Trumps Neuordnung der Welt

Innenpolitisch droht ein zweitklassisches Amerika

Der G7-Gipfel der führenden Industriestaaten war wegen des Beharrens von US-Präsident Donald Trump auf seiner Logik des »America first« ein Fiasko. In zentralen politischen Fragen konnten die Staats- und Regierungschefs keine Verständigung über weitere Schritte erzielen. Uneinigkeit herrschte vor allem über Freihandel, Klimaschutz und die Flüchtlingskrise.

Im Streit um Freihandel hielt der US-Präsident an seinem Abschottungskurs fest und kritisierte die Deutschen dafür, dass sie zwar viel an die USA verkaufen, aber weniger kauften. Schon in den vorbereitenden Gesprächen der Finanzminister war eine sonst übliche Erklärung der G7, gegen Protektionismus eintreten zu wollen, am Widerstand der USA gescheitert.

 

Trump forciert Militarisierungs- und Aufrüstungskurs

Zuvor hatte der US-Präsident schon den Staats- und Regierungschefs der 28 NATO-Staaten die Leviten gelesen: In einer Rede bekräftigte er nicht wie von ihnen erhofft die Bündnispflicht, wonach sich die Partner gegenseitig militärisch beistehen, sondern sprach vom Kampf gegen den Terror. Und vor allem sagte er seinen Kollegen direkt ins Gesicht, dass noch immer 23 der 28 Alliierten nicht zahlten, was sie zahlen müssten, was nicht fair sei gegenüber den amerikanischen Steuerzahlern.

Unverhohlen will Donald Trump die NATO in einen forcierten Militarisierungs- und Aufrüstungskurs einrangieren. Die USA und Saudi-Arabien haben während des Besuchs des US-Präsidenten Donald Trump ein Waffengeschäft in Höhe von rund 110 Milliarden Dollar abgeschlossen. Innerhalb von zehn Jahren soll Saudi-Arabien sogar Waffen im Wert von etwa 350 Milliarden Dollar aus den USA kaufen.

Das amerikanische Außenministerium erklärte, die Waffenverkäufe dienten dazu, die Sicherheit der absoluten Monarchie auf der arabischen Halbinsel angesichts des »bösartigen« Einflusses des Iran in der Region zu gewährleisten. Im Gegenzug erwartet Washington von den Saudis, dass sie härter gegen gewaltbereite Extremisten vorgehen. »Verjagt sie von eurem heiligen Land, verjagt sie von dieser Erde«, schärfte Trump seinen Gastgebern ein.

Gegen deutsche Bedenken erreichte der US-Präsident in Brüssel, dass die NATO nun formell der amerikanisch geführten Anti-IS-Koalition beitritt. Das hat unmittelbar keine großen militärischen Folgen, erleichtert aber die Koordination der Operationen gegen den IS. Zugleich hat Trump den Europäern das Versprechen abgerungen, jedes Jahr nationale Pläne vorzulegen, um ihre Fortschritte bei der Steigerung der Militärausgaben zu belegen.

Nach den Konflikten mit dem US-Präsidenten auf dem NATO-Treffen und dem G7-Gipfel hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Europäer am Sonntag zu mehr Eigenständigkeit aufgefordert: »Die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt.«

Auch nach dem G7-Gipfel in Taormina halte man natürlich weiter an engen Beziehungen zu den USA fest. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien »ein fester Pfeiler unserer Außenpolitik«. Im Interesse der Beziehungen sei es aber auch wichtig, Differenzen deutlich zu benennen. Dies machte dann der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, deutlich: »Dass die USA mit der Abrissbirne durch das Bauwerk der westlichen Werte und Zielvorstellungen toben, das ist neu.« Europa müsse entscheidungsfähiger werden, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten.

 

Politische und soziale Zeitenwende

In der Tat: Die europäischen Länder kommen nicht umhin zu akzeptieren, dass mit Trump eine politische und soziale Zeitenwende eingeleitet wurde. Die politischen Klassen Europas hatten auf die sich abzeichnende politische Umwälzung bisher mit der üblichen Mischung aus Resignation und Unentschlossenheit reagiert: Anstatt das Phänomen Trump als Chance zum Aufbruch zu begreifen, wird das alte Mantra »Vertiefung der europäischen Integration« wiederholt. Gefordert ist jedoch eine selbstkritische Analyse, in der die Widersprüche in der Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt- und Flüchtlingspolitik aufgearbeitet werden und im breiten gesellschaftlichen Diskurs eine Verständigung auf eine eigenständige europäische Alternative verfolgt wird.

Der amerikanische Präsident Donald Trump wurde auf dem Jahrestreffen der NATO im Mai 2017 im Kreis der 28 Staats- und Regierungschefs des Verteidigungsbündnisses letztendlich willkommen geheißen: Trotz Skepsis in Berlin und Paris rang sich die NATO zum Beitritt zur Koalition gegen den Islamischen Staat durch. Da bereits alle NATO-Staaten Teil der Koalition sind und die Allianz die Beteiligung an Kampfhandlungen ausschließt, hat der Schritt nur politische Symbolwirkung.

Trump dagegen forderte von den Europäern erneut höhere Investitionen in die Verteidigung, die »chronischen Unterfinanzierung« werde die US-Administration nicht mehr tolerieren. Faktisch wird damit der europäische Teil der Verteidigungsorganisation in einen absurden Kurs der Aufrüstung hineingezogen. Die Aussagen des US-Präsidenten machen deutlich, dass eine Zeitenwende eingeleitet ist, weil er ein anderes Weltbild verfolgt.

Bisher hatten in den USA sowohl Republikaner wie Demokraten die NATO als Grundpfeiler amerikanischer Sicherheitspolitik betrachtet. Es war daher im strategischen Interesse Nordamerikas, dass die Europäer für eine politisch stabile und marktwirtschaftliche geprägte Entwicklung sorgen. Mit seinem Wirtschaftsprotektionismus, der Skepsis gegenüber Migration und der Kritik an Angela Merkels Entscheidungen in der Flüchtlingskrise bestärkt Trump rechtspopulistische Strömungen in Westeuropa.

In der Schlussdeklaration des G7-Gipfels in Italien haben sich die Staats- und Regierungschefs zwar gegen Protektionismus positioniert, aber in den meisten wichtigen Fragen waren die Differenzen zwischen Trump und den anderen Teilnehmern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Japan und der EU aber groß, es war insgesamt keine vorwärtstreibende Beratung.

Auch für die Position der europäischen Hegemonialmacht Deutschland sind die wirtschaftlichen Folgen von Trumps Präsidentschaft tendenziell negativ. Der US-Präsident wird die Unternehmenssteuern deutlich senken (von 35 auf 15%), um mehr Unternehmen in den USA zu halten und deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Trump plant, die alten fossilen Energien in ihren alten Rang einzusetzen. Deutschland als Exportnation dürfte diesen Kurswechsel besonders heftig zu spüren bekommen.

 

»Wir müssen selber für unser Schicksal kämpfen«

Nach dem G7-Gipfel setzt sich die deutsche Bundeskanzlerin für mehr Eigenständigkeit der europäischen Länder ein: »Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen«, die USA seien kein verlässlicher Partner mehr. Angela Merkel bezog sich mit ihrer Einschätzung sowohl auf die neue amerikanische Regierung als auch den anstehenden Brexit Großbritanniens. Es müsse natürlich bei der Freundschaft zu den USA und Großbritannien bleiben. »Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unser Schicksal kämpfen.«

Sie unterstrich, dass dafür ein gutes Verhältnis zu Frankreich unter dem neuen Präsidenten Emmanuel Macron eine besondere Bedeutung zukomme. Damit ist aber auch zugleich die Grundschwierigkeit eines solchen Kurses benannt: Deutschland müsste von seiner Politik des »Greater Germany« abrücken, die Austeritätspolitik für Europa zumindest aufweichen und einer politischen Alternative in Europa die Hand reichen.

Bekannt ist über Trumps Idee von Außenpolitik, dass er diese ausschließlich an US-Interessen ausrichten will – getreu dem Motto »Amerika zuerst«. Er sagt, andere Länder wie Deutschland oder Japan müssten für den Schutz durch die USA bezahlen, Washington werde sonst seine Truppen abziehen. Auch für eine Sicherheitszone in Syrien müsse Deutschland Kosten tragen.

Vor dem Hintergrund einer strukturell geschwächten Weltwirtschaft mit dem höchsten finanziellen Hebel der Geschichte würden zunehmende Handelskonflikte und Verunsicherungen das Fundament der Weltwirtschaft erschüttern und geopolitische Verhältnisse verschieben. Die diesbezüglichen Risiken werden deutlich steigen.

Das militärische Engagement will Trump begrenzen, aber gleichzeitig den Kampf gegen den Terrorismus verstärken. Die NATO nannte er überkommen und stellt die Beistandsgarantie im Fall eines bewaffneten Angriffs auf Partnerstaaten teilweise infrage. Dass der Republikaner damit mal eben sämtliche Grundpfeiler amerikanischer Außen- und Verteidigungspolitik infrage stellte, sorgte nicht nur in Berlin und Europa für Irritationen.

Wir sind im Grundsatz mit einer Zeitenwende konfrontiert. Trump ist sich dessen bewusst: »Wir haben nicht einen Wahlkampf gemacht, sondern eher eine unglaubliche, großartige Bewegung in Gang gesetzt.« Seine praktische Politik wird allerdings das Ziel »A New Foundation for American Greatness« verfehlen: Ökonomisch-finanziell läuft diese Strategie auf eine massive Erhöhung der Instabilität der Globalökonomie und eine Verstärkung der krisenhaften Eigendynamik der Finanzsphäre hinaus.

Die Konsequenz für die US-Gesellschaft ist eine weitere Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Die Expansion der Rüstungsindustrie, die massiven Kürzung in der Klimapolitik und der Entwicklungshilfe werden einen weiteren Bedeutungsverlust der USA in der Weltpolitik einleiten. Das verringerte Engagement geht zwangsläufig mit einem Verlust an Einfluss einher. Die Politik des »America first« ist eher ein Rezept für den verstärkten Bedeutungsverlust – faktisch droht ein zweitklassiges Amerika.