Das Asad-Regime hat seit dem Beginn des Aufstandes schonungslos die Opposition unterdrückt. Trotzdem ist für Stephan Zunes die Frage unvermeidlich, ob dies der Hauptgrund war, warum es der Opposition nicht gelang, gegenüber dem Regime zu punkten. Viele lehnen eine Verantwortung der Opposition dafür ab. Trotzdem müssen Fragen gestellt werden, so Zunes, wie: Hat die Oppositionsbewegung versucht, ihren Widerstand strategisch zu organisieren? Gibt es eine logische Abfolge von Taktiken, die vertraut sind mit der Geschichte und den „Dynamiken von vom Volke ausgehenden unbewaffneten zivilen Erhebungen“. Warum wurde das Regime angegriffen, ausgerechnet da, wo es militärisch am stärksten und weit überlegen ist? All dies mache klar, so Stephen Zunes, dass der Wechsel zur Gewalt ein „katastrophaler Fehler“ war.
Die schlimmer werdende Gewalt und Repression in Syrien hat viele Analysten und politische Entscheidungsträger in den USA und anderen westlichen Ländern dazu gebracht, über Wege nachzudenken, wie Regierungen dabei helfen könnten, das Blutvergießen zu beenden und die zu unterstützen, die das Asad-Regime beseitigen wollen. Der verzweifelte Wunsch, "etwas zu tun", hat eine zunehmende Anzahl von Leuten dazu gebracht, für mehr Militärhilfe an bewaffnete Aufständische oder gar eine direkte militärische Intervention zu plädieren, so wie es die französische Regierung tat, als sie sagte, sie erwäge, dies unilateral zu machen. Auch wenn dies verständlich ist, so bedeutete eine Unterstützung der bewaffneten Opposition wahrscheinlich, das Leiden des syrischen Volkes zu verschlimmern, und es scheint die tragische Fehleinschätzung einiger Teile der syrischen Opposition zu bestätigen, ihre mutige und eindrucksvolle gewaltlose zivile Erhebung mit einem bewaffneten Aufstand zu ersetzen.
Das Asad-Regime hat sich 2011 als total schonungslos in seiner Unterdrückung des gewaltlosen Kampfes für Demokratie erwiesen. Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass diese Unbarmherzigkeit nicht der primäre Grund dafür war, dass es der Bewegung nicht gelang, ausreichend Schwung zu entwickeln, um Bashar al-Asad seines Amtes zu entheben.
Vom Apartheid-Südafrika über Suhartos Indonesien zu Pinochets Chile wurden extrem repressive Regime durch im Wesentlichen gewaltlose zivile Aufstände zu Fall gebracht. In manchen Fällen, so z.B. Marcos auf den Philippinen und Ben Ali in Tunesien, haben Diktatoren ihren Truppen befohlen, in die Menge vieler Tausend Leute zu schießen, aber ihre Soldaten haben sich geweigert. In manchen anderen Ländern, so wie Iran unter dem Schah und Mali unter General Touré, sind viele Hundert gewaltlos Protestierende niedergeschossen worden; aber die Opposition hat sich nicht unterworfen, sondern ist in noch größerer Anzahl zurückgekehrt und hat diese Diktatoren letztendlich gezwungen, zurückzutreten.
Katastrophaler Fehler: der Wechsel zur Gewalt
Historisch gesehen ist der Wechsel einer gewaltlosen Bewegung zu Gewalt das Ergebnis von Frustration, Wut, oder dem Gefühl von Hoffnungslosigkeit. Selten ist es eine klare strategische Wahl. Würde die Oppositionsbewegung allerdings ihren Widerstand strategisch organisieren, mit einer logischen Abfolge von Taktiken und vertraut mit der Geschichte und den Dynamiken von vom Volke ausgehenden unbewaffneten zivilen Erhebungen, so würde sie erkennen, dass es normalerweise ein katastrophaler Fehler ist, zur Gewalt zu wechseln. Statt den Fall eines Diktators zu beschleunigen, haben, historisch gesehen, erfolgreiche bewaffnete Revolutionen über 8 Jahre gebraucht, um ein Regime niederzuwerfen, wohingegen unbewaffnete zivile Erhebungen im Durchschnitt etwa zwei Jahre zum Sieg benötigt haben. Unseligerweise hat die Fragmentierung der syrischen Zivilgesellschaft in Kombination mit der Härte des Sicherheitsapparates es schwierig gemacht, eine widerstandsfähige Bewegung zu erhalten. Gleich, ob eine Bewegung gewalttätig oder gewaltlos ist – Improvisation reicht nicht im Umgang mit einem Regime, das wie in Syrien leicht Angst einflößt.
Tatsächlich beweist das Scheitern der Oppositionsbewegung, das Regime in den ersten Monaten, als sie im Wesentlichen gewaltlos war, zu stürzen, ebenso wenig, dass Gewaltlosigkeit "nicht funktioniert", wie das Scheitern einer gewalttätigen Bewegung beim Stürzen eines Regimes nachträglich beweist, dass Gewalt "nicht funktioniert". Ob eine Bewegung im Wesentlichen gewaltsam oder gewaltlos ist – wichtig ist, ob sie Strategien und Taktiken anwendet, die ihre Erfolgschancen maximieren können.
Ein weiterer Faktor ist, dass Syrien, anders als das Ben-Ali-Regime in Tunesien, das Mubarak-Regime in Ägypten, das Saleh-Regime im Jemen oder das Ghaddhafi-Regime in Libyen, kein Regime ist, bei dem die Macht in den Händen eines einzelnen Diktators und einem relativ kleinen Teil der Bevölkerung, die von ihrer Verbindung zu dem Diktator profitiert, liegt. Das syrische Regime hat noch immer eine Basis in der Gesellschaft. Eine ziemlich große Minderheit von Syrern – bestehend aus Alawiten, Christen und Angehörigen anderer Minderheiten, Anhängern der Baath-Partei und Regierungsangestellten, der Berufsarmee und den Sicherheitsdiensten, und der (größtenteils sunnitischen) Klasse der Nepotisten, die das Regime genährt hat – klammert sich noch an das Regime. Sicherlich gibt es Abtrünnige und "latente Doppeldenker" in all diesen Sektoren. Noch stellen Regime-Anhänger einen ausreichend großen Anteil an der Bevölkerung, so dass kein Kampf – sei er gewaltsam oder gewaltlos – siegen wird ohne kaskadierende Abtrünnigkeit.
Die Baath-Partei hat Syrien den Großteil der letzten 50 Jahre beherrscht, schon vor der 30-jährigen Herrschaft von Asads Vater. Militäroffiziere und Partei-Apparatschiks haben ihre eigene Machtbasis entwickelt. Diktaturen, die primär auf der Macht eines einzigen Mannes basieren, sind generell verwundbarer angesichts einer Volkserhebung als oligarchische Systeme, in denen ein breiteres Netzwerk der Elite am System beteiligt ist. So hat sich die Oligarchie, die El Salvador in den 1980ern beherrscht hat, als weit widerstandfähiger erwiesen, von einem bewaffneten Volksaufstand zu Fall gebracht zu werden als die Einzelherrschaft des Anastasio Somoza im benachbarten Nicaragua. Und so überrascht es nicht, dass Syriens herrschende Clique widerstandfähiger ist im Vergleich zu den personalistischen Diktaturen, die bei der Woge weitgehend gewaltloser Erhebungen in anderen arabischen Ländern zu Fall gebracht wurden.
„Bewaffneter Kampf verspricht nicht unbedingt eine schnelle Lösung“
Dies bedeutet, dass, gleich welches die Methode des Kampfes in Syrien war, es immer eine wahrscheinlich langwierige war. Bewaffneter Kampf verspricht nicht unbedingt eine schnelle Lösung. Die Tatsache, ob ein vom Volke ausgehender Kampf gegen ein autokratisches Regime Erfolg hat, hängt nicht vom Zuspruch der Sache ab oder gar der Repression der staatlichen Sicherheitskräfte , sondern davon, ob die, die sich beim Widerstand engagieren, die Basis der wahren Macht des Regimes verstehen und eine Strategie entwickeln, die dessen Stärke neutralisieren und seine Anfälligkeiten ausbeuten kann.
Gewaltfreier Kampf hat, wie bewaffneter Kampf, nur dann Erfolg, wenn der Widerstand effektive Strategien und Taktiken benutzt. Eine Guerilla-Armee kann keinen sofortigen Erfolg durch einen frontalen Angriff auf die Hauptstadt erwarten. Sie wissen, dass sie anfänglich Operationen mit geringem Risiko, so wie überfallartige Angriffe, durchführen müssen, und sich die Zeit nehmen müssen, ihre Basis in peripheren Gebieten zu mobilisieren, bevor sie eine Chance haben, die gut ausgerüsteten Streitkräfte des Staates zu schlagen. Es ist gleichermaßen für eine gewaltfreie Bewegung nicht sinnvoll, sich in den frühen Phasen einer Bewegung primär auf die Taktik großer Straßendemonstrationen zu verlassen, sondern besser, ihre Taktiken zu diversifizieren, die eigene Stärke zu verstehen und anzuwenden, und Gelegenheiten zu nutzen, Unterstützung zu mobilisieren und den Druck auf das Regime zu erhöhen. (…)
Damit eine Revolution gegen einen schwer bewaffneten und tief verwurzelten Diktator erfolgreich ist, muss die Oppositionsbewegung einen großen Prozentsatz der Bevölkerung auf seine Seite bringen, so wie es in Tunesien und Ägypten geschah. Der syrische Widerstand muss derart agieren, dass das Regime als illegitim und landesverräterisch rüberkommt, und er selbst als ehrenhaft und patriotisch.
Das Regime hat den zivilen Widerstand mehr gefürchtet als die bewaffneten Gruppen
Es besteht wenig Zweifel, dass das Asad-Regime die Fähigkeit der gewaltfreien Opposition, die Macht des Staates durch die Macht des zivilen Widerstandes zu neutralisieren, mehr gefürchtet hat, als die bewaffnete Gruppen, die die Staatsgewalt dort angreifen, wo sie am stärksten ist – bei ihren Waffen. Sie haben erkannt, dass ein bewaffneter Widerstand die Einheit des Regimes festigen und die Opposition spalten würde. Deswegen hat das Regime so konsequent versucht, die Demokratie-Kräfte Richtung Gewalt zu provozieren. Es hat behauptet, dass sich die Opposition aus Terroristen und bewaffnete Banditen zusammensetzt, selbst während der frühen Monate des Kampfes, als dieser fast komplett gewaltfrei war; es hat begriffen, dass die Syrer bedeutend wahrscheinlicher eher ein Regime unterstützen würden, das durch einen bewaffneten Aufstand herausgefordert wäre als durch eine weitgehend gewaltfrei zivile Erhebung.
Ein Überlaufen von der Regierungsseite zu bestärken ist essentiell. Das Überlaufen von Sicherheitskräften – entscheidend wichtig beim Stürzen eines vom Militär gestützten Regimes – ist bedeutend wahrscheinlicher, wenn ihnen befohlen wird, unbewaffnete Protestierende niederzuschießen als wenn auf sie selbst geschossen wird. Überlaufen ist aber dennoch selten ein physischer Akt von Soldaten, die spontan ihre Waffen niederwerfen, das Schlachtfeld überqueren und sich der anderen Seite anschließen. Nicht jeder kann das. Seitenwechsel findet manchmal in der Gestalt von Bürokraten oder Offizieren statt, die die Effizienz des Regimes durch ruhige Akte von Nicht-Kooperation mindern, wie z. B. dem Nichtausführen von Befehlen, dem Verschwindenlassen wichtiger Papiere, Löschen von Dateien, oder der Weitergabe von Information an die andere Seite.
Durch den Wandel zu bewaffnetem Widerstand wird das, was einmal ein politischer Kampf war, zu einem existentiellen Kampf, und folglich ist es schwieriger, Leute auf seine Seite zu ziehen. Loyalität zum Regime kann zu einem Großteil davon abhängen, wie Leute die Alternative wahrnehmen. Sie müssen entscheiden, ob das Ziel der Opposition ist, ein einheitliches Syrien zu schaffen, in dem alle politischen Fraktionen und konfessionelle Gemeinschaften eine Rolle spielen, oder ob sie einfach nur ihre gefühlten Gegner zerstören wollen. Die Chancen, Asad zu stürzen, werden in hohem Maße gesteigert, wenn die Syrer gezwungen werden, nicht zwischen zwei grausamen Mächten zu wählen, sondern zwischen einem repressive Regime und einer eher geschlossenen repräsentativen Bewegung.
Eine unbewaffnete zivile Erhebung, die der Versuchung widersteht, mit Gewalt zurückzukämpfen, gibt denen, die in einer Position sein mögen, die Seite zu wechseln, wahre Hoffnung, dass sie willkommen sind, sich der Opposition beim Aufbau eines demokratischeren und pluralistischen Systems, an dem sie teilhaben könnten, anzuschließen. Im Gegensatz dazu erhöht eine bewaffnete Bewegung – insbesondere eine, die in Terrorakte verwickelt ist und auf Minderheiten und andere mutmaßliche Unterstützer der Regierung zielt – Befürchtungen, dass sie verfolgt oder gar ausgeschaltet werden, wenn die Opposition gewinnt, und sie werden folglich noch härter kämpfen. Kurz gesagt, bewaffneter Kampf erschwert eher die Auflösung und Einheit eines repressiven Regimes, als dass er es schwächt.
Die kritischste Beschränkung des bewaffneten Kampfes ist, dass sein Auftreten die Anzahl der Teilnehmenden in einer Bewegung oder weit verbreiten Opposition signifikant abnehmen lassen kann, da die meisten Bürger nicht gewillt sind, ihr eigenes Leben zu riskieren. ..Als der bewaffnete Arm der Erhebung anfangs in Syrien, etwa Ende 2011, zu dominieren begann, gab es dennoch noch ziemlich viel gewaltfreien Widerstand. Bis zum 12. April, dem ersten Tag des von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstandes (und dem einzigen Tag, an dem er tatsächlich hielt), gab es die größten Demonstrationen seit Beginn des bewaffneten Kampfes. Nichtsdestotrotz befürchteten Teile der bewaffneten Opposition, dass der Waffenstillstand dem Regime einfach Zeit zum Hinhalten gebe, zum Verordnen einiger Reformen, zum Verfestigen seines Stand, und dazu, unverzüglich den Kampf wiederaufzunehmen. Dies gab dem Regime den Vorwand für einige der schlimmsten Massaker bis dahin, und der Waffenstillstand brach komplett zusammen.
Die New York Times (20.2.12) schrieb, "Dem Asad-Regime gefällt wahrscheinlich die Tatsache, dass die Opposition den bewaffneten Kampf bereitwillig angenommen hat. Dies festigt seine Unterstützung innerhalb seiner Stammwählerschaft – den Alawiten, die etwa 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen – sowie anderen Minderheiten.. Das Regime kann argumentieren, dass es hart zurückschlagen muss, da es sonst selbst massakriert werde." Und tatsächlich, als das Regime in den frühen Monaten des Kampfes letztes Jahr darauf bestand, dass die verschiedenen friedlichen Demonstranten für die Demokratie "Terroristen", "Islamistische Extremisten", "vom Ausland gestützt" seien und auch "ausländische Infiltratoren" umfasse, wurden sie dementsprechend verhöhnt , was dazu diente, das Regime weiter zu delegitimieren. Seit der Hinwendung zu bewaffnetem Kampf entsprechen aber tatsächlich einige Teile des Widerstandes diesen Zuschreibungen.
Als der bewaffnete Widerstand 2012 im späten Frühjahr bis in den Sommer nach dem Scheitern des Waffenstillstands dramatisch eskalierte, hat sich dies für die zivile Erhebung als abträglich erwiesen und die Todeszahlen dramatisch erhöht. Von Mai bis August stieg die monatliche Zahl der Todesopfer von 1322 auf 5039, wohingegen die Zahl der Freitags-Demonstrationen von 834 auf 355 fiel. Später fielen diese auf wöchentlich unter 300. Tatsächlich hatten sie, trotz des Anspruchs, die Zivilbevölkerung gegen die Streitkräfte des Regimes zu schützen, dazu geführt, die Zahl der zivilen Todesopfer zu erhöhen.
Der politische Diskurs ist konfessionell geworden
Ein großer Teil der vorher gewaltfreien Demonstranten haben seitdem den bewaffneten Kampf begeistert angenommen, und angesichts der schrecklichen Repression, der die Opposition von Seiten des brutalen Regimes ausgesetzt wurde, wäre es für Beobachter im Westen schwierig, moralisch über Individuen zu urteilen, die ihre Wahl getroffen haben. Dennoch gibt es für die von uns, die das Asad-Regime durch eine echte demokratische Regierung ersetzt haben wollen, eine Menge Gründe, diese Wahl aus strategischen Gründen zu hinterfragen. Und es gibt viele Syrer, die noch in den gewaltfreien Kampf involviert sind und die dem zustimmen.
Laut dem Demokratie-Aktivisten Haytham Manna´ (22.6.12 The Guardian) hat der Wandel zum bewaffneten Kampf zu einer Fragmentierung der Oppositionsgruppen geführt und dazu gedient, "die breite Unterstützung im Volk zu unterminieren, die nötig ist, um die Erhebung in eine demokratische Revolution zu transformieren. Es machte die Einbindung konkurrierender Forderungen – ländlich vs. städtisch, säkular vs. islamistisch, alte Opposition vs. Revolutionäre Jugend – sehr viel schwieriger". Er beschrieb auch, wie die Militarisierung des Widerstandes "zu einem Rückgang bei der Mobilisierung großer Bevölkerungsteile geführt hat, besonders bei den Minderheiten und denen in großen Städten, und bei der friedlichen zivilen Bewegung der Aktivisten". Weiter beschrieb er, wie der bewaffnete Kampf den Einfluss der Hardline-Islamisten erhöht hat: "Der politische Diskurs ist konfessionell geworden; es hat eine Salafisierung religiös konservativer Sektoren stattgefunden".
Ein anderes Problem beim bewaffneten Kampf ist, historisch gesehen, dass er dazu führen kann, dass das, was unabhängige heimische Bewegungen waren, von ausländischen Mächten abhängig werden, die sie mit Waffen versorgen, so wie es bei verschiedenen weitverbreiteten linken Nationalbewegungen im Globalen Süden während des Kalten Krieges geschah, der damit endete, dass ein Kommunismus sowjetischer Prägung und Moskaus außenpolitische Vorrechte angenommen wurden. Während die ursprüngliche Demokratie-Bewegung Konfessionalismus explizit zurückgewiesen hat, haben die wahabitischen Regime in Saudi-Arabien und Qatar die Herausforderung an Asad, einem Alawiten, als Mittel gesehen, den sogenannten "Schiitischen Halbmond", der sich von Iran über Irak in den Südlibanon zieht, aufzubrechen. Diese autokratischen sunnitischen Monarchien haben definitive keine demokratische Agenda, aber sie haben – dank des bewaffneten Kampfes – einen signifikanten Einfluss entwickelt. Netzwerke am Golf, wie z. B. Wisal und Safa, haben die salafistische Linie gefördert, dass die syrische Revolution nicht als ein vielschichtiger Kampf für Demokratie angesehen werden sollte, sondern als Teil eines globalen "Jihad".
Ausländische Staaten und Unterstützung des bewaffneten Widerstands: Einer desorganisierten und fragmentierten bewaffneten Widerstandsbewegung militärische Unterstützung bereitzustellen bedeutet, dass mehr Leute getötet werden; er schafft nicht notwendigerweise eine disziplinierte kämpfende Macht, die ein gut bewaffnetes Regime schlagen kann, und noch weniger eine stabile demokratische Ordnung schaffen kann. Noch problematischer wäre eine direkte militärische Intervention. Empirische Studien haben wiederholt gezeigt, dass internationale militärische Interventionen in Fällen schwerer Repression tatsächlich kurzfristig Gewalt verschärft und Gewalt nur langfristig reduzieren kann, wenn die Intervention unparteiisch oder neutral ist. Beispielsweise hat der Konflikt im Kosovo 1999 erst nach dem Beginn der NATO-Luftschläge begonnen. Andere Studien zeigen auf, dass ausländische militärische Interventionen tatsächlich die Dauer von Bürgerkriegen verlängern, die Konflikte länger und blutiger und die regionalen Auswirkungen schwerwiegender machen als sie es ohne Intervention wären. Zusätzlich würde eine militärische Intervention eher eine "ohne Bandagen"-Mentalität auslösen, was die Gewalt auf beiden Seiten dramatisch eskalieren lassen könnte.
Ein weiteres Problem ist, dass die Interventionen westlicher Regierungen, und hierbei besonders der USA, in den Augen der Syrer hochgradig suspekt sind. US- Militärinterventionen würde lediglich in die Hände des Regimes in Damaskus spielen, welches jahrzehntelange Erfahrungen darin hat, das starke Nationalgefühl des syrischen Volkes zu seinen eigenen Gunsten zu manipulieren. Das Regime kann anführen, dass die USA der weltweit führende Lieferant für Militärbedarf an die in der Region verbliebenen Diktaturen ist und die "Demokratie-Förderung" als Ausrede dafür benutzt, eine Regierung zu stürzen, die sich Washingtons Plänen für die Region widersetzt.
Und angesichts einer syrischen politischen Medienlandschaft, die in arabischen Nationalismus, Sozialismus und Anti-Imperialismus wurzelt, könnte eine westliche Intervention unbeabsichtigterweise die Mobilisierung Hunderttausender Syrer auslösen – möglicherweise sogar derer, die ansonsten gegen das Regime eingestellt sind – um den ausländischen Invasoren Widerstand zu leisten. Hunderte Syrer haben als Protest gegen das Töten friedlich Demonstrierender die Baath-Partei verlassen und Regierungsposten aufgegeben, aber nur wenige Seitenwechsel wären zu erwarten, wenn Amerikaner und Europäer ihr Land angriffen.
Weiter gibt es angesichts der mittlerweile schwerbewaffneten islamistischen Extremisten und anderer in den Widerstand Involvierten keinerlei Garantie, dass ein Sturz von Asad tatsächlich Frieden bringen würde. US-Besatzungskräfte in Irak haben sich bald inmitten eines blutigen Konfessionskonflikt gefunden und schnell gelernt, dass einige der größten Gegner von Saddam auch ziemlich gewillt waren, ihre Waffen gegen "ausländische Ungläubige" zu richten.
Die Obama-Administration möchte das Asad-Regime fallen sehen, und je eher, desto besser. Dennoch erkennt sie, dass eine ausländische Intervention in Syrien ein bedeutend komplizierteres Vorhaben ist als Libyen. Die Bevölkerung ist mehr als drei Mal so groß, und das Gelände bedeutend schwieriger. Folglich erkennt die Administration, dass es nötig ist, alternative Mittel zur Unterstützung des Widerstandes zu finden.
Zusätzlich zur Bereitstellung humanitärer Hilfe haben die USA der verbliebenen gewaltfreien Opposition Kommunikationsausrüstung und andere Mittel zur Verfügung gestellt. Zusätzlich hat das Office of Syrian Opposition Support (OSOS) des State Department als Kontaktstelle zwischen der internationalen Gemeinschaft und verschiedenen gewaltfreien Oppositionsnetzwerken innerhalb Syriens gedient. Die Obama-Administration scheint zu erkennen, dass dieser Ansatz – der die Unterstützung vieler moderater Syrier und demokratischer US-Verbündeter in Europa und anderswo hat – das realistischste und effektivste Mittel ist, den Widerstand zu unterstützen und eine zweckmäßige Alternative ist, die die Tücken vermeidet, nichts zu tun angesichts der brutalen Repression oder davon, zu einer Partei in einem schrecklichen und sich lange hinziehenden Bürgerkrieg zu werden.
Trotzdem vermischen manche Kritiker diesen angemessen vorsichtigen Ansatz mit Isolationismus, Pazifismus oder Naivität. Beispielsweise behauptet Justin Vela in einem Foreign Policy-Artikel vom 10. Oktober 2012 herablassend, dass die Obama-Administration "auf friedliche Aktivitäten fixiert" sei, und zitiert wohlwollend syrische Militante, die diese Bemühungen als "nutzlos" verspotten. Weiter tut er den Rat des OSOS an Aktivisten als "Zivilgesellschaft-Workshops" ab und impliziert, dass diese sich nicht von denen des National Endowment for Democracy und anderer Gruppen, die liberale Mittelklasse-Wählergruppen in jungen Demokratien unterstützen, unterscheiden. Tatsächlich werden Informationen zur Verfügung gestellt, wie man Widerstandsbemühungen organisiert und mobilisiert, etwas, was auf allen Ebenen der syrischen Opposition so sehr benötigt wird.
Damit eine unbewaffnete zivile Erhebung gelingt, ist es nötig, eine Koalition zu bilden, die weite Teile der Gesellschaft repräsentiert; dies erfordert die Art von Kompromiss und Kooperation, die künftig die Basis für eine pluralistische demokratische Ordnung stellen kann. Als Ergebnis wird die Mehrheit der Länder, in denen Diktaturen durch gewaltfreie Erhebungen gestürzt werden, binnen weniger Jahre stabile demokratische Institutionen und Prozesse etablieren können. Im Gegensatz dazu setzen sich, weil bewaffnete Kämpfe sich auf eine elitäre Avantgarde mit einer strengen militärischen Hierarchie und kriegerische Werte konzentrieren, diese Führungsmuster häufig fort, sobald Militärkommandanten der Rebellen die neuen politischen Führer geworden sind. Die Geschichte hat gezeigt, dass Diktaturen, die durch bewaffnete Revolutionen gestürzt worden sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Diktaturen werden. Es gibt auch eine hohe Korrelation zwischen der Methode des Kampfes und politischer Stabilität: Länder, in denen das alte Regime durch bewaffneten Kampf gestürzt worden ist, erleben eher Bürgerkrieg, Staatsstreiche und in Folge davon eine gefährliche politische Flüchtigkeit. Dies kann besonders angesichts des potentiell explosiven ethnischen und konfessionellen Mosaiks in Syrien zutreffen. (…)
Stephen Zunes ist Dozent für Politik and Lehrstuhlinhaber für Nahoststudien an der University of San Francisco sowie Leiter des wissenschaftlichen Beirat des International Center on Nonviolent Conflict. Sein Artikel erschien zuerst in ForeignPolicy.com am 20.12.2012 und 2013 in The Syria Dilemma, edited by Nader Hashemi und Danny Postel, Massachusetts Institute of Technology (MIT). ©Genehmigung von Prof. Zunes. Aus dem Englischen von Thea Geinitz.