritten Ausbildungsjahr kaum noch an Tätigkeiten dazu. Trotzdem muss dieser es Tag für Tag anwenden, ohne dafür auch die der Tätigkeit entsprechenden Vergütung zu erhalten. Ähnliches spielt sich in fast allen Handwerksberufen ab. _Notprogramme können jungen Menschen keine wirklichen Perspektive eröffnen. Zwar wird gerade von der rosa-grünen Bundesregierung und den Ländern mit Hilfe von Notprogrammen (wie zum Beispiel JumP: Jugend Mit Perspektive: 100.000 Ausbildungsplätze für Junge) versucht die Situation zu lindern, jedoch können diese Maßnahmen eine Ausbildung nicht ersetzen. Jugendliche werden nur in Warteschleifen gesteckt oder in schulische Ausbildungsmaßnahmen gedrängt. Das schönt die Statistik, ändert aber nichts an der Misere. Die Gewerkschaftsjugend, die PDS sowie diverse linke Jugendorganisationen wie ['solid] fordern deshalb seit geraumer Zeit die Einführung einer bundesweiten und gesetzlich geregelten Ausbildungsumlagefinanzierung. _Wer nicht ausbildet muss zahlen! Ziel dieser Umlagefinanzierung ist es, die einzelbetrieblichen Kosten auf die Gesamtwirtschaft umzulegen, damit die Ausbildungskosten als Ausbildungshindernis in einzelnen - zum Beispiel in kleineren - Betrieben beseitigt werden. Betriebe und Unternehmen, die sich der Verantwortung entziehen und nicht ausbilden, werden zur Kasse gebeten. Dadurch wird für Betriebe mit gesellschaftlichem Ver-antwortungsbewusstsein Ausbildung vom Wettbewerbsnachteil zum Wettbewerbsvorteil. _Die Umlage bringt auch Vorteile für die Betriebe! Aber es sind nicht nur betriebswirtschaftliche Vorteile von eigener Ausbildung, beispielsweise die Vertrautheit mit dem Betrieb. Auch die eigene Schwerpunktsetzung ist dann ein Anreiz für den Betrieb, die Ausbildungstätigkeit zu verstärken. Vor allem bietet die Berufsausbildung für Jugendliche eine Perspektive für die Zukunft. Die Ausbildungsumlagefinanzierung ist das beste Mittel, um der derzeitigen Ausbildungsmisere entgegenzuwirken und Ausbildungsplätze zu schaffen! Fazit: Rückt die Kohle raus! Her mit der Umlage!

Die Umlagefinanzierung - Eine kleine Erklärung:

Das Konzept der Umlagefinanzierung geht davon aus, dass alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz benötigen, auch einen bekommen müssen. Das Prinzip ist gar nicht so kompliziert: Zunächst werden die jährlichen Gesamtkosten der Ausbildung eines Jahrganges anhand von geschätzten Be-werberInnenzahlen und den durchschnittlichen Ausbil-dungskosten pro Azubi ermittelt. Dann wird der Anteil dieser Gesamtkosten an der jährlichen Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft - einer Kombination aus Umsätzen und Gewinnen - errechnet, und schon steht einem die Ausbildungs-Soll-Quote als Verpflichtungsmaßstab für jedes einzelne Unternehmen zur Verfügung. Jedes Unternehmen muss nun mindestens diesen prozentualen Anteil seiner Wertschöpfung für eigene Ausbildungskosten aufwenden. Liegt sein tatsächlicher Anteil unter dieser Soll-Quote, so muss das Unternehmen die entsprechende Differenz an einen Ausbildungsfond abführen. Aus diesem Fond erhalten dann diejenigen Unternehmen zusätzliche Ausbildungszuschüsse, deren tatsächliche Ausbildungsaufwendungen oberhalb der allgemeinen Soll-Quote liegen oder die sich einen Azubi wegen ihres geringen Geschäftsvolumens sonst gar nicht leisten könnten . Wenn notwendig, könnten daraus auch zusätzliche außer- und überbetriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Die Umlage wäre also eine gerechte und vernünftige Lösung: Wer ausreichend ausbildet, zahlt auch nicht. Wer sich die Ausbildungskosten sparen will, der kann daraus keinen Kostenvorteil gegenüber den ausbildenden Unternehmen mehr erzielen. Wenn alle Unternehmen mindestens ihre Soll-Quote erfüllten, bliebe der Fond leer und alle Jugendlichen hätten eine Ausbildung.