Die Dominanz des Finanzkapitals überwinden

Das Bankensystem vergesellschaften, Wirtschaftsdemokratie durchsetzen

Die Finanzkrise wie die sich anbahnende Spekulationsblase sind nicht isolierte Krisen eines aus den Fugen geratenen Finanzsektors, sondern Ausdruck der allgemeinen Krise des globalen Finanzkapitalismus, sie sind das Ergebnis von dessen Funktionslogik. "Wenn man diese sich verschlimmernde Krise bekämpfen will, so ist es nötig, diese Logik und die ihr entspringende Politik zu bekämpfen. Wo aber ansetzen?

Die "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" hat ihrem Memorandum 2008 den Untertitel gegeben: Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht. In der Tat ist die zunehmend falsche Verteilung auf diesen drei Feldern wesentliche Ursache für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise des neoliberalen Finanzkapitalismus. Die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Oberschicht lässt das Einkommen der großen Mehrheit der Bevölkerung stagnieren, bei vielen sogar sinken, mit der Folge, dass die Massenkaufkraft immer weiter hinter die Produktionspotenz der Realwirtschaft zurück fällt, und ein immer größerer Teil des gesellschaftlichen Mehrwerts in den Finanzsektor fließt. Die falsche Verteilung von Arbeit führt zu Massenarbeitslosigkeit, längerer und schlechter Arbeit, anstatt dass die steigende Arbeitsproduktivität zu Vollbeschäftigung, ausreichenden Einkommen und kürzerer und besserer Arbeit genutzt würde. Das Diktat des Kapitals in Real- und Finanzwirtschaft führt zu seiner Dominanz im politischen System und führt zu einer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, die dem Finanzkapital und den Reichen zu Diensten ist und den "Rest" der Gesellschaft vor allem als Kostenfaktoren im internationalen Wettbewerb sieht. Emanzipatorische, demokratische Tendenzen sind diesem System fremd, sie sind ihm im Wortsinn "zuwider". Die globale Dimension der Kapitalverwertung gibt dem Finanzkapital die Möglichkeit, Staaten und Bevölkerungen gegeneinander auszuspielen und die Steuer-, Sozial- und Lohnsysteme in ein internationales "race to the bottom", ein Rennen zum unteren Ende zu verwickeln.

Staat und Staatensystem sind mithin Machtinstrumente des Finanzkapitals. Sie sind zugleich aber, wie die Regulationstheorie im Anschluss an Nicos Poulantzas zu Recht nicht müde wird zu betonen, "auch Ausdruck  der sich  wandelnden Kräfteverhältnisse und eine Arena von Aushandlungsprozessen" (Brie/Klein 2008, S. 81) Nur: diese Kräfteverhältnisse ändern sich nicht naturwüchsig, nicht von selbst. Sie ändern sich auch nicht (allein) dadurch, dass linke Wirtschaftstheoretiker und Zirkel kluge Theorien vorlegen, dass eine andere Wirtschaftspolitik und eine andere Welt möglich und machbar seien. Die emanzipatorische Perspektive "bedarf aber neben guten und überzeugenden Argumenten auch der Bereitschaft und Fähigkeit, diese im Konflikt gegen mächtige Minderheiten durchzusetzen" (Memo 2008, S. 20). "Das Kräfteverhältnis verändern" heißt, den sozialen und politischen Kampf gegen das Finanzkapital aufzunehmen und ihm so schnell wie möglich so viel wie möglich an Verfügungsmacht über die gesellschaftlichen Ressourcen zu entreißen. Soziale Bewegungen, der Emanzipation verpflichtete Parteien und vor allem die Gewerkschaften müssen sich, soll es zur Veränderung der Kräfteverhältnisse kommen, in den folgenden Fragen mit weit größerer Kraft einsetzen, als sie ihnen bisher zur Verfügung steht und als bisher von ihnen mobilisiert wurde. Die emanzipatorischen Kräfte sind dabei gehalten, ihre Aktivitäten international zu vernetzen und - wie auch Attac vorschlägt - vor allem auf europäischer Ebene zu gemeinsamen Initiativen und Aktionen zu kommen.

 

Für eine Neuverteilung von Einkommen und Vermögen

In den vier Jahren des Aufschwungs von 2004 bis 2007 hat sich in Deutschland die Kluft zwischen Oben und Unten weiter aufgetan. Die Arbeitnehmerentgelte stiegen nominal um 4,2 %, nach Abzug der Inflation von 7,5 % bleibt ein Minus von 3,3 %. Die Real-Rente sackte um 8,3 % ab, die Bezüge der Hartz-IV-Empfänger um 6,9 %.

Während die große Masse und vor allem die Armen Verluste hinnehmen mussten, stiegen die Einkommen der Reichen sprunghaft an. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen im selben Zeitraum um 38 %, die Gewinne der Kapitalgesellschaften um 53 %, die Profite der DAX-30-Konzerne um 185 % (netto) und die Dividenden um 180 %. Die privaten Geldvermögen stiegen um 21 % auf 4,76 Billionen Euro, das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts. (Vgl. Schmid/Schuhler 2008, S. 2 u. 25)

Diese Umverteilung von Unten nach Oben - die Lohnquote, der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen, stürzte von 2000 bis 2008 von 72,2 % auf 64,0 % - wurde vom Staat kräftig weiter befördert. Nach dem Urteil der OECD hat Deutschland unter den großen Volkswirtschaften bei den Arbeitseinkommen das bei Weitem höchste Belastungsniveau durch direkte Steuern und Sozialabgaben. Bei Gewinn- und Vermögenseinkommen weist Deutschland hingegen eine niedrige Abgabenquote auf. (WSI-Mitteilungen 11/2007, S. 580)

Während die Masse der Bevölkerung immer weniger Kaufkraft in Händen hält, explodieren Einkommen und Vermögen bei den Reichen. Wo aber hin mit dem vielen Geld, wo doch der Markt für die reale Wirtschaft wegen der sinkenden Kaufkraft in Deutschland kleiner wird? Die Antwort findet sich - neben den wachsenden Exportquoten - in den ständig wiederkehrenden Spekulationsblasen mit dem unvermeidlichen lauten Krisen-Knall. Die Umverteilung der Einkommen umzukehren, in Zukunft also von Oben nach Unten, ist eine fundamentale Voraussetzung zur Eindämmung der Geldfluten im Finanzsektor.

Maßnahme Nr. 1 für diese notwendige Umkehr ist der Kampf der Gewerkschaften für eine kräftige Steigerung der Löhne und Gehälter. Dass die Gewerkschaften seit einiger Zeit bereit sind, zumindest in der Phase exorbitanter Profitsteigerungen, für dieses Ziel notfalls harte Konflikte durchzustehen, ist sowohl aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit wie der volkswirtschaftlichen Vernunft lebhaft zu begrüßen. Auch weitere Forderungen zur Hebung des Einkommens­niveaus vor allem der armen Schichten - Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns; Rücknahme der Hatz-IV-Regelung und Verlängerung des regulären Arbeitslosengeldes; Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung - und zur höheren steuerlichen Belastung von Profiten, hohen Einkommen und Vermögen berühren stets auch die Frage der monetären Verfügensmasse von Kapital und Reichen und sind geeignet, einen Teil der überschüssigen Geldfluten trocken zu legen.

 

Für die Neuverteilung der Arbeit

Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit und die eifrig geschürte Furcht vor weiterem Arbeitsplatzabbau v.a. durch Verlagerungen ins Ausland sind das Hauptinstrument der neoliberalen Strategie, um die Umverteilung von Unten nach Oben durchzusetzen und die Arbeiterklasse zu schlechter und schlecht bezahlter Arbeit zu pressen. Die Arbeitsproduktivität hat sich in Deutschland von 1991 bis 2006 um 32,4 % erhöht. Das bedeutet, dass sich die selbe Menge an Gütern und Dienstleistungen wie 1991 15 Jahre später mit ungefähr einem Viertel weniger Arbeitsstunden herstellen ließe. Doch statt diesen langfristigen und erheblichen Produktivitätsfortschritt zu nutzen zur Vollbeschäftigung in Form von kürzeren Normalarbeitsverhältnissen für alle, hat man diese abgebaut, aber mit mehr Arbeitszeit versehen, während man andererseits Leih-, Teilzeit und sonstige prekäre Beschäftigung ausgebaut und seit Jahren einen hohen Sockel von Massenarbeitslosigkeit beibehalten hat.

Heute sind 2,2 Millionen Personen weniger in Vollzeit beschäftigt als im Jahr 2000; dafür ist die Teilzeitbeschäftigung in der selben Zeit um 2,3 Millionen gestiegen. Die wahre Quote der Arbeitslosigkeit lag 2007 - alle Tricks mit BA-Maßnahmen, Arbeitslosen im Vorruhestand u.ä. berücksichtigt - bei 12,5 %, mehr als 5,5 Millionen Menschen. (Schmid/Schuhler 2008, S. 31)

Die "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" schlägt drei Ansatzpunkte zur Erreichung des Vollbeschäftigungszieles vor: öffentliche Investitions- und Beschäftigungsprogramme; energische Arbeitszeitverkürzungen und die Ausweitung öffentlich geförderter Beschäftigung. (Memo 2008, S. 13) Alle drei sind zielführend, entscheidend wird aber die Frage der Arbeitszeitverkürzung sein. Die AG rechnet vor, dass wir es - bei derzeitigem Bruttoinlandsprodukt und derzeitiger Arbeitsproduktivität - mit einem Arbeitsvolumen von 56 Milliarden Arbeitsstunden zu tun haben. Würde man dieses Arbeitsvolumen auf die 44 Millionen Erwerbstätigen aufteilen, käme man (rein rechnerisch, die exakte konkrete Zahl wäre abhängig von der realen Neuorganisation des "gesellschaftlichen Gesamtarbeiters") bei 45 Arbeitswochen auf eine individuelle Wochenarbeitszeit von rund 28 Stunden. Wir könnten also, Stichwort: Kurze Vollzeit für alle, rein rechnerisch auf Vollbeschäftigung mit Voll-Arbeitszeit - 28 Wochenstunden - bei einem auskömmlichen Lohn kommen.

Offensichtlich scheuen sich die Gewerkschaften, den Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich mit der selben Kraft zu führen wie in jüngster Zeit die Lohnkämpfe. Sie befinden sich hier auch angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Exit-Option (Produktionsverlagerung ins Ausland) in einer schwierigeren Position. In Betriebsvereinbarungen und manchen Tarifverträgen finden sich seit Jahren vielmehr Arbeitszeitverkürzungen mit Lohnverzicht und auch Arbeitszeitverlängerungen. Dieser Weg zementiert die Macht und die Ausbeutungspotenz des Kapitals. Eine Strategie der emanzipatorischen Kräfte muss die Frage "Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich" und "Beschäftigung für alle, die einen Arbeitsplatz suchen" jedoch in den Mittelpunkt rücken. Hier geht es um den Kern des Klassenverhältnisses: Wie lange und wie intensiv kann der Kapitalist den Arbeiter ausbeuten.

 

Die Macht neu verteilen

Das Bankensystem vergesellschaften

Im Funktionssystem des Finanzkapitalismus haben die Banken eine zentrale Bedeutung. Sie dirigieren zu einem Großteil den Fluss des für die Reproduktion der Realwirtschaft "überflüssigen" Mehrwerts von dort in den Finanzsektor. Und umgekehrt organisieren sie an vorderer Stelle die Mittel aus dem Finanzsektor für die Realwirtschaft und die entsprechenden Ansprüche des Finanzsektors an die Rendite der realwirtschaftlichen Unternehmen. In kurzen Intervallen haben deren Manager den Analysten aus den Geldhäusern die Güte ihrer "Performance" zu beweisen. Ob Unternehmensübernahmen, Aktienemissionen, Ausgabe von Anleihen, Verbriefung von Krediten, Ausgabe von Krediten an Hedgefonds und andere - die Banken sind die zentralen Instanzen. Die Vorstellung, die Finanzmärkte demokratisieren zu können, im Interesse der Allgemeinheit funktionieren zu lassen, ohne dem Finanzkapital die Verfügung über die Banken zu nehmen, ist eine Illusion. Die Banken müssen vergesellschaftet werden.

Nicht verstaatlicht. Zwar können Verstaatlichung und auch die Ausdehnung des Sektors der öffentlichen und der Genossenschaftsbanken nützliche Zwischenstufen sein, doch würde Verstaatlichung unter den gegenwärtige Umständen nichts anderes bedeuten, als die Banken unter die Kuratel der politischen Eliten des Neoliberalismus zu stellen. Die würden, ohne den organisierten Anspruch demokratischer Kräfte auf Mitentscheidung, nur unwesentlich anders funktionie-ren als die Manager-Eliten des Finanzsektors. Das miserable Abschneiden der öffentlich-rechtlichen Banken in der Subprime-Krise beweist dies. Sie dürften Verluste nicht unter 20 Milliarden Euro gemacht haben. Die Finanzkapital-Propaganda fasste die Gelegenheit flugs beim Schopf. "WestLB, IKB & Co. haben damit den letzten Kredit verspielt", verkündete das ManagerMagazin (4/2008, S. 39). Immerhin weisen die sieben selbständigen Landesbanken und 460 Sparkassen 33,5 % der gesamten Bilanzsumme des deutschen Bankensektors auf, drei Prozentpunkte mehr als die Kredit- und Privatbanken. Hier liegt ein hoch begehrtes, großes Profitfeld für die private Bankenwirtschaft.

Nur: Wenn die öffentlich-rechtlichen Banken mit der Finanzkrise ihren letzten Kredit verspielt haben, dann gilt dies noch viel mehr für den privaten Bankensektor. Denn dieser, allen voran das Flaggschiff, die Deutsche Bank, hat noch weit größere Abschreibungen aus der Hypothekenpleite vorzunehmen als die Landesbanken. Wie berichtet wird, haben die Privatbanken im Übrigen noch verbriefte Kredite an die öffentlichen Banken verkauft, als sie selbst schon von der Fäule dieser Wertpapiere überzeugt waren. Richtig müsste es also heißen: Das gesamte jetzige Bankensystem hat den letzten Kredit verspielt Das System hat, wieder einmal, bewiesen, dass ihm Habsucht und Profitgier über jede soziale Verantwortung gehen. Seine Manager zu den Treuhändern eines dem Gemeinwohl verpflichteten Finanzsektors zu erklären, hieße, die Feuerwehr ausschließlich mit Pyromanen zu besetzen.

Was bedeutet Vergesellschaftung? "Die Verfügung über Ressourcen durch eine Pluralität von demokratischen Kräften ist das Ziel - damit soziale Gerechtigkeit und Effizienz, Innovation und Nachhaltigkeit, regionale Entwicklung und Solidarität, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Entwicklung zugleich verwirklicht werden können." (Brie/Klein 2008, S. 87). Aber welche Pluralität, wer soll bestimmen über die Ressourcen der einzelnen Banken und schließlich des ganzen Bankensektors und der internationalen Kooperation der Banken? Brie/Klein ziehen sich damit aus der Affäre, dass sie sagen, dies könne nur im Demokratisierungsprozess selbst bestimmt werden: "Was die bestmöglichen Bedingungen für die Entfaltung des Humanreichtums anstelle des Kapitalreichtums, einer dominant sozialen gegenüber einer dominant kapitalistischen Eigentumsordnung sind und wie die Eigentumsverhältnisse konkret zu gestalten sind, kann nur in einem radikalen Demokratisierungsprozess bestimmt werden." (A.a.O., S. 86). Das ist natürlich immer richtig, vor allem, wenn man die Forderung der "bestmöglichen Bedingungen" stellt, aber es verrät nicht, wie man denn nun in diesen Demokratisierungsprozess einsteigen könne.

Dabei gibt es auf den einzelnen Ebenen längst eine "Pluralität von demokratischen Kräften", die den Anspruch erheben können und müssten, bei den substantiellen Entscheidungen der Banken mitzureden. Zunächst einmal gibt es die Vertretungen der jeweiligen Belegschaft. Es existieren darüber hinaus gewerkschaftliche Organe, Arbeitsloseninitiativen, soziale Bewegungen aller Dimensionen, von Initiativen für die Dritte Welt bis zur Entwicklung regionaler Genossenschaften, örtliche und überregionale Sozialforen, kommunale Einrichtungen, Verbraucherorganisationen usw., die vom Interesse, von der Sachkenntnis und ihrem sozialen Gehalt her prädestiniert sind, bei den Entscheidungen der Banken eine wichtige Rolle zu spielen. Entscheidungen, die von großem Gewicht für die regionale Entwicklung, für die Schaffung von Arbeitsplätzen, für die Entwicklung sozialer Projekte, für den Umgang mit Projekten und Menschen in anderen Ländern sein können.

Die Betroffenheit und auch der Sachverstand sind da, doch was den meisten in Bewegungen und Gewerkschaften noch fehlt, ist der Begriff von der eigenen Bedeutung, der eigenen Verantwortung und der Entschlossenheit, sich auf die mit Sicherheit zu erwartenden Konflikte einzulassen. Banken? Das ist doch ganz kompliziert, für Fachleute, da ist die Gegenseite immer im Vorteil. In Wahrheit ist es aber keine Frage der Expertise in den Techniken des Bankgeschäfts - und auch solche Probleme wären schnell zu meistern - es geht vielmehr in erster Linie um die strategischen Fragen: Für wen und für was soll Geld ausgegeben werden, und wer soll daran wie viel verdienen? Das verstehen die Aktiven aus den Bewegungen und Gewerkschaften mindestens so gut wie die Banker - sie haben nur andere Kriterien. Und eben darum geht es.

 

Die Wirtschaft demokratisieren

Wir haben wiederholt den engen Zusammenhang von Realwirtschaft und Finanzsektor zur Sprache gebracht, und er muss auch hier, beim Versuch der demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte beachtet werden. Der Bankensektor ist heute das entscheidende Scharnier zwischen Realwirtschaft und Finanzsektor. Die gewaltigen Überschüsse entspringen dem realen Sektor und landen mit der Hilfe der Banken auf den Finanzmärkten. Aus diesen wiederum strömt Maximalprofit heischendes Kapital in den realen Sektor zurück. Würde nun der Bankensektor demokratische Elemente aufweisen, die einen solchen Kreislauf und die spekulative Verwertung der Profite im Finanzsektor behindern, würden sich die Großkonzerne der Realwirtschaft ohne Schwierigkeiten andere Kanäle zwischen Real- und Finanzwirtschaft organisieren. Eine auf den Finanzbereich isolierte demokratische Kontrolle würde verpuffen.

Es gibt weitere Argumente, warum in den Transformationsprozess zu einer sozial bestimmten bzw. zu einer sozialistischen Gesellschaft neben den Banken die Großkonzerne der Realwirtschaft zu demokratisieren sind. Nicht nur realisiert sich mit den Arbeitsprozessen dort, was aus dem kreativen und emanzipatorischen Potential der Beschäftigten in Wahrheit wird, mit den Investitionsentscheidungen der Unternehmen wird u.a. auch über die Zukunft der Wirtschaft und der Umwelt der Region und über die materielle Perspektive der Erwerbspersonen entschieden. Insofern als die Profiträume längst globale Dimension erreicht haben, wird mit den Investitions-entscheidungen der Transnationalen Konzerne (TNK) auch über das Schicksal der Menschen in anderen Ländern entschieden. Ein Konzern wie Siemens betreibt Niederlassungen in über 180 Ländern, allein in den USA beschäftigt Siemens über 80.000 Menschen. Um dem Wirken der TNK, die das Weltwirtschaftssystem von den Produkten, den Arbeitsprozessen, von den Arbeitslosenzahlen und dem Vormarsch von Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger her prägen, eine globale soziale Qualität abzuringen, braucht es gewiss und dringend internationale Absprachen und Regelungen. Ein wesentlicher Faktor zum Besseren aber könnte die Mitsprache am Heimatort der Entscheidungen darstellen, die Mitentscheidung durch die von den Konzernentscheidungen betroffenen Gruppen in der Gesellschaft.

Über diese notwendige Alternative zum Finanzkapitalismus gibt es zahlreiche, auch konfligierende Vorstellungen. In der Vorbereitungsgruppe zum Attac-Kapitalismus-Kongress 2009 wurden allein zehn solcher Alternativ-Entwürfe notiert Wir plädieren hier für die Implantierung wirtschaftsdemokratischer Elemente, aber nicht, wie im Attac-Papier, verstanden als Teil einer grundlegenden Regulierung des Finanzkapitalismus, sondern als den Aufbau nichtkapitalistischer Positionen in den Entscheidungszentren, um darüber die Kapitaldominanz gründlich aus Wirtschaft und Gesellschaft zu vertreiben.

Das Konzept der Wirtschaftsdemokratie in seiner ganzen Fülle ist komplex und, selbstverständlich, nicht in allen Teilen ausgegoren. Es ist gewiss zutreffend, dass über die Details und die Etappen der Kämpfe die konkrete Auseinandersetzung und die dabei gemachten Erfahrungen und erzielten Erfolge und Misserfolge Aufschluss geben werden. Ebenso zutreffend ist jedoch, dass die gegenwärtige Finanzkrise und die allgemeine Vertrauenskrise des Neoliberalismus Hinweise liefern, wo die demokratische Bewegung jetzt sofort ansetzen kann.

Nämlich:

1)  Die schon vorhandene betriebliche und Unternehmensmitbestimmung muss erweitert werden, so dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ein Vetorecht gegen Übernahmen durch Finanzinvestoren haben.

2)  Diese qualifizierte Mitbestimmung mit Vetorecht muss erweitertet werden auf alle Entscheidungen, die die Entwicklung der Beschäftigung betreffen. Dazu gehören vor allem auch der Verkauf von Unternehmensteilen und Produktionsverlagerungen ins Ausland oder an andere Standorte im Inland.

3)  Zu den Entscheidungen über die Investitionsstrategie des Unternehmens werden auf Initiative der Arbeitnehmerseite soziale Bewegungen und kommunale bzw. regionale Interessensvertreter eingeladen. Deren beratende Stimme soll zügig in echte Mitentscheidungsbefugnis übertragen werden.

Der Offenbarungseid des Finanzkapitalismus in der Finanzkrise und die heraufbrandende Krise bei den Nahrungsmitteln und Rohstoffen muss für die demokratischen Kräfte ein Impuls sein, mit aller Kraft in die Entscheidungszusammenhänge eines Kapitalismus einzugreifen, der den historischen Aufgaben nicht nur nicht gewachsen ist, sondern der sich immer mehr als elementare Gefahr für Menschen und Natur der Erde erweist.

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aus isw-report 75: Finanzkapital - "Entwaffnet die Märkte!" - Spekulation. Krisen. Alternativen.

September 2008, 56 Seiten, 4,- EUR zzgl. Versand