Die Gretchenfrage

Wie hältst Du's mit dem Benzinpreis, sollte das Autofahren teurer werden?

Der prager frühling hat gefragt, Eva Bullung-Schröter, Udo Becker, Nicole Maisch, Björn Böhning und Thomas Händel haben geantwortet. 

 

Eva Bulling-Schröter, Umweltausschussvorsitzende

» „Und wie hältst Du’s mit dem Klimaschutz?“, könnte frau zurückfragen. Schließlich sind die CO2-Emissionen des Verkehrs in der EU zwischen 1990 und 2005 um sage und schreibe 33% gestiegen, vor allem durch den Straßen- und Flugverkehr. Offensichtlich sind Treibstoffe immer noch zu billig. Mittelfristig müssen sie daher teurer werden, etwa durch eine neue Runde Ökosteuern. Doch dies muss begleitet sein durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, von bezahlbaren Bussen und Bahnen mit einem vernünftigen kundenfreundlichen Angebot oder auch durch ein Mobilitätsgeld für Ärmere, denen sonst das mobile Aus droht. Zudem sollten parallel andere, längst überfällige Maßnahmen greifen: Ein Tempolimit von 120 km/h beispielsweise und eine höhere LKW-Maut. Zusätzlich eine tatsächlich CO2-orientierte KFZ-Steuer, die nicht bei Kraftstofffressern gedeckelt ist, wie gegenwärtig der Fall. «

 

Udo Becker, Verkehrsökologe

» Wer auch immer Benzin, Diesel, Kerosin, Schiffsschweröl, Gas oder Kohle verbrennt, verändert das Klima. Vor allem die reichen Länder und Menschen verbrennen viel, sie fahren viel Auto, fliegen viel und sind so überwiegend für den Klimawandel verantwortlich. Und wer trägt die Kosten? Wie immer: die ärmeren und schwächeren Länder und Menschen. Das ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit. Also muss man weniger verbrennen, also müssen fossile Kraftstoffe teurer werden. Was teuer ist, wird weniger verbraucht. Um diese unglaubliche Ungerechtigkeit den Ärmeren und allen künftigen Generationen gegenüber zu beenden, müssen alle fossilen Energien so teuer wie möglich werden! 10 Euro je Liter Benzin sind mir lieber als 5 Euro je Liter! Wenn ich das sage, höre ich immer wieder: „Ja, aber dann dürfen ja nur noch Reiche fahren. Das ist auch ungerecht, so geht es nicht!“ Aber nur so kann es überhaupt gehen! Denn erst dann, wenn etwas teuer ist, fangen alle an, kreativ zu werden! Dann werden Alternativen gesucht, man fährt wieder Bus oder Bahn, manche werden laufen, andere Rad fahren, man kauft mehr in der Nähe ein, bildet Fahrgemeinschaften, und es gibt garantiert noch Unmengen anderer Ideen! Dann reduzieren Millionen Menschen mit Tausenden von guten Ideen die Emissionen — und bleiben dabei mobil, aber eben anders. Mehr in der Nähe. Billiger. Gesünder. Mit weniger Autos, also leiser, sicherer, sauberer. Mit anderen Raumstrukturen, Nachbarschaftsläden usw. Mit weniger Steuern, weniger Krankenkassenbeiträgen, weniger Benzingeld! Die Welt wird mit hohen Benzin- und Dieselpreisen anders sein, aber erst dann können alle mobil sein (auch die ohne Auto), vor allem aber wird sie viel gerechter sein! «

 

Nicole Maisch, Grüne Bundestagsabgeordnete

» Der Wunsch nach Mobilität ist Teil unserer Vorstellung von Freiheit. Dies auf „Auto-Mobilität“ zu verkürzen, verkennt die Vielfalt der heutigen Mobilitätsoptionen. Auf das Auto verzichten zu können und sich mit Bus oder Bahn, Rad oder zu Fuß zu bewegen, macht die Städte lebenswerter. Die Aufgabe für die Zukunft ist, diese Bewegungsfreiheit für alle bezahlbar zu halten mit Preisen, die die ökologische Wahrheit sagen. Der Benzinpreis wird dramatisch ansteigen — ob wir wollen oder nicht. Der Weltmarktpreis für Erdöl richtet sich nicht nach den Wünschen konservativer Kräfte. Das Ende der erdölbasierten Mobilität ist abzusehen. Erdöl wird knapper bei steigender Nachfrage. Die letzten Ressourcen werden unter hohem Aufwand gefördert. Wer in Zukunft Auto fährt, wird das sicher mit neuen Antriebssystemen tun. Hier ist Ordnungspolitik gefragt: strengere CO2- Grenzwerte machen einer trägen Industrie Beine. « 

 

Björn Böhning, Sozialdemokrat

» Mobilität, gerade auch individuelle Mobilität, ist ein hohes Gut. Es ist in Euro eigentlich gar nicht zu beziffern, denn die Möglichkeit, mobil zu sein oder aus unterschiedlichen Mitteln der Mobilität wählen zu können, sichert die persönliche Selbstbestimmung. Autofahren in klassischer fossiler Form wird mit der Endlichkeit des Öls immer teurer. Das zeigt die Erfahrung, das wird die Zukunft lehren. Trotzdem bin ich gegen eine Politik, die Autofahren beseitigt, und für eine Politik, die Mobilität erleichtert und nachhaltigen Individualverkehr ermöglicht. In einer Stadt wie Berlin sehen wir, was dies bedeutet: Einen gut ausgebauten ÖPNV, Barrierefreiheit, damit alle Generationen und Familien Busse und Bahnen benutzen können sowie den Umstieg vom Auto auf E-Mobility- Konzepte. Eine ökologische Steuerreform müsste diese nachhaltige Mobilität für alle sichern und bezahlbar machen. « 

 

Thomas Händel, linker Europaabgeordneter

» Das ist Augenwischerei. Benzinpreiserhöhungen taugen als Steuerungsinstrument wenig. Wohlhabende und jene, die es steuerlich absetzen können, juckt das kaum. Geringverdienende, die vom Auto beruflich abhängig sind, dagegen schon. Autofahren muss vor allem klimaneutral werden. Verbrennungsmotoren sind „tödlich“ fürs Klima — aber immer noch hochprofitabel. Ohne politische Vorgaben werden sie erstmal weiter gebaut. Auf Elektro- und Hybridautos zu setzen, reicht alleine auch nicht. Dazu muss auch die verwendete Energie erneuerbar sein. Das und gut ausgebauter öffentlicher Nah- und Fernverkehr wären die richtige Politik. «