Auf die Straße – gegen den Krieg!

Rede von Bernd Drücke auf der Antikriegskundgebung am 5. März 2022 in Münster

 

Wir müssen dafür kämpfen, dass Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aller Kriegsparteien Asyl bekommen in Deutschland

 

Liebe Friedensfreund:innen,

ich bin seit Anfang der 1980er-Jahre in der Friedensbewegung aktiv, am Anfang gegen den NATO-Doppelbeschluss, die „Nachrüstung“ mit Pershing-2-Atomraketen. Aktiv war ich auch gegen den so genannten Kosovo-Krieg, also den völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien, der 1999 von einer rot-grünen Bundesregierung mit verantwortet wurde. Es war ein Krieg gegen die Menschen in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Dort fanden Kriegsverbrechen statt von Seiten der NATO, der UÇK und der serbischen Armee. Wir haben damals nicht das Milošević-Regime oder die NATO, sondern Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und antimilitaristische Gruppen aus dem Kosovo, aus Serbien und von allen Kriegsparteien unterstützt. Wir kämpfen gegen jeden Krieg.

Wir müssen auch heute dafür kämpfen, dass Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aller Kriegsparteien Asyl bekommen in Deutschland. De facto ist die Situation so, dass russische Soldaten teilweise desertieren, dass einige russische Soldaten auch ihre Militärfahrzeuge beschädigen, damit sie nicht weiterfahren können. Diese 75 Kilometer lange Panzerkolonne, die hier in den Medien gezeigt wurde, kommt wohl auch deshalb nur so langsam voran, weil Fahrzeuge von Soldaten sabotiert werden und liegen bleiben. Viele russische Soldaten wurden als Wehrpflichtige zum Zwangsdienst beim Militär herangezogen, viele dachten anfangs, sie seien immer noch im Manöver. Etliche wollen nicht an Putins Angriffskrieg teilnehmen und Menschen auf Befehl töten, sondern desertieren. Die müssen wir unterstützen!

Ich habe Freund:innen in Russland und in der Ukraine. Ich mache mir Sorgen um sie, ich habe Schiss, dass mein Freund in Moskau verhaftet wird. Ich habe Angst um sein Leben. Wir müssen dafür sorgen, dass auch Menschen aus Russland ohne Probleme hierher fliehen können.

Das gilt natürlich auch für die andere Seite. Ich finde es gut, dass jetzt nach wenigen Kriegstagen schon 1,2 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in der EU aufgenommen wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass noch Millionen aus dem Kriegsgebiet fliehen wollen. Wer nicht fliehen darf, das sind die 18- bis 60-jährigen Männer. Sie sollen Zwangsdienst leisten, Kriegsdienst leisten und als Kanonenfutter in diesen Krieg geschickt werden. Das ist ein Verbrechen!

In Teilen der Ukraine findet seit acht Jahren ein Bürgerkrieg statt. Trotzdem wurden viele Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine in Deutschland nicht als Asylbewerber anerkannt und in die Ukraine abgeschoben. Die Tatsache, dass Männer zwischen 18 und 60 Jahre das Land nicht verlassen können, ist ein Skandal, der hier in den Medien nicht problematisiert wird. Dabei ist das ein Verstoß gegen das Menschenrecht auf Leben, gegen das Menschenrecht auf Verweigerung. Kriegsdienstverweigerer und Deserteure sind Helden, die sich gegen den Krieg stellen, auf jeder Seite!

Ich wurde in einem Interview mit Radio Corax, dem Radiosender aus Halle, gefragt, was wir als Friedensbewegung gegen diesen Krieg machen können. (1) Was können wir machen? Wir können die Geflüchteten unterstützen, sie reinlassen, unterbringen, dafür sorgen, dass sie hier menschenwürdig leben können. Ich meine Geflüchtete aus allen Kriegsgebieten, auch aus dem Jemen, aus Syrien und dem Irak. Überall, wo Kriege stattfinden, fliehen Menschen, und sie haben ein gutes Recht dazu. Wir müssen als Europäer:innen dafür sorgen, dass sie hier aufgenommen werden, dass sie die Grenzen der EU überschreiten können. Wir brauchen eine grenzenlose, freiheitliche Gesellschaft, in der jeder Mensch glücklich werden kann.

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Wir müssen alles dafür tun, dass Kriege gestoppt werden. Wir müssen den Krieg sabotieren und Menschen unterstützen, die sich gegen die Kriege stellen.

Was hier momentan passiert, ist ein politischer Skandal. Die rot-gelb-grüne Bundesregierung lässt massiv Waffen in ein Kriegsgebiet liefern, in dem ein Massaker stattfindet und in dem es zu weiteren Bluttaten kommen wird. Sie gießt Öl ins Feuer.

Wir können die Oppositionsbewegung in Russland unterstützen, die sich gegen das Regime stellt. Ein großer Teil der Bevölkerung in Russland wäre niemals einverstanden mit dem, was in der Ukraine passiert. Aber viele wissen nicht, was dort geschieht. Durch die Massenmedien in Russland werden sie propagandistisch manipuliert. Das Wort Krieg darf für Putins blutigen Völkerrechtsbruch nicht verwendet werden. Die Manipulation ist extrem. Die letzten unabhängigen Medien werden zerschlagen. Aber es gibt trotzdem viele Menschen in Russland, die informiert sind, die soziale und alternative Medien nutzen, die Kontakte im Westen haben. Mehr als 15.000 Menschen wurden in Russland in den letzten Tagen bei Demonstrationen gegen den Krieg verhaftet. Viele sind gegen das autokratische, militaristische Putin-Regime. Diese Menschen gilt es zu unterstützen!

Die Beschlüsse der Bundesregierung, einen Sonderetat von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung und Bundeswehr zu schaffen und jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Militär auszugeben, sind fatal. Der Etat der Bundeswehr ist weltweit der siebtgrößte Militäretat. Durch diese Entscheidung wird sie zur Armee mit dem viertgrößten Etat der Welt. Was wollen wir? Wollen wir ein kriegerisches Land, ein militaristisches Deutschland? Wollen wir ein Europa, das Kriege führt? Das wollen wir nicht! Wir müssen gegen jede Militarisierung kämpfen.

Es ist ein falscher Weg, der gerade gegangen wird. Wir sollten stattdessen Fridays for Future und die Klimagerechtigkeitsbewegung unterstützen. Wir brauchen eine Energieversorgung, die sich umweltfreundlich auswirkt: Ausbau der erneuerbaren Energien, kein Gas, keine fossilen Brennstoffe, keine Kohle- und Atomkraftwerke mehr.

Was wir in der Ukraine sehen, ist beängstigend. Es gibt dort 15 Atomkraftwerke. In dem bis heute verseuchten Gebiet rund um die Atomruine Tschernobyl finden Kämpfe statt. Im größten AKW Europas, Saporischschja, hat es nach dem Beschuss durch russische Truppen einen Brand gegeben. Beinahe wäre es nach Tschernobyl 1986 zum zweiten Super-GAU auf ukrainischem Boden gekommen. Diese Gefahr ist nicht gebannt. Es ist unverantwortlich, dass in dieses Kriegsgebiet Waffen exportiert werden, dass dort mit Kanonen und Gewehren aufeinander geschossen wird. Wie stellt man sich das vor? In und um Tschernobyl ist das Gebiet immer noch verstrahlt. Das müsst ihr euch so vorstellen: Wenn dort eine Granate auf den Boden knallt, dann wird die Radioaktivität, die jetzt im Boden ist, freigesetzt. Wenn eine Granate den Reaktorkern trifft, dann haben wir den nächsten Super-GAU. Das ist Wahnsinn! Wir müssen diesen Krieg und das Putin-Regime stoppen! Wir müssen jeden Militarismus stoppen und jede Kriegspartei!

Es ist heute hier viel gesagt worden. Ich sage euch: Nie wieder Krieg! Für eine gewaltfreie, menschenfreundliche, herrschaftslose Gesellschaft!

 

Bernd Drücke

 

Die gesamte Rede wurde von MünsterTube gefilmt und als Videomitschnitt dokumentiert unter: https://youtu.be/2BaJJDZMYYU

 

Anmerkung:

1.) https://radiocorax.de/dieser-krieg-laesst-sich-nicht-mit-waffen-sondern-mit-einem-generalstreik-stoppen

 

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 468, April 2022, www.graswurzel.net