Kleiner Stoff mit großer Wirkung

Man könnte es als Dummheit bezeichnen - vielleicht ist es aber auch eine der vielen Ablehnungen von Bewerberinnen mit Kopftuch, in der nicht scheinheilige Ausreden ausgedacht, sondern gängige Vorurteile offenbar werden. Von vorne: Die 26 Jährige Naime B. bewarb sich nach erfolgreich absolviertem Ingenieur-Architekturstudium bei einem Architektenbüro. Auf ihrem Bewerbungsfoto ist sie freundlich lächelnd mit einem Kopftuch zu sehen. Darauf erhielt Naime unverzüglich eine Ablehnung mit folgender Begründung: „...eine Mitarbeiterin mit islamistischer Grundeinstellung mit dem Symbol des Kopftuches als Unterdrückung der Frauen [kommt] nicht in Frage. Das Kopftuch ist ein Symbol politisch gewollter Unterdrückung und kein Ausdruck persönlichen Glaubens (wie fälschlicherweise oft behauptet wird). Dies können wir in unserem Büro leider nicht akzeptieren."

Naime B. wollte dies nicht akzeptieren - und zog vor das Arbeitsgericht. Das ergangene Gerichtsurteil ist eindeutig (Arbeitsgericht Gießen, Az. 5 Ca 226/09): Die Ablehnung der Naime B. mit dieser Begründung verletzt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). So heißt es in § 1 AGG, dass es Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen wegen Religion oder Weltanschauung zu verhindern oder zu beseitigen; § 7 AGG knüpft an diese Vorschrift ein Benachteiligungsverbot - und dieses gilt bezogen auf ArbeitnehmerInnen ausnahmslos auch für den privaten Bereich.

Ob das Tragen eines Kopftuches in öffentlichen Angestelltenverhältnissen zulässig ist, war dagegen lange umstritten. Das Bundesverfassungsgericht entschied im Präzedenzfall einer Lehrerin in Baden-Württemberg, dass ein Verbot durch die Länder zulässig ist. Bei christlicher Symbolik zeigt sich die Rechtsprechung dagegen nach wie vor uneinig. Grund ist die umstrittene Verankerung der christlichen Religion im Grundgesetz. Auf europäischer Ebene wurde in einem kürzlich ergangenen EUGH Urteil entschieden, dass das Kreuz im Klassenzimmer gegen die Religionsfreiheit verstößt. In Deutschland wäre die klare Trennung von Staat und Religion ein Fortschritt.

Unabhängig von diesen Fragen bleibt das Kopftuch in öffentlichen Diskursen umstritten. Teile der Frauenbewegung lehnen es häufig kategorisch ab. Dabei laufen sie Gefahr, Kopftuch und Unterdrückung der Frau gleichzusetzen und damit einem islamophoben Rassismus Vorschub zu leisten. Auch aus Angst vor fortschreitender „Islamisierung" „unserer" Gesellschaft kommt es zu Ressentiments gegenüber kopftuchtragenden Menschen. Dabei wird gerne übersehen, dass sich in den seltensten Fällen unter dem Kopftuch eine fundamentalistische Gesinnung verbirgt.