Atomlobby gibt sich offen

Die deutsche Atomlobby inszenierte letzte Woche beim ersten Treffen des „Jungen Forums" ihre Offenheit gegenüber UmweltschützerInnen. Man wolle „vorurteilsfrei und unkonventionell" über die künftige Energieversorgung Deutschlands diskutieren, hieß es in der Einladung des Deutschen Atomforums e.V., dem Lobbyverband der deutschen Atomwirtschaft. Das Podium war dann jedoch fast ausschließlich mit VertreterInnen der Atomlobby besetzt.

Zunächst machte der Münchener Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Karsten Reinemann klar, dass in keinem europäischen Land so viel Misstrauen gegenüber den Energieversorgern herrsche wie in Deutschland. Die schwedische Journalistin Therese Larsson pflichtete ihm bei, jedoch sei auch in Schweden das Misstrauen gegenüber dem schwedischen Stromerzeuger Vattenfall groß. Im Gegensatz zu Deutschland gelte Atomenergie in Schweden jedoch als sauber - für das schlechte Image des Konzerns seien die Investitionen in klimafeindliche Kohlekraft und der umweltzerstörende Kohletagebau verantwortlich. Auch Emmanuel Heisenberg, Geschäftsführer eines Biogas-Unternehmens, sieht eine Zukunft mit Atomstrom. Eine „ideologische Anti-Atom Haltung" diagnostizierte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union, Johannes Pöttering, bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung. Auch der Tischtennis-Europameister Timo Boll, der nach eigenen Aussagen „kein Energieexperte" ist, sprach sich für Atomenergie aus und würde auch gerne auf seinem Trikot dafür werben.

Einziger Atomkraftgegner und Einzelkämpfer auf dem Podium war Sven Giegold, der sich momentan für die Grünen um einen Sitz im Europaparlament bewirbt. Selbst Moderator Hajo Schumacher bezog Stellung für die Atomkraft: früher sei er noch mit einem Anti-Atom-Aufkleber auf dem Auto umhergefahren, heute sei das anders.

Eine „vorurteilfreie" Veranstaltung über Atomenergie war die Podiumsdiskussion sicher nicht. Unkonventionell kann man sie aber dennoch nennen: Allein der Veranstaltungsort - ein Berliner Edel-Club mit bestem Blick auf Spree und Potsdamer Platz - dürfte auf GegnerInnen des Atomforums abschreckend gewirkt haben. Diese laufen nämlich meist nicht in teurem schwarzen Anzug oder Abendkleid rum - wie beinahe alle Anwesenden bei dem Schauspiel. Selbst den Knopf im Aufzug musste man nicht selber drücken - ein Angestellter fuhr einen in das oberste Geschoss des Gebäudes mit Glasfassade, dem „40seconds"-Club. So konnte man die AtomkraftgegnerInnen dann auch an zwei Händen abzählen - die restlichen rund 200 Leute waren junge MitarbeiterInnen von Atomunternehmen sowie viele Nachwuchskräfte von CDU und FDP.

Ein weiteres Highlight der „Atom-Inszenierung" lag auf den Tischen und Stühlen: die Zeitschrift „JUnge Generation" der Jungen Union (JU) Berlin-Reinickendorf. Noch in der Einladung zur Veranstaltung hieß es über die Versorgung Deutschlands mit Atomstrom: „Leider wird dieses Thema oft parteipolitisch instrumentalisiert und ideologisch aufgeladen". Die 12-seitige Hochglanz-Zeitung der JU zeigte jedoch ein anderes Bild: Sie lag jedoch nicht nur auf der Veranstaltung des Atomforums aus, sie wurde auch vom Atomforum bezahlt. Im Heft befindet sich eine ganzseitige Anzeige des Atomforums, in der für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke geworben wird. Auch das Cover und ein großes Foto in der Zeitung hat das Atomforum der JU zur Verfügung gestellt:

 

 

Eine in allen Bereichen perfekt geplante Inszenierung: Nun kann das Deutsche Atomforum von sich behaupten, auch mit KritikerInnen gesprochen zu haben. Das hat sich die deutsche Atomlobby gleich über zehntausend Euro kosten lassen - allein Sven Giegold wurden 1.000 Euro Honorar für den Abend angeboten, die dieser jedoch nicht annahm.

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